Predigt zu ERNTEDANK über 1. Timotheus 4, 4-5 von Axel Denecke
4,4
I
„Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut und nichts ist verwerflich, was mit Dank empfangen wird“ – so beginnt unser kurzer Predigttext für den Erntedanktag. Er beginnt wie mit einem Fanfarenstoß. „Alles – nichts!“ Das klingt recht grundsätzlich, keine Widerrede dazu geduldet. Und so ist es auch gemeint.
Und wie immer, wenn unser Glaube so allgemeine und ganz umfassende Aussagen macht, ist das zwar sehr schön, wenn man es so im Grundsätzlichen lässt. Aber gleichzeitig auch sehr gefährlich, wenns konkret wird.
1. Es ist schön. Denn natürlich, es stimmt: Die Welt, in der wir leben, dürfen wir als gute Schöpfung Gottes begreifen. „Und siehe, es war sehr gut“. So heißt es am Ende des Schöpfungsberichtes. Und das ist durchaus als Gesamturteil über die Welt, „die gute Schöpfung Gottes“, gemeint. Und wenn ich die Gesamtbotschaft Jesu richtig verstandne habe, so will er uns an dies grundsätzlich Gute der Schöpfung neu erinnern, nachdem wir es aus den Augen verloren haben. „Das ganze Leben aus Gottes Hand mit Dank entgegen nehmen“, so könnte man die Botschaft Jesu, bezogen auf den heutigen Erntedanktag, zusammenfassen. Und am Ende des Lebens dann die „Ernte des gesamten Lebens“ Gott dankbar zurückgeben. Manche Menschen können ja tatsächlich auf dies Weise „alt und lebenssatt“ sterben, dankbar wie selbstverständlich nach getaner Arbeit, nach gelungener Feier des Lebens. Und wir spüren: Darauf ruht Segen.
Und seit wir durch die Wende zum ökologischen Bewusstsein auch in christlichen Kreisen die „Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung“ neu gelernt haben (biblisch ist sie ganz alt, wie man in den Psalmen nachlesen kann), nehmen wir wieder viel bewusster als in den recht robusten 60er-Jahren des damals so genanten „Wirtschaftswunders“ die Welt als „gute Schöpfung Gottes“ wahr, für die wir wirklich von Herzen dankbar sein können. Es muss ja heute kaum noch gesagt werden: Die Welt, die Schöpfung Gottes, zu bewahren für künftige Generationen, ist aller Mühe und Sorgfalt wert. Also ja und natürlich. „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut“. Wie gut und schön, dass wir es endlich einsehen, na ja, ein zusehen lernen. Erntedank, was denn sonst? Das ganze Leben soll, nein darf ein Dank sein für den Geber und Schöpfer dieses Lebens. Gut so. Und auch schön.
2. Doch halt! Aber gleichzeitig ist es auch sehr gefährlich, wenn’s konkret wird. „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Nichts ist verwerflich, was wir mit Dank empfangen“. Na ja! Alles, wirklich alles? Also konkret z.B. manipulierte Nahrungsmittel, gen-verseuchtes Fleisch, Billigprodukte aus Afrika/Asien auf Kosten von Kinderarbeit, atombetriebene Energieerzeugnisse? Ich will gar nicht weitermachen, jeder kann hier aus seiner Umgebung und Erfahrung hier sehr konkret werden.
Nun sage bitte keiner recht schnell: Das hat ja Gott nicht so geschaffen, sondern wir Menschen, der Mensch in seinem gottwidrigem Drange. So einfach ist das Schaffen Gottes und der Menschen in der Praxis nicht zu unterscheiden. Ich erinnere mich noch ganz gut, als wir (grad auch die fortschrittsoptimistischen Theologen) in den 6oer Jahren von der sog. „friedlichen Nutzung der Kernkraft schwärmten. Und mit „Dank empfangen“ („Herr, wir danken wir, dass du uns so viel Verstand gegeben hast, mit den modernen Errungenschaften der Technik alles zu produzieren) kann man ja alles, eben auch Atomkraft und Gen-Reis. Mit dank kann man sogar „Erfolge“ kriegerische Umtriebe empfangen. Und wem das alles zu drastisch klingt, den möchte ich freundlich in Erinnerung rufen: Die Erntedankaltäre sind nicht selten voll von allen möglichen Industrieprodukten, vom Menschen geschaffen, aber dock kraft seiner ihm von Gott verliehenen Verstandesarbeit. Und nochmals also. „Alles, was Gott (durch uns Menschen) geschaffen hat? Nichts ist verwerflich, was wir mit dank empfangen?“ Oh ja! Oh weh! Es klingt so schön –grundsätzlich betrachtet- und ist doch so gefährlich – wenn’s konkret wird.
II
Hier ist natürlich die Kunst der Unterscheidung nötig. „Denn dies (alles) wird durch Gottes Wort und durch Gebet geheiligt (v.5) Das „Wort Gottes“ unterscheidet also „alles“ und „nichts“. Und dieses „Wort Gottes“ (auch wieder eine recht allgemeine Formulierung) kann im Zusammenhang unseres Textes nichts anders sein als die Person Jesu. An ihm scheiden sich die Geister, er führt ein in die Kunst der Unterscheidung.
Er tut’s so, dass er aus seiner jüdischen Tradition heraus sein ganzes Leben mit Gott in einen inneren Zusammenhang bringt. Und zwar alles in seinem Leben! Es gibt nichts, was für ihn nicht mit Gott zu tun hat. So hat er gelebt und so ist er gestorben, so konnte er- um nur an einige bekannte Daten aus seinem Leben zu erinnern- zu Beginn seiner Wirksamkeit nach der Taufe „dem Teufel“ in sich selbst widerstehen (die drei „Versuchungen in der Wüste), so konnte er mit „Abba, lieber Vater“ Gott vertrauensvoll anreden, so konnte er am Ende seines Lebens, trotz allem inneren Kampf („Lass doch diesen Kelch von mir gehen“… „Warum, warum hast du mich verlassen?“) sein Leben Gott vertrauensvoll zurückgeben. Und sicher hat er auch sein jüdisches Gebetbuch, die Psalmen, wie selbstverständlich im Mund geführt. „Danket dem Herrn, denn er ist sehr freundlich und seine Güte währet ewiglich“. Und weiter: „Herr, du erforscht mich und kennst mich. Es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass du, o Herr, nicht schön wüsstest. … Ich danke dir, dass ich so herrlich bereitet bin, so wunderbar. Wunderbar sind deine Werke“. Und weiter „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“. Vertrauensvoll geborgen in der väterlichen Liebe Gottes war so sein ganzes Leben, vom Anfang bis zum Ende. Ganz knapp habe ich an dieser Stelle nur daran erinnert.
Das also ist das „Wort Gottes“, dieser Mensch, der aus seiner jüdischen Tradition heraus sein ganzes Leben –im Guten und weniger Guten- mit Gott untrennbar in Verbindung bringt, von Gott sich –im Gelingen und Nicht-Gelingen- getragen weiß. Und wer diesem „Wort Gottes“ vertraut, sich von ihm auf den Weg bringen lässt, so das eigene Leben zu betrachten, der wird auch in die „Kunst des Unterscheidens“ eingeführt. Er wird wissen –unmittelbar, ja fast intuitiv- was geheiligt ist durch das Wort, was wir also wirklich mit Dank empfangen können – und wo wir unmissverständlich sagen müssen: NEIN, das ist nicht von Gott geschaffen. Das ist eigenmächtiges und eigensinniges Menschenwerk. NEIN, das dürfen wir nicht mit Dank empfangen. Hier wäre es gottlästerlich, Gott zum Büttel einer selbstgefälligen Dankadresse zu machen (z.B. „Gott mit uns“ auf den Koppelschlössern der Soldaten in den Weltkriegen sprechen hier Bände, sind entlarvend. Zum Glück ist uns das auf den Lippen erstorben, zum Glück. Bis ins 20 Jahrhundert hinein war es ja noch ganz anders).
Die Kunst der Unterscheidung in dem „Alles“, was Gott geschaffen hat, und dem „Nichts“, was verwerflich ist, lernen wir bei Jesus. Auch die Kunst, alle Gaben des Lebens aus Gottes Hand dankbar entgegen zu nehmen, das Leben und das Sterben. Eibe große Kunst ist es, sich darin im Laufe des Lebens einzuüben, also bei Jesu in die Schule zu gehen, das kleine ABC des Glaubens peu a peu buchstabieren zu lernen, um am Ende ehrlichen Herzens sagen zu können. „Ja, in der Tat. Alles, was mir in meinem Leben begegnet, kommt von Gott und dient mir zum Guten. Ich habe gelernt, nichts ist verwerflich, was mir begegnet. Ich drehe und wende es so lange, bis ich Grund habe, es mit Dank zu empfangen, geheiligt durch das Wort Gottes und mein Dankgebet. Und so sage ich dir Dank, mein Gott, für mein ganzes Leben. Du hast es gegeben, du wirst es einst nehmen, gelobt sie dein Name“. Gesegnet, wer so sprechen kann.
III
Schlussendlich jedoch: Wie kommen wir dazu? Wie üben wir uns darin ein? Allgemein gilt: Bei Jesus in die Schule gehen, von ihm lernen, das Leben und Gott zu lieben. Konkret kann gelten: Im Kleinen beginnen, im Alltag, hier und heute, mit ganz kleinen Schritten und dann mal sehen, was draus wird. So wie z.B. Jesus, der Jude, nicht nur jeden Tag seinen Psalmen gebetet haben mag, sondern auch (so wie fromme Juden es heute noch tun) alles, was ihm begegnet und was er genoss, mit einem eigenen Segensspruch versehn haben mag. Das ist viel mehr als unser manchmal in Routine erstarrtes und daher außer Mode gekommenes Tischgebet. Es ist die bewusste –bewusst! Nicht routinemäßig daher gesagt!- innere Verbindung unseres Lebens im ganz Konkreten mit dem Schöpfer des Lebens. Nochmals ganz konkret: Der jüdische Glaube denkt da ganz praktisch: Ein allgemeines Tischgebet bitte erst nach dem Essen als Dankgebet, wenn ich satt bin, Vorher knurrt der Magen und das Gebet mag nicht so recht vom Herzen kommen, wenn man lange und fromme Reden führt. Vor dem Essen ein kurzer Segensspruch, wobei für jede Gabe ein anderer kurzer Segen über die Gaben angemessen ist, für jede Gabe einen. Ließ dir einen an oder denk dir einen aus, ganz kurz bitte, laut oder auch leise (im Restaurant) gesprochen. Doch kurz und knapp. Das reicht. Die innere Beziehung zu Gott, dem „Geber meines Lebens“ ist dann da. --- Und dann ein richtiges, schönes, langes, liturgisch ausgefeiltes Dankgebet am Ende, wenn du magst. So ist es jüdische Tradition, und so hat es sicher auch Jesus gehalten. So hat er sich von Kindestagen an eingeübt darin, „alles, was Gott geschaffen hat, mit Dank zu empfangen und nichts für verwerflich zu halten“.
Dies im ganz Kleinen, auch im Privaten zu tun, das übt. Es übt und auf einmal –weiß gar nicht wie- stimmts dann auch im Großen und Grundsätzlichen, und ich bin auf einmal geschickt in der „Kunst der Unterscheidung“ zwischen dem, was Gott geschaffen hat und dem, was dann doch verwerflich ist. Nun ja, und dass mein Leben –mein ganzes Leben- zudem auch noch geheiligt ist durch das Wort Gottes“, also durch Jesu Lebensstil, und dass ich Grund habe, dafür im Gebet zu denken –grundsätzlich und umfassend, und auch sehr konkret und praktisch- das ist schon ein Erntedankfest wert. In diesem Jahr, an diesem Tag. Und nicht wahr –das ist doch klar- alle Tage, jeden Tag neu. Amen
Perikope