KONFI-IMPULSE zu 2. Mose 20, 1-17 von Steffen Kaltenbach
20,1

KONFI-IMPULSE zu 2. Mose 20, 1-17 von Steffen Kaltenbach

Predigttext: Dekalog (Ex 20,1-17)
Der Dekalog findet sich im Katechismus ganz vorn. Diese Stellung wirft ein Bild auf die binnenreformatorische Debatte um den Gebrauch der Gebote. Jugendliche wollen sich in aller Regel erst einmal keine Vorschriften (mehr) machen lassen. „Wir sind doch keine Kinder mehr!“, das klingt wie der Ruf des breiten „Flügels“ der Reformation, der den tertius usus legis ablehnte. Trotzdem begegnen Jugendlichen permanent Regeln, sei es in der neuen Schulklasse, sei es in der Konfigruppe. In Vorbereitung des Gottesdienstes liegt die klassisch gewordene Übung nahe, in der Gruppe Regeln für ein gelingendes Zusammenleben (zum Beispiel für die neu in Fahrt gekommenen Konfigruppe) zu erarbeiten. Solche selbst entworfenen Regelwerke kommen dem Dekalog in weiten Bereichen recht nahe. Und deren Umsetzung fordern die Konfis dann auch ein. Ein Vergleich zwischen selbst gewählten Regeln und dem Dekalog lohnt sich.
Das Bild der beiden Tafeln lenkt die Wahrnehmung auf die bei Konfis zunächst fehlende Dimension der Gebote, die primär dem Schutz der Würde (Heiligkeit/Ehre) Gottes dienen. Hierzu fällt mir stets der Verweis auf Jugendliche türkischer Herkunft ein, die größten Wert auf ihre unbefleckte Ehre legen, wie sie in deutschen Familien kaum zum Thema wird.
Den Namen nicht in den Schmutz ziehen: Ich erinnere an Mobbingsituationen, in denen die Verballhornung des Namens oft eine Rolle spielt. Gleichzeitig stellt sich Gott zu Beginn des Dekalogs mit Namen vor: Für mich eine der großen Herausforderungen auf dem Hintergrund des jüdisch-christlichen Dialogs: Soll man Gottes Namen gar nicht mehr in den Mund nehmen, wo Gott selbst nicht nur als „Gott“, sondern mit seinem Namen in die Geschichte eintritt? Mit meinen Konfis könnte ich die Frage diskutieren. Wie nah, wie unnahbar ist Gott eigentlich? Und wie rede ich ihn an?
Dann: Gott stellt sich als Retter, als Befreier vor. Diese Erinnerung fällt bei der Zitation des ersten Gebotes aus Kürzungsgründen oft unter den Tisch, lässt aber die Gebote des Dekalogs erst als Konsequenz aus dem Evangelium (der hebräischen Bibel!) erkennen. Der Inanspruchnahme des Menschen geht seine Befreiung voraus.  Hier liegt ein zentraler Anknüpfungspunkt für die Frage der Erfahrung: Glaube, Vertrauen, und Ethik, Handeln beziehen sich auf Erfahrungen mit Gott - und sei es die Erfahrung mit der Erfahrung der anderen. In der Religionspädagogik reden wir von Relevanz: Spielt Gott in meinem Leben oder für mein Leben eine Rolle? Wenn nicht, dann lohnt keine weitere Anstrengung, schon gleich gar nicht die Anstrengung, Gebote zu lernen oder gar zu leben. Die Einheit „Spin“ von Bernd Wildermuth (anknüpfen update 7 – Lebensrelevanz, S. 84-88) bietet sich an.
 „Ich bin JHWH, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Fremdbestimmung herausgeführt habe.“ Wo könnte Gott mich/uns herausholen? Was ist mein/unser „Ägypten“? Eine Collage gäbe dieser Frage einen stimmigen Gestaltungsraum.
Gott Gott sein lassen:  „Keine anderen Götter!“ Woran hängt mein Herz? Wem kann, will ich vertrauen? (Luther,  Gr. Katechismus zum 1. Gebot, BSELK S. 560, 23). Und: Keine Bilder! In unserer multimedial beschleunigten Bilderflut unvorstellbar oder gerade jetzt wertvoll wie nie zuvor?
Sabbat: Ohne Sonntag/Feiertag wäre jeden Tag Schule! Was aber fange ich mit meiner Freizeit an?  Geht das: Sonntag ohne Hausaufgaben und Klassenarbeitsvorbereitungen?
Eltern respektieren: Wie sieht das aus?
„Den bring ich um…!“ Wohin mit meiner Wut?
„Mamas Neuer“: Familien-Bande sind Sollbruchstellen. Da kann man nichts machen!? Wer ist für mich meine Familie, wer ist mir wichtig? Jesus und seine Familienkritik – eine Chance zu neuen sozialen Verknüpfungen.
Menschenraub und Freiheitsberaubung: Für Konfis ist der globale Markt der Prostitution wie der Menschenhandel mit Flüchtlingen kein primärer Erfahrungsrahmen. Spannend aber wäre die Diskussion über Lebenssituationen, in denen ein Gegenüber zum Objekt meiner Bedürfnisse gemacht wird. Sexualität („Sex ohne Liebe“, die Verfügbarkeit von Bildern im Internet und auf dem Smartphone) oder Machtausübung sind Themen bei Konfis.
„Der Ehrliche ist der Dumme“ – Was zählt noch die Wahrhaftigkeit? Trotzdem: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“ Freundschaften oder vermeintliche Freundschaften scheitern an übler Nachrede oder an Lügen.
Und schließlich der Neid und seine Rückseite, das Herausstellen von Eigentum: Der hat alles, ich habe nichts. „Haste was, dann biste was, haste nichts, dann biste nichts.“ Unsere materialistisch ausgerichtete Konsumwelt kennt große Unterschiede, die aber keiner sehen soll: Welche Kleidung bringt jemand zur Konfifreizeit mit? Wer fährt überhaupt nicht mit? Wie viel bekommst du für deine Konfirmation? Was verdient dein Vater? Das letzte Paket der zehn Gebote legt die Besitzgarantie nahe. Doch andere Worte der Schrift reden von Solidarität und Ausgleich. Wie gehen wir mit unterschiedlichem Besitz um? Die Frage nach der Gerechtigkeit wird erlaubt sein.
Zum Schluss zurück zum Anfang: Der Dekalog folgt dem Bundesschluss. In der Erinnerung an die je eigene („Du“) Verantwortung für das Zusammenleben steckt die Erinnerung an die Verantwortung vor Gott. Gott knüpft verlässliche Freundschaftsbänder. Er erinnert an seinen Traum von Freiheit. Es ist nicht zuletzt das Band der Liebe zwischen Gott und Mensch, das beim Reißen der zwischenmenschlichen Bande strapaziert wird. Und es ist die uns geschenkte Freiheit, die wir mit der Verantwortungsvergessenheit riskieren.
Viktor E. Frankl stellte vor Jahren in einer Rede die Notwendigkeit von Freiheit und Verantwortung mit dem schönen Bild in den Raum: Nachdem die Amerikaner in New York aller Welt die Statue of Liberty zeigen, sollten sie ihr in San Francisco eine statue of responsability zur Seite stellen.
Zur Darbietung im Gottesdienst:
Lesung je eines Gebotes durch eine Konfirmandin/einen Konfirmanden, dann jeweils Zweitlesung in der futurischen Form: Du wirst nicht …
Hinzu könnte eine in der Gruppe entstandene aktualisierte und vielleicht positiv gestaltete Formulierung treten. Ein Beispiel aus meiner Gruppe: Du sollst nicht begehren … : Gönne dem Andern seine Freude an … .
Schön wäre die verstärkende Erinnerung an den Freiheitsgehalt der Selbstvorstellung Gottes:
  Leser 1: Ich bin der Herr dein Gott,
Leser 2: der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe.
Leser 1: Du sollst keine andern Götter haben neben mir.
Besonders wertvoll, weil der Text in der von Luther geprägten Sprache so stark ins Gehör der Älteren eingeschliffen ist, ist die Übersetzung der „Bibel in gerechter Sprache“. Sie ist zudem an dieser Stelle hochmodern konkret.
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  Gottesdienst mit Konfirmandinnen und Konfirmanden
  Thema: Die 10 Gebote – Sind Gebote einengend oder haben sie einen tieferen Sinn?

Ideen:
·        Psalm 1 aktualisiert und reformuliert von Konfis vortragen lassen (im KU vorbereitet)
·        Lesung: Mk 12,28-34 (Das höchste Gebot) von Konfis gesprochen: Gruppe von Schriftgelehrten – Jesus – Erzähler
·        Stationenlauf zu den 10 Geboten im Kirchenraum. Bilder/Comics/Fotostories, die im KU zum Thema 10 Gebote entstanden sind.
·        Alternative zum Stationenlauf: PPP der Bilder/Comics/Fotostories auf Leinwand. Dabei denkbar auch Fotografien von Standbildern, die die Konfis im KU zu den einzelnen Geboten entworfen haben.
·        Konfis formulieren Statements zu den Geboten (Engen Gebote ein? Sind Gebote sinnvoll?...) – diese Statements werden im Gottesdienst vorgetragen.
·        Die Toten Hosen: „Die 10 Gebote“ als Hinführung zum Gedanken, dass Gebote einengend wirken können, unmöglich zu befolgen sind und ihr Sinn nicht gleich erkennbar ist.
·        Inhaltlicher roter Faden: Sind Gebote einengend? – Kann so scheinen – Sie sind aber sinnvoll, da sie einen einleuchtenden Fokus haben: Das Doppelgebot der Liebe, das zu gelingendem Leben führen will.
Verfasser: Württembergische Vikar/innen, erarbeitet im Rahmen der Vikarsausbildung