Erlebnis: Beglaubigung von Dokumenten
Neulich stand ein junger Mann vor meinem Büro. Es klingelt an der Tür: „Können Sie mir bitte mein Abi-Zeugnis beglaubigen? Ich brauche es für eine Bewerbung - die Originaldokumente habe ich dabei!“ Während ich die Dokumente prüfe und mit dem Siegel beglaubige, kommen wir ins Gespräch. „Wissen Sie, eine Beglaubigung ist so zu behandeln, als wäre es das ursprüngliche Dokument.“ Ich ergänze schmunzelnd: „Die ursprüngliche Prüfung muss deswegen zum Glück nicht noch einmal wiederholt werden.“ –Mein Gegenüber nimmt den Spaß auf: „Na – zum Glück nicht!“
Einführung in Situation des Bibeltextes
Um eine besondere Art der Beglaubigung geht es im Abschnitt aus der Bibel, der uns heute aus dem Ersten, dem Alten Testament zur Predigt vorliegt. Josua und das Volk Israel befinden sich im Westjordanland, am Ufer des Jordans. Nicht weit weg von der Stadt Jericho entfernt. Lange Zeit war das Volk mit Mose durch die Wüste gezogen. 40 Jahre, heißt es. Die Israeliten stehen vor einem Neuanfang, wenn sie in Kürze den Jordan überqueren. Es ist ein entscheidender Wendepunkt: Sie blicken zurück auf die Wüstenzeit. Nun stehen sie kurz davor, ins „Gelobte Land“ einzuziehen. Aber ehe es so weit ist, tut Gott etwas Bemerkenswertes.
Bibeltext
Hören wir, was uns im Buch Josua, Kapitel 3,5-7 (ff.) berichtet wird: Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein.
[Optional kann verlesen werden:] Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan. […] Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.
Josua wird als Original beglaubigt
Gott sagt etwas Bemerkenswertes zu Josua: „Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit Dir sein!“ (Josua 3,7). Gott selbst setzt hier Josua ein, sein Volk durch den Jordan hindurch in das Land der Verheißung zu führen. Gott beglaubigt Josua. Josua ist dabei nicht nur eine billige Kopie von Mose. Josua wird von Gott als eigene Identität, als eigene Person bestätigt. Mit ihm hat Gott Großartiges vor.
Die Zeit des Auszugs aus Ägypten und die Wüstenwanderung ist nun zu Ende. Der Auszug aus Ägypten ist weit mehr als nur die Befreiung aus der Sklaverei. Das Volk sieht ein Heimatland, das Gott seinem auserwählten Volk zugesagt hatte: „Siehe, ich habe das Land vor euren Augen dahingegeben. Zieht hinein und nehmt das Land ein, von dem der HERR euren Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, dass er’s ihnen und ihren Nachkommen geben wolle.“ (Deuteronomium 1,8). Nun ist es endlich so weit.
Aber die Landnahme ist nicht einfach so zu haben. Josua lässt das Volk nicht einfach durchs Wasser ziehen. Er ruft Gott und sein Handeln ins Bewusstsein: „Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun.“ (Josua 3,5) Nur im Bund mit dem HERRN kann Israel das Land in Besitz nehmen. Unübersehbares Zeichen dafür ist die Bundeslade mit den zehn Geboten, die Josua von Priestern voraus in den Fluss tragen lässt.
Sich zu heiligen hieß für die Israeliten ihr Leben in Bezug auf Gottes Weisung hin zu überprüfen. Sich heiligen ist immer ein Ausdruck von Ehrfurcht und Bereitschaft, Gott zu begegnen. Für uns kann das heißen, immer wieder aufs Neue innezuhalten und unser Herz auf Gottes Wirken durch Jesus Christus an uns, in uns und durch uns vorzubereiten.
Josua erinnert das Volk daran, dass dieser Übergang nicht aus eigener Kraft, sondern im Vertrauen auf Gottes Handeln gelingen wird. Er konnte das so sagen, weil er gehört hatte, was Gott zu ihm gesagt hatte: „Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein“ (Josua 3,7). Mit Josua, durch Josua bringt Gott eine, und zwar seine Verheißung an Abraham und Mose zum Ziel: Ein Ort, ein Land, in dem das Volk Gottes leben kann.
Josua: ein „Gamechanger“ – er bringt das Volk zum Ziel
In unserer Zeit nennen wir eine solche Person, wie Josua es damals für das Volk Israel war, einen „Gamechanger“. Das ist ein Begriff aus dem Sport. Gemeint ist damit, wenn beispielsweise im Hockey eine Spielerin durch einen geschickten, neuen und unerwarteten Spielzug eine Wende in Gang bringt. Genau dann, wenn es gar nicht gut aussieht. Dieser Moment, diese Wende im Spiel führt dann dazu, dass ihre Mannschaft das Spiel gewinnt. Auch wenn es noch nicht alles rund läuft. Erst im Nachhinein erkennt man dann die eine, die alles entscheidende Szene. Von Gott beglaubigt, in seinem Tun bekräftigt wird Josua zu solch einem „Gamechanger“. Mit ihm verändert sich die Perspektive: Nun gibt es keine Wüstenerfahrungen mehr, sondern ein Leben in ganz neuen Umständen. Mit Gottes Hilfe bringt Josua das Volk Israel ans Ziel. Schrittweise siedeln sich die Israeliten im Land Israel danach an.
Solch einen „Gamechanger“, der nachhaltig Frieden mit sich bringt, wünscht man sich in unserer Zeit – besonders für die Menschen im Heiligen Land. Dort, im gleichen Westjordanland und Gaza-Streifen, wo Israelis und Palästinenser miteinander und aufeinander angewiesen leben.
„Gamechanger“ Jesus
Etwa 1200 Jahre mehr oder weniger nach diesen Ereignissen geschieht am Jordan wieder etwas Großartiges. Sie ahnen es vielleicht schon – es wird wieder um einen „Gamechanger“ gehen! Im Evangelium des Tages klingt es an: Dort wird uns von der Taufe Jesu berichtet. Jesus wird von Gott bestätigt und beglaubigt. Der Himmel steht offen, und die göttliche Zusage wird hörbar: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ (Matthäus 3,17) Mit ihm hat Gott Großes vor. Mit dem, was Jesus sagt und tut, leitet Jesus eine Wende ein. Ich sage das aus der Perspektive im Nachhinein, ähnlich, wie man es erst im Sport beobachten kann. Jesus eröffnet eine komplett neue Perspektive. Neben dem auserwählten Volk Gottes wird Menschen aus anderen Völkern der Zugang zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs möglich gemacht.
Von Josua und Jesus zu uns
Das Bibelwort „Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein“ (Josua 3,7) klingt noch in mir nach. Ich möchte es als konkrete Zusage für mich heute mitnehmen – ohne mich dabei mit Josua oder gar mit Jesus auf eine Ebene stellen zu wollen. Josua wurde damals vom HERRN und seiner Zusage beglaubigt und führte sein Volk ins verheißene Land. Ich glaube, dass Gott auch heute Menschen seine Nähe zusagt, sie beruft und stärkt, neue Wege in unserer Zeit zu gehen und Hoffnung zu bringen. Neue Perspektiven, veränderte Sichtweisen – mit Gottes Zusage und Hilfe, darauf setze ich.
Die Herausforderungen, vor denen wir stehen – sei es in der Weltpolitik, in unseren Gemeinden oder im eignen, ganz persönlichen Leben – wirken manchmal unüberwindbar. Doch an Josua zeigt sich: Mit Gottes Beistand sind selbst die größten Hindernisse zu überwinden. Das alles ohne den Druck, zu einem „Gamechanger“ werden zu müssen.
Gott ist treu. Gott bleibt treu. Er verlässt uns nicht. Er kann uns solche „Gamechanger“ wie Josua auch heute schenken – Menschen, die von Gott befähigt werden, einen besonderen Dienst in herausfordernden Zeiten zu tun. Wer weiß, vielleicht werden Sie oder ich zu einer Gamechangerin, einem Gamechanger – durch Gottes Gnade? Dabei geschieht schon so vieles unter der Zusage Gottes an uns – vielleicht nicht so spektakulär wie bei Josua, aber in der festen Zusicherung: „Ich bin bei dir! Ich bin mit dir!“ Bei dem, was Du tust!
Klar ist: Auch in unserer Zeit braucht es Menschen, die als „Gamechanger“ handeln – nicht aus eigener Kraft, sondern im Vertrauen auf Gottes Zusage. Menschen, die anpacken, sich nicht scheuen, große Herausforderungen anzunehmen und Schritte im Glauben zu wagen. Menschen, die etwas in unserer Zeit und Welt verändern.
Solche Hoffnungsträger können wir sein – in unseren Familien, in unseren Gemeinden, in unserer Gesellschaft, in unserer Zeit.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe vor allem eher ältere Menschen in den Gottesdiensten vor Augen. Erzählungen, wie sie im Buch Josua überliefert sind, sind kaum oder nur noch sehr selten wirklich vertraut oder bekannt. Das macht es nicht ganz einfach, solche Bibeltexte auszulegen – es bleibt bei Andeutungen zum damaligen Kontext. Ich möchte gerne beides tun: das Bibelwort auslegen und deuten und den Zuspruch der Nähe Gottes deutlich werden lassen, meistens mit einem hervorgehobenen Wort aus dem Abschnitt der Heiligen Schrift – hier aus Josua 3,5: „Ich werde mit Dir sein!“
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Idee eines „Gamechangers“ hat meine Auslegung dieser schwierigen Bibelstelle in besonderer Weise bestimmt. Die Gedanken zu Beglaubigung und Bestätigung gaben dazu den Ansporn: Was genau bewirkte denn die Beglaubigung des Josua durch Gott? Oder bei Jesus in Bezug auf das Evangelium des Tages? Sie veränderten etwas – nachhaltig, wie ein Gamechanger in einem Spiel im Sport.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Zusage an Josua: „Ich werde mit Dir sein“ ist für mich der evangelische Zuspruch. Ein echtes Trostwort! So erlebe ich Gott: Er ist uns Menschen – den Gemeindegliedern und mir – stets zugewandt. Er nimmt uns in seinen Dienst. Wir brauchen solche Worte der Ermutigung bei den Herausforderungen unserer Zeit. Ich wünschte mir Gamechanger in manchen Situationen (Politik, Gesellschaft…), aber das lässt sich erst im Nachhinein erkennen. Ich bin und bleibe darauf gespannt!
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich bin dankbar für die Ermutigung, mehr direkte Rede und mehr Verben zu nutzen. Rückfragen und Anfragen motivieren mich, meine Gedanken zu überprüfen. Ich kann dadurch an der Sprache feilen, den Fokus klarer herausstellen. Die Möglichkeit, vorab bereits eine oder mehrere Versionen der Predigt mit jemanden anders mit zeitlichem Vorlauf zu bearbeiten, ist für mich ein besonderes Geschenk. Das kommt im Alltag (ich predige nahezu jeden Sonntag) sonst so gut wie nie vor.