Gottes Wort ist lebendig, stellt zwar Ansprüche und ist trotzdem wirksam und voller Trost.
12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.
I Dialog
Die Tür knallt hinter ihm zu. Zornig geht er raus. Raus nach dem Streit. Sie hatte gesagt: „Das sind doch alles nur Worte, nichts als Worte. Wird sich wirklich irgendetwas an deinem Verhalten ändern?“ Eigentlich nur ein kleiner Anlass; aber wieder mal eskalierte das Gespräch – ein Wort hatte das andere nach sich gezogen. Sie waren laut geworden. Beide. Scharfe Worte, die verletzen sollten und es auch taten. Deswegen musste er raus, an die frische Luft. Die dicke Luft hinter sich lassen.
II Worte, nichts als Worte
Es ist so eine Sache mit den Worten – und den daraus folgenden Taten. Zum „Unwort des Jahres 2021“ wurde der Begriff „Pushback“ erklärt. Mit dem Begriff „Pushback“ wird das Zurückdrängen von Flüchtenden an den Grenzen Europas beschönigt, so die Jury. Sie besteht aus Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern der Uni Marburg. Das Problem sei, dass mit dem Ausdruck Gewaltanwendungen oder der Tod als Folgeerscheinung, die mit diesem Zurückdrängen von Frauen und Männern an den Küsten Europas verbunden sein könnten, verschwiegen und verschleiert werden. Nicht nur beim Streit in der Partnerschaft, auch auf größerer Bühne der Gesellschaft entfalten Worte ein unglaubliche Wirkung. Ich denke, mit Gottes Wort ist es auch so: Es will Wirkung in unserem Leben entfalten. Eine Veränderung, wenn nötig. Etwas Positives auslösen.
Wir kommen im Leben schwer ohne Worte zurecht – wir brauchen sie, um uns verständlich zu machen. Als Liebesbezeugung. Als Zuspruch. Als Trost. Aber auch in der Debatte. Bei Auseinandersetzungen. Gegebenenfalls im Streit. Wir sind unentrinnbar auf Worte angewiesen, soll das Zusammenleben in der Partnerschaft, Familie, Gesellschaft und Kirche gelingen oder neu geregelt werden.
III Das Lebendige Wort
„Das Wort Gottes ist lebendig…“, heißt es im Hebräerbrief. „Lebendig“ ist die entscheidende Vokabel, die zum Wort Gottes unabdingbar gehört. Ausgemalt wird dieses „Lebendigsein“ mit Interpretationen: Das Wort Gottes ist anspruchsvoll. Das Wort Gottes ist wirksam. Das Wort Gottes – manchmal nur ein einziger Bibelvers – ist scharf, wie ein Schwert. Dieser eine Satz aus der Bibel durchdringt auf einmal alles. Er kreidet Sachverhalte an. Nichts bleibt in dieser Begegnung mit Gottes Wort verborgen. Beklemmend ist das! Nichts gibt es, das nicht durchs Wort Gottes aufgedeckt wird. Ob es uns passt oder nicht, wir sind – jedenfalls als Christen und Juden – in unserer Frömmigkeit unentrinnbar auf das Wort Gottes angewiesen. Aber das „lebendige“ Wort entfaltet auch positiv seine Wirkung. Viel öfter, als man meint. Ein Bibelwort, voller Trost und Zuversicht – es trägt durch eine Krise, ein Leben lang. Selbst angesichts von Tod und Sterben. Das tut Gottes Wort auch. Zum Glück!
IV Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
„Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“. Im Bibelwort begegnet uns das Bild vom „zweischneidigen Schwert“. Wie ein scharfes Schwert ist das Wort Gottes. Gut ausgewählt ist die Bildwelt vom Schwert. Es bringt eine Wahrheit treffend zur Sprache. Die Wahrheit, dass Gottes Wort unsere Sinne und Vorstellungswelt prägt und uns eine Unterscheidungskunst aufzeigt.
- Maria und Josef verhielten sich mit dem neugeborenen Jesuskind entsprechend dem, was das Wort Gottes für jüdische Gläubige nach einer Geburt vorsah (Lukas 2,22-35): Das Kind einem Priester im Tempel vorzuzeigen und eine Opfergabe zu bringen. An der Tempelpforte, die „die Schöne“ heißt, kommt es zur Begegnung mit Simeon, einem alten Mann. Ihm ist es vergönnt, noch zu Lebzeiten Jesus als Kind zu erleben. Mit Jesus auf den Armen preist er Gott für diese Wunder und stimmt ein Loblied an. Dann sagt er rätselhafte Worte, vom Zeichen, das in, mit und durch Jesus gesetzt wird und dem widersprochen wird. Zu Maria sagt er: Auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen – damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden. Jahre später erschließt sich Maria dieses Wort des greisen Simeon unter dem Kreuz. Die Frauen, die Jesus nachgefolgt waren – zu denen Maria gehörte – „sahen das alles“ (Lukas 23,49). Wo Worte über den grausamen Tod Jesu am Kreuz von Golgatha fehlten, war die Seele zutiefst berührt.
- Das Wort Gottes hat ganz unmittelbar mit deiner und meiner Sprache zu tun. An Gottes Wort lernen wir die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge; aus dem Evangelium erfahren wir, was notwendig ist. ‚Was unser einziger Trost im Leben und Sterben ist: dass wir mit Leib und Seele, im Leben und Sterben… [dem] getreuen Heiland Jesus Christus gehören‘. Gottes Wort macht klar, was wirklich Sache ist. Jede und jeder versteht, was gemeint ist. Das Evangelium ist die gute Nachricht und frohe Botschaft in einer Welt voller „Fake News“.
- In der Hand eines Kämpfers, eines Kurfürsten und einer Königin hat ein Schwert einen vielfältigen Sinn:
a) Kämpfer müssen nicht zwingend in einen Krieg ziehen, wohl aber sich und andere zu verteidigen wissen. So ist es mit dem Wort Gottes als Schwert. Gott selbst garantiert mit seinem lebendigen Wort die Verteidigung und den Schutz gegen Angriffe des Bösen. Das Wort Gottes dient zur Verteidigung gegen das, was uns den Glauben wegnehmen will. Ich erinnere mich, wie eine Frau im Krankenhaus mich bei einem Besuch bat, ein paar „starke Bibelworte“, wie sie es nannte, in ein Büchlein aufzuschreiben, damit sie sie vor Augen hätte, wenn die Schmerzen durch die Krebserkrankung zu viel zu werden drohten. Ein solches Wort kommt mir in den Sinn: Psalm 38,22-23: „Verlass mich nicht, HERR, mein Gott, sei nicht ferne von mir! Eile, mir beizustehen, HERR, meine Hilfe!“ Merke: Ein Bibelwort kennen, auswendig wissen ist ein wertvoller Schatz für schwierige Zeiten.
b) Wenn einem Kurfürsten meinetwegen im 15. Jahrhundert ein Schwert verliehen wurde, dann als Zeichen der Würde und Ehre, um als Landesherr für den Frieden, den Wohlstand und die Ordnung in seinem Kurfürstentum zu sorgen. Dass er dieses durchsetzen muss, auch gegen Widerstände, daran erinnert das Schwert auch. Aber der eigentliche Auftrag ist: Zu bewahren, zu schützen, zu ordnen, dafür zu sorgen, dass die Bewohner in Frieden leben können. Das Wort Gottes dient dazu, unser Leben zu bewahren, zu schützen und zu befrieden.
c) Mit einem Schwert wird einem Knappen der Ritterschlag verliehen. Das tut bekanntlich nicht weh, sondern ist eine Auszeichnung ganz besonderer Art. Der Ritterschlag ist ein feierlicher Initiationsritus, mit dem ein Mann von einer Königin oder einem anderen Adeligen in den Ritterstand erhoben wurde. Ausgezeichnet, in den Kreis der Ritter aufgenommen, die ihrer Majestät zu Diensten waren, am Hof und ja, auch nötigenfalls in einer Schlacht. Aber es geht hier um genau diesen Moment, wo der Knappe mit der Schwertspitze berührt wird. Ganz sanft, ganz leicht, auf die Schulter wird die scharfe Spitze des Schwertes gelegt und ab diesem Moment gilt nun der Knappe als allseits anerkannter Ritter. Du und ich werden durch diese ganz zarte, sanfte Berührung mit dem Wort Gottes zu Ritterinnen und Rittern geschlagen, geadelt und in den Adelsstand erhoben und könnten hinfort ganz christlich als „Sir“ und „Madam“ angesprochen werden. Gewürdigt durch diese besondere und ganz und gar intensive Berührung durch Gottes Wort. Anerkannt als ebenbürtig, mündig gemacht. Noch mal: Durch die Berührung mit Gottes Wort mündig gemacht. Da verändert sich durch diese sanfte Berührung mit Gottes Wort unser Leben und unser Wortschatz: dass wir unseren Worten, von Gottes Wort angerührt, wieder etwas zutrauen können.
V Der Worte sind genug gewechselt…
„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen“ heißt es in Goethes „Faust“. In der Begegnung mit Gottes Wort lässt sich manches klären – aus dem Reden wächst neues, nach vorne hin offenes Tun heran. Aus Glauben und im Glauben. Heute, Morgen und alle Tage.
Vorhin da knallte er die Tür hinter sich zu. Zornig war er rausgegangen. Raus nach dem Streit. Sie hatte gesagt: „Das sind doch alles nur Worte, nichts als Worte. Wird sich wirklich irgendetwas an deinem Verhalten ändern?“ Scharfe Worte waren das, aber klärend; der Sache nach. Er sah es ein. In der frischen Luft hatte sich sein Zorn abgekühlt. Er hatte beim Spazierengehen Zeit gefunden, nachzudenken. Sie hatte ja recht. Sein Verhalten ihr gegenüber war nun wirklich nicht in Ordnung. Der Wortwechsel war notwendig. Klärend. Er kehrt zurück nach Haus. Er wird ihr vorschlagen, sich über den strittigen Punkt gemeinsam beraten zu lassen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich gehe von einem recht gut besuchten Gottesdienst aus, den ein paar jüngere Menschen, einige Menschen zwischen 40 und 65 und Ältere gemeinsam feiern. Einige werden den Gottesdienst digital während des Wochenendes anschauen oder die Predigt als Podcast hören. „Wie relevant ist Gottes Wort für mich?“, könnte eine Ausgangsfrage sein, die die Zuhörenden und Lesenden gelegentlich beschäftigt. Ich will mit der Gemeinde entdecken, welchen Anspruch Gottes Wort an uns stellt. Wie Worte wirken (als Trost, z.B.), erläutere ich in Beispielen.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Bildwelt des Schwertes hat mich fasziniert: Aber nicht nur als Kriegs- oder Kampschwert, sondern auch als „Ritterschlag“ o.ä. Dem wollte ich nachgehen und dieses für die Predigt fruchtbar machen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Das Wort „lebendig“ gehört untrennbar zum Wort Gottes, weil Gott selbst lebendig ist. In der Lebendigkeit liegt die Wirksamkeit des Wortes Gottes – in der Regel lässt sich das im Glauben an einzelnen Bibelversen entdecken. Eingeprägte Bibelworte als Merkverse helfen in Zeiten der Not und Krankheit einen Zuspruch gegen das Vorfindliche zu entdecken.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Das Predigt-Coaching hat mich angespornt, nicht im Allgemeinen zu bleiben, was „Gottes Wort“ heißt, sondern mit konkreten Beispielen aufzuzeigen, was ich damit meine. Ihre Hinweise, wie sie meine Predigt gelesen hat und welche Gefühle sie dabei hatte, zeigte mir eine mögliche Hör-Perspektive der Gottesdienstbesuchenden auf. Das war hilfreich. Ich habe daraufhin drei Abschnitte komplett neu bearbeitet – mit Gewinn für die Predigt.