Predigt über Matthäus 6, 7-13 von Matthias Rein
I.
Da standen wir nun auf dem Friedhof. Einige Angehörige, ein Mitarbeiter des Beerdigungsinstituts, ich, der Dorfpfarrer. „Wir wollen keine Beerdigungsfeier“, so hatten die Angehörigen aus der Stadt, die weit weg war, gebeten, „wir wollen die Urne in aller Stille beisetzen lassen.“ Ich hatte darauf bestanden, einen Psalm zu sprechen, das Vaterunser zu beten und um den Segen zu bitten. Sie hatten dann doch eingewilligt. Da standen wir nun, nasskaltes Novemberwetter auf dem Dorffriedhof, ich mit den alten Bibel-Worten, sie sehr distanziert. Ich lege mein Buch zur Seite, falte die Hände und lade ein, gemeinsam das Vaterunser zu sprechen. Ich beginne, keiner spricht mit. Und dann – ein Blackout, ich stocke und weiß die Worte nicht mehr. In die peinliche Stille hinein setzt einer der Angehörigen mit den vertrauten Worten fort: … unser tägliches Brot gibt uns heute und vergib uns unsere Schuld… Ich finde den Faden wieder, zu zweit sprechen wir das Gebet. Er ist für mich eingesprungen, er kannte die Worte, er hat für mich, für uns gebetet, da am Grab auf dem Dorffriedhof.
Diese Geschichte mit dem Vaterunser werde ich nicht vergessen. Sie lehrte mich und lehrt mich bis heute: Demut.
Was verbinden Sie mit diesem Gebet? Was haben Sie mit dem Vaterunser erlebt?
II.
Jeden Morgen, jeden Abend soll jeder Christ, jede Christin das Vaterunser beten. So empfiehlt Martin Luther.
Das Gebet setzt uns ins Verhältnis zu Gott, zu uns selbst, zum Nächsten und zur Welt.
Das Gebet gibt uns Worte für den Glauben. Das Gebet lehrt uns, als Christen zu leben.
Die Worte des Jesus-Gebets lehren uns beten.
Wir wollen den einzelnen Bitten nachgehen.
III.
Vater unser.
Gott als Vater anreden heißt zu glauben. Diese Sicht auf Gott lernen wir von unseren jüdischen Schwestern und Brüdern, lernen wir von Jesus, der so mit Gott sprach.
Wenn ich Gott als Vater anrede, dann distanziere ich mich von mir selbst. Ich suche das Gespräch mit einer Person, die anders ist als ich. Ich bringe dieser Person Vertrauen gegenüber. Ich vertraue darauf, dass Gott mich hört, dass er mir zuhört, dass er mich versteht, dass er erreichbar ist und teilnimmt an meinem Leben.
Ich kann Gott auch als Mutter anreden. Auch dass lerne ich von den jüdischen Brüdern und Schwestern. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ So spricht Gott von sich selbst Jesaja zufolge, dem Propheten (Jes 66, 13).
Und die erste Bitte schafft Gemeinschaft. Ich bete nicht: „mein Vater“, sondern „unser Vater“. Wir sprechen dieses Gebet gemeinsam. Wir teilen den Glauben, wir bekennen uns gemeinsam zu Gott, dem Vater, wenn wir so beten. Diese Gemeinschaft hilft beim Beten und beim Glauben.
Geheiligt werde dein Name.
Eine ähnliche Bitte finden wir in einem alten jüdischen Gebet. Dieses Gebet beten die Gottesdienstbesucher bis heute in jedem jüdischen Gottesdienst:
„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die er nach seinem Willen geschaffen hat.“
Gott selbst sorgt dafür, das sein Name groß ist in der Welt. Dies zeigt die Erfahrung Israels mit Gott.
Aber auch wir Menschen haben dabei eine Aufgabe. Wir sollen mit unserem Leben, mit unserem Tun und unserem Sagen Gottes Name groß werden lassen in der Welt. Eine ehrenvolle, eine anspruchsvolle Aufgabe.
Dein Reich komme.
Am 1.Mai in diesem Jahr werden Neonazis durch unsere Stadt marschieren. Sie fordern Arbeitsplätze, Recht und Freiheit für Deutsche, nicht für Ausländer. Dagegen wird ein breites Bündnis von engagierten Bürgern der Stadt protestieren. Sie zeigen Gesicht gegen Gewalt und Ausländerhass. Sie solidarisieren sich mit den Menschen, die in sozialer Unsicherheit leben und keine Arbeit haben.
Dein Reich, Gott, komme. Vor diesem aktuellen Hintergrund wird die Bitte Jesu dringend. Wir bitten um die Herrschaft des anderen Reiches, in dem Ausgegrenzte einen Platz am Tisch bekommen, in dem Benachteiligte Chancen erhalten, in dem die Liebe regiert, nicht der Hass.
Dein Wille geschehe.
Diese Bitte bringt mich in Distanz zu mir. Ich bitte nicht darum, dass geschieht, was ich will. Ich unterscheide zwischen Gottes Willen und meinem Willen. Ich willige in Gottes Willen ein. Er will das Gute für mich, für meinen Nächsten, für die Welt.
„Nicht wie ich will, sondern wie du willst“, so betet Jesus im Garten Gethsemane in Erwartung seines Todes. Unerforschlich sind seine Weg, so scheint es. Aber Gott hat seinen Willen für mich, meinen Nächsten und die Welt kundgetan. Es sind Gedanken des Friedens, der Gerechtigkeit, des Heils.
Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.
Wenn ich so bete, erkenne ich: Gott herrscht in der Welt und über die Welt hinaus. Gott herrscht, bevor es diese Welt gab und er herrscht, wenn es diese Welt nicht mehr gibt.
Wir sind nicht Verlorene im Weltall. Wir sind von Gott gewollt und begleitet bis ans Ende der Welt und darüber hinaus.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Es geht um mehr als um trocken Brot. Es geht um Gesundheit, getreue Nachbarn, um gutes Wetter, damit Korn wachsen und reifen kann, so Martin Luther. Und am Ende geht es bei Jesus wie bei uns heute darum, dass ich wie jeder Mensch genug hat zum Leben an jedem neuen Tag.
Diese Bitte hat politische Dimension. Mit dieser Bitte sind alle Menschen im Blick, denen das täglich Brot, denen Gesundheit, denen Familie und gute Nachbarn fehlen. Und die gibt es hier genauso wie in Afrika und in Lateinamerika.
Jeden Tag eine warme Mahlzeit für die Kinder in Matema, Tansania. Kinder, Eltern und Freunde sammeln dafür in unseren Kirchengemeinden Geld. 3000 Euro brauchen wir pro Jahr, damit 100 Kinder in Matema zu dem täglich Brot auch eine warme Mahlzeit bekommen. Wir bekommen das Geld zusammen, Jahr für Jahr. Gott sei Dank!
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Zweimal am Tag erinnern wir uns daran, dass wir schuldig werden können, dass wir in vieler Hinsicht schuldig sind. Zweimal am Tag, wenn wir Luthers Empfehlung folgen, erinnern wir uns daran, dass wir Schuld anderer vergeben können und sollen.
Der Umgang mit Schuld ist eines der heikelsten Themen unserer Zeit. Was geschieht mit den Menschen, die schuldig geworden sind an wehrlosen Menschen zu DDR-Zeit? Wie kommt es dazu, dass Schuld bekannt wird, damit sie vergeben werden kann?
Was geschieht mit wichtigen Personen in Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben, die Fehler gemacht haben? Werden sie gejagt, an den Pranger gestellt, zerstört? Können sie Schuld bekennen, Fehler gut machen und neu beginnen?
Wie gehe ich mit meiner Schuld um? Wer vergibt mir?
Wir brauchen Gottes Beistand und Hilfe, um mit der Schuld fertig zu werden. Das Vaterunser erinnert uns daran und weist uns Wege.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Warum hat Gott eigentlich den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen in den Paradiesgarten gepflanzt und den Menschen verboten, von seinen Früchten zu essen? So fragt mich mein Sohn, 15 Jahre alt. Seine Frage ist berechtigt und doch schwer zu beantworten. Warum gibt es das Böse? Warum versucht uns das Böse? Wie viel Macht räumt Gott dem Bösen ein in dieser Welt?
Selbst Jesus muss sich mit dem Versucher auseinandersetzen. Es geht um die Versuchung der Macht. Es geht um die Versuchung, sich von Gott zu trennen und anderen Göttern zu folgen. Jesus widersteht dem Versucher. Wir erbitten dazu Gottes Beistand, jeden Tag. Und wir machen damit bewusst: Das Böse ist real. Wir sind nicht Herr über das Böse aus unserer eigenen Kraft. Das ist ernüchternd, das ist realitätsnah, das lässt uns ahnen, welche Herausforderung darin steckt, frei entscheiden zu können.
Und dann die Schlussbitte:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen
Wir schließen unser tägliches Gebet nicht mit dem Blick auf die Macht des Bösen und die Allgegenwart von Schuld und Versagen.
Wir schließen unser Gebet mit dem Blick auf Gottes Reich, Gottes Kraft, Gottes Herrlichkeit. Darauf richtet sich unser Hoffen und unser Handeln.
Wann kommt dieses Reich? Wo ist es schon da? Wie bekomme ich Anteil an Gottes Reich, an seiner Kraft, an seiner Herrlichkeit?
Jede und jeder, der das Gebet aufrichtig und aus vollem Herzen mitspricht, hat Teil an Gottes Reich. So die jüdischen Gelehrten. Und das gilt für mich, für uns alle. Als Mitbetende sind wir schon jetzt im Wirkraum des Reiches Gottes. Wir stehen in einem Kraftfeld und werden immer neu ausgerichtet auf Gottes Willen.
IV.
Im Gebet wende ich mich an Gott und rechne damit, dass er mir zuhört.
Wie ist es, wenn Gott sich an mich wendet und mit mir spricht?
Davon erzählt Rainer Kunze in seinem Gedicht
Zuflucht noch hinter der Zuflucht
(für Peter Huchel)
Hier
ruft nur gott an
Unzählige leitungen läßt er legen
vom himmel zur erde
Vom dach des leeren kuhstalls
aufs dach des leeren schafstalls
schrillt aus hölzerner rinne
der regenstrahl
Was machst du, fragt gott
Herr, sag ich, es
regnet, was
soll man tun
Und seine antwort wächst
grün durch alle fenster.
(zimmerlautstärke, Frankfurt a.M. 1972)
Amen
Ein schönes Gebet für jeden Tag von Martin Luther:
Gott meiner Stunden
und meiner Jahre,
du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir.
Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr
und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich,
dass ich ein wenig dieser Zeit freihalten darf von Befehl und Pflicht,
ein wenig für Stille,
ein wenig für Spiel,
ein wenig für die Menschen am Rande meines Lebens, die einen Tröster brauchen.
Amen
Gebet des Ochsen:
Lieber Gott, gib mir Zeit.
Die Menschen haben es immer eilig!
Lass sie doch verstehen, dass ich nicht schnell machen kann.
Gib mir Zeit zu essen.
Gib mir Zeit zu gehen.
Gib mir Zeit zu schlafen.
Gib mir Zeit zu denken.
Amen
(aus Gasztold, Carmen Bernos de: Jedes nach seiner Art. Kreaturen vor ihrem Schöpfer, Mainz/Berlin 1989)
Das Vaterunser beten mit Gesten (geeignet für Menschen von ganz klein bis ganz groß):
Da standen wir nun auf dem Friedhof. Einige Angehörige, ein Mitarbeiter des Beerdigungsinstituts, ich, der Dorfpfarrer. „Wir wollen keine Beerdigungsfeier“, so hatten die Angehörigen aus der Stadt, die weit weg war, gebeten, „wir wollen die Urne in aller Stille beisetzen lassen.“ Ich hatte darauf bestanden, einen Psalm zu sprechen, das Vaterunser zu beten und um den Segen zu bitten. Sie hatten dann doch eingewilligt. Da standen wir nun, nasskaltes Novemberwetter auf dem Dorffriedhof, ich mit den alten Bibel-Worten, sie sehr distanziert. Ich lege mein Buch zur Seite, falte die Hände und lade ein, gemeinsam das Vaterunser zu sprechen. Ich beginne, keiner spricht mit. Und dann – ein Blackout, ich stocke und weiß die Worte nicht mehr. In die peinliche Stille hinein setzt einer der Angehörigen mit den vertrauten Worten fort: … unser tägliches Brot gibt uns heute und vergib uns unsere Schuld… Ich finde den Faden wieder, zu zweit sprechen wir das Gebet. Er ist für mich eingesprungen, er kannte die Worte, er hat für mich, für uns gebetet, da am Grab auf dem Dorffriedhof.
Diese Geschichte mit dem Vaterunser werde ich nicht vergessen. Sie lehrte mich und lehrt mich bis heute: Demut.
Was verbinden Sie mit diesem Gebet? Was haben Sie mit dem Vaterunser erlebt?
II.
Jeden Morgen, jeden Abend soll jeder Christ, jede Christin das Vaterunser beten. So empfiehlt Martin Luther.
Das Gebet setzt uns ins Verhältnis zu Gott, zu uns selbst, zum Nächsten und zur Welt.
Das Gebet gibt uns Worte für den Glauben. Das Gebet lehrt uns, als Christen zu leben.
Die Worte des Jesus-Gebets lehren uns beten.
Wir wollen den einzelnen Bitten nachgehen.
III.
Vater unser.
Gott als Vater anreden heißt zu glauben. Diese Sicht auf Gott lernen wir von unseren jüdischen Schwestern und Brüdern, lernen wir von Jesus, der so mit Gott sprach.
Wenn ich Gott als Vater anrede, dann distanziere ich mich von mir selbst. Ich suche das Gespräch mit einer Person, die anders ist als ich. Ich bringe dieser Person Vertrauen gegenüber. Ich vertraue darauf, dass Gott mich hört, dass er mir zuhört, dass er mich versteht, dass er erreichbar ist und teilnimmt an meinem Leben.
Ich kann Gott auch als Mutter anreden. Auch dass lerne ich von den jüdischen Brüdern und Schwestern. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ So spricht Gott von sich selbst Jesaja zufolge, dem Propheten (Jes 66, 13).
Und die erste Bitte schafft Gemeinschaft. Ich bete nicht: „mein Vater“, sondern „unser Vater“. Wir sprechen dieses Gebet gemeinsam. Wir teilen den Glauben, wir bekennen uns gemeinsam zu Gott, dem Vater, wenn wir so beten. Diese Gemeinschaft hilft beim Beten und beim Glauben.
Geheiligt werde dein Name.
Eine ähnliche Bitte finden wir in einem alten jüdischen Gebet. Dieses Gebet beten die Gottesdienstbesucher bis heute in jedem jüdischen Gottesdienst:
„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name in der Welt, die er nach seinem Willen geschaffen hat.“
Gott selbst sorgt dafür, das sein Name groß ist in der Welt. Dies zeigt die Erfahrung Israels mit Gott.
Aber auch wir Menschen haben dabei eine Aufgabe. Wir sollen mit unserem Leben, mit unserem Tun und unserem Sagen Gottes Name groß werden lassen in der Welt. Eine ehrenvolle, eine anspruchsvolle Aufgabe.
Dein Reich komme.
Am 1.Mai in diesem Jahr werden Neonazis durch unsere Stadt marschieren. Sie fordern Arbeitsplätze, Recht und Freiheit für Deutsche, nicht für Ausländer. Dagegen wird ein breites Bündnis von engagierten Bürgern der Stadt protestieren. Sie zeigen Gesicht gegen Gewalt und Ausländerhass. Sie solidarisieren sich mit den Menschen, die in sozialer Unsicherheit leben und keine Arbeit haben.
Dein Reich, Gott, komme. Vor diesem aktuellen Hintergrund wird die Bitte Jesu dringend. Wir bitten um die Herrschaft des anderen Reiches, in dem Ausgegrenzte einen Platz am Tisch bekommen, in dem Benachteiligte Chancen erhalten, in dem die Liebe regiert, nicht der Hass.
Dein Wille geschehe.
Diese Bitte bringt mich in Distanz zu mir. Ich bitte nicht darum, dass geschieht, was ich will. Ich unterscheide zwischen Gottes Willen und meinem Willen. Ich willige in Gottes Willen ein. Er will das Gute für mich, für meinen Nächsten, für die Welt.
„Nicht wie ich will, sondern wie du willst“, so betet Jesus im Garten Gethsemane in Erwartung seines Todes. Unerforschlich sind seine Weg, so scheint es. Aber Gott hat seinen Willen für mich, meinen Nächsten und die Welt kundgetan. Es sind Gedanken des Friedens, der Gerechtigkeit, des Heils.
Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.
Wenn ich so bete, erkenne ich: Gott herrscht in der Welt und über die Welt hinaus. Gott herrscht, bevor es diese Welt gab und er herrscht, wenn es diese Welt nicht mehr gibt.
Wir sind nicht Verlorene im Weltall. Wir sind von Gott gewollt und begleitet bis ans Ende der Welt und darüber hinaus.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Es geht um mehr als um trocken Brot. Es geht um Gesundheit, getreue Nachbarn, um gutes Wetter, damit Korn wachsen und reifen kann, so Martin Luther. Und am Ende geht es bei Jesus wie bei uns heute darum, dass ich wie jeder Mensch genug hat zum Leben an jedem neuen Tag.
Diese Bitte hat politische Dimension. Mit dieser Bitte sind alle Menschen im Blick, denen das täglich Brot, denen Gesundheit, denen Familie und gute Nachbarn fehlen. Und die gibt es hier genauso wie in Afrika und in Lateinamerika.
Jeden Tag eine warme Mahlzeit für die Kinder in Matema, Tansania. Kinder, Eltern und Freunde sammeln dafür in unseren Kirchengemeinden Geld. 3000 Euro brauchen wir pro Jahr, damit 100 Kinder in Matema zu dem täglich Brot auch eine warme Mahlzeit bekommen. Wir bekommen das Geld zusammen, Jahr für Jahr. Gott sei Dank!
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Zweimal am Tag erinnern wir uns daran, dass wir schuldig werden können, dass wir in vieler Hinsicht schuldig sind. Zweimal am Tag, wenn wir Luthers Empfehlung folgen, erinnern wir uns daran, dass wir Schuld anderer vergeben können und sollen.
Der Umgang mit Schuld ist eines der heikelsten Themen unserer Zeit. Was geschieht mit den Menschen, die schuldig geworden sind an wehrlosen Menschen zu DDR-Zeit? Wie kommt es dazu, dass Schuld bekannt wird, damit sie vergeben werden kann?
Was geschieht mit wichtigen Personen in Politik, Wirtschaft und öffentlichem Leben, die Fehler gemacht haben? Werden sie gejagt, an den Pranger gestellt, zerstört? Können sie Schuld bekennen, Fehler gut machen und neu beginnen?
Wie gehe ich mit meiner Schuld um? Wer vergibt mir?
Wir brauchen Gottes Beistand und Hilfe, um mit der Schuld fertig zu werden. Das Vaterunser erinnert uns daran und weist uns Wege.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Warum hat Gott eigentlich den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen in den Paradiesgarten gepflanzt und den Menschen verboten, von seinen Früchten zu essen? So fragt mich mein Sohn, 15 Jahre alt. Seine Frage ist berechtigt und doch schwer zu beantworten. Warum gibt es das Böse? Warum versucht uns das Böse? Wie viel Macht räumt Gott dem Bösen ein in dieser Welt?
Selbst Jesus muss sich mit dem Versucher auseinandersetzen. Es geht um die Versuchung der Macht. Es geht um die Versuchung, sich von Gott zu trennen und anderen Göttern zu folgen. Jesus widersteht dem Versucher. Wir erbitten dazu Gottes Beistand, jeden Tag. Und wir machen damit bewusst: Das Böse ist real. Wir sind nicht Herr über das Böse aus unserer eigenen Kraft. Das ist ernüchternd, das ist realitätsnah, das lässt uns ahnen, welche Herausforderung darin steckt, frei entscheiden zu können.
Und dann die Schlussbitte:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen
Wir schließen unser tägliches Gebet nicht mit dem Blick auf die Macht des Bösen und die Allgegenwart von Schuld und Versagen.
Wir schließen unser Gebet mit dem Blick auf Gottes Reich, Gottes Kraft, Gottes Herrlichkeit. Darauf richtet sich unser Hoffen und unser Handeln.
Wann kommt dieses Reich? Wo ist es schon da? Wie bekomme ich Anteil an Gottes Reich, an seiner Kraft, an seiner Herrlichkeit?
Jede und jeder, der das Gebet aufrichtig und aus vollem Herzen mitspricht, hat Teil an Gottes Reich. So die jüdischen Gelehrten. Und das gilt für mich, für uns alle. Als Mitbetende sind wir schon jetzt im Wirkraum des Reiches Gottes. Wir stehen in einem Kraftfeld und werden immer neu ausgerichtet auf Gottes Willen.
IV.
Im Gebet wende ich mich an Gott und rechne damit, dass er mir zuhört.
Wie ist es, wenn Gott sich an mich wendet und mit mir spricht?
Davon erzählt Rainer Kunze in seinem Gedicht
Zuflucht noch hinter der Zuflucht
(für Peter Huchel)
Hier
ruft nur gott an
Unzählige leitungen läßt er legen
vom himmel zur erde
Vom dach des leeren kuhstalls
aufs dach des leeren schafstalls
schrillt aus hölzerner rinne
der regenstrahl
Was machst du, fragt gott
Herr, sag ich, es
regnet, was
soll man tun
Und seine antwort wächst
grün durch alle fenster.
(zimmerlautstärke, Frankfurt a.M. 1972)
Amen
Ein schönes Gebet für jeden Tag von Martin Luther:
Gott meiner Stunden
und meiner Jahre,
du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir und sie liegt vor mir.
Sie war mein und sie wird mein, und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr
und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich,
dass ich ein wenig dieser Zeit freihalten darf von Befehl und Pflicht,
ein wenig für Stille,
ein wenig für Spiel,
ein wenig für die Menschen am Rande meines Lebens, die einen Tröster brauchen.
Amen
Gebet des Ochsen:
Lieber Gott, gib mir Zeit.
Die Menschen haben es immer eilig!
Lass sie doch verstehen, dass ich nicht schnell machen kann.
Gib mir Zeit zu essen.
Gib mir Zeit zu gehen.
Gib mir Zeit zu schlafen.
Gib mir Zeit zu denken.
Amen
(aus Gasztold, Carmen Bernos de: Jedes nach seiner Art. Kreaturen vor ihrem Schöpfer, Mainz/Berlin 1989)
Das Vaterunser beten mit Gesten (geeignet für Menschen von ganz klein bis ganz groß):
Perikope
Datum 05.05.2013
Reihe: 2012/2013 Reihe 5
Bibelbuch: Matthäus
Kapitel / Verse: 6,7
Wochenlied: 133 344
Wochenspruch: Ps 66,20