Predigt zu 1.Thessalonicher 5,14-24 von Gabriele Arnold

Predigt zu 1.Thessalonicher 5,14-24 von Gabriele Arnold
5,14-24

Liebe Gemeinde

Sie alle kennen solch eine Szene: Beim Metzger. Die Verkäuferin rollt ein Stückchen Wurst säuberlich mit der Gabel zusammen und reicht sie dem kleinen Mädchen über die Theke. Die Kinderaugen strahlen und die Wurst verschwindet in den Patschhändchen und flugs im Mund. Und was sagt der stolze Papa, der mit dem Töchterchen einkaufen geht? „Und wie sagt man jetzt?“ „Danke“ kommt es artig und gut trainiert aus dem Kindermund. Und wenn sie Kinder haben wissen Sie, wie lange es dauert bis man seine Sprössling soweit getrimmt hat. Sag immer schön Danke. Nicht das das falsch wäre. Bitte und Danke sind so etwas wie das Höflichkeitsschmieröl in unserem Zusammenleben. Ein bisschen kommt mir Paulus in diesen letzten Zeilen, die er in seinem Brief an die Gemeinde in Thessaloniki schreibt und die wir eben als Predigttext gehört haben, auch vor wie ein eifriger Vater der seinem Kind Benimm beibringt. 13 Ermahnungen aneinander gereiht wie Perlen auf einer Kette. Nur wer will sich schon so eine Kette um den Hals hängen oder gar an den Spiegel stecken. „Putz dir die Nase, schalt endlich mal den Fernseher aus, pack deinen Ranzen, trag den Müll raus, bleib nicht so lange wach, trink nicht so viel Alkohol“, so schicken wir unser Kinder ins Leben.  Und auch noch als Erwachsene werden wir ständig von uns selber oder den anderen ermahnt. Wir stehen ja unter dem Druck der permanenten Selbstoptimierung. „Beweg dich mehr, treibe Sport, achte auf deine Haltung, ernähre dich gesund, kauf fair gehandelte Waren, spare Energie, nimm dir ab und an eine Auszeit“ Ja selbst im Alter werden wir noch angetrieben. Wie sagte meine alte Mutter neulich am Telefon: „Ich muss jetzt in die Turnstunde“,  sie meinte damit das Bewegungstraining in ihrem Seniorenheim. Was war das früher schön wo man einfach alt und dick werden durfte. Müssen wir zu unseren verinnerlichten Mahnungen und den äußeren Anforderungen jetzt auch noch die 13 Ermahnungen des Paulus hinzufügen?  Und ausgerechnet am Sonntagmorgen? Nicht dass irgendetwas daran falsch wäre, was Paulus so schreibt. Ja manches gehört ja sozusagen zum bürgerlichen oder christlichen Allgemeingut. Böses nicht mit Bösem vergelten, die Schwachen mittragen, geduldig sein. Und wir tun ja irgendwie alle unser Bestes. Oder versuchen es zumindest. Aber so einfach ist das ja gar nicht. Jagt allezeit dem Guten nach, schreibt Paulus. Woher weiß ich denn, was das Gute ist. Neulich schrieb mir eine Freundin nachdem sie Nachrichten geschaut hat, sie bräuchte jetzt eigentlich einen Seelsorger. Ich in diesen Tagen auch. Oder einen Politikspezialisten. Ich weiß nicht, was das Gute ist. Ist es gut Waffen an die Kurden zu liefern? Und ich weiß leider auch nicht ob unsere verantwortlichen Politiker immer wissen was gut ist. Wie sollten sie auch. Die Lage ist komplex und es ist höchst umstritten was gut ist. Aber ganz gewiss macht es jetzt keinen Sinn in dieser Predigt alle 13 Ermahnungen des Apostels auf Ihre Sinnhaftigkeit oder Alltagstauglichkeit hin zu untersuchen. Das würde uns alle komplett überfordern oder Euch Konfirmanden zu Tode langweilen.

Aber gehen wir noch mal zurück zu dem kleinen Mädchen beim Metzger. Sie hat so artig Danke gesagt. Hier finde ich nämlich einen wichtigen Unterschied zwischen dem artigen Danke und den Ermahnungen des Apostels. „Seid dankbar in allen Dingen.“ Ich glaube Paulus meint hier mehr als Bitte und Danke. Mehr als Schmieröl für unser Zusammenleben. Paulus will uns Mut machen Dankbarkeit als Lebenseinstellung auszuprobieren. Er meint damit wahrscheinlich die Dankbarkeit gegenüber Gott. Wir sind ja ehrlich gesagt gern ein bisschen undankbar und nörglerisch. All das was nicht gut ist, all das was uns nicht passt schieben wir dem lieben Gott, den Genen , der schweren Kindheit , dem Leben oder wem auch immer, sogar uns selber in die Schuhe. Ausgesprochen oder unausgesprochen. Mein kaputtes Knie, mein nerviger Vater, meine undankbaren Kinder, mein langweiliger Beruf , mein vergesslicher Mann, die Weltpolitik, die Umweltzerstörung , meine doofen Haare, mein blöder Nebensitzer in der Schule. Und nun sollen wir es mal anders herum versuchen. Ausgesprochen oder unausgesprochen. Meint jedenfalls Paulus. Gott oder dem Leben Danke zu sagen. Danke für den goldenen Rand an der Wolke gestern Abend, danke für die Neue in der Klasse, mal sehn vielleicht wird sie meine Freundin, danke für meine Unbekümmertheit, danke für die Geduld meiner Kinder mit mir, danke für die Lachfältchen im Gesicht meines Mannes, danke für die Heiterkeit der Konfirmandinnen und Konfirmanden,  danke für das Gelb der Sonnenblumen hier auf dem Altar. So zu denken, so zu danken kann man dann getrost eine Geistliche Übung nennen. Das kann man lernen. Und so wie wir ja unseren Körper mit allerlei Übungen fit halten und beweglich so hilft uns diese Einstellung unsere Seele für Gott offen zu halten. Wir putzen uns mindestens zwei Mal am Tag die Zähne. Wie wär es, wenn wir beim Zähneputzen nicht nur die Zähne putzen sondern auch die Seele und uns drei Gründe zum Danke sagen überlegen.2 mal täglich. Einen Versuch wäre es wert. Es wäre ein Anfang. Klingt das für Sie wie geistliche Selbstoptimierung? Ja ein bisschen vielleicht schon, aber eigentlich geht es darum nicht. Es geht um Gott. Es geht ums Gotteslob. Nicht um meiner selbst willen Danke sagen sondern um Gottes Willen. Danke: weil er mich beschenkt, danke: weil es mich gibt, danke: weil es mich noch immer gibt, obwohl ich schon den ein oder anderen Einschlag gespürt habe. Danke: weil es die anderen gibt. Von Paulus lasse ich mir sagen, dass wir das Gott schuldig sind. Nicht weil wir so gut trainierte Gotteskinder sind, die immer artig bitte und danke sagen, sondern weil unser Leben ganz und gar Geschenk und unverdient ist. Ich habe mich nicht gemacht. Ich habe meinen Mann und meine Kinder nicht gemacht und die Wolke nicht und die Sonnenblume auch nicht. Ich darf das einfach alles genießen und nutzen und muss nichts dafür bezahlen. Gnade sagt ein altes Wort dazu. Unsere Dankbarkeit ist die Antwort auf die Gnade Gottes. Diese Gnade Gottes trägt mich durchs Leben und noch darüber hinaus. Wie sagt Paulus am Ende nach allen Ermahnungen:

Der Gott des Friedens aber heilige euch durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.

DAS ist was Gott tut, er bewahrt uns. Ganz und gar mit Haut und Haaren, Herz und Geist. Als Antwort darauf ist ein artiges Danke wie beim Metzger wirklich zu wenig. Eher ein großes Lebensdanke: Und dass kann dann so klingen „ Aus meines Herzens Grunde sag ich Dir Lob und Dank.“ Oder ganz einfach: Vielen Dank, lieber Gott! Für die schönen Sonnenblumen und meine doofen Haare. Amen

 

Perikope