13Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, 14in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden. 15Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. 16Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. 17Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. 18Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. 19Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen 20und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
„Ah so was, die Flasch´ is´ joh voll leer!“ Sagt ein Mannheimer Junge, wenn er enttäuscht sieht: Die letzte Flasche seines Lieblingssafts enthält nur noch Luft. Und dabei fühlt sich mancher wie das „einzigste“ Kind auf der Welt: Nur ich allein muss diesen Saft entbehren. Stilmäßig hat der Junge sich fragwürdig ausgedrückt. Belächelt, ausgelacht, belehrt, oder gar beleidigt - mit der einen oder anderen Entgegnung muss er rechnen.
Dabei wird vergessen: Zum einen lernen Kinder die Sprache erst noch. Zum anderen haben sie von den Älteren abgeschaut, machen es wie sie: Sie kürzen sprachlich gerne ab. Und dann gibt das Gesagte vielleicht nur einen Teil der Vorstellung wieder, die tatsächlich im Kopf herrscht. Ein Problem vieler männlicher Azubis an der Berufsschule, in der ich unterrichte.
Die Flasche ist voll leer. Rein sachlich gesehen hat der Ausdruck auch was für sich. Es geht ja um einen Hohlkörper. Der hat innen und außen eine Oberfläche. Und die innen ist vollumfänglich unbedeckt, frei von einem weiteren Stoff. Will sagen ohne flüssigen Inhalt, geleert. Wäre da etwas entgegen den Tatsachen drin – dann müsste das sich dank der Schwerkraft irgendwo innen an der Oberfläche etwas niederschlagen. Ist nicht der Fall, also ist die Flasche voll leer. Schlechter Stil heißt nicht gleich, dass man blöd ist. Die vollumfängliche Flasche ist die Messgröße, um die es geht. Leer, das ist der Wert der Füllskala, hier gleich null.
Das Kreuz Jesu ist die Messgröße. Und es ist voll leer. Das heißt: Wegen der Grablege befindet sich Jesus woanders. Am Kreuz ist er nur noch auf Kruzifixen. Steht wenigstens das Kreuz im Original noch? Oder seine Holzsplitter, die heilige Andenken geworden sind? Wer weiß, wo die herstammen. Was soll überhaupt das Ganze? Man kann die Sache so sehen. Allerdings gilt es dann zu beachten: In dieser Denke stellt die Leere, das Nichts, die Messgröße dar, um die es geht. Und die Fülle den Skalenwert dazu. Leerer und nichtiger geht es wohl kaum! Sehen wir die Sache also andersrum an.
Sterben musste Jesus so oder so. Das muss jeder Mensch. Und Jesus ist voll und ganz Mensch gewesen, ohne jede Einschränkung. Dass er sterben musste, das ist nur natürlich. Weniger natürlich ist die Art, wie er sterben musste: am Kreuz. Gerichtet von seinen Mitmenschen als ob er ein gottloser Verbrecher wäre.
Das Kreuz Jesu ist die Messgröße, und es ist voll leer. Darin verbirgt sich eine weitere Bedeutung, schwer und leicht zugänglich zugleich. Darin steckt etwas, das weniger verständlich ist, geradezu unglaublich. Etwas, das wie ein Geheimnis bleibt - obwohl das Kreuz öffentlich begangen, gefeiert und besprochen wird. Etwas, dessen Anspruch man zwar wörtlich verstehen kann, dem aber viele innerlich widersprechen.
Das Kreuz hat eine alte Bedeutung eingebüßt. Wer am Kreuz hing, der galt den Menschen als absolute Null, auch vor Gott. Und diese Null ist mit Jesu Kreuz annulliert worden. Gott hat es initialisiert. Damit ist das Kreuz zu der einen Wahrheit über Gott und den Menschen geworden! Hat andere Ideen zu Gott und Mensch als leer und nichtig erwiesen. Diese eine Wahrheit lautet: Das Kreuz steht für die sich still räumende Leere zwischen Gott und Jesus. Und es steht für die sich still räumende Leere zwischen Gott und Menschen ohne Gott.
Was für ein Wechsel und Wandel. Der sich zumindest dem Sinn nach leichter versteht, wenn klar wird: Statt einer von vielen gottlosen Verbrechern - Jesus ist der eine Mensch direkt aus und mit Gott. Der Gekreuzigte ist der lebendige Sohn Gottes. Er ist das eine Wort, das Gott in die leere Finsternis des Todes gesprochen hat.
Die Verse 15 bis 20 zeigen den Glauben der Kolosser an diese Wahrheit. Eine Hymne auf Jesus. Das Kolosserlied. Die Gemeinde besingt den Gekreuzigten. Sie spielt sozusagen ein Lied vom Tod. Und das heißt bezogen auf Jesus genauer: Sie spielt das Lied vom Tod Jesu und dessen Leben aus Gott. Jesus ist dieser eine und erste Mensch, der voll und ganz aus und mit Gott ist. Ein ermordeter Mensch als ewiger Gottessohn. Das haben sich Gläubige seit den Anfängen der Kirche immer wieder gesagt. Und ein Kolosserlied singt man nur, wenn man von Herzen einstimmt. Wie kleinlaut auch immer. Hymnus für einen Helden. Besonders geliebt sind Helden, bei denen im Moment ihrer großen Taten zu spüren ist, wie zerbrechlich sie sind. Dass ihr Scheitern und Missgeschick ihrem Ruhmtaten stets beiliegt.
Der Mensch Jesus am Kreuz, nur eines von vielen Justizopfern in Ohnmacht. So anders als die Kolosser kann man das auffassen. Und den Kopf schütteln, wenn Gläubige dazu sagen: Dank Gott der eine und erste Denker und Macher in aller Welt. Im Geheimen potenter und mächtiger als all die bekannten und geheimen Gedanken, Worte und Taten der Reichen, Starken und Klugen. Ja, da kriegst Du doch die Tür nicht zu, Gerede, übergeschnappt. Eine zum Verstummen gestillte Stimme, die Hörer taub und sprachlos zurücklässt. Und die Schwindsucht der Volkskirche mag diesen Zweifel bestätigen. Der umso mehr befeuert wird, wenn es dann heißt: Dank Gott verschafft sich dieses einsame Stimmchen seine Hörer, gibt ihnen neu Sinn und Bedeutung in Kopf und Körper. Was sich wiederum in deren Sprache und Gesang zeigen kann. Obwohl damit kaum eine Gemeinde DSDS gewinnen wird. Da bleibt einem doch Spucke und Sprache weg. Die Texte von und über Jesus, zerfleddert und geschreddert auf dem Müllhaufen der Geschichte verteilt. Von der Kirche hinterrücks der Welt aufgedrückt. Das Denken und Fühlen der Menschen vernebelnd. Guckt doch nur die Geschichte an, was die Leute der Kirche da alles getrieben haben. Und die Wissenschaft, die erweist doch, dass das leerer Mumpitz ist. Da kann die Kirche noch so oft sagen: Dank Gott sind die Texte der Schrift die eine Kraft, nach der sich alle Welt steuert und regelt. Egal welcher Widerstand auftaucht und ihr entgegen am Werk steht. Was übrigens auch dann gelten soll, wenn die Arbeit gegen Gott aus der Kirche selbst stammt und kommt. So viel Lärm um so viel Leerlauf! So kritisch kann man das sehen, man kann das alles bezweifeln, als vollmundig und umso mehr voll leer. Es ist doch so, wie wenn man die Wohnung eines Toten räumt: Dann verfällt dessen irdisches Hab und Gut, vom Erbe mal abgesehen. Und es zieht einfach jemand Neues als Nachfolger ein. Was soll da bei Jesus anders sein? Genauso verhält es sich!
Das Kreuz Jesu ist voll leer. In diesem Wort verbirgt sich eine weitere Bedeutung, ebenso schwer und leicht zugänglich zugleich. Im Kreuz räumt sich still die Leere zwischen Gott und Menschen ohne Gott. Auch hierin steckt etwas, das wenig verständlich ist, geradezu unglaublich. Etwas, das wie ein Geheimnis bleibt - obwohl Vergebung öffentlich und privat begangen und versprochen wird. Etwas, dessen Anspruch man zwar wörtlich verstehen kann, aber mit dem die Gefühle vieler im Streit liegen.
Im Kreuz räumt sich still die Leere zwischen Gott und Menschen ohne Gott. Es ist Zeichen der Erlösung und Vergebung statt Henkerszeug, das Schande und Verderben bringt. Annulliert es doch den Nullkontakt zwischen Gott und Mensch ohne Gott. Und so ist es zur der einen vollen und ganzen Wahrheit für alles Geschaffene geworden, und damit auch für die Menschen. Denn Gott kommt mit seinem Leben zu allem, was ohne Gott ist, bis in dessen Tod. Und anstatt all den menschlichen Null zu drohen und sie zu maßregeln vergibt Gott. Überwindet von sich aus die Leere.
Menschen ohne Gott. Wer ist das, was heißt das? Das weiß allein Gott am besten. Überwindet er doch von sich aus den Nullkontakt, den Menschen von sich aus immer wieder aufziehen. Sind es die, welche die Ordnungen und Regeln verletzen? Oder sich über die Gefühle anderer hinwegsetzen. Die, die von unguten Gefühlen beherrscht sind? Kann man auch unbewusst gottlos sein, oder geht das nur bewusst? Kann man absichtlich ohne Gott sein, oder auch irrtümlich? Allein Gott weiß das. Manch ein Mensch erkennt im Nachhinein, dass er es gewesen ist.
Mensch ohne Gott zu sein, das heißt im Grund verzweifelt zu sein. Sogar ohne es zu merken, kann sich das Gefühl in einem jedem still breit machen. Weder aus noch ein wissen. Nur noch leer zu sehen: Alles geht böse aus. Und durch das eigene Versagen ist das genauso verdient. Nur noch fühlen, dass man für sein Versagen ausschließlich blinde Vergeltung findet. Eine Einbahnstraße, Entgegenkommen ausgeschlossen, kein Ausweg nirgends. Selbst wenn einem im Leben viel Böses vergeben und viel Gutes entgegengebracht worden ist. Nur noch Missgeschick zu kriegen, diese Leere schmiert sich über das ganze Leben statt schnell zu versanden. So ölig, dass man übersieht, wenn denn tatsächlich Chancen auftauchen, dass die Wirklichkeit ganz anders ist. So wie einer, der, wenn er Süßes sieht, das Teilchen unbedingt essen muss. Und dem dabei entgeht, dass er im Grunde voll und ganz satt ist. So wie einem, der aus lauter Missgefühl einem Mitmenschen am liebsten aus dem Weg geht: Dem es chronisch entgeht, wenn man sich denn mal trifft, dass der andere gerade neutral gestimmt ist, oder ihn sogar loben will, oder anderes gutes Neues bringt.
Der eine und erste Mensch sein. Da sind einige auch vorne dabei, obgleich es um Leiden und Missgeschick geht. Erstaunlich, oder? Hier, hier, sagen diese dann laut oder leise. Und heben mindestens innerlich Arm samt Finger. Obwohl es nur Leere und Missgeschick zu verteilen gibt. Ich allein, als ob nur mir das Recht zustünde, mit derlei Unglück bedacht zu werden. Entweder mit Angeboten, die einem entzogen sind, oder solchen, die einem zuwider sind. Seien es Angebote im Beruf oder Privatleben, oder aus Politik oder Wirtschaft. Viele sind auch dann ganz vorne dabei. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Solche Menschen vergessen, dass sie für Gott erhaben bleiben, selbst wenn sie nur zu den hinteren Plätzen gehören. Dass Gelingen oder Glück weiter in der Luft liegen. Dass ein Ende des Endes und der Leere kommt.
Solche Menschen entfliehen manchmal ihrer Leere und Verzweifeln. Gern in eine Fülle, die allerdings eine Scheinfülle ist: in das Gefühl, die volle Kontrolle zu kriegen. So versuchen sie, mit aller Macht zu vertuschen, wie verzweifelt leer sie sind. Brechen dann lieber alles entzwei, was einen scheitern lassen könnte. Bringen Menschen, die einem widerstehen zum Verzweifeln. Zweifeln Gesetze an, die einem im Weg stehen. Bezweifeln Versprechen, wenn sie meinem Interesse zu wider laufen. Zweifeln an der Wahrheit. Wollen am liebsten den blöden Zufall zwingen. Ihn einengen und beenden, um uns wieder frei zu fühlen. Kampf und Konflikt ohne Ende und Grenze.
Leere und vollmundige Kämpfe und Krämpfe, die enden müssen und werden. Der Mensch kämpft mit schierer Kraft gegen jedes Ende, das er ablehnt. Ja, auch dagegen, dass ein böses Ende wie leere Verzweiflung für ihn endet. Oft so stark, dass es schon eine falsche Grammatik braucht, um diesen Fehler richtig passend zu beschreiben: Ich bin der Einzigste, dem das so geht, nur ich allein. Sollen Lehrer oder Redakteure ruhig schimpfen oder spotten. Wenn einer so einsam verzweifelt im leeren Raum steht, welcher Satz soll diesen Denkfehler bitte besser und kürzer beschreiben?
Allein mir widerfährt laufend Unrecht und Missgeschick! Diese Denke ist das Ende jeden Anfangs. Denn niemand ist so einsam und allein, dass er der Einzigste ist. Gott kommt mit seiner Fülle und seiner Lebenskraft immer hinzu, auch zu jedem Tod und Sterben, auch zum Sterben und Enden eines Missgeschicks. Dank Jesu Kreuz kann sich jeder eingestehen, dass es sich in ihm genauso verhält: Verzweifelt an Lebensleere. Dem Kreuz sei Dank kann jeder auf ein Ende seiner Leere und Verzweiflung in Frieden hoffen. Ist doch jeder mit Jesus im Glauben der Erste und Einzigste, dem so was widerfährt. Jesu Ende bedeutet das Ende von Leere und Verzweiflung in eines jeden Leben. Alles wird in Hoffnung, Frieden und stiller Freude für einen ausgehen. Ende gut, alles gut. Und wenn das Ende nicht gut ist, dann findet sich dessen Ende und ein neuer Anfang. Lebensleere, in Jesu Kreuz still und voll geräumt für uns. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt ist nur für dieses Portal verfasst, also zum Lesen. Meine Schüler:innen, Azubis in IT- oder Energieberufen, sind mir wahrscheinlich mehr oder weniger verdeckt präsent beim Denken, Formulieren und Tippen.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Dass grammatische oder stilistische Fehler eine ihnen eigene (begrenzte) Wahrheit ausdrücken können.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass der Kolosserhymnus einen aus dem Weg geräumten als die Fülle Gottes bejubelt, der Lebensleere räumt.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Einer der dankenswerten Hinweise des Coachs hat mir gezeigt, dass ich inhaltlich teils eher Gewölle als Faden produzierte habe. Manche Textteile versuchte ich dann stärker am Widerspiel der Leitdifferenz Fülle/Leere auszurichten, Textelemente, die eine andere Bildebene bespielten, habe ich gestrichen.