Nur wer richtig hört, wird leben - Predigt zu Markus 10,2-12 von Peter Schuchardt
Nur wer richtig hört, wird leben
Und Pharisäer traten zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit. Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten? Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden. Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben; aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist eine der wunderbarsten Erfahrungen, mit einem lieben Menschen das Leben teilen zu können. Einen Partner, einen Partnerin zu finden, mit der du gemeinsam durch das Leben gehen kannst. Es ist eine der großen Erfahrungen des Lebens, sich zu verlieben und zu merken, der andere mag mich auch. Ihr, liebe Konfirmanden, ahnt wohl schon, was da auf euch wartet –oder habt vielleicht schon das erste Mal diese Schmetterlinge im Bauch gespürt. Es ist immer wieder etwas ganz besonders, wenn zwei Menschen hier in unserer Kirche „Ja“ zueinander sagen. Und es ist einfach schön und bewegend, wenn Paare nach 50, 60 Jahren wieder in unsere Kirche kommen, um das Fest ihrer Goldenen oder Diamantenen Hochzeit feiern zu können. Oft sagen gerade diese Paare: „ Ja, wir hatten auch Schwierigkeiten, wir haben auch Schweres erlebt. Aber wir haben es miteinander erlebt und gemeinsam getragen. Und das hat uns noch enger zusammengebracht.“ Das Miteinander in der Partnerschaft, in der Ehe, davon erzählen uns unendlich viele Lieder im Radio, das zeigen uns so viele Filme im Fernsehen und im Kino. Für viele Menschen ist die Familie, ist die Ehe, die Partnerschaft der große Halt im Leben, der Ort, wo sie sich zuhause fühlen. Wir sind heute von der großen romantischen Liebe geprägt. Es mag sein, früher gab es mehr Ehen, die aus Zweckmäßigkeit gegründet wurden. Aber oft hat sich da dann die tiefe Liebe zueinander entwickelt. Menschen suchen einander, gehören zusammen, weil in ihnen das Gefühl ist: Erst mit dir an meiner Seite bin ich ein ganzer Mensch, erst bei dir darf ich sein, wie ich bin. Das war auch schon in der Zeit der Bibel so. Ein ganzes Buch im Alten Testament, das Hohelied Salomos, erzählt uns von der Liebe und dem Verliebtsein zweier junger Menschen und von dem Glück, beieinander zu sein. Ich weiß natürlich: Es gibt unter manchem Dach Streit und Kummer, Enttäuschung und Schuld. Paare gehen wieder auseinander und trennen sich, Ehen werden geschieden. Menschen, die sich doch ewige Liebe geschworen haben, verletzen und piesacken einander bis aufs Blut. Aber das ist doch niemals der erste Gedanke, wenn zwei Menschen zusammen kommen: „Wie wird es sein, wenn wir uns wieder trennen? Wie kriegen wir das dann rechtlich und finanziell sauber hin?“ Wenn dieser Gedanke wach wird, schon am Beginn einer Beziehung, dann sollte man lieber gleich die Finger davon lassen. Dann läuft da von Anfang an etwas verkehrt. Dann ist es nicht das, was es sein soll und kann. So viel Schönes und Tiefes steckt in einer Ehe. Das soll und darf man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Denn es geht um gemeinsame Träume, gemeinsames Leben um das gegenseitige tiefe Vertrauen.
In unserem heutigen Predigttext geht es auch um die Ehe. Noch mehr aber erzählt er uns vom Hören auf Gottes Wort. „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert.“ – Mit diesem Wort vor Augen hören wir das Gespräch, das Jesus mit einigen Pharisäern führt. Die kommen auf ihn zu und möchten mit ihm reden. Zumindest tun sie so. Denn in Wahrheit wollen sie Jesus mit Worten eine Falle stellen. Denn er ist ihnen unheimlich und verdächtig. Wie der von Gott redet! So als ob er ihm, dem einzigen und Höchsten, ganz nahe ist. Seine Worte haben eine große Kraft, sie treffen die Menschen bis in das Innerste. Im Herzen spüren sie, wie diese Worte wirken. Darum kommen die Menschen in Scharen zu ihm, um ihn zu hören und um mit ihm zu reden. Die Pharisäer reihen sich ein in die Menschen, die zu Jesus wollen. Und nun endlich, nach langem Warten, dürfen sie mit ihm sprechen. Welche Frage haben sie mitgebracht? Möchten sie endlich das wissen, was sie schon lange auf dem Herzen haben? Fragen sie nach Gott, seiner Liebe und Barmherzigkeit, fragen sie danach, wie wir das tun können, was Gott von uns will? Habt ihr so eine Herzensfrage, liebe Schwestern und Brüder, etwas, was auf eurem Herzen brennt und heraus will? Die Pharisäer tun alles das nicht. Sie haben keine Herzensfrage, sie haben nur eine Fangfrage. Sie möchten das Gespräch mit Jesus nutzen, um ihn zu Fall zu bringen, damit sie den anderen sagen können: „Seht her, eurer toller Jesus! Wir stellen ihm eine einfache Frage, und er versagt so dermaßen! Wie könnt ihr dem nur nachlaufen! Hört doch lieber wieder auf uns.“ Ich kenne das auch, dass Menschen ein Gespräch missbrauchen. Sie täuschen eine Nähe vor, um dann den anderen fertig zu machen, um ihm einen Fehler nachzuweisen. Das ist fies und hinterhältig. Mit so einer Frage kommen sie nun zu Jesus: „Ist es einem Mann erlaubt, sich von seiner Frau zu scheiden?“ Das ist eine große Frage damals. Denn natürlich gibt es auch damals Streit, Unbarmherzigkeit und Schuld zwischen Eheleuten. Wie stellt Jesus sich nun dazu? Wie steht er zu dem Gesetz Gottes? Sagt Jesus nun ja, dann ist er nicht anders und nicht besser als die Pharisäer selbst. Sagt er nein, dann stellt er sich gegen Mose und das Gesetz Gottes. Immer wieder versuchen die Pharisäer Jesus so aufs Glatteis zu führen (denkt an die Frage nach, ob man Steuern an den Kaiser zahlen soll, denkt an die Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll). Jesus antwortet nun aber nicht einfach mit ja oder nein, er antwortet mit einer Gegenfrage: „Was für eine Vorschrift hat Mose euch denn gegeben?“ „Mose hat erlaubt, einen Scheidebrief aufzusetzen, eine Scheidungsurkunde. Dann kann der Mann die Frau fortschicken.“ Das, was die Pharisäer antworten, ist völlig richtig. Es gibt diese Möglichkeit. Der Mann (und nur der Mann kann das) trennt sich von seiner Frau und stellt darüber ein Schreiben aus. Dann muss sie gehen. Sie darf dann wiederum eine Ehe eingehen. Ja, das stimmt, antwortet Jesus. Aber das ist doch kein Freibrief für eine Trennung. Das Ganze hat Mose euch doch nur erlaubt, weil ihr so voller Hartherzigkeit seid. Wie könnt ihr denn, wenn ihr mir eine Frage stellt, eine Frage nach der Scheidung stellen! Das kann doch nicht sein! Die Scheidung ist doch nicht das, worum es geht. Die Scheidung ist nur ein trauriger und manchmal unabwendbarer Schluss einer langen Entwicklung. Aber die Ehe ist doch ganz anders gemeint. Wenn ihr bei der Ehe gleich an Scheidung denkt, dann habt ihr nichts davon verstanden, was Gott will, wie Gott das Zusammenleben von Mann und Frau, von zwei Menschen will. Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen. Er möchte, dass sie in der Ehe eins sind, wie ein Körper untrennbar miteinander verbunden. So kostbar ist der eine für den anderen, dass er ohne ihn gar nicht mehr leben kann. Das, was vorher war, die alten Familienbindungen, die sind dann nicht mehr wichtig. Wichtig ist, dass die beiden ungestört und miteinander verbunden ihr Leben leben können.“ Das ist das, was Gott möchte. Das ist sein Wort, auf das ihr hören sollt. Ihr aber fangt an und sucht nach Möglichkeiten für die Scheidung und ob es juristisch in Ordnung ist. Damit aber nehmt ihr Gottes Wort nicht ernst. Ihr nehmt Gott nicht bei seinem Wort. Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert. Habt ihr euer Herz offen für Gottes Wort? Oder sucht ihr nur euren eigenen Vorteil? Sucht ihr nach dem, was nur euch allein nützt? Der andere, mit dem ihr zusammenlebt, sollt euch so kostbar sein, weil er in Gottes Augen kostbar ist. Und eure Beziehung zueinander sollte euch so kostbar sein, weil sie in Gottes Augen so kostbar ist. Das meint Jesus, wenn er sagt: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen.
Noch einmal: Ja, es gibt Situationen, da mag eine Trennung zweier Menschen das Beste für alle zu sein. Aber das darf niemals leichtfertig geschehen. Die Verletzungen, die auf dem Weg einer Trennung geschehen, sind oftmals sehr groß und tief. Manch einer von euch weiß davon, hat es selbst erlebt, bei den Eltern oder bei Freunden. Aber im Hören auf das Wort unseres Gottes öffnet sich ein anderer Weg: Gebt nicht so schnell auf. Bemüht euch um einander. Wenn es schwer werden sollte – und das wird es wohl in jeder Partnerschaft einmal: Geht trotz allem liebevoll und voller Achtung miteinander um. Wenn ihr gemeinsam durch die schweren Zeiten geht, werdet ihr die Tiefe des Lebens und der Liebe erfahren. Und ihr werdet die Tiefe von Gottes Wort erfahren.
Denn über das Miteinander in einer Ehe hinaus geht es Jesus doch vor allem um dies: In allem, was ihr tut, was ihr sagt, was ihr denkt, sei es in eurer Ehe, sei es im Umgang mit euren Kindern, sei es bei der Gestaltung eures Lebens: Achtet auf das, was Gott sagt. Der möchte, dass ihr in allem die Kostbarkeit eures Lebens und des Lebens der Anderen achtet. Der möchte, dass ihr die Zeit ausnützt und sie nicht unnütz verstreichen lasst. Der möchte euch in allem tragen, stärken, trösten und zur Freude führen. Es ist euch schon längst gesagt, was gut für euch ist. Ihr wisst schon längst, was Gott von euch möchte. Wenn ihr seinem Wort folgt, werdet ihr die Fülle des Lebens erfahren. Und ihr werdet erleben: Sein Wort ist die beste Lebenshilfe, die es gibt. Oft drehen wir uns in unserem Leben nur um uns selbst und suchen unseren eigenen Vorteil. Gottes Wort aber lenkt unseren Blick von unserem selbstsüchtigen Ich hin zu dem Nächsten und zu Gott. Erst in dieser Weite sehen wie, wie reich Gott uns beschenkt. Das gilt für das Zusammenleben in der Partnerschaft, in der Ehe, das gilt darüber hinaus für unser ganzes Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen. So schenke uns Gott immer wieder ein offenes Ohr und ein offenes Herz, damit wir hören, was er uns sagen will. So wird unser Leben an Fülle und Tiefe gewinnen. So werden wir wirklich leben: Im Hören auf ihn, unsern Herrn. Amen