Gott nahe zu sein ist mein Glück.
An der Frage, was Glück ist, scheiden sich die Geister.
Sind es besondere Augenblicke?
Ist es ein Zufall, der einem etwas schenkt, wie zum Beispiel einen Lottogewinn?
Ist es der Sinn im Leben überhaupt?
Wir haben in der Losung für 2014 Worte aus unserer biblischen Tradition, die wir daraufhin befragen können:
Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Ich möchte Ihnen einige Verse aus dem Psalm lesen, die vor unserer Jahreslosung stehen:
Fast wären meine Füße gestrauchelt, beinahe wäre ich gefallen.
Denn ich habe mich über die Prahler ereifert, als ich sah, dass es diesen Frevlern so gut ging.
Sie leiden ja keine Qualen, ihr Leib ist gesund und wohlgenährt.
Sie kennen nicht die Mühsal der Sterblichen, sind nicht geplagt wie andere Menschen.
Sie höhnen, und was sie sagen, ist schlecht; sie sind falsch und reden von oben herab.
Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück, häufen sie Reichtum auf Reichtum.
Mein Herz war verbittert, mir bohrte der Schmerz in den Nieren;
ich war töricht und ohne Verstand, war wie ein Stück Vieh vor dir.
Also hielt ich umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld.
Und doch war ich alle Tage geplagt und wurde jeden Morgen gezüchtigt.
Da ist einer richtig unzufrieden.
Das kommt mir bekannt vor.
Das kenne ich aus eigenen Erfahrungen und aus Gesprächen mit Anderen.
„Immer muss ich an den Feiertagen arbeiten, während es sich die Kollegen zu Hause gemütlich machen“, beklagt sich eine Schwester, die im Pflegedienst arbeitet.
Ein Patient schwankt zwischen Ärger und Verzweiflung:
„Ich mache das Fernsehen an und sehe den ganzen Tag all die Leute, die ihr Lebtag nicht gearbeitet haben und trotzdem einen Haufen Geld besitzen. Und dann sehe ich mich selbst, mit der kleinen Rente und den kaputten Knochen nach all den Jahren harter Arbeit, dann packt mich die Wut.
Und das ist noch gut, schlimmer ist es, wenn ich dann denke, es lohnt sich alles für mich nicht mehr. Was habe ich denn noch zu erwarten?“
Aber auch finanzielle Absicherung ist kein Garant für ein glückliches Leben:
„Ich habe genug Geld, um sorglos leben zu können“, sagte neulich ein Mann bei meinem Besuch, „aber ich bin krank und niemand kann mir helfen. Ich würde sonst was dafür bezahlen, wenn ich gesund werden könnte.“
Manchmal sind solche Klagen oder Wutausbrüche wichtig, um sich zu entlasten und wieder einen freien Blick zu bekommen.
Manchmal ist es nötig, die Wut zum Anlass zu nehmen, ungerechte Verhältnisse in der Gesellschaft anzuklagen und möglicherweise politisch zu verändern.
Wer jedoch nicht nur seine augenblickliche Lage unerträglich findet und das loswerden muss, sondern wessen Stimmung dauerhaft depressiv ist oder sogar in der Lebensbilanz so negativ ausfällt, der braucht einen Blick von außen.
Wenn die Welt nur noch schwarz oder weiß erscheint, gut oder böse, wenn es keine Zwischentöne mehr gibt, kein „sowohl-als auch“, kein Nebeneinander von gegensätzlichen Gefühlen und Gedanken mehr möglich ist, dann braucht man ein Gegenüber, das hilft, die Perspektive zu erweitern.
Damit sollte niemand allein bleiben.
Manchmal hilft das Gespräch mit einem Seelsorger, oder auch Psychotherapie. Die Wirksamkeit von solchen Gesprächen und evtl. auch medizinischen Hilfsangeboten ist unumstritten.
Unserem Psalmbeter in seiner Not standen solche Möglichkeiten nicht zur Verfügung.
Er findet selbst einen Weg zu seiner seelischen Heilung.
Er beginnt nachzudenken und sagt:
Da sann ich nach, um das zu begreifen; es war eine Qual für mich,
Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten.
Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit.
Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde.
Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen.
Er bleibt bei seiner Einschätzung darüber, dass es in der Welt ungerecht zugeht, er sieht sich nicht in der Lage, daran strukturell etwas zu ändern.
Aber trifft eine wichtige lebenserhaltende Entscheidung.
Er verändert seine Blickrichtung, seine Perspektive.
Er schaut nicht mehr neidvoll zu „denen da“, die im Licht stehen. Er hört auf, sich zu vergleichen.
Er schaut Gott an, er beginnt mit ihm direkt zu sprechen:
„Du“ sagt er. „Du bist da, mir gegenüber, siehst mich und meine Situation.“
An der hat sich nichts geändert, äußerlich.
Aber da ist nun eine Lebensfreude und Kraft, die dadurch entsteht, dass er sich mit Gott verbunden und von ihm wertgeschätzt fühlt.
Gott als Gegenüber zu wissen gibt ihm Kraft und Sicherheit. Gott hält seinen Gefühlen von Selbstunsicherheit, seinem Neid auf die Anderen, denen es vermeintlich besser geht, seiner Kränkungswut stand. Dadurch kann er seinen Blick wenden, sich selbst erträglich werden.
Uns Christen ist der Gedanke, dass Gott sich auf den Weg zu uns Menschen gemacht hat, um „sich uns auszusetzen“ und uns ein Gegenüber zu sein, ganz vertraut.
Gerade erst zu Weihnachten haben wir das gefeiert. Gott wird Mensch, um uns nahe zu sein.
Der Psalmbeter sagt: Dass ich darauf antworte, dass ich mich Gott nahe fühle, das ist mein Glück.
Die anderen, die er als Frevler bezeichnet, sollen weiter glücklich sein. Er kann es nun ertragen.
Denn seine Nähe zu Gott stillt die unerträglichen Neid- und Hassgefühle, das macht ihn stark.
Was bedeutet das für unser Leben, unseren Neid gegenüber anderen, die es vermeintlich besser haben, unsere Lebenszufriedenheit, unsere Suche nach Glück?
Es würde helfen, wenn wir immer öfter wagten, uns nicht mit anderen zu vergleichen, sondern auf den eigenen Weg zu sehen.
So, wie es Papst Johannes 23. In seinen „Guten Vorsätzen“ beschrieben hat, die ja traditionsgemäß auch an den Übergang des Jahres gehören:
Johannes 23. schreibt:
Nur für heute werde ich …
• … mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
• …. große Sorgfalt in mein Auftreten legen: vornehm sein in meinem Verhalten; ich werde niemand kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern - nur mich selbst.
• … in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin - nicht für die andere, sondern auch für diese Welt.
• … mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
• … zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, ist eine gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
• … eine gute Tat verbringen, und ich werde es niemandem erzählen.
• … etwas tun, zu dem ich keine Lust habe: sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass es niemand merkt.
• … ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht genau daran, aber ich werde es aufsetzen - und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: der Hetze und der Unentschlossenheit.
• … fest glauben - selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten - dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
• … keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben, mich an allem zu freuen, was schön ist - und ich werde an die Güte glauben.
Lassen Sie uns also auf Gott schauen und uns von seinem zugewandten, liebevollen Blick aufrichten.
Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Darauf können wir uns verlassen, in allem, was kommt.
Amen.
Gott nahe zu sein ist mein Glück - Predigt zu Psalm 73,28 von Monika Waldeck
73,28
Perikope