18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,
19 dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
20 Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21 Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.
22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (Gen 8, 18-22)
12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig:
13 Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.
14 Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken.
15 Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe.
16 Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist.
17 Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden. (Gen 9, 12-17)
Vorhergesagt und abgesagt: Der Weltuntergang
Die schlechte Nachricht zuerst? Am Freitag, 13. November 2026 geht die Welt unter! So zumindest in einem Aufsatz, der 1960 in einer Ausgabe von „Science“ – also ziemlich hoch aufgehängt – mit der schönen Überschrift: „Doomsday: Friday, 13 November, A.D. 2026“ erscheint. Immerhin: Im Jahr des Herrn, Anno Domini. Das Material ist veraltet, die Formeln haben Löcher. Geht jetzt aber am 13. November 2026 wirklich die Welt unter?[1]
Weltuntergänge werden am laufenden Meter angekündigt. Seit der Antike. Mal spektakulär, mal spielerisch. Die Programme gibt’s im Internet. Weitaus schwieriger ist, dass Weltuntergänge sich unserer Gedanken bemächtigen, sich in Träume schleichen und Angst machen.
Also: die gute Nachricht zuletzt! Der Weltuntergang ist abgesagt! Das lesen Sie freilich nicht in Science, auch nicht in „Spektrum der Wissenschaft“, analog nicht und auch nicht digital – das lesen Sie in der Hl. Schrift! Genauer: In der Urgeschichte! Im Buch der Anfänge! Da steht unser Predigttext. Der letzte Satz schließt tatsächlich eine lange Diskussion in alter Zeit ab:
„Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.“
Gott schließt einen Bund. Er schließt einen Bund mit seiner Schöpfung. Nicht nur mit den Menschen.
Die Tiere gehören dazu, die Pflanzen, Mond und Sterne, die Rohstoffe und seltenen Erden.
Gott hat alles gut geschaffen, allem gab er eine eigene Schönheit mit auf den Weg, jedem Ding, jedem Lebeweise eine Würde. Mit seiner Schöpfung wird Gott verbunden bleiben. Mit ihr durch dick und dünn gehen. Eine verschworene Gemeinschaft! Unwiderruflich.
Die Schlussfolgerung, dass auch Gott in den Tod geht, ist zwar für viele Menschen unheimlich, aber wenn wir Jesus anschauen, sein Kreuz – auch in dieser Kirche - sehen wir es vor unseren Augen. Sein Bund – das ist seine Liebe. Zu uns, zu seiner Schöpfung, zur Welt.
Der Weltuntergang ist abgesagt!
Wenn eine Welt untergeht
In der altorientalischen Welt – und nicht nur in ihr – wurde von einer riesigen Flut erzählt, die alles Leben verschlungen hat. Lange vor der Klimakatastrophe, die uns heute medial längst gefangen nimmt, erzählten Menschen von einer großen Flut, die unsagbares Unheil über die Welt gebracht hat. Je länger – und öfter – die Geschichte erzählt wurde, wuchs sie über sich hinaus. Was aber, so unendlich vielfältig, erzählt wurde, erzählt von einem Weltuntergang. Von einer Erfahrung, die Menschen machen. Von einem Ende, das sozusagen von oben verfügt wird. Das über uns kommt.
Über Tiere, über alles, was lebt. Überhaupt: dass die Welt untergehen kann, ist schrecklich genug, verletzend und irritierend.
Wir sitzen gerade ziemlich gemütlich in unseren Bänken. Aber: Eine Ahnung davon, wie eine Welt untergeht, haben wir alle. Es kann meine kleine Welt sein, die untergeht. Mit einer Krankheit, einer Lebenskrise, einem vernichtenden Selbsturteil.
Die Welt um mich herum funktioniert – vom Sonnenaufgang bis zum Aufgehen des Mondes. Ich höre lachende Kinder – und das Kind in mir weint. Ich spiele, stark zu sein – und meine Seele windet sich in Schmerzen.
Und dann ist da noch die größere Welt, die sich in den Nachrichtensendungen in unsere kleine Welt schleicht: Ukraine, Gazastreifen, Sudan – Klimakrisen und und… Nicht schon wieder, denke ich. Hör auf. Immer dasselbe. Ich kann es nicht mehr hören. Aber ist dieses „Nicht mehr hören können“ nicht auch ein Stück Weltuntergang? Ein Aufgeben von Welt? Die Hoffnung hat einen schweren Stand. Beschworen wird sie, gewiss. Die Hoffnung. Aber sie ist vom Untergang bedroht. Dunkle Wolken sind aufgezogen. Bei mir. In meiner Seele.
Sogar in der Kirche spüren wir, wie eine alte Welt immer mehr vergeht. Worauf wir uns immer verlassen haben oder glaubten, uns verlassen zu können, ist brüchig geworden. Zahlen geben uns darüber Auskunft. Statistisch bestens aufbereitet. Scheinbar objektiv. Wir werden weniger. Wir haben weniger. Wir werden noch weniger haben. Aus mancher Sitzung komme ich enttäuscht und ratlos zurück. Wir wollen nichts aufgeben, können aber auch nicht alles behalten. Bis es uns auf die Füße fällt.
Das Wort „Weltuntergang“ suggeriert ein definitives Ende. Aber schon die ältesten Geschichten – von der Sintflut – wissen, dass wir viele Weltuntergänge erleben und aushalten müssen. Vielleicht ist es das Kennzeichen der Untergänge, dass sie nicht vergehen, dass sie sich ständig in unser Leben einnisten, dass sie unsere Welt in ihrer Zerbrechlichkeit sichtbar machen.
Von Schuld und neuen Anfängen
In der alten Flutgeschichte, die mit dem Namen Noah und seiner Arche untrennbar verbunden ist, wird auch von bösen Herzen erzählt. Böse von klein auf. Was sich wie ein Vorwurf liest, ist aber eher eine Beobachtung. Es ist befreiend, von Schuld zu reden und sie nicht einfach zu verschweigen oder schön zu reden. Weltuntergänge werden freventlich von Menschen herbeigeführt, billigend in Kauf genommen oder wehrlos erlitten. Das wird in der Geschichte von der Sintflut nicht versteckt.
Als diese Geschichte ihre Form bekommen hat, beklagten Propheten die Ungerechtigkeit in der Welt, den Machthunger der Eliten und die Ausnutzung und Ausbeutung gerade der Armen. Gott, so erzählten sie, habe die Welt darum dem Untergang preisgegeben. Eine solche Welt kann nicht überleben. Eine solche Welt kann keine Zukunft haben. Aber das Gefühl, das auch so viele Unschuldige drauf gingen, konnte nicht zum Schweigen gebracht werden. Was können die Tiere dafür, die Pflanzen, die Bäume, wenn Menschen ihre Welt, die Welt Gottes, kaputt machen?
Heute können wir sogar viele neue Geschichten hinzufügen: Von Menschen, denen ihre Welt einfach genommen wird, deren Welt dem Untergang preisgegeben wird, deren Welt geopfert wird. Jetzt könnten wir die Ukraine ins Feld führen, den Gazastreifen, den Sudan … den Klimawandel, den räuberischen Umgang mit Rohstoffen, den Drogenhandel.
Weltuntergänge werden gemacht!
Weltuntergänge werden provoziert!
Weltuntergänge werden zelebriert!
Das geschieht in der Öffentlichkeit der Welt. Mit viel Geld – und so manchen frommen Segen, in denen der Name Gottes missbraucht wird.
Schauen wir in die Maschinerien der Macht und in die Denkfabriken der Propagandisten, stoßen wir darauf, dass Menschen auf Bosheit getrimmt werden. Sie werden eingepasst in eine Welt der Vorurteile und des Hasses. Der Weltuntergang wird zum Programm, zur Perspektive. Wir werden Zuschauer eines Schiffbruchs. So der Philosoph Hans Blumenberg 1979: „Schiffbruch mit Zuschauer“
Gott stellt sich dem entgegen.
„Doch der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
Lieblicher Geruch! Lieblich ist der Geruch des Lebens. Der Geruch des Lebens – das sind Hunger und Sattwerden, alltägliches Glück, gemeinschaftliches Feiern. Das sind Menschen, die sich gut riechen können. Dann duften Räume. Dass Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhören, ist eine Bestandsgarantie Gottes. Für eine Welt, in der alles wachsen muss. Alles wachsen darf. Gott gibt seiner Schöpfung eine Ordnung und segnet sie in ihrem Gleichmaß, gezählt vom ersten bis zum letzten Tag des Jahres.
Der jüdische Segensspruch vor dem Essen von Brot:
Baruch ata Adonai Elohenu Melech ha'olam ha-mozi lechem min ha-aretz"
(Gepriesen seist Du, Ewiger, unser Gott, du regierst die Welt, der das Brot aus der Erde hervorbringt).
Lieblicher Geruch!
Der Weltuntergang ist abgesagt!
Der Regenbogen
Noah kommt aus der Arche. Ich sehe den prüfenden Blick. Ich höre das „Wow“ aus seinen Lippen. So viel neues Land. Auch die Menschen, die zu ihm gehören, verlassen das gestrandete Schiff. Sie müssen sich die Beine vertreten. Wie klein doch die Arche ist! Alle Knochen tun weh. - Wir sehen die Tiere, paarweise, nach draußen ziehen. Die riesigen Viecher, die Vögel, die Schlangen, die Insekten – sie werden sich wieder mit den Menschen den Lebensraum teilen. Nicht immer spannungsfrei. Aber Kinder spielen die Geschichte leidenschaftlich gerne nach. Da passt dann alles glücklich zusammen. Vor den Schlangen läuft kein Mensch weg. Vor dem Wolf hat kein Mensch Angst.
Beim Propheten Jesaja heißt es:
„Da wird der Wolf beim Lamm wohnen und der Panther beim Böcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie leiten. Kuh und Bärin werden zusammen weiden, ihre Jungen beieinanderliegen, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein kleines Kind wird seine Hand ausstrecken zur Höhle der Natter. Man wird weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des HERRN, wie Wasser das Meer bedeckt.“ (Jes. 11)
Ein Traum, der aus der Arche kriecht. Eilt. Fliegt. Grunzend. Zwitschernd. Singend. Ein Traum, der vor einem neuen Anfang steht. Ein Traum, der nicht untergeht. Ein Bild des Friedens. Merkwürdigerweise gibt es hier auch keine Zweifel. Das wird so sein! Es ist ein Gegen-Bild zu den vielen Bildern einer zerstörten, aufgeriebenen und sich selbst überlassenen Welt.
In unserer Geschichte, die von Flut und neuem Anfang erzählt, erscheint ein Regenbogen am Himmel. Nachdem das Unwetter verzogen ist, wird der Himmel verzaubert. Früher konnten sich die Menschen diese Erscheinung nicht erklären. Bewundert haben sie ihn – und ausgedeutet. Dann gab es auch schöne Geschichten. Hoffnungsgeschichten. Heute ist der Regenbogen eher allgegenwärtig. Auf Fahnen und Flaggen, Flyern und Tüchern. Es ist gut, dass der Regenbogen Gottes Verheißung farbig, bunt und weit ausgebreitet an den Himmel wirft – und von so manchem Handy aufgenommen wird.
Dass der Regenbogen Himmel und Erde verbindet, ist zwar eine optische Täuschung, sieht aber sehr realistisch aus. Versuchte ich, die Stellen zu finden, an denen der Regenbogen sich auf die Erde stellt, würde ich ihn unterwegs verlieren. Er ist mir immer voraus. Es ist, als ob er aus einen anderen Welt leuchtet.
„Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.“
Befreiend, geradezu die Welt umstürzend ist: Gott liebt seine Schöpfung, seine Geschöpfe. Liebe ist sein letztes Wort. Es umspannt die ganze Welt. Einem Bogen gleich. Farbenprächtig.
Der Weltuntergang ist abgesagt!
Der vom 13. November 2026 auch … Amen.
Als Lied nach der Predigt könnte das Lied von Rudolf Alexander Schröder aus dem Jahr 1936 gesungen werden. „Es mag sein, dass alles fällt“. Es entstand in einer Zeit, die apokalyptische Züge trug [2]
[1] https://www.spektrum.de/kolumne/eine-wissenschaftliche-vorhersage-fuer-den-weltuntergang/2252367 („Freistetters Formelwelt“)
[2] EG 378, bes. 1.3.4
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich nehme apokalyptische Vorstellungen und Ängste wahr, die ungeordnet und diffus auch das Zusammenleben schwer machen. Viele Menschen haben – und kultivieren – ihre eigenen Weltuntergänge. Die „Großwetterlage“ ist von, wie es heißt, multiplen Krisen bestimmt, die, ineinander verschränkt, Unheil stiften und prolongieren.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Predigttext! Einmal exegetisch – die „Urgeschichten“ bewegen mich seit Studientagen. Dann seelsorgerlich und homiletisch – der Predigttext öffnet Zukunft und nimmt den „Weltuntergängen“ ihre selbstverschuldete Endgültigkeit. Der Predigttext riecht auch förmlich gut! Eine homiletische Nasenübung… In der Predigt, die allenfalls gut gehört werden kann, kommt das nur zurückhaltend vor.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass Gott den Regenbogen auch für sich braucht… Exegetisch, systematisch-theologisch und poimenisch ist da noch etwas zu klären. Insgesamt ist für mich die Frage, warum Gott selbst die Sintflut will, offen. Die Texte/Literatur dazu sind umfangreich und widersprüchlich, aber auch homiletisch reizvoll. In der Predigt habe ich alles auf das „danach“ abgestellt und menschliche/gesellschaftliche Grunderfahrungen in das „vorher“ projiziert. Vor allem die Schuld an „Weltuntergängen“. Die jüdischen Kommentare will ich weiter studieren.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Aus zeitlichen (und gesundheitlichen) Gründen konnte es nur Hinweise meiner „Erstleserin“ geben, die ich dankbar aufgegriffen habe. Die Predigt ist jetzt konturierter und kürzer. Danke! Insgesamt ist es hilfreich, in der Vorbereitung den „Monolog“ aufzuhalten. Reizvoll wäre es, auch in der Predigt evtl. auftauchende Verschiedenheiten dialogisch aufzunehmen. Bei einer Frage hätte ich das auch sehr gerne gemacht – nur: zu lang. Zu viel.