Der Wunderratfriedefürst wird verheißen – Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Paul Geiß
9,1-6

Der Wunderratfriedefürst wird verheißen – Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Paul Geiß

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.

Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.

Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;

auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.

 

Liebe Gemeinde,

Heiligabend 2017 – verwirrende Zeiten. Keine Regierung in Deutschland in Sicht, Kriegsgedröhn in Nahost und an vielen Orten dieser Welt, Vertreibung, Flucht, nationalistische Wut auf Flüchtlinge, die doch nur ihr nacktes Leben retten wollen, Vergiftung der Böden, Klimaerwärmung, um nur einige Stichworte zu den gegenwärtig empfundenen Bedrohungen zu nennen.

Wie mit einem Paukenschlag wischt der Prophet Jesaja solche Bedrohungen zur Seite. Ja, sie existieren, ja, aber sie sollen uns nicht hindern das Licht zu sehen. Finster ist’s im Lande, hell soll es werden. Man sieht es schon, das Licht.

Wir sind das Volk,zu uns wird diese Prophetie heute gesprochen, die hier zum Christgeburtsfest versammelte Gemeinde ist angesprochen. Das Licht ist da, an den Tannenbäumen, in der Kirche, in den Wohnungen und Häusern.

Das Licht macht die Finsternis hell. Und aus den Metaphern dieser Worte wird deutlich: Es geht nicht um das Streulicht der Großstädte, es geht um ein allumfassendes Hoffnungslicht, das unsere Welt erreicht hat, es strahlt in die Herzen der Christengemeinde, in jedes einzelne, ob sie es wahrnehmen oder nicht, ob sie es annehmen wollen oder nicht. Es strahlt und die Architektur der Millionen von christlichen Kirchengebäuden weltweit will ein solches inneres und äußeres Licht ausstrahlen. Sei es die bunte Neonlicht gefärbte Mar-Thoma-Kirche in Kerala in Indien oder die Ikonostase einer orthodoxen Kirche, die den Himmel symbolisieren will, sei es die Kathedrale in Edschmiazin in Yerevan in Armenien oder der Berliner Dom, der Hamburger Michel oder der Kaiserdom in Speyer.

Das Licht ist unübersehbar.

Die damals vor fast 3000 Jahren ständig gegenwärtigen Bedrohungen werden vom Propheten Jesaja benannt:

  • Das Joch auf den Schultern, das niederdrückt – haben Sie einmal versucht mit einer Jochstange auf den Schultern zwei große Eimer Wasser zu transportieren? Es ist entsetzlich schwer.
  • Der Stecken des Treibers, der die schwerarbeitenden Menschen dazu antreibt, sich bei schwerer körperlicher Arbeit weit über die eigenen Kräfte hinaus anzustrengen.
  • Der Militärstiefel – bis heute ein Symbol für Befehl und Gehorsam: Hacken zusammenschlagen, dass es kracht und brüllen: „Jawoll – Herr Oberstleutnant“ für den Befehlsempfang und dann Losmarschieren nach Befehl ohne Widerworte.
  • Der Mantel des Offiziers, der über das Schlachtfeld schleift, lehmbespritzt, Blut bespritzt. Wir haben die Bilder der im Fernsehen gezeigten Zerstörungen in Syrien, im Irak und in Ghaza noch im Kopf.

Das sind die gewalttätigen Symbole von Krieg und Terror, die der Prophet anspricht.

In dem Adventslied, das wir in der Adventszeit so oft gesungen haben: O Heiland, reiß die Himmel auf, mit den fordernden, bittenden, rufenden Imperativen und Befehlsformen, wird unsere Sehnsucht nach Frieden und Hoffnung ausgesungen, und hier sagt der Prophet die Erfüllung dieser Hoffnung zu.

Das Joch, es wird zerbrochen, der Stecken des Treibers ebenso, der bösartig zu Befehl und gehorsam eingesetzte Stiefel wird verbrannt und der durch das Blut der Gefallenen geschleifte Mantel des Siegers wird ebenso verbrannt.

Starke, mächtige Bilder. Das Böse darf nicht triumphieren. Freude kommt auf, wie in dem Requiem von Brahms, wo Chor und Orchester diese ewige Freude intonieren nach den Worten des gleichen Propheten  (Jesaja 35, 10): Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Das Volk ist im Finstern, es sieht ein großes Licht, die Bedrohungen dieser Welt – sie werden verschwinden, denn … jetzt kommt die prophetische Begründung:

Ein Kind wird geboren mit seltsamen Namen Wunderrat, Gottheld, Ewigvater, Friedefürst. Gewaltige Namen, die gewaltiges verheißen, sind das.

Für uns Christen wird in diesen Worten das Wunder der Inkarnation des Jesuskindes beschrieben:  -

  • Gott selbst wird Mensch
  • ein Wunderrat ist ein Ratschlag, der seine Wurzeln jenseits dieser Welt hat, aber erfüllbar umgesetzt wird.
  • Ein Gottheld ist ein Wesen, dessen Natur Gott und Mensch umgreift. Die Konzilien im ersten Jahrtausend haben um die genauere Bestimmung dieser beiden Naturen des Jesus Christus lange gerungen, im Konzil von Chalzedon 451 haben sie die Zwei-Naturen-Lehre festgeschrieben. Jesus ist göttlicher und menschlicher Natur zugleich.
  • Ewigvater – die Autorität Gottes, unseres Vaters, wie es das „Vater Unser“ beschreibt, bleibt unangetastet. Und
  • Friedefürst, das ist die Lebensaufgabe des Christus, der Frieden bringen will, Frieden für Jedefrau und Jedermann, bekräftigt durch seinen Opfertod für alle am Kreuz und seine Auferstehung.

Die Basis dieser Friedensankündigung ist Recht und Gerechtigkeit. Das sind wieder solche gewaltigen Begriffe, unter denen sich jeder etwas anderes vorstellt.

Und die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit haben wir in unseren europäischen Demokratien den gewählten Regierungen auf Zeit anvertraut durch eine klare Trennung von gesetzgebender Gewalt, unabhängigen Richtern und der jeweils ausführenden Regierung.

Nach der Prophezeiung des Jesaja ist der Friedefürst, der als kleines Baby beginnt, abder dann am Kreuz als leidender Gottesknecht endet,der Garant für weltweite Gerechtigkeit.

So strahlt die Weihnachtsbotschaft aus in die ganze Welt, sie umfasst alle Menschen und will alle Menschen erreichen: Friede auf Erden unter den Menschen seines Wohlgefallens.

Und der Kern vieler Weltreligionen verfolgt dieses Ziel ebenso, den Eiferern, den Fundamentalisten, den Nationalisten und den Terroristen zum Trotz.

Um die Krippe stehen sie herum, die durch die Ankunft des göttlichen Kindes Frieden finden sollen:

  • Maria, die durch ihren unnachahmlichen, ergreifenden Lobgesang, das Magnificat, ihr Schicksal akzeptiert hat.
  • Die Hirten, damals lohnabhängige Mietlinge, die sicherlich nicht den Mindestlohn erhalten haben,
  • Joseph, der immer ein wenig dumm da steht an der Krippe, weil er ja nicht der Vater des Kindes ist, oder doch?
  • Die Weisen aus dem Morgenland, von der Legende als Könige hochgelobt, sie sind Sterndeuter. Aber wehe, sie deuten ein Heil an, dass König Herodes eher als Unheil ansieht. Er will die Magier mit falschen Versprechungen nach Jerusalem zurücklocken.
  • Die legendarischen Ochs und Esel – sie spenden dem Jesuskind allein mit ihrer Körpermasse Wärme und Behaglichkeit, sie stehen meiner Meinung nach dafür, dass ihnen Ehre und Schutz gebührt, die selbstverständlich Freiraum zum artgerechten Leben brauchen, aber das ist wohl eher eine moderne Interpretation.
  • Die Engel, göttliche Boten, ein Chor mit himmlischer Musik, die Bach und Brahms, Mozart, Arvo Päärt und hunderte von Musikern kongenial nachkomponiert haben in immer neuen Variationen.

Die Fülle der weihnachtlichen Bilder und Symbole ist unerschöpflich. Ausgelöst durch diese Verheißung springt an Weihnachten allen Mächtigen und Weltverantwortlichen der anscheinend ohnmächtige Wunsch nach Frieden in aller Welt mit Macht entgegen.

So wollen wir versuchen, diesen Frieden wenigstens ein paar Tage um Weihnachten herum zu üben in unseren Herzen und in unserer Gesinnung der „Lindigkeit“, wie es Luther in einer älteren Übertragung nach Philipper 4, 5 übersetzt hat (Eure Lindigkeit lasset kund sein alle Welt, der Herr ist nahe!).

Angelus Silesius, der „schlesische Engel“, wie er sich nannte, hat mystisch gedichtet:

"Halt an, wo läufst du hin - der Himmel ist in dir! Suchst du Gott anderswo. Du fehlst ihn für und für.

Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren."

In mir, in jedem von uns soll und will Gott Mensch werden. Das ist die göttliche Bestimmung des Menschen nicht nur an Weihnachten, das ist die menschenfreundliche Bestimmung Gottes für die ganze Welt, darunter tun wir Christen es nicht!

Übrigens, noch eine Bekräftigung: Die letzten Worte der Prophetie lauten:

Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth. Ein Schwur, eine Unterschrift, eine feste Zusage.

Und deshalb möchte ich Ihnen auch eine feste Zusage geben, an die ich von ganzem Herzen glaube:

Der Herr segnet Dich und behütet Dich, der Herr lässt sein Angesicht leuchten über Dir und ist Dir gnädig, der Herr erhebt sein Angesicht auf Dich und schenkt Dir Frieden.

Ihnen allen gesegnete und frohe Weihnachtstage.

AMEN.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.