Eine laute Welt – eine müde Seele
Die Welt ist so laut geworden. Die Seele so müde. Wir leben in einer Zeit, die voll ist. Voll von Stimmen, Nachrichten, Eindrücken, Entscheidungen. Die Welt ist laut geworden. Laut durch das permanente Piepen von Geräten. Laut durch Erwartungen und Anforderungen. Laut durch Konflikte, die wir nicht mehr lösen können. Mitten in diesem Lärm wird die Seele müde. Nicht nur erschöpft vom Alltag. Sondern müde vom Vergleichen. Müde vom Verzweifeln. Müde vom Hoffen ohne Antwort. Genau in so eine Welt, genau in so eine innere Müdigkeit, schreibt Paulus am Ende seines zweiten Briefes an die Korinther ein leises, aber starkes Wort:
„11 Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. 12 Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Korinther 13,11-14)
Paulus sieht, was Gott möglich macht
Er schreibt das als erfahrener Apostel, als Seelsorger in einer innerlich zerrissenen Gemeinde. Er schaut nicht darauf, was die Gemeinde auseinanderbringt. Er schaut auf das, was Gott trotz solcher Spannungen möglich macht. Paulus schreibt nicht an Menschen, die alles im Griff haben. Er wendet sich an Menschen, die im Streit liegen. Miteinander. Mit ihm, dem berühmten Apostel und weitgereisten Missionar im Mittelmeerraum. Sie haben sich müde gestritten. Die Gemeindeglieder sind erschöpft von den Konflikten in der Gemeinde, von Enttäuschungen, von offenen Fragen.
Freut euch!
Und was sagt er ihnen – was sagt er uns? Paulus schaut nicht darauf, was die Gemeinde auseinanderbringt. Er schaut auf das, was Gott trotz solcher Spannungen möglich macht. „Freut euch!“ schreibt er – das überrascht. Nicht, weil alles gut ist. Sondern weil Gott gut ist.
„Freut euch!“ Heute wird Dir dieses Bibelwort zugerufen – als Aufmunterung mitten im Alltag zwischen Deadlines, Familienchaos, Verzweiflung und Fragen nach Sinn des Ganzen. Und weißt du, warum du dich so freuen kannst? Weil Gott selbst mit dir ist. Nicht irgendein Gott. Sondern der Gott, von dem es im [heutigen Gottesdienst gesungen / gesprochenen] Bekenntnis von Nicäa heißt: Er ist Gott, der Vater, der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren.
Damals viele Götter – heute ein Bekenntnis
Damals, im 4. Jahrhundert, war das Bild Gottes keineswegs eindeutig. Die Christen bekannten sich zu dem Gott Israels, dem Vater von Jesus Christus – aber im römischen Reich gab es viele Vorstellungen von Gott und Göttern, vom Wettergott Zeus als Göttervater bis hin zu Mithras als Sonnengott. Es gab Philosophen, die Gott nur als „erste Ursache“ verstanden – fern, abstrakt, unpersönlich. Nein, so sagt es Paulus und so wird es in Nicäa bekannt: Gott ist der Ursprung von allem. Dieser Gott ist mit Dir. Hier. Jetzt. Heute. Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Persönlich. Zugewandt. Er ist mit Dir. Das ist gut zu wissen. Nichts entgleitet seiner Hand. Auch das Unsichtbare – das, was uns oft verborgen bleibt – gehört zu seiner Schöpfung. Er tritt in Beziehung zu uns. Er steht in Beziehung zu uns. Er schafft Beziehungen unter uns. In seiner Liebe zu uns. Ihm ist keine Lebenssituation fremd. Keine Krankheit, kein Leid, keine Dunkelheit. Keine Einsamkeit. Auch nicht unser Zweifel. Auch nicht der Tod.
Jesus – vertraut mit Bauplänen und mit Herzen
Vielleicht fühlst du dich heute wie auf einer Baustelle. Nicht auf einer, wo bald alles neu und schön wird – sondern eher auf einer, wo viel stillsteht. Da liegt noch altes Geröll aus früheren Zeiten, da ragen angefangene Mauern in den Himmel, und irgendwie fehlt die Richtung. Vielleicht denkst du: „Ich bin selbst schuld. Ich hab’s schleifen lassen. Ich hab Fehler gemacht.“ Oder: „Ich hab wirklich mein Bestes gegeben – aber der Plan war einfach zu unübersichtlich.“ Und jetzt? Vielleicht ist das jetzt genau der Moment, wo du sagst: „Jesus, ich geb dir den Bauplan meines Lebens noch mal neu.“ Denn weißt du was? Jesus kennt sich aus mit Bauplänen. Denn Jesus kennt sich aus – nicht nur mit Herzen, sondern auch mit Holz und Hammerschlag. Er ist der Sohn Gottes – und er weiß, dass sein Vater im Himmel einen Plan hat. Einen Plan für dich. Für dein Leben. Jesus war der Sohn eines Zimmermanns. Der weiß, wie's auf'm Bau läuft. Der kennt Baupläne – und auch das Chaos, wenn man sie ignoriert. Der weiß, wie es ist, wenn was wackelt, wenn was krumm wird – und wie man’s wieder geradezieht. Josef von Nazareth zog Jesus groß, lehrte ihn das Handwerk, schützte ihn vor Herodes, brachte ihn zum Tempel, nannte ihn „mein Sohn“. Josef war nicht der biologische Vater – aber er war rechtlich sein Vater. Nach jüdischem Verständnis ist Jesus sein gesetzlicher Erbe. Dieser Jesus ist also wirklicher und wahrer Mensch, hineingeboren in eine ganz konkrete Familie, mit Stammbaum, Herkunft, Heimatort. Kein frommes Ideal – sondern einer von uns. Gleichzeitig ist er wahrer Gott, denn seine Herkunft ist nicht von dieser Welt. Gott von Gott, Licht vom Licht. Wahrer Gott aus wahrem Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, so sagt es das Nicänische Glaubensbekenntnis. Aber in, mit und durch Jesus Christus hat Gott uns und unser Leben ganz und gar fest im Blick. Mit allem, was dazugehört. Jesus – Zimmerman als Mensch – weiß, wie’s ist, wenn Holz splittert. Wenn was vermessen wurde. Wenn man neu ansetzen muss. Er weiß, wie Baustellen aussehen – innen wie außen. Er kennt auch deine Baustellen. Er schreckt nicht davor zurück. Er sagt: „Lass uns weiterbauen. Ich bin da.“ Als Zeichen seiner Güte und Gnade. Gib – wenn du magst – aufs neue Jesus den Plan. Und dann lass ihn bauen. Übrigens: Das bist du Gott wert – dass Jesus in die Welt kam. Für dich. Nicht für Superheilige – für Alltagsmenschen. Menschen, wie Du und ich es sind. Die sich manchmal aufregen, manchmal streiten und deren Seelen müde werden in einer lauten Welt. Wo Jesus am Lebensplan baut, da wächst nicht nur ein Leben – da wächst auch Frieden. Du bist nicht definiert durch gestern. Nicht durch Fehler. Nicht durch Sorge, Kummer oder Not. Sondern durch die Hoffnung, die in dir lebt – weil Jesus Christus in Dir lebt.
Einheit in Christus – bei allen Unterschieden
Paulus ruft die Gemeinde in Korinth auf: „Habt einerlei Sinn!“. Das heißt nicht: Alle sollen haargenau das Gleiche über alle Fragen des Lebens denken. Unterschiedlichkeit ist Teil des Gemeindelebens. In Korinth, damals – und bei uns in den Gemeinden nicht minder. Paulus betont aber: Trotz Verschiedenheit fokussiert den einen Herrn bekennen.
Der Heilige Geist ist der „unsichtbare Held“ in dieser Geschichte. Ohne ihn gäbe es keine Menschwerdung Gottes, keine Erkenntnis des Glaubens und keine Kirche. Kein Mensch erkennt aus sich heraus, dass Jesus der Sohn Gottes ist. In Jesus kommt der Himmel zur Erde – durch den Heiligen Geist gewirkt. Wenn wir an Jesus glauben, kommt der Himmel auch zu uns – wieder durch den Heiligen Geist gewirkt. Es ist der Geist, der Augen öffnet und Herzen entflammt. Der Heilige Geist macht möglich, was menschlich unmöglich ist. Er wird deswegen auch gerne der „Lebendigmacher“ genannt. Er wirkt diese Gnade, diesen Frieden, diese Gemeinschaft, von dem hier die Rede ist.
Der Gott, der mit uns mitgeht
Wie kann man die Trinität – Vater, Sohn und Heiliger Geist – verstehen, ohne den Verstand zu verknoten? Manche sagen: Das ist zu kompliziert. Drei und doch eins? Das klingt wie ein theologisches Rätsel. Gott ist wie eine Sonne: Der Vater ist wie das Licht – er bringt alles zum Leuchten. Der Sohn ist wie die Wärme – spürbar, nah, heilsam. Der Heilige Geist ist wie die Strahlen – sie berühren dich, ohne dass du sie siehst. Drei Arten, in denen uns dieselbe Sonne begegnet – und doch ist sie immer eins.
Vielleicht spürst du mit Blick auf das, was gerade in der Welt passiert, eine gewisse Unruhe in dir. Diese leise Frage: War’s das? Wird es je besser? Kommt da noch was? Was jetzt ist, ist nicht das Ende – Gottes Zukunft bestimmt das Leben. Gott, der vorzeiten geredet hat (durch die Propheten) zu den Vätern, hat sich endgültig offenbart in Jesus Christus, seinem Sohn, unserem Retter. Sein verheißener Geist wirkt den Glauben mitten unter uns. So geht Gott mit Dir und mir. Nicht als der Gott des Lärms. Nicht als der Gott der Vorwürfe. Sondern: als Gott der Liebe. Als Gott des Friedens. Als Gott, der sich nicht aufdrängt – aber bei uns bleibt. In dreifacher Weise: Als Schöpfer, der dir sagt: Ich wollte dich. Als Retter, der dir sagt: Ich bin bei dir – bis in den Tod. Als Tröster, der dir sagt: Ich gebe dir Kraft für heute und Hoffnung für morgen. In einer Zeit, in der viele sich fragen: Wo ist Gott in meinem Leben? Ist die Antwort: Gott ist um dich – Gott ist mit dir – Gott ist in dir.
Du bist kein Fragment. Du bist ein wichtiges Kapitel in Gottes fortlaufender Geschichte mit uns Menschen. Noch schreibt Gott an deiner Geschichte – das heißt – in fröhlicher Gewissheit – das Beste liegt nicht hinter dir, sondern noch vor dir!
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich schreibe diese Predigt für Menschen, die in der Generationenfolge zu den Traditionalisten, Babyboomern, Gen X und Millennials zählen, eher als GenZ oder Junge Menschen. Da im Juni in den Gottesdiensten an das 1700-jährige Jubiläum des Nicänischen Bekenntnisses gedacht wird, greife ich es in der Predigt auf. Ebenso wird die Predigt für ein digitales Gottesdienstformat vorgetragen werden.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
In der Predigt heißt es: „Er schreibt das als erfahrener Apostel, als Seelsorger in einer innerlich zerrissenen Gemeinde. Er schaut nicht darauf, was die Gemeinde auseinanderbringt. Er schaut auf das, was Gott trotz solcher Spannungen möglich macht.“ – das scheint mir ein guter Zugang zu sein, wenn es in der Gemeinde auch mal etwas heftiger in Diskussionen zugeht. Das Austragen von Konflikten habe ich in meiner Tätigkeit als Superintendent in knapp sieben Jahren öfter erlebt. Wie bleibt man trotzdem -einigermaßen- zusammen?
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
„Jesus – vertraut mit Bauplänen und mit Herzen“: Diese Idee hat mir zusehend gefallen, weil das Bild des Zimmermanns und seine Tätigkeit in der Alltagswelt der Zuhörenden sicher bekannter ist als dogmatisch-theologische Überlegungen zur Trinität. Insgesamt lebt eine Predigt von aussagekräftigen Bildern. Da „dran“ zu bleiben, inspiriert mich.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Mein Coach regte an, den Eingangssatz: „Die Welt ist so laut geworden. Die Seele so müde.“ auszumalen und nicht gleich (im ersten Entwurf) zu Paulus und seinem Zuruf „Freut euch“ als Kontrast dazu einzusteigen. Insgesamt tut es meinen Predigten gut, wenn sie einmal vorher durch jemanden anders gelesen, bedacht werden und behutsam auf Veränderungen (die dem endgültigen Entwurf sehr gut tun!) hinzuweisen. Jedes Coaching bisher hat sich für meine Predigtarbeit sehr gelohnt.