Predigt über Römer 3,21-28 von Ralf Peter Reimann
3,21
Andacht zum Reformationstag 2012 über Römer 3,21-28
Ich sitze abends noch am PC, meine Tochter sieht, dass ich auf Facebook bin und sagt:
„Papa, ich bin besser als du.“
„Warum?“
„Ich habe mehr Freunde – und außerdem sind deine Freunde keine echten Freunde, sondern nur von der Arbeit.“
Bemisst sich der Wert eines Menschen an dem, was er hat? An der Anzahl der „Freunde”– besser: der Kontakte auf Facebook? Statt Facebook-Freunden kann man auch anderes einfügen, was einen Menschen wertvoll oder eben nicht-wertvoll macht. Macht das Haus, die Arbeit, das Geld, das man verdient, oder die Freunde aus der “Kohlenstoffwelt” einen wertvoll?
Was bedeuten Facebook-Freunde?
Eine zweite Szene: Meine Tochter lud ein neues Profilbild auf SchülerVZ hoch. Dies ist bereits etwas her, die VZ-Netzwerke waren noch angesagt und meine Tochter ließ mich noch über die Schulter sehen, wenn sie in sozialen Netzwerken aktiv war. Nach dem Hochladen des Bildes postete sie die Aufforderung „Kommies bittää“. Binnen Minuten tauchten Rückmeldungen auf ihrem Bildschirm auf. Zum Glück nur positive. Entwicklungspsychologisch weiß ich, dass Teenager die Bestättigung durch ihre Peergroup brauchen, aber das Internet zeigt dies in einer Deutlichkeit, die auch brutal sein kann. Was wäre, hätte sie kein positives Feedback bekommen? Oder gar keine Rückmeldungen? Würde sie sich dann als „Opfer“ fühlen? Wäre sie dann – zumindest in ihren eigenen Augen – nichts wert?
Jugendliche haben in sozialen Netzwerken einen Startvorteil gegenüber Erwachsenen, wenn Erwachsene beginnen, sich in Online-Netzwerke einzufinden, braucht es deutlich mehr Zeit als bei Jugendlichen, Kontakte zu knüpfen. Ich erhielt eine Freundschaftsanfrage von einem Kollegen, der gerade Facebook beigetreten war. Nachdem ich diese bestätigt hatte, bekam ich von Facebook diese Einblendung auf meinen Bildschirm:
“N.N. hat nur 3 Freude – hilf ihm, Freunde zu finden.”
Der ist ein „Opfer“ (um den Jugendjargon zu gebrauchen ) schoss es mir durch den Kopf, als ich die Anzahl seiner Freunde mit der der meinen auf Facebook verglich – und einen Augenblick später erschrak ich über mich selbst, dass ich so dachte, einen Menschen aufgrund seiner Vernetzung bei Facebook zu beurteilen.
Worauf bin ich stolz, worauf darf ich stolz sein? Wer oder was gibt mir Wert? Wer gibt mir Identität? Oder um es in der Sprache von Martin Luthers Bibelübersetzung zu sagen, wessen kann ich mich rühmen?
Röm 3,21-28 – Die Rechtfertigung allein durch Glauben
21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.
22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:
23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher
26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.
27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.
28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Rechtfertigung als Geschenk
Die „Gerechtigkeit“ wird mir zugesprochen. Ich kann vor Gott so bestehen, wie ich bin, ohne dass ich mir dies eigens verdienen müsste. Wie? Paulus erklärt: „Ohne Verdienst aus Gottes Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist“, kann jeder vor Gott bestehen.
Ob jemand drei Freunde oder dreihundert Freunde oder sogar dreitausend Freunde hat, die Anzahl der Freunde sichert nicht den Wert eines Menschen hinreichend ab. Für alle gilt „es ist hier kein Unterschied, sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“
Für Facebook-Freunde – die Währung für das Selbstbewusstsein vieler Jugendlicher – können wir natürlich anderes einsetzen: Anerkennung im Beruf, die im Ehrenamt für die Gemeinde geleisteten Stunden, soziales Prestige oder was auch immer uns Wert geben soll, es bleibt dabei. „Wir ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.
Gleichzeitig gilt aber ebenso: ob drei, dreihundert, dreitausend oder noch mehr Freunde, jeder kann vor Gott bestehen, ist bei ihm wertvoll, wird von ihm geliebt, aber eben nicht wegen der eigenen Wichtigkeit, der Anzahl der Freunde, sondern als Geschenk, „allein Jesus Christus“ bewirkt dies „allein aus Gnaden“, „allein aus Glauben“ – so sagen wir es in der theologischen Sprache, die wir seit der Reformation in unserer protestantischen Kirche nutzen.
Nicht wir erreichen etwas, etwas wird uns geschenkt. Gerechtigkeit erarbeiten wir uns nicht durch gute Taten, sondern sie wird uns zugesprochen.
Ablasshandel heute
Wir alle kennen die Geschichte vom Ablasshandel. Wir lächeln heute ein wenig darüber, wie Menschen damals versuchten, sich durch gute Taten ihre Seligkeit zu erarbeiten. Natürlich müsste man jetzt fairerweise die korrekte dogmatische Definition des Ablasses erwähnen, aber es geht ja nicht um Theologie pur, sondern wie Menschen den Ablass verstanden haben, um die Haltung, die dahinter steht. Durch Kauf von Ablassbriefen oder durch gute Taten bemühe ich mich, mein Standing vor Gott zu verbessern. Ich tue etwas, um besser anzukommen, mehr Wert zu haben, die Seligkeit zu erreichen.
Ich mag über Ablasshandel lächeln, aber die Struktur, die dahinter steht, kenne ich persönlich nur viel zu gut. Auch wenn ich mir keine Ablassbriefe heute mehr kaufe, die mir helfen, vor Gott zu bestehen, so versuche ich mir durch einen hohen Aktivitätsgrad eine Reputation in sozialen Netzen aufzubauen. Je mehr Kontakte ich habe, desto wichtiger bin ich, desto mehr bin ich wert.
Beispiel Klout
Kennen Sie „Klout“? Es ist ein Online-Dienst, der den Einfluss, die Wichtigkeit, die Durchsetzungskraft einer Person misst. Die Klout bemisst sich von Null bis 100, eine Klout von Null hat jemand, der noch keine Online-Biografie hat, weder Twitter-Follower hat, noch ein Blog, noch Freunde auf Facebook, die ihn erwähnen. Auf eine Klout von nahe 100 kommen Personen wie Barack Obama, dessen Twitter-Accout Millionen von Followers hat. Wenn Obama twittert, beeinflusst dies Millionen.
Was ist meine Klout? Was ist Ihre Klout? Marketingunternehmen bemühen sich, bei der Einführung neuer Produkte, die Meinungsführer zu erreichen. Gratisprodukte gibt es beispielsweise für Personen ab einer Klout von 50 – bei denen weiß man, sie sind wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrem Umfeld.
Wer eine 50er Klout hat, ist dabei, ist einer der Online-VIPS, darunter bist du zumindest online nicht viel für die Werbebranche wert.
Hat man einmal einen Kloutwert erreicht, muss man sich bemühen, diesen zu halten. Wer in den Urlaub geht, das Smartphone abschaltet, nicht mehr twittert oder bloggt oder facebookt, dessen Klout geht sofort wieder nach unten. Dann muss ich mich (nach der Rückkehr aus dem Urlaub) bemühen, mehr bloggen, griffige Tweets absetzen, die von Twitterern mit vielen Followers retweetet werden, oder auf Facebook so schreiben, dass dies geteilt wird. Nur so kann ich meine Klout wieder aufbauen sie wieder nach oben pushen.
Gleichzeitig kann ich auch sehen, wie die Klout meiner Freunde ist, dann vergleiche ich mich, ob ich besser bin als sie.
Durch Leistung sich Reputation erarbeiten
Repudation ist in der Welt sozialer Netzwerke ein hohes Gut, man muss sich anstrengen, um sie zu steigern. Eine hohe Klout zu halten, ist Leistungsdruck pur.
Mit welcher Klout bin ich gut genug? Reicht 50? Oder mehr? Ab wann bin ich wertvoll? Ab wann kann ich mit meinem Leben bestehen?
Martin Luther hat die Theologie des Paulus als Rechtfertigungslehre ausgedrückt, wie wird der Mensch gerecht vor Gott? Wir würden wahrscheinlich andere Worte wählen, um dasselbe auszudrücken. Statt „Werkgerechtigkeit“ vielleicht „Leistung“ sagen – es geht aber um dasselbe: Wie können wir vor Gott bestehen? Kann ich durch viele gute Taten vor Gott bestehen? Nein. Durch eine hohe Klout? Nein. Selbst eine Klout von 100 hilft mir nicht zur Seligkeit bei Gott.
Andersherum aber gilt: Selbst mit einer Klout von Null bin ich von Gott trotzdem als wert geachtet, sein geliebtes Kind. Aber nicht wegen oder trotz meiner Klout, sondern dessentwegen, was Jesus Christus für mich getan hat.
Gott verleiht uns seine Gerechtigkeit
Klout ist natürlich nur ein Beispiel. Jeder und jede von uns kann für sich selbst überlegen, was für ihn oder sie das ist, was uns Selbstwertgefühl gibt, worauf wir unser Leben gründen. Was das ist, was uns stolz sein lässt auf das, was wir erreicht haben? Gründen wir unser Leben auf das, was wir selbst geleistet haben? Oder lassen wir uns einfach zusprechen, dass wir von Gott geliebt sind, egal wieviel oder wie wenig wir selbst dazu getan haben. Paulus drückt dies – wir hörten es bereits – so aus:
22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:
23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
Vielleicht melde ich mich auch einfach wieder bei Klout ab, denn nicht auf meine Klout kommt es an, sondern darauf, was Gott für mich getan hat. Und er nimmt mich an, so wie ich bin.
Amen.
Ralf Peter Reimann
mail@ralpe.eu
Luxemburger Allee 113a * D-45481 Mülheim an der Ruhr
+49-208-5942036
Ich sitze abends noch am PC, meine Tochter sieht, dass ich auf Facebook bin und sagt:
„Papa, ich bin besser als du.“
„Warum?“
„Ich habe mehr Freunde – und außerdem sind deine Freunde keine echten Freunde, sondern nur von der Arbeit.“
Bemisst sich der Wert eines Menschen an dem, was er hat? An der Anzahl der „Freunde”– besser: der Kontakte auf Facebook? Statt Facebook-Freunden kann man auch anderes einfügen, was einen Menschen wertvoll oder eben nicht-wertvoll macht. Macht das Haus, die Arbeit, das Geld, das man verdient, oder die Freunde aus der “Kohlenstoffwelt” einen wertvoll?
Was bedeuten Facebook-Freunde?
Eine zweite Szene: Meine Tochter lud ein neues Profilbild auf SchülerVZ hoch. Dies ist bereits etwas her, die VZ-Netzwerke waren noch angesagt und meine Tochter ließ mich noch über die Schulter sehen, wenn sie in sozialen Netzwerken aktiv war. Nach dem Hochladen des Bildes postete sie die Aufforderung „Kommies bittää“. Binnen Minuten tauchten Rückmeldungen auf ihrem Bildschirm auf. Zum Glück nur positive. Entwicklungspsychologisch weiß ich, dass Teenager die Bestättigung durch ihre Peergroup brauchen, aber das Internet zeigt dies in einer Deutlichkeit, die auch brutal sein kann. Was wäre, hätte sie kein positives Feedback bekommen? Oder gar keine Rückmeldungen? Würde sie sich dann als „Opfer“ fühlen? Wäre sie dann – zumindest in ihren eigenen Augen – nichts wert?
Jugendliche haben in sozialen Netzwerken einen Startvorteil gegenüber Erwachsenen, wenn Erwachsene beginnen, sich in Online-Netzwerke einzufinden, braucht es deutlich mehr Zeit als bei Jugendlichen, Kontakte zu knüpfen. Ich erhielt eine Freundschaftsanfrage von einem Kollegen, der gerade Facebook beigetreten war. Nachdem ich diese bestätigt hatte, bekam ich von Facebook diese Einblendung auf meinen Bildschirm:
“N.N. hat nur 3 Freude – hilf ihm, Freunde zu finden.”
Der ist ein „Opfer“ (um den Jugendjargon zu gebrauchen ) schoss es mir durch den Kopf, als ich die Anzahl seiner Freunde mit der der meinen auf Facebook verglich – und einen Augenblick später erschrak ich über mich selbst, dass ich so dachte, einen Menschen aufgrund seiner Vernetzung bei Facebook zu beurteilen.
Worauf bin ich stolz, worauf darf ich stolz sein? Wer oder was gibt mir Wert? Wer gibt mir Identität? Oder um es in der Sprache von Martin Luthers Bibelübersetzung zu sagen, wessen kann ich mich rühmen?
Röm 3,21-28 – Die Rechtfertigung allein durch Glauben
21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten.
22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:
23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher
26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.
27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens.
28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Rechtfertigung als Geschenk
Die „Gerechtigkeit“ wird mir zugesprochen. Ich kann vor Gott so bestehen, wie ich bin, ohne dass ich mir dies eigens verdienen müsste. Wie? Paulus erklärt: „Ohne Verdienst aus Gottes Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist“, kann jeder vor Gott bestehen.
Ob jemand drei Freunde oder dreihundert Freunde oder sogar dreitausend Freunde hat, die Anzahl der Freunde sichert nicht den Wert eines Menschen hinreichend ab. Für alle gilt „es ist hier kein Unterschied, sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.“
Für Facebook-Freunde – die Währung für das Selbstbewusstsein vieler Jugendlicher – können wir natürlich anderes einsetzen: Anerkennung im Beruf, die im Ehrenamt für die Gemeinde geleisteten Stunden, soziales Prestige oder was auch immer uns Wert geben soll, es bleibt dabei. „Wir ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.
Gleichzeitig gilt aber ebenso: ob drei, dreihundert, dreitausend oder noch mehr Freunde, jeder kann vor Gott bestehen, ist bei ihm wertvoll, wird von ihm geliebt, aber eben nicht wegen der eigenen Wichtigkeit, der Anzahl der Freunde, sondern als Geschenk, „allein Jesus Christus“ bewirkt dies „allein aus Gnaden“, „allein aus Glauben“ – so sagen wir es in der theologischen Sprache, die wir seit der Reformation in unserer protestantischen Kirche nutzen.
Nicht wir erreichen etwas, etwas wird uns geschenkt. Gerechtigkeit erarbeiten wir uns nicht durch gute Taten, sondern sie wird uns zugesprochen.
Ablasshandel heute
Wir alle kennen die Geschichte vom Ablasshandel. Wir lächeln heute ein wenig darüber, wie Menschen damals versuchten, sich durch gute Taten ihre Seligkeit zu erarbeiten. Natürlich müsste man jetzt fairerweise die korrekte dogmatische Definition des Ablasses erwähnen, aber es geht ja nicht um Theologie pur, sondern wie Menschen den Ablass verstanden haben, um die Haltung, die dahinter steht. Durch Kauf von Ablassbriefen oder durch gute Taten bemühe ich mich, mein Standing vor Gott zu verbessern. Ich tue etwas, um besser anzukommen, mehr Wert zu haben, die Seligkeit zu erreichen.
Ich mag über Ablasshandel lächeln, aber die Struktur, die dahinter steht, kenne ich persönlich nur viel zu gut. Auch wenn ich mir keine Ablassbriefe heute mehr kaufe, die mir helfen, vor Gott zu bestehen, so versuche ich mir durch einen hohen Aktivitätsgrad eine Reputation in sozialen Netzen aufzubauen. Je mehr Kontakte ich habe, desto wichtiger bin ich, desto mehr bin ich wert.
Beispiel Klout
Kennen Sie „Klout“? Es ist ein Online-Dienst, der den Einfluss, die Wichtigkeit, die Durchsetzungskraft einer Person misst. Die Klout bemisst sich von Null bis 100, eine Klout von Null hat jemand, der noch keine Online-Biografie hat, weder Twitter-Follower hat, noch ein Blog, noch Freunde auf Facebook, die ihn erwähnen. Auf eine Klout von nahe 100 kommen Personen wie Barack Obama, dessen Twitter-Accout Millionen von Followers hat. Wenn Obama twittert, beeinflusst dies Millionen.
Was ist meine Klout? Was ist Ihre Klout? Marketingunternehmen bemühen sich, bei der Einführung neuer Produkte, die Meinungsführer zu erreichen. Gratisprodukte gibt es beispielsweise für Personen ab einer Klout von 50 – bei denen weiß man, sie sind wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in ihrem Umfeld.
Wer eine 50er Klout hat, ist dabei, ist einer der Online-VIPS, darunter bist du zumindest online nicht viel für die Werbebranche wert.
Hat man einmal einen Kloutwert erreicht, muss man sich bemühen, diesen zu halten. Wer in den Urlaub geht, das Smartphone abschaltet, nicht mehr twittert oder bloggt oder facebookt, dessen Klout geht sofort wieder nach unten. Dann muss ich mich (nach der Rückkehr aus dem Urlaub) bemühen, mehr bloggen, griffige Tweets absetzen, die von Twitterern mit vielen Followers retweetet werden, oder auf Facebook so schreiben, dass dies geteilt wird. Nur so kann ich meine Klout wieder aufbauen sie wieder nach oben pushen.
Gleichzeitig kann ich auch sehen, wie die Klout meiner Freunde ist, dann vergleiche ich mich, ob ich besser bin als sie.
Durch Leistung sich Reputation erarbeiten
Repudation ist in der Welt sozialer Netzwerke ein hohes Gut, man muss sich anstrengen, um sie zu steigern. Eine hohe Klout zu halten, ist Leistungsdruck pur.
Mit welcher Klout bin ich gut genug? Reicht 50? Oder mehr? Ab wann bin ich wertvoll? Ab wann kann ich mit meinem Leben bestehen?
Martin Luther hat die Theologie des Paulus als Rechtfertigungslehre ausgedrückt, wie wird der Mensch gerecht vor Gott? Wir würden wahrscheinlich andere Worte wählen, um dasselbe auszudrücken. Statt „Werkgerechtigkeit“ vielleicht „Leistung“ sagen – es geht aber um dasselbe: Wie können wir vor Gott bestehen? Kann ich durch viele gute Taten vor Gott bestehen? Nein. Durch eine hohe Klout? Nein. Selbst eine Klout von 100 hilft mir nicht zur Seligkeit bei Gott.
Andersherum aber gilt: Selbst mit einer Klout von Null bin ich von Gott trotzdem als wert geachtet, sein geliebtes Kind. Aber nicht wegen oder trotz meiner Klout, sondern dessentwegen, was Jesus Christus für mich getan hat.
Gott verleiht uns seine Gerechtigkeit
Klout ist natürlich nur ein Beispiel. Jeder und jede von uns kann für sich selbst überlegen, was für ihn oder sie das ist, was uns Selbstwertgefühl gibt, worauf wir unser Leben gründen. Was das ist, was uns stolz sein lässt auf das, was wir erreicht haben? Gründen wir unser Leben auf das, was wir selbst geleistet haben? Oder lassen wir uns einfach zusprechen, dass wir von Gott geliebt sind, egal wieviel oder wie wenig wir selbst dazu getan haben. Paulus drückt dies – wir hörten es bereits – so aus:
22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied:
23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
Vielleicht melde ich mich auch einfach wieder bei Klout ab, denn nicht auf meine Klout kommt es an, sondern darauf, was Gott für mich getan hat. Und er nimmt mich an, so wie ich bin.
Amen.
Ralf Peter Reimann
mail@ralpe.eu
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