Euch wird Großes zugetraut!
1 Weiter, liebe Brüder (und Schwestern), betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch 2 und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding. 3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen. 4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten. 5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
I.
Liebe Gemeinde!
„Elf Freunde müsst ihr sein!“ So lautet der Titel eines Büchleins, das ich einmal als Kind gelesen habe. Es wurde von Sammy Drechsel geschrieben. Er war damals ein bekannter Sportreporter. „Elf Freunde müsst ihr sein!“ Sammy Drechsel schildert in diesem Büchlein, wie ein Fußballmannschaft von elf Buben zusammenwächst. Der eine profitiert von den Stärken des anderen – und gemeinsam gleicht man die Schwächen der jeweils anderen aus. Und selbst der herausragende Einzelspieler, der immer alles allein machen will und nur so zum Erfolg zu kommen meint, stellt sich am Ende in Dienst der Mannschaft. Er hat gelernt: nur gemeinsam sind wir stark. Im entscheidenden Spiel schießt im Büchlein „Elf Freunde müsst ihr sein!“ am Ende nicht der stürmende Star das entscheidende Tor. Vielmehr gelingt dem das Traumtor zum Sieg, von dem man es eigentlich am wenigstens erwartet hat.
Natürlich geschieht das nicht von allein. Die Mannschaft der Jungen hat einen Betreuer, einen Trainer. Der führt Gespräche mit ihnen. Er baut sie auf. Er sagt ihnen aber auch, was er von ihnen erwartet. Er macht ihnen klar, was sie verändern müssen, um zu einer erfolgreichen Mannschaft zusammenzuwachsen. Dabei hat er Autorität und setzt sie ein. Er gibt die Taktik vor. Er schreibt vor, wie sie auszuführen ist. Zugleich traut er seiner Mannschaft etwas zu. Er vertraut ihr.
II.
In den Worten des 2. Thessalonicherbriefes hört sich das so an: „Wir haben aber das Vertrauen zu euch..., dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.“ „Gebieten“ - dieses Wort weckt Widerstände. „Gebieter“ - das waren einst jene, die über ein Gebiet herrschten: die „Landesherren“, Fürsten und Könige. Ihnen wurde die Autorität zugeschrieben. Sie hatten die Macht. Wo Macht im Spiel ist, ist Vorsicht, ja Misstrauen angeraten.
Wir Deutsche wissen leider nur zu genau, was dabei herauskommen kann, wenn man diese Vorsicht nicht an den Tag legt. Man kann dann den falschen Autoritäten hinterherlaufen. Heute, am 20. Juli, jährt sich zum 70. Mal das Attentat auf Adolf Hitler. Es war von jenen unternommen worden, die ihrem Gewissen mehr gehorchten als Befehlen. Aber auch für sie war klar: ohne Autorität, ohne Führung geht es nicht. Keine Gemeinschaft kommt ohne sie aus. Allerdings kommt es auf das „Wie“ an. Es kommt darauf an, wie die Autorität fundiert ist.
III.
Der Schreiber des 2. Thessalonicherbriefes weiß das ganz genau. Er nimmt Autorität für sich in Anspruch, weiß aber um ihre Grenzen. Zwar gibt er als Absender den Namen des Apostels Paulus an. Doch schon die Adressaten des Briefes wussten, dass das nicht stimmen konnte. Paulus war längst tot als sie diesen 2. Brief an die Thessalonicher (heute Saloniki) in Händen hielten. Die Adressaten wussten: Hier führt einer das Anliegen des Paulus weiter. Er will, dass Christus im Mittelpunkt steht, und sein Wort, „das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch...“. Damit dies überhaupt geschehen kann, werden die Thessalonicher um ihre Fürbitte gebeten: „Weiter, liebe Geschwister, betet für uns...“.
Leitung einer Kirche, Führung einer Gemeinde, kann nur geschehen, indem die Glaubenslehren der Mütter und Väter fortgeführt werden. Sie kann nur geschehen, indem man auf dem Boden der Heiligen Schrift steht. Sie braucht das Gebet. Und: Autorität in der Kirche, in der Gemeinde ist dann überzeugend, wenn sie klar und eindeutig ist – und zugleich in Demut um die eigenen Grenzen weiß.
IV.
Führung, Leitung und Autorität in der Kirche, in der Gemeinde, sind besonders in schwierigen Zeiten nötig. Der Schreiber des 2. Thessalonicher-briefes deutet diese schwierigen Zeiten so an: „... betet für uns, … dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.“
Wer damals im einzelnen die „falschen und bösen Menschen“ waren, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist dies: Die frühen Christen kamen aus allen Schichten. Reiche waren unter ihnen ebenso wie Bettelarme, unbescholtene Menschen ebenso wie jene, die zuvor einen eher fragwürdigen Lebens-wandel hatten. Allen war aber etwas gemeinsam: Sie waren zuvor Juden gewesen oder hatten, was häufiger der Fall war, römische, griechische oder sonstige Gottheiten verehrt. Sich taufen zu lassen, bedeutete häufig eine Trennung vom bisherigen Leben. Bisweilen ging damit eine Ächtung einher. Immer wieder waren damit Drangsalierung und Verfolgung verbunden. Da hatten die frühen Christen Ermutigung und Zuspruch nötig. Der 2. Thessalonicherbrief formuliert das so: „Der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.“
Noch immer sind Christen heutzutage Drangsalierung und Verfolgung ausgesetzt und haben es – aus ihrer Sicht – mit „falschen und bösen Menschen“ zu tun. Ich erinnere nur an die Christinnen und Christen in Syrien und im Irak. Sie verlassen zu Tausenden ihre jeweiligen Länder. Wir werden mit ihrem Schicksal konfrontiert. Nicht nur in den Nachrichten, sondern weil sie unter anderen Ländern auch in dem unsrigen Schutz suchen.
Gott sei Dank sind wir hierzulande als Glaubende keiner Verfolgung ausgesetzt. Gleichwohl kennen wir das: „... der Glaube ist nicht jedermanns Ding“. Das äußerst sich in Gleichgültigkeit, Ablehnung – und bisweilen in Anfeindung. In manchen Gemeinden macht sich wegen der verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber dem christlichen Glauben Resignation breit. „Wie werden immer weniger!“ heißt es dann. Doch des Herrn Wort läuft nicht von allein. Es braucht Boten, die es unter die Leute bringen. Das kann durchaus anstrengend sein. Den Einsatz für das Evangelium vergleicht der tatsächliche Paulus (1. Korinther 9, 24-27) darum einmal mit einem sportlichen Wettkampf. Ob das eingangs erwähnte kleine Büchlein da weiterhelfen kann?
V.
In „Elf Freunde müsst ihr sein!“ wird der Sieg deshalb errungen, weil der Trainer mit großer Autorität seinen Jungs dies beibringt: Tretet füreinander ein! Gleicht die Schwäche des anderen aus! Der Starke stelle sich in den Dienst der Gemeinschaft! Und der, der vermeintlich am Rand steht, der, der von sich sagt, „ich bin nicht so wichtig“, leistet den entscheidenden Beitrag zum Sieg. Auf alle kommt es an. Das Miteinander ist entscheidend. Traut euch Großes zu! Gemeinsam seid ihr stark!
In der Sprache des Glaubens und für die Gemeinde gesagt, klingt das beim echten Paulus so: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ In der Sprache des Glaubens wird man zudem hinzufügen: Begeisterung für den Glauben ist keine menschliche Leistung, sondern ein Geschenk. Doch das Seine kann man dafür allemal beitragen: „Weiter, liebe Brüder und Schwestern, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch...“
VI.
Das alles hat ein Ziel. Im 2. Thessalonicherbrief wird es so benannt: „Der Herr aber richte eure Herzen auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi.“ Im Lukasevangelium (5, 1-11) gibt es dazu eine wunderbare Geschichte.
Diese Geschichte berichtet von der Berufung des Petrus. Wie immer waren er und seine Gefährten nachts auf den See Genezareth hinausgefahren, um zu fischen. Doch sie hatten nichts gefangen. Er war also erfolglos gewesen. Wer keinen Erfolg hat, droht mutlos zu werden. Wer keinen Mut mehr hat, hat bald keine Geduld mehr mit sich selbst: „Ich kann es ja doch nicht!“ lautet dann das traurige Fazit. Jesus aber hat Geduld mit und für Petrus. Er schickt ihn noch einmal hinaus auf See. Auf das Wort Jesu hin macht er sich noch einmal auf – und siehe da: Petrus und seine Gefährten füllen die Boote so voll mit Fischen, dass sie fast sinken. Von so viel Zutrauen angetan, lässt Petrus Fische Fische sein und folgt Jesus nach. Viele haben es ihm nach getan.
In der Nachfolge Jesu kann man dabei bisweilen von den „Kindern der Welt“ viel lernen. Christen wirken dann begeisternd, wenn sie miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, wenn die Herausragenden sich in den Dienst aller stellen und einer des anderen Schwächen ausgleicht. Sage dabei keiner. „Ich werde nicht gebraucht!“ Schließlich gelten für uns alle die Worte Jesu, die uns wahrhaftig viel zutrauen: „Ihr seid das Salz der Erde!“ „Ihr seid das Licht der Welt!“
Und so bewahre der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.