"Kulinarische Köstlichkeiten und mehr", Predigt zu ERNTEDANK über 1. Timotheus 4, 4-5
4,4
Kulinarische Köstlichkeiten und mehr
Predigttext:
  Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.
Liebe Gemeinde,
mit Freude zu essen, das ist gut für die Seele. Die Freude am Essen ist besonders dann möglich, wenn das Essen nicht nur satt machen soll, sondern gut schmeckt. Ein gesunder Mensch isst gern mit Appetit, ein kranker Mensch dagegen kann sich über das Essen nicht recht freuen. Viele schmackhafte Delikatessen gibt es inzwischen auch bei den Discountern wie Aldi, Lidl und Co. zu kaufen. Während es früher genügt hat, Lebensmittel möglichst billig zu verkaufen, werden heute auch luxuriöse Delikatessen und edle Weine verkauft. Gutes Essen liegt im Trend. Die Kochshows tragen dazu bei, das Bewusstsein für feines Essen zu schärfen.
Als führend im Hinblick auf Zubereitung und Auswahl besonderer Speisen gilt die französische Küche. Kein Wunder, dass viele Worte in unserer Sprache, die mit dem Essen zu tun haben, aus dem Französischen stammen. Das Wort Delikatesse kommt von delicatesse und meint Feinheit oder zarter Geschmack. Ein Menu ist eine Abfolge von Speisen, Dessert ist der Nachtisch und Soße kommt von Sauce. Ob ein Steak eher medium oder eher blutig serviert wird, wird mit französischen Worten bestellt. Das heißt dann à point oder saignant. Über manche französische Delikatessen wundern wir uns vielleicht. Froschschenkel haben sicherlich die wenigsten unter uns schon einmal probiert. Weinbergschnecken in köstlich zubereiteter Sauce sind schon eher verbreitet. Gänseleberpastete ist in Frankreich sehr beliebt und wird als Vorspeise gereicht, aber hierzulande ist es kaum bekannt. Krebse und Krustentiere kennen wir auch kaum. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Vielleicht läuft Ihnen das Wasser im Mund zusammen, wenn Sie das hören. Vielleicht schüttelt es sie aber auch und Sie denken, dass sie das auf keinen Fall essen würden. Essen ist eben Geschmacksache.
Unser Predigttext sagt hier eindeutig: Alles ist gut. Alles darf gegessen werden. Was wir gerne essen, hängt von der Kultur des Essens ab, in die wir hineingeboren wurden. Über Vorlieben entscheidet letztlich der eigene Geschmack. Als Christen unterliegen wir keinen Vorschriften, was die Auswahl und Zubereitung der Speisen betrifft. Im Gegensatz zu anderen Religionen gibt es keine Speisen, die als unrein ausscheiden. Vielmehr hat Jesus gesagt, dass alles das, was in den Menschen hineinkommt, nicht unrein ist, sondern vielmehr das, was aus dem Menschen herauskommt. Denn es sind böse Worte und Gedanken, die aus dem Herzen kommen, sich negativ auswirken und als unrein gelten. (Mat 15,11)
Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, heißt es. Damit wiederholt der Apostel, was zu Beginn der Bibel über Gottes Schöpfung gesagt ist. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1. Mose 1,31) Am Anfang sind dem Menschen nur die Pflanzen zur Nahrung gegeben. Erst später, nachdem der Mensch das Paradies verlassen hat, gibt es auch Tiere als Nahrung. Das schließt unser Predigttext ein: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, damit der Mensch gesättigt wird und sich über seine Nahrung freuen kann.
Dass das alles gut ist, haben nicht alle so gesehen. Den Hintergrund des Briefes, den der Apostel Paulus an den Vorsteher der Gemeinde, Timotheus schreibt, bildet die Lehre einer „so genannten Erkenntnis“ (1. Tim 6,20). Diese besonders frommen Menschen wünschten sich, dass sich ihr Glaube auch in besonderen Taten auswirkt. Ihr Glaube sollte in der Welt erkennbar sein. Deshalb lehrten sie, dass die Christen bestimmte Speisen nicht essen sollten. Aber hier gilt vielmehr, wie der Apostel im Brief an Timotheus schreibt, dass es nur auf die Haltung ankommt, mit der es eingenommen wird. Es soll mit Danksagung empfangen werden.
Das trifft sich nun mit der Haltung, mit der wir das Erntedankfest im Kirchenjahr feiern. Es ist ein besonderer Tag im Jahr, an dem die Kirche mit vielen Früchten aus den Gärten und von Feldern geschmückt ist. Wir danken für die Ernte und für die Nahrungsmittel, die wir jeden Tag reichlich auf dem Tisch haben. Heute im Zeitalter der Technik vergessen wir leicht, dass es früher nicht selbstverständlich war, genügend Nahrungsmittel zur Verfügung zu haben. Vielmehr musste alles mühevoll eingemacht und im kühlen Keller gelagert werden. Heute haben Trockenzeiten, Dürren und Überschwemmungen ihren Schrecken verloren. Denn die Nahrung wird teilweise weltweit herangeschafft. Die Landwirte sind heute eher Techniker, die Bewässerungen und Erntemaschinen in Gang setzen, um eine gute Ernte zu einzufahren. Natürlich kommt es auch noch auf gutes Wetter, Sonne und regelmäßigen Regen an. Das alles hat es in diesem Jahr gegeben. Weil es im Spätsommer viel Sonne gegeben hat, soll es ein guter Weinjahrgang werden. Einziges Manko war, dass der Februar für viele Obstbäume zu kalt war, so dass viele Knospen erfroren waren und manche Bäume nichts trugen. Alles in allem war es aber ein gutes Jahr. So gesehen haben wir allen Grund, dankbar zu sein.
Doch es fällt schwer, für das, was selbstverständlich erscheint, dankbar zu sein. Allzu leicht vergessen wir heute, dass wir letztlich alles, was wir haben und sind, Gottes guter Schöpfung verdanken. Wie es Paul Gerhardt gedichtet hat und wie wir es im Lied nach der Predigt singen: Was sind wir doch? Was haben wir auf dieser ganzen Erd, das uns o Vater nicht von dir allein gegeben werd? Heute am Erntedanktag kann uns besonders bewusst werden, dass der Glauben zur Dankbarkeit führt. Der christliche Glauben ist so gesehen nichts anderes als eine Schule der Dankbarkeit.
Wie werde ich ein dankbarer Mensch? Wie schaffe ich es, eine frohe und positive Lebenseinstellung zu finden?
  Die Antwort mag  einfach klingen. Indem ich mir bewusst mache, dass ich vieles genießen kann: Die Eindrücke von einer schönen Reise, die kulinarischen Köstlichkeiten, an denen ich mich erfreuen konnte, die Wärme der Haut, wenn sie von einem Bad noch nass war und langsam in der Sonne trocknet. Aber auch der Alltag wird manchmal unterbrochen und es gibt Momente, die ich genießen kann: Das unverwechselbare Antlitz eines Menschen, der mich freundlich grüßt, der Kaffee am Mittag in der milden Herbstsonne, ein spannendes Spiel mit den Kindern …
Wenn ich mich daran erfreue, dann weitet sich mein Blick. Dann ist es nicht nur das tägliche Brot, für die ich dankbar sein kann. Dann erweitert sich die Danksagung, wie es auch Martin Luther zur Bitte im Vaterunser „unser tägliches Brot gib uns heute“ erklärt hat: Wir bitten in diesem Gebet, dass … wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot.
  Daraufhin stellt er die Frage: Was heißt denn tägliches Brot? Und antwortet: Alles was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.
Mit der Vaterunserbitte weitet sich der Blick auf alles, was einem guten Leben dient. Es sind nicht nur Essen und Trinken, nicht nur die kulinarischen Köstlichkeiten, für die wir dankbar sein können, sondern auch Kleidung, Besitz, Geld, Familie, Freunde, gute politische Verhältnisse usw. Alles, was heute für uns selbstverständlich erscheinen mag, kann Grund genug sein, um zu danken. Das geschieht durch eine dankbare Lebenshaltung gegenüber Gott oder bewusst durch jedes Dankgebet. In diesem Gottesdienst empfangen wir nun auch das Abendmahl mit Danksagung. Durch seinen Sohn, der uns in Brot und Wein begegnet, schenkt uns Gott sein Heil. Das weitet wiederum den Blick. Danke Gott dafür!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, er bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
Lied vor der Predigt: Ich singe dir mit Herz und Mund, 324,1-7
Lied nach der Predigt: Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben, 227
Perikope
07.10.2012
4,4