Predigt zu Apostelgeschichte 6,1-7 von Paul Geiß
6,1-7

Predigt zu Apostelgeschichte 6,1-7 von Paul Geiß

1 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. 2 Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. 3 Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. 4 Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. 
5 Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. 6 Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie.
7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

Liebe Gemeinde,

Ein wohl bekannter Streit, eine wohl bekannte Auseinandersetzung bestimmt die Predigt zum heutigen Sonntag. Wir kennen das: Zwei Volksgruppen geraten aneinander, zwei verschiedene Traditionen und Kulturen stehen sich gegenüber. Ob das Bayern und Preußen sind, zwei verschiedene Dörfer, die nahe beieinander liegen oder rumänische Gastarbeiter, die zu Hungerlöhnen in der Bundesrepublik arbeiten und noch dazu angefeindet werden, - wir kennen das. 

Streit und Kontroversen begleiten von Anfang an die Geschichte der Kirche und ihrer Gemeinden. Die Streithähne Paulus und Petrus gerieten über die Frage aneinander, ob sich Heidenchristen auch beschneiden lassen müssen, erst ein Konzil fand einen Kompromiss. Die Korinther stritten sich darüber, welcher der beste Apostel sei, dabei kam Paulus eher schlecht weg. Er musste mehrfach in seinen Briefen deutlich betonen, dass die Christen eins in Christus sind und nicht von den jeweiligen Missionaren abhängig. Und hier, in der Apostelgeschichte, da ist ein Streit aufgekommen über die Versorgung der griechischen Judenchristen, die kaum des Hebräischen oder genauer des Aramäischen, der Sprache Jesu, mächtig waren, wohingegen die aramäisch sprechenden Judenchristen besser versorgt wurden. Es ging dabei besonders um Witwen, die schutzlos und ohne Familie in Jerusalem waren und sich auch sprachlich schlecht verständigen konnten.  

Anschaulich wird in dieser Geschichte, wie ein Streit in der Organisation der Kirche entflammt und - gelöst wird. Ein Riss ging durch die sonst so begeisternd auftretenden ersten Christengemeinde, die damals wohl schon mehrere tausend Mitglieder umfasste und nach der Regel lebte, die im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte beschrieben ist: Wir legen all unser Hab und Gut zusammen und teilen aus, was jeder und jede braucht.

Die Klage und das Murren erreichen die Gemeindeleitung, die Apostel. Schön, wenn man sich nicht gleich untereinander bekämpft, Gerüchte streut, die anderen diffamiert und so den Streit gleich in eine Kampfsituation hineintreibt, die nur mit Sieg oder Niederlage der einen oder der anderen Partei enden kann. Es wird den Aposteln vorgetragen und die halten das Problem für so wichtig, dass sie eine Gemeindeversammlung anberaumen.                      

So soll es sein. Die, die es betrifft, dürfen mitreden, mitentscheiden, wie das Problem gelöst werden kann. Es wird im Gegensatz zu manchen heutigen gesamtkirchlichen Entscheidungen nichts über die Köpfe der betroffenen hinweg entschieden!

Das sollte eigentlich auch heute nicht anders sein. Wenn ein Pfarrer, eine Pfarrerin für eine Gemeinde gewählt werden soll, wird eine Gemeindeversammlung einberufen, die die Kandidaten befragt. Wenn ein Pfarrhaus oder eine Kirche aufgegeben werden müssen, weil die Kosten, um die Gebäude zu unterhalten, ins Unermessliche steigen, wird eine Gemeindeversammlung einberufen, die mit berät und gute Ideen hervorbringen kann, ja sogar manchmal soviel Energie aufbringt, dass das Problem einvernehmlich gelöst werden kann.

In den Kirchen gibt es heute Rechtsordnungen, klar geregelte Arbeitsverhältnisse, Mitarbeitendevertretungen, Konfliktlösungsmechanismen, Mediation, Organisationsentwicklung und Supervision auf vielen Ebenen der Organisation, um Streitfragen anzusprechen, Kompromisse auszuloten und Lösungen zu finden.

In dem Streit, den der Predigttext beschreibt, da ergreifen die höchsten Instanzen der Gemeindeleitung die Initiative. Die zwölf Apostel klären die Aufgabenbereiche: Wir wollen für die Verkündigung der frohen Botschaft von Jesus Christus zuständig sein, bei Gebet und missionarischer Tätigkeit zur Ausbreitung des Wortes Gottes, wir können nicht auch noch den Tischdienst verrichten. Also sollte man diese Aufgaben delegieren. Wir schlagen vor, dass sieben gut beleumundete, ehrenhafte Menschen sozusagen angestellt werden, um diese Aufgabe zu übernehmen.

Die Apostel sorgen sich um sich und ihre Aufgaben, sie entscheiden sich für ihre Prioritäten, sie ziehen eine Grenze zu anderen Aufgaben und sie sorgen dafür, dass Menschen gefunden werden, die diese Aufgaben übernehmen können. Das ist klassische Organisationsentwicklung, für die es heutzutage in der Kirche gut aufgestellte Einrichtungen mit ausgebildeten Fachleuten gibt, die beraten und helfen können.

Die Kirche hat auch durch diese schöne Geschichte von den Anfängen der Gemeindedifferenzierung gelernt, dass man Konflikte im Vorfeld friedlich lösen kann, so dass es nicht zu bitteren Auseinandersetzungen zwischen mehr und mehr sich verfeindenden Gruppen, Dörfern, Volksangehörigen oder gar Rassen kommen muss.

Das war ist nicht nicht immer so und die Geschichte der blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Religionen und Konfessionen, zwischen den Herrschenden und Unterlegenen, zwischen Gläubigen und angeblich Ungläubigen geht auch heute noch weiter.

Die Apostel haben mit Hilfe der gesamten Gemeinde das Problem gelöst: Sieben Diakone wurden ausgewählt, und durch Handauflegung, Gebet und Segen in ihre Aufgabe eingewiesen, sie haben als Leitung gut funktioniert und ihre Leitungsaufgabe wahrgenommen.

Gott sei Dank.

Noch eine kleine Nebenbemerkung am Rande: Die zur Wortverkündigung berufenen Germeindeleiter haben sich klar zu ihrer Aufgabe bekannt: Predigen, Unterweisen, Beten und natürlich Studieren, was Gott von der Gemeinde erhofft. Mehr nicht. Andere Aufgaben haben sie freundlich und deutlich delegiert: Das ist Gemeindeleitung, wie sie auch heute von Kirchenvorstehern, Dekanatssynoden, Kreiskirchenräten, Landessynoden und Kirchenleitungen erwartet wird. Man muss sich nur klar ausdrücken und abgrenzen können und dafür sorgen, dass nichts liegen bleibt. Alles selber machen führt zur Überlastung und zur Erschöpfung, die Gott gar nicht brauchen kann und der oder die Mitarbeitende erst recht nicht. Ein Lehrstück aus der Urgemeinde.

Und wie geht es weiter: es klingt fast wie ein gelungenes Happy End, was der letzte Vers des Predigttextes berichtet und Lukas hat es fast zu schön in seiner Apostelgeschichte dargestellt:

7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

AMEN.

 

Perikope
Datum 14.09.2014
Bibelbuch: Apostelgeschichte
Kapitel / Verse: 6,1-7
Wochenlied: 343
Wochenspruch: Mt 25,40