Jesus-Video - Predigt zu 2. Korinther 5, 14-21 von Tom Mindemann
14-21

Video-Predigt I

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

liebe Gemeinde,

wenn Sie das hier sehen, dann begehen wir den Karfreitag im Jahre 2020. So wie jedes Jahr vor dem Osterfest bedenken wir Jesu Leiden und Sterben am Kreuz.

Und doch ist dieses Jahr buchstäblich „alles anders“.

Vielleicht wollten Sie heute eigentlich in die Kirche kommen. Gottesdienst feiern mit anderen. Singen. Beten. Das Abendmahl halten. Vielleicht kommt es Ihnen auch gerade gelegen, dass dieser Gottesdienst nun gewissermaßen zu Ihnen kommt. Als Video. Da wo Sie gerade sind.

 

In den letzten Jahren gab es immer wieder Streit um den Karfreitag als stillen Feiertag

mit seinem Verbot von Tanz– und Sportveranstaltungen und „lautem“ Unterhaltungsprogramm.

Dieses Jahr ist sprichwörtlich „alles anders“. Clubs und Kirchen sind geschlossen, Kinos und Konzertsäle. Partys und Prozessionen wurden abgesagt. Nicht nur heute.

 

Alle versuchen, aus der Not eine Tugend und aus der Situation das Beste zu machen.

Wir telefonieren wieder mehr, nutzen digitale Medien, verabreden uns per Video: zu Konferenzen und Teamsitzungen, mit Freunden auf ein Glas Wein auf dem je eigenen Sofa.

Und Großeltern lesen ihren Enkeln per Video Geschichten vor oder spielen Mensch-ärgere-dich-nicht vor dem Bildschirm: eine würfelt, der andere führt die Püppchen;

 

Aus Italien

Wenn du das hier siehst…

Allabendlich, wenn nicht gar ständig, erreichen uns Bilder, Graphiken, Informationen.

Es geht wohl weltweit längt nicht mehr darum, aus der Situation des Beste zu machen, sondern das Schlimmste zu verhindern – was auch immer das sein mag. Videos von weinenden Ärzten und Krankenschwestern in Bergamo werden zum Symbol dafür, wie uns dieses Situation aus der Hand gleitet.

 

Nein, dieses Virus macht keinen Sinn.

Es ist nicht gut für irgendetwas.

Es ist nicht gut dafür, dass wir zur Ruhe kommen, dass wir unsere Prioritäten überdenken, dass wir die Klimaziele 2020 doch noch erreichen, dass wir einen neuen Blick bekommen für das für das, was wirklich wichtig ist. Nein.

Durch dieses Virus sterben Menschen. Und viele andere geraten in Not.

 

Der Tod macht keinen Sinn.

Er ist nicht gut für irgendetwas.

Auch nicht der Tod Jesu.

Wenn wir heute Karfreitag „feiern“, dann weil wir wissen, wie es ausgeht.

weil wir Ostern schon mitdenken und Gott Ostern zutrauen.

 

Jesus-Video

Mal angenommen, Jesus hätte ein Video aufgenommen

für die, die bei ihm waren, so nahe das ging::

 

Hallo Frau (du weißt, Mutter, dass ich dich immer so genannt habe),

hallo Tante, hallo Maria, hallo Johannes,

wenn ihr das hier seht, werdet ihr schon mit angesehen haben müssen,

was da passiert ist auf Golgatha:

Wie Pilatus mich den Soldaten übergab.

Wie ich den Mittelbalken zu meiner eigenen Kreuzigung schleppen musste.

Wie die Soldaten meine Sachen unter sich aufteilten und auslosten, wer denn meinen Rock bekommen sollte.

Wie sie mir Essig zu trinken gaben – so wurde die Schrift erfüllt.

Ein paar letzte Worte hatten wir noch wechseln können,

bevor es vollbracht war.

Es ist gut, dass ihr nun füreinander da seid, dass ihr zusammensteht in dieser Zeit, in der alles anders ist.

Ich vertraue darauf, vielmehr: ich weiß, dass es gut wird.

Tut das auch!

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Joh 14,1)

Es wird alles neu.

Friede sei mit euch!

Liebe Grüße, Jesus

 

Und doch: noch Jahrhunderte lang werden Theologen darüber streiten

und auch Du und ich uns manchmal fragen:

Warum?

Warum der Tod? Warum dieser Tod? War das nötig?

Wie konnte Gott das zulassen?

Musste das so kommen?

Hätte Gott nicht anders gekonnt,

ja, anders gemusst, wenn wir an seine Liebe glauben sollten?

Und überhaupt: wo war Gott?

 

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Diese alten Worte aus dem Psalm lagen auch Jesus auf den Lippen.

Doch nicht er war es – Gott selbst, in ihm:

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!

 

Gott, von Gott verlassen, ist nicht weit weg,

nicht unbeteiligt erhaben,

nicht jenseits von Gut und Böse,

sondern war da, ganz nah,

in Schimpf und Schande

in Leid und Tod.

Gott war in Christus, schreibt Paulus im 2. Brief an die Korinther,

und versöhnte die Welt mit ihm selber.

 

Lasst euch versöhnen

Liebe Gemeinde Gottes in Korinth,

wenn ihr das hier lest, haben wir schon eine Weile nichts mehr voneinander gehört.

Beim letzten Mal, als ich bei euch war, gab es Streit. Mancher Konflikt ist bis heute nicht geklärt. Eigentlich wollte ich euch noch mal besuchen, aber meine Reisepläne hatten sich erneut geändert. Deshalb nun diese Zeilen (2Kor 5,14-21):

 

Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist und so alle gestorben sind. Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde. Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

 

Zuletzt, liebe Brüder und Schwestern, haltet Frieden. So wird der Gott der Liebe und des Friedens bei euch sein. Wir freuen uns, wenn wir euch endlich wieder sehen.

Liebe Grüße, euer Paulus.

 

Video-Predigt II

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,

liebe Gemeinde,

wenn Sie das hier sehen, begehen wir immer noch Karfreitag im Jahre 2020.

Wir bedenken Jesu Leiden und Sterben am Kreuz.

Und wir haben mehr Fragen als Antworten. Damals wie heute.

Und doch ändert sich etwas.

Wir schauen anders,

weil Gott die Perspektive wechselt.

Nicht der, der die Antworten liefert,

sondern der die Fragen mit uns aushält.

Deshalb haben wir in unseren Kirchen normalerweise keinen Computerbildschirm hängen, sondern das Kreuz.

Gott war in Christus, schreibt Paulus,

hat mit Christus gefleht: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

 

Gott ist in dir und in mir. In unseren Fragen.

Wo sich Einsamkeit breit macht und Zukunft zu kurz kommt,

steht er an unserer Seite.

Bei denen, denen wir so gerne beistehen würden – und es nicht können.

Und bei denen, die für uns einstehen, und nicht mehr können.

Gott ist im Warum?!

Lasst euch versöhnen mit Gott!

Haltet die Fragen aus.

Und traut ihm Ostern zu.

Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Tom Mindemann

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigtsituation ist nicht von der „Corona-Situation“ zu trennen. Der Gottesdienst, eben auch die Predigt, werden als Video aufgenommen und ins Internet gestellt. Es ist der erste Gottesdienst seit dem Veranstaltungsverbot vom 16.03.2020. Karfreitag ist in der Regel stärker besucht als Ostersonntag. Oft besondere liturgische Gestaltung, Abendmahl. Diesmal ist „alles anders“. Zur erreichten Zielgruppe eines Video-Gottesdienstes (überhaupt und an Karfreitag) gibt es bisher keine Erfahrungen.

2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Beflügelt hat mich ursprünglich die Idee einer Video-Botschaft eines Vaters an seine Kinder für die Zeit nach seinem eigenen Tod. In dieser Form hat sie es dann aber nicht bis in die Predigt geschafft. Aber daraus entwickelte sich das Aufbau der einzelnen „Moves“.

3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Gott liefert nicht die Antworten auf die Frage nach dem Warum. Aber er steht mit mir die Frage durch.

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die abschließende Bearbeitung nach ausführlichen und wertschätzenden Rückmel-dungen durch meinen Coach für diese Predigt führte vor allem zu einer Glättung der Predigt. Uneingelöste Assoziationen, Nebenthemen und Aufzählungen wurden gestri-chen, und führten zu einer klareren Struktur und Fokussierung

 

 

Perikope