Predigt in vier Bruchstücken - zu Johannes 6,1-15 - von Christine Hubka
6,1-15

Predigt in vier Bruchstücken - zu Johannes 6,1-15 - von Christine Hubka

Predigt in vier Bruchstücken

Vorbemerkung:
Ich nehme auf die Kanzel ein Fladenbrot mit und breche es während der Predigt in vier Stücke.

Möglich wäre, zwischen den „Bruchstücken“ kurz Musik zu spielen

1In jenen Tagen fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt.
2Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.
4Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.
5Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?
6Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.
7Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme.
8Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus:
9Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?
10Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
11Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten.
12Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.
13Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
14Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
15Als Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein. Joh 6,1-15
***

Das Brot wird gebrochen. In viele Stücke.
Bruchstücke von Brot machen satt.
Ich nehme diese Geschichte und ihre Botschaft so wie das Brot
in die Hand, breche sie und reiche euch die Bruchstücke.
Gebe Gott, dass sie satt machen, wie das gebrochene Brot im Evangellium.

Das erste Stück

Bevor man etwas anfängt, ist es ist gut, die Kosten zu überschlagen.
Der Apostel Philippus kann rechnen und hat es durchkalkuliert:

Geschätzte 200 Silbergroschen, also 200 Tageslöhne, wären nötig,
um diesen vielen ein Abendessen zu geben.

Man kann das auch anders ausrechnen:
200 Menschen von diesen geschätzten 5000 Anwesenden müssten jeweils
einen Tageslohn zur Verfügung stellen.
Oder
400 Menschen von diesen geschätzten 5000 müssten jeweils
einen halben Tageslohn zur verfügung stellen.
Oder
800 Menschen von diesen geschätzten 5000 müssten jeweils
einen viertel Tageslohn zur Verfügung stellen.
Oder
1600 Menschen einen achtel Tageslohn.
Oder
3200 Menschen einen sechzehntel Tageslohn.

Aber niemand von denen, die anwesend sind,
haben irgend etwas, so scheint es, in ihren Taschen.
Weder einen ganzen Tageslohn noch einen sechzehntel Tageslohn.
Der Kollektenteller bleibt leer.

Das zweite Bruchstück

Da ist ein Kind.
Das Kind hat keinen Tageslohn, es ist wohl noch nicht im arbeitsfähigen Alter.
Aber es hat 5 Brote und 2 Fische.

Wieso hat das Kind etwas in seiner Tasche und alle die anderen,
die vielen Erwachsenen, haben nichts?
Wer ist dieses Kind, das im Vergleich zu allen anderen so unsäglich reich ist?

Als ich ein Kind war, haben wir uns unterhalten über unser Taschengeld.
Wie viel bekommst du?
Wie viel kriegst du?
Wir haben verglichen und geschaut, gestaunt über viel und wenig.
Wir waren auch ein bisschen neidig,
wenn jemand doppelt oder dreimal so viel bekommen hat.
Was musst du dafür kaufen? Ach so, da sind die Schulsachen dabei.
Da muss man natürlich anders rechnen,
als wenn das Taschengeld nur für Vergnügungen auszugeben ist.

Als ich ein Kind war, wusste ich nicht, wieviel mein Vater verdient.
Meine Mutter wusste es auch nicht.
Das bestgehütete Geheimnis meiner Großmütter, die im gleichen Haushalt lebten,
war die Höhe ihrer kleinen Witwenrente.
Nie und nimmer hätten sie jemandem verraten,
welchen Betrag der Geldbriefträger ihnen am Monatsersten ins Haus bringt.

Wer etwas hat, sei es Geld oder Besitz, spricht nicht darüber.
Die anderen könnten ihn oder sie sonst für reich halten.
Niemand will reich sein in diesem Land.
Reich sein macht Angst.
Die anderen könnten neidig werden.
Sie könnten versuchen, mir das Meine wegzunehmen.

Kinder freuen sich über das, was sie haben:
Schau, ich habe eine neue Uhr.
Die hat mir die Oma zum Geburtstag geschenkt.
Ich habe ein neues Handy für mein Zeugnis bekommen.
Die Freude an dem, was ein Kind hat, steigt, wenn andere es zu sehen bekommen.
Wenn eines meiner Enkelkinder, sagen wir, eine Tafel Schokolade bekommt,
kommt automatisch die Frage: Kriegen die anderen auch eine,
oder muss diese hier für uns drei reichen?
Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, geht es mit der Schokolade weiter.

„Wer hat etwas mit, das wir zusammenlegen können?“
So stelle ich mir vor, haben die Jünger in die Menge hinein gefragt.
Und das Schweigen, das auf diese Frage antwortete, stell ich mir auch vor.
Verlegen schauen die Leute zu Boden.
Manche zucken leicht mit den Schultern.
Manche tun so, als hätten sie nicht verstanden.
Sie stehen ja ganz  hinten, da muss man nicht jedes Wort verstehen.
Der Wind verweht ja das eine und das andere Wort.
Da wird wohl mancher reflexartig die Hände in den Hosensack gesteckt haben,
und sein Kleingeld oder auch das große fest umklammert haben.

Und dann eine kleine helle Stimme:
Ich hab was. Fünf Brote und zwei Fische.
Das vorlaute Kind. Naseweis ist es. Es muss noch viel lernen.
Es muss lernen so zu tun, als würde es nicht merken,
was jetzt nötig ist.
Es muss noch lernen, zu denken und zu sagen:
Wieso gerade ich?
Wieso soll gerade ich in diese Situation etwas einbringen?
Da sind doch so viele andere.
Die sollen erst einmal was tun. Vielleicht mache ich dann mit.
 
Ich breche das 3. Stück ab

Es geht sich nicht aus.
Es kann sich nicht ausgehen.
Die Vernunft sagt es uns. Die Erfahrung lehrt es uns.
Wer es nicht glaubt, kann ja nachrechnen:

Fünf Brote. Zwei Fische. Geteilt durch ganz viele.
Durch fünftausen oder fünfhundert.
Das geht einfach nicht. Da hat dann keiner mehr was davon.
Oder meinetwegen nur durch fünfzig geteilt.
Das geht sich auch nicht aus.
Bei fünf kann man darüber reden:

Fünf Brote, zwei Fische. Da werden fünf schon satt.
Festmahl ist es dann aber immer noch nicht.
Denn wir fünf essen dann mehr trockenes Brot als saftigen Fisch.
Weil das Saftige, das Gschmackige das ist ja nur bescheiden vorhanden.
Zwei Fische für fünf Leute. Spärlich, spärlich ist das.
Eigentlich gehört zu einer anständigen Mahlzeit pro Person ein Brot und ein Fisch.

Also: Wir haben selber nicht genug, wir fünf, wenn man das genau betrachtet.
Darum nehmen wir jetzt die fünf Brote und die zwei Fische und schauen,
dass wir weiter kommen.
Wir ziehen uns irgendwohin zurück, wo die anderen nicht so schnell nachkommen.
Dort werden wir dann unser kärgliches Mahl einnehmen.
Niemand hat etwas davon, wenn auch wir hungrig bleiben.

Viertes und letztesBruchstück

Am Ende des Gottesdienstes werden wir gebeten,
etwas in die Kollekte zu geben.
Für das eine oder das andere Projekt österreichweit.
Das ist die sogenannte Pflichtkollekte.
Für die Arbeit der eigenen Gemeinde, das ist die freie Kollekte.

Beim Schlusslied oder beim Orgelnachspiel kramen wir in unseren Taschen.
Wieviel gebe ich in die Kollekte?
Bei mir hängt es schon davon ab, was damit geschehen wird.
Für manches mag ich mehr geben.
Für manches gebe ich weniger.

Schaut einmal euch selber und anderen zu, wie wir das machen,
Geld in die Kollekte werfen.
Wir halten den Schein oder die Münzen verborgen in der Hand.
Möglichst unauffällig legen wir sie ins Körbchen ein.
Niemand soll sehen, wie viel oder wie wenig ich diesmal gebe.

Vor kurzem habe ich einen Gottesdienst gemeinsam mit der Ghanaischen Gemeinde mitgefeiert.
Dort in Afrika wird Kollekte ganz anders gegeben.
Mitten im Gottesdienst wurde ein Tischchen mit eine Korb vor den Altar gestellt.
Die Leute, wir alle, haben uns in einer langen Reihe aufgestellt.
Unter Musik – der Chor hat gesungen - sind wir durch die Kirche getanzt.
Vorbei an dem Tischchen mit dem Korb.
Ganz offen und vor aller Augen haben wir unsere Gabe in den Korb gelegt.
Dann sind wir zurück auf unsere Plätze – natürlich im Tanzschritt.

Das ganze hat bei der vollen Kirche eine gute viertel Stunde gedauert.
Danach war die Atmosphäre energiegeladen, fröhlich, voller Kraft.
Alles wäre möglich gewesen nach diesem Gottesdienst.
Jeder Hilfsbedürftige hätte bekommen, was er braucht.
Wir haben uns reich gefühlt.
Gemeinsam sind wir reich.

So stelle ich mir vor, ist es damals dort am Ufer des Sees auch gewesen.
Irgend wer hat das Eis gebrochen.
Da lag ein großes Tuch am Boden,
die Leute sind vorbeigegangen, vielleicht haben sie ja auch getanzt,
und haben ihren Beitrag auf das Tuch gelegt.

Am Ende war da genug für alle.
Und wenn ihr mich fragt, wäre dieses Ende der Geschichte,
das nachhaltigere Wunder.
Denn kein Hungriger wird heute davon satt,
dass Jesus damals einen Brotzauber gemacht hat.
Wenn er aber einen Herzenszauber, ein Herzenswunder gemacht hat,
dann kann er das unter uns täglich wieder machen.

Und dafür sei Gott Lob und Preis in Ewigkeit.

 

Perikope
Datum 19.07.2015
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 6,1-15
Wochenlied: 221 326
Wochenspruch: Eph 2,19