Frieden im Haus Gottes - Predigt zu Epheser 2,17-22 von Winfried Klotz
2,17-22

Liebe Gemeinde,

lauter Aussagesätze, Bestätigungen, Ermutigungen und so gar keine Imperative enthält unser Abschnitt! Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt! Das ist die Grundlage für alle nachfolgenden Zusagen, Bestärkungen. Das mit dem Frieden klingt in unseren Ohren etwas matt; von Frieden reden viele, den Frieden beschwören viele, fordern ihn, aber wir wissen: deshalb ist noch lange kein Frieden.

Wenn zwei Schüler auf dem Schulhof sich anschreien, vielleicht sogar tätlich werden, dann nützt es manchmal wenig, sie zum Frieden zu rufen. Manchmal müssen die Streitenden handfest getrennt werden, damit sie aufhören. Aber Frieden miteinander haben sie deshalb noch nicht.

Es ist eine schwierige Sache mit dem Frieden; damit er eintritt, braucht es einen Ausgleich, Versöhnung, einen Weg, der zur Gerechtigkeit führt. Ausgleich? Warum streiten manche bis zur Prügelei miteinander? Weil einer dem anderen etwas weggenommen hat. Ausgleich heißt dann: Was weggenommen wurde muss zurückgegeben werden – so  einfach kann das sein. Damit aber aus dem Ausgleich auch Versöhnung und damit Frieden wird, braucht es die Bereitschaft zur Vergebung. Das ist die eigentliche Klippe; das liebende Herz, das Vergebung gewährt.

Jesus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt, heißt es im ersten Vers unseres Abschnittes. Die Grundlage dazu hat er durch das Opfer seines Lebens gelegt. Weil er Sühne geleistet hat, können wir mit Gott versöhnt sein. Durch das Opfer seines Leibes und Lebens ist auch die Feindschaft zwischen denen, die Gott zuerst als sein Volk erwählt hat, Israel, und denen, die zu den anderen Völkern gehören überwunden. Und zwar dann, wenn Juden und Nichtjuden sich hineinrufen lassen in die Gemeinde, die auf Jesus Christus gegründet ist. Dann wird sichtbar: ER ist unser Friede! (V. 14) „Dadurch, dass er am Kreuz starb, hat er sowohl Juden als auch Nichtjuden mit Gott versöhnt und zu einem einzigen Leib, der Gemeinde, zusammengefügt; durch seinen eigenen Tod hat er die Feindschaft getötet.“ (V. 16 NGÜ)

Durch seinen Tod die Feindschaft getötet - das übersteigt unsere Vorstellungskraft! Dass einer, der anderen verhasst ist, an diese ausgeliefert wird und dann getötet, das hat es in der Menschheitsgeschichte schon gegeben. Den Gegner vernichten, sich an einem Feind rächen, das ist unter Menschen nicht ungewöhnlich. Hat Gott sich dem Prinzip der Vergeltung unterworfen, als er seinen Sohn und Gesandten, den Schuldlosen, in die Hände von schuldigen Menschen gab, die ihn töten ließen? Muss Gott ein Opfer bringen, um uns mit sich zu versöhnen? Aber das lief doch dann falsch herum! Wir Menschen hätten doch Gott ein Opfer zu bringen, damit Gott uns gnädig ist.

Was nach Gottes Willen im Leiden von Jesus am Kreuz geschehen ist, darüber können wir nachdenken, aber es nicht erklären. Deutlich ist das, was aus dem Leiden und Sterben von Jesus folgte: Gott hat ihn auferweckt, zum Herrn gemacht. Überwunden ist, was von Gott trennt, Jesu Kreuz ist Ort der Sühne und damit der Versöhnung, zusammengefügt sind Juden und Nichtjuden in der Gemeinde Jesu. All das ist Ausdruck unbegreiflicher Suche Gottes nach seinen Menschen, einer Liebe, die alles Menschenmaß übersteigt.

Und er (Jesus) ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“

Durch Jesus Zugang zu Gott, weil Jesus Frieden gemacht, das Trennende überwunden hat. Das gilt für die Nahen und Fernen, damals Juden und Nichtjuden. Das gilt heute für den inneren Kreis der Gemeinde wie auch für die Distanzierten, das gilt für Einheimische wie auch für die Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Syrien oder dem Irak. Alle sollen die Friedensbotschaft hören. Durch die Botschaft des Evangeliums kommt ein neuer Geist in die Herzen, der Einheit ermöglicht. Alle stehen doch in gleicher Weise vor Gott; sie sind durch den Glauben Empfänger seines Friedens. Es ist nicht nötig, dass die Unterschiede glatt gebügelt werden; es ist aber erforderlich, dass der Geist des Evangeliums die Herzen erfüllt, dass wir nicht nur vom Zugang zu Gott hören, sondern auch hineingehen in die durch Jesus uns geschenkte Gemeinschaft mit Gott. Dann lernen wir Unterschiede zu ertragen. Unterschiede der Kultur: ich denke z. B. an die sehr unterschiedliche Gottesdienstkultur von Kirchen und Freikirchen. Schon bei den Liedern wird das überaus sichtbar. Und wir lernen, uns manchmal freundlich aus dem Weg zu gehen, wenn es zu sehr knirscht und trotzdem Schwestern und Brüder zu sein.

Wer Zugang zu Gott hat durch Jesus, der gehört zur Familie Gottes. Der ist nicht fremd im Haus Gottes, in seiner Gemeinde. Der ist nicht Zuschauer, Fan, distanzierter Beobachter; der ist dabei! Der freut sich, dazu zugehören! „Ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligem Volk gehören – Bürger des Himmels; ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie.“ (V. 19 NGÜ)

Die Freude darüber, zur Gemeinde Jesu zu gehören, Bürger des Himmels zu sein, ist bei uns heute eher mäßig ausgeprägt. Das Lamento über irgendwelche Unstimmigkeiten in der Gemeinde/ Kirche überwiegt oft die Freude. Oder sollte in unserem Vers 19 gar nicht die irdische Gemeinde Gottes gemeint sein, sondern eine himmlische und zukünftige Größe? So wie wir beim apostolischen Glaubensbekenntnis fragen, was denn gemeint ist, wenn wir sagen: „Ich glaube an die heilige, christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen…“? Unsichtbare oder sichtbare Kirche, himmlische oder irdische Gemeinde?

Dass die Gemeinde Jesu, die Kirche, keine statische Größe ist, ist klar. Sie lebt und verändert sich, sie wächst und manchmal scheint sie auch zu sterben. Sie ist eine irdische und sichtbare Gemeinde, zugleich aber eingebunden in Gottes unsichtbare Welt. Sie feiert ihre Gottesdienste ausgerichtet auf die unsichtbare Wirklichkeit Gottes. Sie arbeitet mit an Gottes Reich, beauftragt und gestärkt durch Jesus Christus selbst; sie arbeitet mit IHM. Ja, wir sind Bürger des Himmels und zugleich Teil dieser Welt, angefochten und schwach, aber doch getragen und erfüllt vom Geist Jesu. Das macht den Unterschied zwischen drinnen und draußen, dass Gott uns den Geist Jesu gegeben hat. Wir haben durch Jesus Zugang in dem einen Geist zum Vater. Manchmal ist unsere Freude über die Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu aber nicht deshalb so schwach, weil diese Gemeinde verstaubt und langweilig ist, sondern weil wir einen Spagat leben: Wir wollen zugleich drinnen wie draußen sein. Gott muss damit zufrieden sein, dass wir an ihn glauben, aber ihm unser Leben anzuvertrauen, das wollen wir nicht. Unsere Entscheidungen treffen wir nicht auf ihn vertrauend, sondern nach den Maßstäben unserer Umwelt. Wer so lebt, kann seines Glaubens und seiner Zugehörigkeit zur Gemeinde nicht froh werden.

Ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie! Das hat durchaus etwas Exklusives, Elitäres. Nicht, weil wir etwas Besseres wären, sondern weil wir teilhaben an dem einen Geist, dem Geist Jesu. Weil das Fundament unseres Glaubens gelegt wurde durch Apostel und Propheten und Jesus Christus der Eckstein ist. Zuverlässig und fest ist das Fundament der Kirche Jesu und unseres Glaubens. Das ist kein schwankender Grund, abhängig von den Veränderungen der Zeit, unterworfen dem Geist der Zeit. Die Orientierung auf dieses Fundament macht unabhängig vom Geist der Zeit. Wenn die Gemeinde auf diesem Fundament steht, ist sie nicht aus der Auseinandersetzung genommen, aber sie hat einen festen Stand und kann den Kampf bestehen.

Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst.“ (V. 20 NGÜ). Die Zuverlässigkeit des Evangeliums, ja der Schrift liegt nicht in einer von uns definierten Irrtumslosigkeit, sondern darin, dass Jesus Christus zuverlässig und wahrhaftig ist. Vom Christus Jesus her wird die Heilige Schrift als göttliche Wahrheit erkannt, nur von IHM her! Solange er in seiner Gemeinde lebt, hat sie Bestand. Solange er gegenwärtig ist, ist sie Haus Gottes, wächst und gestaltet sich als heiliger Tempel Gottes.

Das ist wieder so ein fremdes Bild, „heiliger Tempel“. So manches Bild, manche Vorstellung und mancher Begriff hat uns angestoßen in unserem Abschnitt. „Wohnung Gottes im Geist“ gehört auch dazu.

Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut.“ (V. 21f NGÜ) Es ist aber klar, was gemeint ist: Jesus Christus ist der, der seine Gemeinde erhält und wachsen lässt. Durch ihn wohnt Gott unter uns, ja in uns. Alles ist auf ihn bezogen und empfängt von ihm seine Kraft. Es braucht keine anderen Quellen, ER ist die Quelle. Kreativ zu sein ist gut, Gottesdienst als besonderes Ereignis herauszustellen – in Ordnung. Aber achten wir darauf, dass unsere Bemühungen nicht die Quelle verdecken! Dass unsere gut gemeinten und schönen Worte nicht Jesus, die Quelle des Lebens verdecken. Amen.

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Pfarrer Winfried Klotz
Königsberger Str. 13
64732 Bad König

Perikope
05.06.2016
2,17-22