Aus der Raupe Nimmersatt wird ein Schmetterling – Predigt zu Johannes 6 (34-36, 55f, 60-62) und Römerbrief 6, 3-5 von Katrin Berger
6,34-36

Aus der Raupe Nimmersatt wird ein Schmetterling – Predigt zu Johannes 6 (34-36, 55f, 60-62) und Römerbrief 6, 3-5 von Katrin Berger

 „Herr“, sagten sie zu Jesus, „gib uns immer von diesem Brot.“ (Joh 6, 34)

Am Montag fraß die kleine Raupe Nimmersatt sich durch einen Apfel, aber satt war sie noch immer nicht.

Am Dienstag fraß sie sich durch zwei Birnen, aber satt war sie noch immer nicht.

Am Mittwoch fraß sie sich durch drei Pflaumen, aber satt war sie noch immer nicht.1

Am Montagmorgen aß ich zum Frühstück eine Tafel Schokolade, aber satt war ich nur bis zum Mittag. Am Montagmittag aß ich noch eine Tafel Schokolade, aber satt war ich immer noch nicht. Abends brauchte ich noch mal 100 Gramm.

Dienstagmorgen bekam ich einen Kuss, aber satt wurde ich davon nicht. Schon Dienstagmittag brauchte ich dringend eine richtig lange Umarmung, aber abends dann noch mal ganz doll beides.

Mittwochmorgen sah ich wie die Sonne aufging und konnte mich kaum sattsehen an der Schönheit der Natur. Mittwochmittag musste ich aber schon wieder raus, so gierig war ich nach dem frischen Grün des Frühlings. Als Mittwochabend dann die Sonne unterging, konnte ich den nächsten Morgen voller Sonnenstrahlen kaum erwarten.

Donnerstagmorgen bekam ich ein Lob für meine Arbeit, Donnerstagmittag hatte ich es schon wieder vergessen, weil irgendjemand den Mund nicht voll kriegte und mir sagte, ich, die Kirche, Gott oder doch bitte die ganze Welt sollten sich jetzt sofort und gefälligst noch mehr sorgen, damit niemand verhungerte.

Freitagmorgen bekam ich vor lauter Frust Heißhunger auf neue Schuhe, Freitagmittag stellte ich fest, dass zu ihnen keine meiner Handttaschen passte und rannte zurück in den Laden. Abends merkte ich, dass ich noch ein neues Schuhregal und neue Haken für Taschen und eine rote Bohrmaschine um sie an die Wand zu dübeln brauchte.

Samstagmorgen hatte ich frei. Da kam ich auf den Geschmack und wollte Samstagmittag auch noch frei haben und Samstagabend noch dazu und Samstagnacht sowieso.

Sonntagmorgen war ich im Gottesdienst. Das erste Lied gefiel mir so sehr, ich hatte Lust, es noch zweimal zu singen. Dann hörte ich meinen Lieblingsbibelvers, den sagte der Pfarrer aber nur einmal im Jahr. Dann ging ich zum Abendmahl und bekam eine kleine Oblate und einen Schluck aus dem Kelch. So wenig. so schnell, so selten. Bitte immer wieder sonntags zu seinem Gedächtnis und zu meinem schlechten auch.

Ich hatte mich glücklich durchgefuttert durch die Woche, durch das Leben. Aber ich wurde und wurde nicht satt. Ich hatte mich voll gefuttert mit Schokolade, Zärtlichkeit, Schönheit, Erfolg, Schuhen und Taschen, Zeit und Vergebung und Gott, aber Sonntagmittag fühlte ich schon wieder großen Hunger nach all dem. Sonntagabend war ich leer und einsam und zerbrechlich und ängstlich, denn ich merkte, es war einfach nie genug. Ich brauchte es alles immer wieder, und auch immer mehr. Mein Hunger nach Leben war so nicht zu stillen.

Nicht von dem Brot, das der HERR immer wieder gibt, nicht vom täglichen Brot. (Joh 6,34)

„Das wahre Brot Gottes ist das, das vom Himmel herabsteigt und der Welt das Leben gibt.“

„Ich bin das Brot, das Leben schenkt“, sagt Jesus. „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein. Wer sich an mich hält, wird keinen Durst mehr haben.“

„Denn mein Fleisch ist die wahre Nahrung, und mein Blut ist der wahre Trank.

Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt mit mir verbunden und ich mit ihm.“

Als sie das hörten, sagten viele, die sich Jesus angeschlossen hatten: „Was er da redet, geht zu weit! So etwas kann man nicht mit anhören!“ Jesus wusste schon von sich aus, dass sie murrten, und sagte zu ihnen: „Daran nehmt ihr Anstoß? Wartet doch, bis ihr den Menschensohn dorthin zurückkehren seht, wo er vorher war!

Lebenshunger ist nicht zu stillen, bis man versteht, dass es ohne Jesu Tod nicht geht.

Bis er sein Fleisch und sein Blut gibt und wir das Brot des Lebens essen.

Das trockene Brot, das Wort des ewigen Lebens, an dem man zu kauen hat, sich fast die Zähne daran ausbeißt. Es immer wieder ausspucken möchte, weil es hart ist, kaum zu schlucken, bis man mit Hilfe Gottes Geist versteht, dass es ohne Jesu Tod nicht geht.

Jesus ist nicht unser täglich Brot, damit wir überleben. Jesus ist nicht das Brot für jeden Tag, für immer, das uns satt macht bis zum nächsten Tag. Jesus ist nicht das Brot für jeden Montag Mittag, jeden Mittwoch Abend oder Sonntag Morgen, sondern das Brot für einmal, ein für allemal. Nur einmal kommt Gott in Jesus zur Welt. Nur einmal stirbt er am Kreuz für das Leben der Welt. Nur einmal gibt Jesus sein Fleisch und sein Blut, damit wir ein für allemal satt werden.

Nur einmal werden wir geboren. Nur einmal werden wir getauft. In Jesu Tod hinein, einmal drei Tage Tod einmal drei Mal Taufwasser. Nur einmal bekommen wir darin Anteil an Jesus, essen sein Fleisch und trinken sein Blut auf das wir ewig leben.

 …Wir alle, die »in Jesus Christus hinein« getauft wurden, sind damit in seinen Tod hineingetauft, ja hineingetaucht worden. Durch diese Taufe wurden wir auch zusammen mit ihm begraben. Und wie Christus durch die Lebensmacht Gottes, des Vaters, vom Tod auferweckt wurde, so ist uns ein neues Leben geschenkt worden, in dem wir nun auch leben sollen. Denn wenn wir mit seinem Tod verbunden wurden, dann werden wir auch mit seiner Auferstehung verbunden sein. (Röm 6)

Wer getauft ist und das glaubt, der hat das ewige Leben und wird satt. Mehr als ewiges Leben kann man nicht kriegen. Wer das glaubt, ist satt an Vertrauen, dass es an nichts mangeln wird, nicht mehr mangeln kann. Der wird so satt, dass der Hunger nach dem täglichen Brot nicht mehr das Leben bestimmt, sondern das Vertrauen, dass es schon reichen wird, dass mehr als genug zum Leben da ist. So satt an Vertrauen, dass die Schokolade wird reichen wird, und die Zärtlichkeit, die Schönheit, der Erfolg, die Schuhe und die Taschen, die Zeit sowieso und Vergebung und Gott auch. Wer das glaubt, ist satt vom Brot des Lebens, voller Vertrauen in Gott. Noch satter als die kleine Raupe Nimmersatt, als sie dick und bereit war, sich völlig zu verwandeln. Wer das glaubt, ist schon verwandelt. Neugeboren durch Wasser und Geist, durch Jesu Wort und Leben (Joh 3,5). Wer das glaubt, war schon im Kokon, war schon im Tod. Wer das glaubt, lebt wie ein schöner, bunter Schmetterling. Kriecht nicht nur auf dem Boden der Tatsachen, hangelt sich nicht von einem abgeernteten Ast zum nächsten, von einem Hunger zum nächsten, sondern fliegt mit dem warmen Wind der Verheißung von einer Pflanze zur nächsten Blüte.

1 I Die kleine Raupe Nimmersatt von Eric Carle.