Predigt zu 1. Korinther 10, 16-17 von Hanna Hartmann
10,16
Liebe Gemeinde!
  Sehr gut erinnere ich mich an eins der Geschenke, das uns zu unserem Einzug damals vor inzwischen über 6 Jahren jemand vorbeigebrachte. Außen herum eine Folie, drunter ein farbiges Geschirrtuch, in das etwas eingeschlagen war. Als ich die Folie öffnete, stieg mir ein wunderbarer Duft in die Nase. Unter dem Tuch verbarg sich nämlich ein großer, frischer Laib Brot. Daneben lag ein Säcklein mit Salz. Ich hatte zwar schon einmal von diesem Brauch gehört, Menschen auf diese Weise willkommen zu heißen, aber erlebt hatte ich es bis dahin noch nie. Was lag da näher, als sich gleich eine Weile an den Tisch zu setzen, das Messer zur Hand zu nehmen und gemeinsam eine Scheibe zu essen?! Brot und ein bisschen Salz. Wie einfach es doch sein kann, sich die Freude am Miteinander spüren zu lassen, so dass sie einem sogar auf der Zunge zergeht!
  
  Es gibt wohl kaum eine Gemeinde, in der heute, am Gründonnerstagabend, nicht Abendmahl gefeiert wird. Auch bei uns liegt das Brot auf dem Altar. Und der Kelch ist gefüllt und steht bereit. Nachher werden wir beides im großen Rund der Kirche teilen. Wir, die wir uns nur zum Teil kennen; manche gut, andere kaum oder gar nicht. Hinter jedem von uns liegt ein anderer Tag: bei den einen ein stressiger Arbeitstag , bei den andern ein wunderbar fauler Ferientag; vielleicht herrschte bei manchem Ärger und Streit; für andere von Ihnen war es vielleicht ein Glückstag. Und außer den Erlebnissen des Tages bringen wir uns selbst mit mit unserer je eigenen Geschichte, mit unseren ganz persönlichen Erfahrungen und Bedürfnissen.
  Doch wir viele, die wir heute das eine Brot und den einen Kelch miteinander teilen, werden gerade dadurch auf geheimnisvolle Weise zu einem neuen Ganzen.
  
  Hören wir dazu das Wort des Apostels Paulus aus 1. Kor 10,16-17
  Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft am Blut Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft am Leib Christi? Denn "ein" Brot ist's: So sind wir viele "ein" Leib, weil wir alle an "einem" Brot teilhaben.
  
  Liebe Schwestern und Brüder! Es ist Christus allein, nach dessen Namen wir als Christen genannt sind. Sein Geist gibt uns die innere Gewissheit, zu ihm zu gehören und Kinder Gottes zu sein. Das ist ein innerer, geistig-geistlicher Prozess und eine ganz persönliche Erfahrung.
  Doch diesem Inneren steht ein Äußeres gegenüber. Etwas Sichtbares und Spürbares, dessen ich mich nicht im Inneren zu vergewissern brauche, sondern das mir an die Hand gegeben, ja in die Hand gelegt wird: Das Brot und der Kelch des Abendmahls. Hier lässt Christus uns das Geschenk seiner Liebe und der Zusammengehörigkeit nicht nur hören, sondern sehen, anfassen und sogar schmecken.
  Ohne Vorbedingung schenkt er sich und lädt ein: Kommt! Nehmt und esst! Nehmt und trinkt! Ich bin da: für dich, für euch, für jeden, der hungert und dürstet. Wie wohltuend das ist, hat Rilke einmal in die schönen Worte gefasst:
  „Rast! Gast sein einmal.
  Nicht immer selbst
  seine Wünsche bewirten mit kärglicher Kost.
  Nicht immer feindlich nach allem fassen,
  einmal sich alles geschehen lassen
  und wissen: Was geschieht, ist gut.“
  Auf geheimnisvolle Weise nimmt uns das Abendmahl hinein in die Gemeinschaft mit Christus. Es lässt uns leiblich erfahren, dass wir zusammengehören und dass er sich damals auch für uns hingegeben hat – mit Haut und Haar und Fleisch und Blut. Sein Leben, sein Tod und seine Auferstehung – an alle dem lässt er mich teilhaben in Brot und Kelch.
  
  Teilhabe – das ist Leben. Gerade in den letzten Jahren hat dieses Wort neu an Bedeutung gewonnen. Ich denke an Franka, die gerade eine Ausbildung macht, und ihre kleinere Schwester Aya. Der Vater ist seit Jahren schwer krank, und die Mutter versucht, mit dem was sie als Haushaltshilfe verdient, die Familie über die Runden zu bringen. Steht bei der Jüngeren eine Klassenfahrt an, ist das für die Familie eine kleine Katastrophe. Aya kann in aller Regel nicht mit und bleibt daheim. Familien wie die von Franka und Aya sind heute keine Ausnahme. Und wir sollten es nicht wort- und tatenlos hinnehmen, dass diese Schere zwischen arm und reich seit Hartz IV immer weiter auseinander klafft.
  Teilhabe ist ein Geschenk. Teilhabe ist aber auch eine Aufgabe. Unser neuer Bundespräsident hat sich in seiner Antrittsrede das Bekenntnis zur Demokratie auf die Fahnen geschrieben. Und uns ins Stammbuch. Ein „Ich gehöre dazu.“ trägt auch eine Verpflichtung in sich. Die lautet: „Ich kann und soll mitgestalten.“ Was im Großen eines Staates gilt, gilt auch in der kleineren Einheit einer Gemeinde: „Ich kann und soll mitgestalten.“
  Wenn wir heute von einem Brot essen und den Kelch teilen, dann ist das Geschenk und Aufgabe zugleich: Wie Christus Euch Anteil an sich gibt, so nehmt und gebt auch Ihr Anteil aneinander. Ihr gehört zusammen.
  Der Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft mit Christus? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft an seinem Leib? Denn "ein" Brot ist's: So sind wir viele "ein" Leib, weil wir alle an "einem" Brot teilhaben.
  Kommunion – eine Bezeichnung für das Abendmahl vor allem bei unseren katholischen Geschwistern – hat von hier ihren Namen: Communio – Gemeinschaft mit Christus und untereinander. Gefeiert im kleinen oder größeren Kreis, ganz einfach und unspektakulär: Wir teilen Brot und Wein. Doch diese Gemeinschaft geht und wirkt weiter – hinein in die Gemeinde, hinein in den Alltag, hinein in die Welt.
  Amen.
Perikope