Der Heilige Geist kann mehr – Predigt zu Johannes 14, 15–19.23b–27 von Johannes Neukirch
14,15-19.23B-27

Der Heilige Geist kann mehr – Predigt zu Johannes 14, 15–19.23b–27 von Johannes Neukirch

Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. (...) Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Liebe Gemeinde,

"Kirche muss unbequemer werden. Jugend fordert auf ihrer Vollversammlung mehr Klimaschutz und Mitspracherechte" lese ich in der Evangelischen Zeitung (vom 2.6.2019). Sie ahnen wahrscheinlich aus welcher Richtung dieser Wind weht. Seit die 16-jährige schwedische Aktivistin Greta Thunberg die Bewegung "Fridays for Future" ins Leben gerufen hat, bewegt der Klimaschutz viele Menschen - und eben auch die evangelische Jugend. Das ist auch richtig so, denn die Bewahrung der Schöpfung sollte Christinnen und Christen am Herzen liegen. Es ist erstaunlich, welche Wirkung Greta Thunberg und ihre Bewegung haben und wie sie uns beeinflussen. In Schweden gibt es inzwischen das Wort "Flugscham" und tatsächlich ist die Zahl der Inlandsflüge stark zurückgegangen.

Ich habe mal versucht aufzuzählen, welche Menschen mein Leben beeinflusst haben oder noch beeinflussen - unabhängig davon, ob sie noch leben oder nicht.

An erster Stelle stehen meine Eltern. Wenn alles gut geht, schenken Eltern ihren Kindern die nötige Liebe und Geborgenheit, um das so wichtige Urvertrauen aufzubauen. Das ist mindestens genau so wichtig wie die Erziehung und Bildung, die sie uns mitgeben.

Dann sind es die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen und den Universitäten. Sie machten mich mit Ideen und Lehren von Schriftstellern, Dichtern, Philosophen und Theologen vertraut. Ich habe erst im Laufe meines Lebens erkannt, wie sehr sie mich beeinflusst haben und weiter beeinflussen.

Und selbstverständlich sind es seit den Tagen des Kindergottesdienstes die biblischen Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament, die ihren Platz in meiner Welt eingenommen haben. Der Prophet Jona im Walfisch, Mose, der das Meer geteilt hat und das Volk Israel aus Ägypten geführt hat - das sind Geschichten, mit denen viele von uns aufgewachsen sind, und die wir nicht vergessen haben.

Wir leben in Beziehungen - mit der Partnerin oder dem Partner, mit der Familie, mit Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, in Beziehungen zu lebenden und auch längst verstorbenen Menschen, die wir gekannt haben. Sie wirken alle in uns.

Aber eine Beziehung gibt es, die uns noch viel tiefer prägen und begeistern, motivieren und beflügeln kann: die Beziehung zu Jesus. Das ist doch eigentlich erstaunlich. Denn wir kennen ihn ja auch nur durch das Hören und Lesen von Texten, von biblischen Geschichten und durch Predigten?! Wie also ist das möglich, dass Jesus uns - und viele vor uns in der Geschichte - bis heute so tief bewegt und bewegt hat? Unser Predigttext behauptet, diese Beziehung schenkt der Heilige Geist. Nur durch ihn ist das möglich! Jesus sagt den Jüngerinnen und Jüngern: "Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben."

Der Heilige Geist sorgt dafür, dass die Verbindung zu Jesus so tief geht und nicht abreißt. Er ist die treibende Kraft unserer Beziehung zu Jesus. Er sagt seinen Freundinnen und Freunden: "Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe." Zum Beispiel, so ergänze ich, an den Satz "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." Oder: "Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe".

Es ist dieser Heilige Geist, der Menschen durch zwei Jahrtausende immer wieder angesprochen und bewegt hat. Denn er wirkt anders als all die Stimmen, die uns tagtäglich beeinflussen. Er ist eine starke, in uns wohnende Kraft, die sich in der Liebe verwirklicht wie zum Beispiel in den Werken der Barmherzigkeit, der Pflege der Kranken, der Sorge um die Armen, der Begleitung von Sterbenden, aber auch in der Aufnahme von Flüchtlingen und heute dem Eintreten für den Klimaschutz. In unserem Text drückt Jesus das so aus: "Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen."

Wer so tief mit Jesus verbunden ist, bleibt nicht allein. Die Pfingstgeschichte zeigt anschaulich, dass die Erfahrung des Heiligen Geistes Menschen in Jesus verbindet. Er erscheint allen, die versammelt sind und hat ganz konkrete Folgen: "Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. (...) Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte."

Das ist die Geburtsstunde der Kirche. Weil das 50 Tage nach Ostern geschehen ist, feiern wir Pentecoste - Pfingsten. Wir danken Gott dafür, dass seine Geschichte mit uns weitergeht und wir bitten ihn: "O komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein" (EG 136).

Amen