Liebe Gemeinde,
da wird nicht lange gefackelt in der Motette von Heinrich Schütz. Das Unkraut wird gebündelt und verbrannt. Der Weizen bleibt übrig. Fertig.
Will Gott am Ende aller Tage wirklich kurzen Prozess machen? Hat Jesus das gemeint? Da kann einem ja richtig unheimlich werden!
Hören wir darum erstmal, in welchem Zusammenhang Jesus davon sprach:
Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf den Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.
Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.
Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?
Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan.
Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?
Er sprach: Nein! Damit ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune!
Matthäus 13, 24-39 Lutherübersetzung 1984
Liebe Schwestern und Brüder, man muss kein Bauer sein und kein großes Feld besitzen. Auch wenn Sie einen Garten haben, vielleicht nur einen Balkon oder eine Fensterbank:
Da können Sie genauso liebevoll vor ihren Pflanzen stehen wie dieser Hausvater. Es ist doch überall das gleiche Wunder: Ein guter Same geht auf. Einfach so. Ohne mein Zutun.
Und genau so ist es mit Gottes Reich, sagt Jesus: Gott sät es aus und es wächst und wächst und wächst. Manchmal an Stellen, wo man es gar nicht erwartet hätte.
Auf dem Schulhof, wenn Streithähne lernen, sich zu tolerieren, wie Robin vorhin erzählt hat. In der Ehe, wenn sich Paare wieder versöhnen, bevor die Sonne unter geht, wie Frau Hock sagte.
Und es wächst in unserer Stadt:
Hier in Karlsruhe kommen fremde junge Männer, ganze Familien bei uns an und hoffen, hier in Sicherheit zu sein.
Manche Einheimische fühlen sich von ihnen bedroht, weil sie Angst haben, dass auch gewaltbereite Islamisten unter ihnen sind.
Da kommen manche an die Grenze ihrer Toleranz und würden sie am liebsten zurück schicken.
Andere Karlsruher gehen mutig auf die Fremden zu: Familien nehmen minderjährige Waisen aus Afrika auf und lernen mit ihnen Deutsch. Junge Syrer stehen im Staatstheater auf der Bühne und zeigen, was ihn nach allen Schicksalsschlägen Kraft und Hoffnung gibt.
Als ich sie gesehen habe, habe ich mich gefragt: Schickt Gott uns die Flüchtlinge vielleicht, um uns die Augen zu öffnen, was im Leben wirklich zählt? Ja, mit einem Mal wächst Gottes Reich mitten unter uns.
Solche Begegnungen haben in unserer Stadt eine Vorgeschichte: Karlsruhe wurde vor genau 300 Jahren gegründet. Und weil der Landesherr wollte, dass seine Stadt wächst, hat er Menschen aus Nah und Fern mit seinem sogenannten „Privilegienbrief “ angelockt und ihnen die freie Ausübung ihrer Religion versprochen: Auch hier ging gute Saat auf. Denn sie sind gekommen: Die Juden mit ihrer Tora und fremde Christen mit ihren Bibeln. Vom Landesherrn als freie Bürger anerkannt und darauf verpflichtet, in Frieden zusammenzuleben. Und diese gute Saat gedeiht bis heute bei uns.
Und trotzdem reicht es nicht, einfach alles wachsen zu lassen und sich daran zu freuen.
Denn das Unkraut wächst mit und kann dem Weizen gefährlich werden. In Jesu Gleichnis. Und in unserm Leben. Manche meinen deshalb, sie müssten das vermeintliche Unkraut vernichten:
In Thailand treiben Buddhisten Angehörige der muslimischen Minderheit gnadenlos aufs offene Meer.
Im Irak sprengen Muslime Kirchen in die Luft.
In Nordirland die Älteren werden sich daran erinnern haben sich evangelische und katholische Christen bis auf´s Blut bekämpft.
In unserem Land werden immer wieder jüdische Friedhöfe geschändet.
In unserer Stadt werden engagierte Christen angegriffen, wenn sie sich für den Dialog mit anderen Religionen einsetzen.
Das alles wäre sicher nicht im Sinne des Hausvaters, von dem Jesus im Gleichnis erzählt. Der schaute sich nämlich in aller Ruhe an, was da auf seinem Feld wuchs.
Als guter Landwirt wusste er, dass er auch den Weizen gefährdet, wenn er das Unkraut herausreißt. Denn beide sind durch ihre Wurzeln im Boden verbunden.
Geduldig wachsen lassen ein naiver Rat? Keineswegs. Denn das heißt nicht, die Augen verschließen, sondern sich an dem weisen Hausvater zu orientieren. Ich stelle mir vor, dass er immer wieder mal durch sein Feld ging und nach dem Rechten sah. Für Wasser, Luft und Dünger sorgte, damit es am Ende eine gute Ernte gibt. Er hat sich gekümmert, ohne das Unkraut radikal zu vernichten.
Und so könnte auch unsere Aufgabe sein, den Acker zu pflegen. Vielleicht lässt Gott ja seine gute Saat gerade da aufgehen, wo wir uns um seine Pflanzen kümmern. In unserer Kirche. Und im Gespräch der Religionen.
Das passiert hier in Karlsruhe bald ganz praktisch:
Alle Religionsgemeinschaften laden im September in einen gemeinsamen Garten der Religionen ein. Dazu gab es einen Architektenwettbewerb.
Jede Religion hat dann dort ein Beet. Da wachsen die Früchte ihres Glaubens und locken zu einem Blick über das eigene Beet in das Beet des Nachbarn. Erstaunlich, was da alles so wächst.
Was dem einen Kraut ist, mag dem anderen Unkraut sein. Besonders unter Gärtnern ist die Versuchung groß, im Beet des anderen auszureißen, damit sich das vermeintliche Unkraut nicht auch noch im eigenen Beet breitmacht. Der klassische Konflikt in allen Schrebergärten!
Statt jedoch einfach handgreiflich zu werden, gehört es dort zum guten Umgang, dass man sich über den Gartenzaun hinweg austauscht. So stelle ich mir auch die Gespräche im Garten der Religionen vor: Jeder informiert den anderen über seine Religion und ist offen für den Austausch.
Da kommen dann durchaus auch kritische Fragen auf: Zum Beispiel: Warum ist das Kopftuch bei euch im Islam so wichtig? Und: Wie seht ihr die Gewalt der Islamisten und was sagt ihr euren Kindern dazu?
Als Christen müssen wir uns umgekehrt fragen lassen, warum unser christlicher Glaube so viel Kraft in unseren Familien und in unserer Stadt verloren hat? Das alles geht über den Privilegienbrief unseres Stadtgründers weit hinaus: Weil wir uns nicht einfach gegenseitig in Ruhe lassen wollen, sondern durchaus auch danach fragen, darüber diskutieren, wie Gott in unserer Stadt wirkt und wie jeder in seiner Religion und wir alle zusammen dem Frieden dienen können. Das heißt ganz konkret: Wie junge Frauen und Männer bei uns glücklich werden können, anstatt auf Propaganda von Extremisten herein zu fallen. Jeder einzelne Mensch soll Freiheit, Respekt und Schutz erfahren, damit sein Leben wie auf einem guten Ackerboden gedeiht.
Bleibt die Frage, warum der Hausvater so geduldig war und einfach alles wachsen ließ, statt wie ein emsiger Kleingärtner einzugreifen. Die verwachsenen Wurzeln von Unkraut und Weizen waren es wohl nicht allein. Er hatte auch eine große Zuversicht: Am Ende wird der gute Weizen übrig bleiben. Gottes Reich wird sich durchsetzen.
Darum sei tolerant!
Nicht gleichgültig: Schau aufs Unkraut, sprich deutlich an, was dich beschwert, aber reiß es nicht vorzeitig aus.
Wer sagt denn, dass du der gute Weizen bist?
Was zum Unkraut gehört und was zu Weizen, erweist sich erst am Ende.
Dann wird Gott seine Schnitter schicken und das Unkraut jäten und verbrennen. Das darf keiner von uns tun.
Bis dahin halten wir aus, was um uns herum wächst und vertrauen darauf, dass Gottes Reich mitwächst und alles überlebt.
Amen.