Predigt zu Psalm 73,28 von Lucie Panzer

Predigt zu Psalm 73,28 von Lucie Panzer
73,28

Vom Glück zu reden, liebe Gemeinde, ist in Mode gekommen in den letzten Jahren. Jahrhundertelang hat man vor allem von der Pflicht gesprochen, gerade auch unter Christenmenschen. Nach Glück zu suchen, das galt irgendwie als pflichtvergessen.

Jetzt auf einmal reden alle vom Glück. Wir sind auf der Welt um glücklich zu sein. Das ist die neue, die moderne Weltanschauung. Statt der Frage: Was ist meine Pflicht, fragen viele sich jetzt: wie finde ich das Glück? wie kann ich glücklich werden? Es gibt Glücksforscher und Glücksratgeber zu Hauf, die Ratgeberecken der Buchhandlungen und Zeitschriften in den Bahnhofsbuchhandlungen sind voll mit Ratschlägen. Alle behaupten, sie wüssten den Weg zum Glück.
Und jetzt also auch die Kirche. Auch Christen suchen eine Antwort auf die Frage, „wie kann ich glücklich werden?“. Und wo sollen wir suchen, wenn nicht in der Bibel? So hat man also die Jahreslosung für 2014 gesucht und ist in den Psalmen fündig geworden. Genauer, im Psalm 73. Da heißt es: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“. Wenn Sie bibelfest sind und Ihnen das jetzt trotzdem ein bisschen fremd vorkommt: Das ist die Übersetzung der oekumenischen Einheitsübersetzung. Martin Luther hat das anders übersetzt: „Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte“.
Freude und Glück sind ja nahe beieinander. Wer also eine Antwort sucht auf die Frage, „wie werde ich glücklich“, der kann sich nun probeweise an dieser Jahreslosung orientieren. „Gott nahe zu sein ist mein Glück“.

Noch so ein Glücksrezept, diesmal ein christliches, sagen Sie jetzt vielleicht, ein Glücksrezept, das irgendwie anstrengend klingt, genauso wie all die anderen aus den Glücksratgebern in den Zeitschriften. „Positiv denken“ raten einem die einen. „Always look on the bright side oft he street“, „Gelassenheit üben“ sagen andere und reden von Yoga und Autogenem Training. „Mehr Sport treiben“ ist auch so ein Rat. Das setzt Endorphine frei und die machen glücklich. In all dem steckt die feste Überzeugung: Wenn man es bloß richtig anfängt, dann klappt das schon mit dem Glück. Man muss sich nur ordentlich Mühe geben – dann kommt auch das Glück.
Und es steckt auch in diesen Tipps und Tricks zum Glück: Wenn du es nicht hinkriegst, wenn du nicht glücklich wirst – dann hast du dir wohl nicht genug Mühe gegeben. Eine richtige „Tyrannei des Glücks“ (Wilhelm Schmid) ist da über uns hereingebrochen. Glücklich zu werden, das scheint das allerwichtigste, der höchste Lebenszweck. Und wer es nicht schafft, glücklich zu sein, der muss das Gefühl haben: Eigentlich lohnt sich das Leben gar nicht.
Und nun also auch noch dieser biblische Rat: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ oder, noch direkter: „Das ist meine Freude, wenn ich mich an Gott halte“.

Was soll ich nun also tun, wenn ich glücklich werden will? Wie kann ich Gott nahe kommen um mein Glück zu finden?

Aber halt…

Eigentlich ist doch in der Bibel sonst immer davon die Rede, dass Gott kommt. „Ich will mit dir sein und dich segnen“ (1. Mose 26,3) verspricht er dem Isaak, als der in Not geraten war. Und genauso hört Jakob, als er von der Leiter zum Himmel träumt: „Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, … und ich will dich nicht verlassen“ (1. Mose 28, 15). Und dem Mose hat Gott selbst sich vorgestellt: „Ich bin da“ (2. Mose 3,4) Ich bin da und ich werde für euch da sein – das ist Gottes Name – so haben schon die Israeliten geglaubt und sich darauf verlassen. Wie viele, Christen und Juden, verlassen sich bis heute darauf, was der Prophet Jesaja im Namen Gottes versprochen hat: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich. Ich helfe dir auch. Ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit“ (Jes 41, 10).
Und haben wir Christen nicht gerade erst, zu Weihnachten, wieder und wieder gehört: „Gott ist zur Welt gekommen“, und gesungen: gelobet seist du Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist, es ist der Herr Christ, unser Gott, und: Gott wird Mensch, dir Mensch zugute?
Weil Gott zur Welt gekommen ist, ist er mir nahe. Ich glaube, so herum wird ein Schuh draus: Gott kommt uns nahe, Ihnen und mir. Weil er zur Welt gekommen ist, bin ich ihm nah. Und das ist mein Glück. Er ist schon da. Ich muss nicht mehr ungeduldig auf ihn warten. Ich muss auch nicht angestrengt alles vorbereiten und mein Leben in Ordnung bringen, damit er dann kommen kann. Anders herum wird ein Schuh draus.
Davon erzählt eine Geschichte für Kinder: Es war ein Mann, der erfuhr, dass Gott zu ihm kommen wollte. Da sah er sein Haus mit anderen Augen: „Unmöglich“ rief er. „In diesem Sauhaufen kann man keinen Besuch empfangen“. Und er fing an aufzuräumen und zu emtrümpeln und zu putzen und zu schrubben und rief um Hilfe: „Allein schaffe ich das nicht. Kann nicht einer kommen und mir helfen?“ Da kam tatsächlich einer und half. Gemeinsam plagten sie sich den ganzen Tag. Endlich waren sie fertig. Da deckte der Mann den Tisch. „So“, sagte er, „jetzt kann Gott kommen“. Da setzte sich der andere zu ihm: „Aber ich bin ja da,“ sagte er, „komm, lass uns essen und trinken“. (Lene Mayer-Skumanz, Gott kommt zu Besuch).
Was für ein Glück! Gott ist schon da. Und wo er nahe ist, da verändert sich das Leben.
Wie das aussehen kann?
Ich denke an Jesus, durch den Gott uns so nahe gekommen ist. Gerade erst haben wir an Weihnachten davon gehört und gesungen: Gott wird Mensch, dir Mensch zugute. Gelobet seist du Jesu Christ. Dieser Jesus hat vom Glück gesprochen und gesagt: „Glückselig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen.“ (Mt 5, 8) So nah sind sie Gott, die Menschen mit dem reinen Herzen, so nah, dass sie ihn sehen und glücklich sein können. Und wer hat ein reines Herz? Für mich sind das die, die sich an Jesus orientieren. Für mich sind das die, die nicht um jeden Preis und mit allen Mitteln versuchen, ihr Glück zu machen. Die nicht die Ellenbogen ausfahren und versuchen, überall das meiste und das beste für sich heraus zu holen. Sondern die darauf vertrauen, dass Gott sie nicht im Stich lässt. Die deshalb nicht immer misstrauisch fragen müssen, ob der andere sie vielleicht über den Tisch ziehen will. Die nicht gleich sagen: Da kann ich als einzelner doch sowieso nichts machen. Glücklich sind die, die fragen: was können wir tun? Wie kann ich helfen?
Wenn es dann gelingt. Wenn Menschen miteinander etwas zustande gebracht haben. Wenn sie sehen, wie es dem anderen besser geht. Wenn sie erleben, wie viel Freude es macht zu helfen, dann sind sie glücklich. Dann sehen und spüren sie Gott: ganz nah.

Glücklich wird, wer andere glücklich macht. Das Glück der anderen, das ist gewissermaßen der Resonanzboden für das eigene Glück. Resonanzen machen glücklich  habe ich von dem Gesellschaftswissenschaftler Hartmut Rosa gelernt. Ich stelle mir jetzt vor, das ist wie bei einer Gitarrensaite. Wenn die angerührt wird, wenn etwas sie bewegt: dann klingt sie. Sonst bleibt sie still und stumm und irgendwie sinnlos. Das finde ich einleuchtend. Wenn ich etwas anrühren kann und bewegen: Wenn eine Arbeit gelingt und etwas dabei herauskommt, wenn jemand zurück lächelt, wenn das, was ich sage gehört wird und positiv aufgenommen, wenn einer sagt „ich bin gern bei dir“: das macht mich glücklich. Dann gibt es Resonanz auf das, was ich bin und was ich tue. Dann bleibt die Welt nicht stumm und starr als ob ich nur Mauern um mich herum hätte. Dann kommt etwas in Bewegung. Resonanzen machen glücklich. Das Geheimnis des Glücks liegt nicht in dem, was einer hat, sondern was er geben kann.
Und umgekehrt genauso: Wenn mich etwas anrührt: der Kuss meines Liebsten, eine schöne Musik oder eine liebe SMS. Das macht mich glücklich, sogar wenn ich krank bin und obwohl andere viel mehr Geld haben als ich. Dann kann ich spüren, wie schön das Leben ist. Dann macht mir das Leben Freude. Dann bin ich glücklich. Das Geheimnis des Glücks liegt in dem, was einer geschenkt bekommt.
Ich glaube, damit solche Resonanzen entstehen, braucht es gar nicht so viel Anstrengung. Im Gegenteil: Durch zu viel Anstrengung wird man hart und starr, und ein starres und verhärtetes Herz bleibt stumm. Das ist nicht resonanzfähig. Ich glaube, das ist Gottes Nähe, sein heiliger Geist, der die Resonanzen erst möglich macht. Sein Geist, seine Nähe ist es, die mich anrührt. Ohne seinen Geist kann ich nicht empfinden, was mich glücklich macht. Ohne seinen Geist kann ich andere nicht anrühren und bewegen. Deshalb bete ich manchmal: Komm, heiliger Geist. Mach mich resonanzfähig. Damit das Glück sich ausbreitet wie eine schöne Melodie. Ich glaube, wer glücklich werden will, der braucht Gottes Nähe. Denn Gott nahe zu sein, das macht glücklich. Aber das hatten wir ja schon. Daran erinnert die Jahreslosung für 2014.

Eine letzte Frage: Kann man denn auch selbst etwas tun, damit Gott einem nahe kommt? Man kann ja vor ihm weglaufen. Ihn nicht an sich heran lassen. Die Augen verschließen, dass man ihn nicht sieht. Das Herz verschließen. Resonanzen nicht zulassen. Manche tun das, um sich vor Enttäuschungen zu schützen oder vor Verletzungen. Denn manchmal tut es auch weh, wenn das LEben einen berührt. Das ist wohl wahr.
Trotzdem. Wenn man Resonanzen erleben will, dann muss man die Augen aufmachen. So wie Jenni, eine junge Frau, die mir vor ein paar Tagen, erzählt hat, dass sie seit Jahren eine schwere Krankheit hat. „ich war aber schon lange nicht mehr deswegen beim Arzt,“ hat sie gesagt, „ich hab nicht gedacht, dass mir noch irgendjemand helfen könnte. Im Frühjahr dann habe ich in der Uni eine Broschüre über eine Abteilung der Uniklinik entdeckt. Da hatte ich das Gefühl: Das könnte etwas sein. Ich habe einem Freund davon erzählt und der hat mich ermutigt dort einen Termin zu machen. Das hab ich getan. Und sie haben mir dort geholfen. Jetzt bin ich zwar immer noch nicht gesund. Aber es ist besser und ich bin auf einem guten Weg.“ Und nun sagt die junge Frau: „Ich habe das Gefühl, dass das so sein sollte und ich kann mir nicht richtig vorstellen, dass das lauter komische Zufälle waren. Für mich war das Gott“
Und ich würde dieser Geschichte gern hinzufügen: So überraschend und alltäglich kann das geschehen, dass das Glück kommt. Wenn man die Augen aufmacht und nicht verschließt. Ich selber habe solche Erfahrungen auch schon gemacht. Man darf man sich auch nicht zurückziehen, weglaufen vor Gott und den Menschen, wenn man nach dem Glück sucht. Manche Menschen verkriechen sich ja richtiggehend, wollen nichts mehr hören und nichts mehr sehen, wenn sie unglücklich sind. Auch von Gott nichts mehr hören und sehen. Das kann man machen. Aber so findet man sie nicht, die Resonanzen, die glücklich machen. Dazu muss man sich dem LEben aussetzen. Wenn man Mauern um sich herum baut, dann kann nichts klingen. Mir hilft es manchmal, wenn ich in den Gottesdienst gehe. Allein schon das Singen und die Musik machen mein verschrumpeltes und verhärtetes Herz wieder weit und groß. Und die Leute dort die ich kenne und die guten Worte. Immer wieder rührt mich da etwas an. Und dann spüre ich: Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Amen

Perikope
01.01.2014
73,28