Jesus wohnt in uns - Predigt zu Johannes 1,1-5, 9-14 von Elke Markmann
1, 1-5, 9-14

Jesus wohnt in uns - Predigt zu Johannes 1,1-5, 9-14 von Elke Markmann

„Das geht ja gar nicht!“ regt sich eine Kollegin auf. Sie hatte gehört, wie eine Erzieherin im Kindergarten erzählte: „Wir feiern den Geburtstag von Jesus! Darum schenken wir uns alle etwas. Wir feiern Geburtstag!“ Meine Kollegin wetterte: „Das als alleinige Botschaft! Das geht doch gar nicht!“

Nein, das geht gar nicht. Weihnachten als gigantische Geburtstagsfete – weltweit. Das geht doch wirklich gar nicht!

Und doch: Wir feiern auch Geburtstag. Und noch viel mehr: Hinter all den Geschenken droht der kleine und unscheinbare Anfang tatsächlich irgendwie verloren zu gehen. Und darum möchte ich noch einmal genau hinsehen. Was feiern wir Weihnachten eigentlich, wenn nicht die große Mega-Party?

Wir haben gestern in den Gottesdiensten die Weihnachtsgeschichte gehört. Maria und Joseph bekommen ein Kind. Und weil sie das nicht zu Hause bekommen, und weil in der Stadt kein Platz in irgendeiner Herberge zu finden ist, landen sie im Stall. Im Stall kommt der zur Welt, der einmal die ganz Welt verändern soll? In Armut und obdachlos zusagen, unscheinbar. Wenn nicht die Engel gewesen wären, die die Hirten aufmerksam gemacht haben. Wenn da nicht der Stern gewesen wäre, der die Weisen aus dem Morgenland lockte … wer hätte dann von der Geschichte erzählt?

Die Engel machen die Hirten aufmerksam. Der Stern bringt die Weisen auf den richtigen Weg.Himmlische Öffentlichkeitsarbeit also.

Und wofür? Nicht für die große Party, sondern für ein kleines Kind. Mit diesem Kind allerdings hat es etwas Besonderes auf sich. Der Evangelist Johannes erzählt keine Geburtsgeschichte Jesu. Er fängt sein Evangelium mit einem besonderen Anfang an:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.

Viele von uns kennen diese Worte. Die Rede vom Wort, das von Anfang an da ist.

Ich lese eine andere Übersetzung. Da ist nicht vom Wort, sondern von der Weisheit die Rede:

Am Anfang war die °Weisheit und die Weisheit war bei °Gott und die Weisheit war wie Gott. Diese war am Anfang bei Gott. Alles ist durch sie entstanden und ohne sie ist nichts entstanden. Was in ihr entstanden ist, war Leben, und das Leben war das Licht für die Menschen.

Von der Weisheit ist im Alten Testament an mehreren Stellen die Rede. Die Weisheit spielt vor Gott. Die Weisheit ist vor dem Anfang der Schöpfung bei Gott. Die Weisheit wird dabei unterschiedlich dargestellt. Einerseits spielend, andererseits wissend. Wenn ich von der Weisheit lese, habe ich manchmal ein fröhliches Kind vor Augen und manchmal eine weise alte Frau.

Am Anfang war die °Weisheit und die Weisheit war bei °Gott und die Weisheit war wie Gott. Diese war am Anfang bei Gott. Alles ist durch sie entstanden und ohne sie ist nichts entstanden. Was in ihr entstanden ist, war Leben, und das Leben war das Licht für die Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht aufgenommen.

Das Leben war das Licht für die Menschen. Das Leben entsteht in und durch Gott. Die Menschen sind zur Welt gekommen. Gott hat die Menschen geschaffen, so lesen wir im ersten Buch der Bibel. Alles Leben kommt von Gott.

In diesem Wissen liegt eine tiefe Wahrheit, eine tiefe Weisheit. Fast so etwas wie ein Plan? Eine Idee? Gott hat den Menschen geschaffen, als Mann und als Frau, als menschliches Bild der eigenen Göttlichkeit. Die Idee dahinter? Der Plan? Irgendwie scheint er im Laufe der Zeit verblasst zu sein. Und so passiert es noch einmal. Das Licht, das im Leben von Beginn an leuchtete, war in Vergessenheit geraten. Der göttliche Ursprung, der göttliche Funke, war verblasst. Wie soll es jetzt weiter gehen?

Johannes erzählt davon:

Es entstand ein Mensch, von Gott gesandt, mit Namen Johannes. Dieser kam, um Zeugnis abzulegen: um für das Licht zu zeugen, damit alle durch ihn °zum Glauben kämen. Jener war nicht das Licht, sondern war da, um für das Licht zu zeugen. Die Weisheit war das wahre Licht, das allen Menschen leuchtet, die in die Welt kommen. Sie war in der Welt, und die Welt ist durch sie entstanden, aber die Welt hat sie nicht erkannt. In das ihr Eigene kam sie, aber die Ihrigen haben sie nicht aufgenommen. Allen denen aber, die sie angenommen haben, denen gab sie Vollmacht, Kinder °Gottes zu werden. Das sind die, die an Gottes Namen glauben, die nicht aus Blut und nicht aus °irdischem Bestreben und nicht aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und die °Weisheit wurde °Materie und wohnte unter uns, und wir sahen ihren °Glanz, einen Glanz wie den eines einzigen Kindes von °Mutter und Vater voller °Gnade und Wahrheit.

Erst kommt Johannes, der kündigte etwas Besonderes an, ein besonderes Licht. Und dann kommt eben dieses Licht, kommt Gott selbst auf die Erde. So schreibt Gott die Geschichte weiter und bringt das Licht noch einmal in die Welt.Das Licht, die Gnade, die Weisheit werden Mensch.

Aber eben nicht prunkvoll und voller Macht. Ein einziges Kind kommt auf die Welt, klein und abhängig, unselbstständig und auf Hilfe angewiesen. So leise und unscheinbar, dass es kaum ohne himmlische Öffentlichkeitsarbeit durch Engel und Sterne geht! Und schon in diesem kleinen Anfang ist der Glanz sichtbar.  Die Hirten erkennen göttlichen Glanz in diesem kleinen Kind. Die Weisen hatten zwar die prunkvolle Königsgeburt erwartet, aber erkennen in diesem kleinen Kind im unscheinbaren Stall in Bethlehem den göttlichen Glanz, die Gnade und die Weisheit.

Johannes weiß es:

Wer in dem kleinen Kind mehr sieht, ist selbst ein Kind Gottes.

Wer diesen Glanz erkennt, der ist ein Bruder oder eine Schwester des kleinen Kindes in der Krippe.

  • Und selbst ein Kind Gottes.

Selbst ein Kind Gottes sein – selbst den Glanz Gottes in die Welt bringen, das Licht in die Finsternis. Dazu braucht es keine große Geburtstagsparty mit Licht und Lärm. Dazu braucht es oft nur Kleinigkeiten: Wenn eine Freundin sich merkt, worüber ich mich freue - und es mir später schenkt.  Wenn ich die Menschen anlächle, die ich gar nicht kenne.  Wenn eine Nachbarin für die andere den Schnee oder das Laub weg fegt, ohne aufgefordert zu sein, einfach weil sie ihr einen Gefallen tun möchte. Wenn plötzlich an der Tür eine Tüte mit Süßigkeiten hängt mit einem kleinen Dank darin. Wenn Sie eine Postkarte schicken. Wenn ich meinen Sohn lobe.

Weihnachten feiern wir, dass Gott keine Mühe scheut, uns nahe zu sein. Gott selbst kommt auf die Welt. Gott selbst wird Mensch wie wir. Gottes Weisheit wird lebendig. Das ist wahrhaftig ein Grund zu feiern!

Amen