Echt Taufe - Predigt zu Jesaja 43,1-7 von Henning Kiene
43,1-7

Echt Taufe - Predigt zu Jesaja 43,1-7 von Henning Kiene

Echt Taufe

Liebe Gemeinde,

während der Taufgespräche mit Ihren beiden Familien fiel zweimal das Wort „echt“. Eine von Ihnen rieb die Finger an der Handinnenfläche und dieses Reiben zeigte: Es geht um etwas direktes, wie Berührung und Wärme, die sich von Haut zu Haut überträgt. So erzählten Sie auch: Von den ersten Monaten mit Ihren Kindern. Von all diesem ebenso wunderbaren, wie auch beschwerlichen Ankommen der Kinder nach der Geburt. Das, was Sie bis heute mit Ihren Kindern erlebt hätten, so habe ich Sie verstanden, sei im eigentlichen Sinn des Wortes handfest, voller Berührung, voller Töne, Glucksen, Weinen, Schlucken, Rollen, Krabbeln, Aufstehen. Menschen, die das Wort „sozial“ auf Englisch denken und „social“  sagen und „media“, fühlen sich hier zunächst erst mal fremd. Denn Kinder erinnern daran, am Anfang steht die echte Berührung. Da ist etwas Elementares, das nur mit den Händen, den Augen und der Nase, den Ohren und der Haut zu fassen ist.

Noch viel echter ist die Bibel heute, der Prophet Jesaja: „Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel“. Da erklingen Verben, die im wahrsten Sinne des Wortes „Tuworte“ sind, die dringen wie aus weiter Ferne durch den Alltag hindurch zu uns in unseren Sonntag ein.  Zwischen den Hilfsverben die der Alltag vorgibt, zwischen dem „haben“, „werden“ und „sein“, geht von dem, was heute zu hören ist, eine besondere Beziehungsqualität aus. Wenn wir dieses „schaffen“ und „machen“ hören, ist es erlaubt, das Wort „töpfern“, also das wie des Schaffens und des Machens mitzudenken. Damit entsteht ein Bild, tritt vor die inneren Augen. Denn: Dieses Machen klingt nach Handarbeit. Da entsteht das Bild eines werdenden Gefäßes. So wie der Menschen, ganz am Anfang der Bibel als Geschöpf Gottes beschrieben wird: Als ein Lebewesen, das liebevoll durch des Schöpfers Hand gefertigt wird. Ein Gefäß, wie aus weichem Ton, oder hartem Porzellan, empfindlich und kostbar, bei jeder Berührung . Nicht nur in einem äußerlichen Sinne, sondern weil eine lebendige Seele auch innwändig extrem schutzbedürftig.

Sehen Sie sich mal die Finger, die Zehen, die Ohren Ihrer Kinder an. Das ist echt, man könnte sagen: Feinstes Handwerk aus Gottes Schöpfungswerkstatt. Sie erleben diese Zeit, in der ihre Kinder das Gehen lernen und zu sprechen beginnen. Das ist nicht so etwas wie „haben“, „werden“ und sein“, das ist Schöpfung im Vollzug.

Vielleicht führen uns diese beiden Täufling und die heutigen Taufen dichter an das heran, was im Leben wirklich etwas zählt: Echt ist es, wenn du weißt, wie sehr du ein Geschöpf bist. Dann zeigt sich auch, dass du im tiefsten Sinn ein soziales Lebewesen bist, im realen Kontakt  mit anderen Menschen, die auch wirklich da sind und sich nicht in den sozialen Netzwerken verbergen können oder ihr Leben um einiges aufhübschen. Dass unsere Herzen schlagen, unsere Augen sehen, unsere Nase riecht, dass wir schwitzen, im Sommer gute Laune haben, das Licht lieben und den Schatten scheuen, das ist im allerbesten Sinn Gottes Machwerk.  Auch unsere Angst und die Sorgen um unsere Zukunft weist uns als soziale Geschöpfe aus und nicht als die Macherinnen und Macher unseres Lebens, sondern dünnhäutig sind für Worte, die ein kleines wenig mehr Sicherheit versprechen.

Das ist der Kontrast zu dem, was in den Netzwerk der social media passiert: Gepostete Wirklichkeit, ich habe über 300 Freundinnen und Freunde in den social networks und wenn ich jemanden brauche, der da ist, blieben eine Hand voller Freunde übrig. Fünf von dreihundert sind es vielleicht, die einen trösten könnten, mit einem Lachen möchten und es auch wirklich tun.

Bei beiden Gesprächen mit Ihnen, den Taufeltern klang das an: Leben geht nur in Echtzeit mit Gefühlen, mit dem Trösten und Lachen, mit dem Ziehen von Grenzen, mit der Unterstützung der anderen. Leben geht nur mit einem Gegenüber: Eltern, Kindergarten, Freundinnen, Freunde, - aber bitte solche auch Fleisch und Blut -  Schule, Staat, Kirche. Leben ist immer in Verbindung mit anderen, mit Gott und nie alleine. Mediale Realität birgt immer auch dem Keim des Unechten in sich. Beispiel: Griechenland. Wer mal da war, einen Griechen oder eine Griechin kennen gelernt hat, wird nicht sagen, „ist doch egal, wie es denen geht!“, sondern verstehen, warum Griechenland vor dem Ruin bewahrt werden muss. Echtes unterstützt jeden Menschen sich mit anderen Menschen verbunden mit fühlen zu können.

Weil es um dieses Echte geht, wird der Bogen so weit gespannt, wie der Prophet ihn aufzieht. Der Prophet Jesaja beschreibt mit Verben, genau das, was echt ist:  „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Hundertfach sagt die Bibel das. Als sollte es uns wie ein Ohrwurm von innen heraus mit einem wohltuendem Klang erfüllen: „Fürchte dich nicht“, im immerwährenden Kanon mit Echo. So nimmt er die Furcht, weil er echt ist. Aber das geht nur, weil er es einzeichnet in das, was er tut: Ich „…will … bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; … sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“  Da legt der Schöpfer seinen Geschöpfen einen Schutz um, der sie so sichert, dass es in einem letzten Sinn nichts gibt, das ihnen ihr Leben wirklich noch wegnehmen kann.  

Das ist es, was gemeint ist, wenn etwas „echt“ genannt werden darf. Das könnte auch hinter dieser Handbewegung stecken, die die Finger an der Handfläche reibt. Was du selber spürst und selber erlebst, das kann dir niemand mehr nehmen. Wenn du schon einmal in deinem Leben davon gekommen bist, bleibt dir diese Rettung für immer erhalten. Wie ins Stammbuch geschrieben, mit Verben: nicht ersäufen, nicht verbrennen, nicht versengen, ich habe dich bei deinem Namen gerufen.

Die allererste Rettung deines Lebens bleibt dir treu. Sie denken jetzt an den Moment, in dem Sie durch ein tiefes Lebenstal hindurch gegangen sind. Sie denken an die Welle, die sich hoch vor ihnen auftürme, und den Moment in dem Sie wieder auftauchten und Luft holen konnten. Mir geht auch diese Welle der Hilfsbereitschaft Menschen, die zu uns fliehen aufzunehmen, durch den Kopf. Die dürfen doch nicht im Wasser ersaufen. Das will Gott nicht. Niemand will wirklich nicht helfen. Denn das, was wir erleben an Schutz und Sicherheit, das ist echt und soll nicht Privateigentum sein.

Taufe ist echt: Gott sorgt für eine Berührung, die niemand je vergessen kann. Am wenigsten Gott selber. Denn der ist echt: „Alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe,“ das sind Ihre Kinder, das sind wir, Gottes „Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind.“