Predigt zu Jesaja 58, 7-12 von Hilmar Menke
58,7
„Du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.”
In diesem Jahre hören oder lesen unsere Landwirte diese Zusage sicher mit gemischten Gefühlen. Wie so oft - jedenfalls hier bei uns im Norden - ist nicht der Mangel an Wasser das, was sie bewegt hat in den letzten Wochen und Tagen sondern eher das Gegenteil: Nicht zu wenig, sondern zu viel. Und zu wenig Sonne. Das Getreide ist nicht recht gewachsen, die Ernte konnte nicht zur ganz rechten Zeit eingebracht werden; selbst die riesigen Reifen der großen Trecker haben manchmal den aufgeweichten Boden nicht bewältigen können.
Nur der Mais - von dem es auch bei uns hier immer mehr gibt - scheint gut zu stehen und Äpfel gibt es in Hülle und Fülle.
Merkwürdig, wie sehr „zu viel” und „zu wenig” zusammengehörig erscheinen - wie die beiden Seiten einer Medaille:
Zu viel Wasser - zu wenig Ertrag - zu wenig Erlös; und andererseits auch das: Zu viel Ertrag - zu geringe Preise....
Wie sieht es mit dem „zu viel” und „zu wenig” aus in unserer Welt, auch in unserem Land auf dem Hintergrund all der wichtige Begriffe in dem Abschnitt aus dem Jesajabuch?
Wie steht es um das „Brot”, um das „tägliche Brot”, das ja doch mehr ist als der Kanten Brot, der den ersten Hunger stillt.
Zu wenig: Natürlich denken Sie dabei wahrscheinlich wie ich auch zuallererst an die Hungergebiete unserer Welt, Somalia, Nordkorea vielleicht und so viele andere. „Brich den Hungrigen dein Brot” - wie soll das gehen, wenn es nicht bei Hilfslieferungen bleiben soll, die vielleicht doch ihr Ziel nicht erreichen? Wie soll in unserer Welt ein wirkliches „Brechen des Brotes”, also ein wirkliches Teilen funktionieren, wo es doch nicht einmal vor unserer Haustür zu gehen scheint: Wieviele Kinder bei uns kommen morgens in die Schule ohne Frühstück, wieviele Alte sind unzureichend ernährt, wieviele Menschen suchen sich ihre Nahrungsmittel in den Abfallkörben und Mülltonnen der Städte - dort wo das „zu viel” unserer Welt landet.
Rund ein Drittel der bei uns produzierten Nahrungsmittel - so ein gerade erschienener Bericht - wird nicht verbraucht sondern verschwendet, landet nicht im Magen sondern im Müll.
Wie gehen wir um mit dem „zu viel” und „zu wenig” an täglichem Brot?
Und wie steht es mit dem „Haus”, dem Obdach, dem sprichwörtlichen „Dach über dem Kopf”? Auch da zu viel und zu wenig. Riesige Häuser, in denen vielleicht gerade noch zwei Personen leben, und Zeltstätte in den Katastrophengebieten der Welt - Leerstände nicht nur in den Plattenbauten der Großstädte, sondern auch in den Einfamilienhäusern auf dem Land - und Menschen, die „Platte machen” und oft nur eine notdürftiges Dach finden, das sie vor der Feuchtigkeit schützt.
Kleidung nach der letzten Mode und im stolzen Bewusstsein, die richtige Marke zu tragen - und die Billigklamotten ohne Namen, die anscheinend schon Kinder zu unterscheiden wissen - „Drei Streifen Adias - zwei Streifen Caritas”, so hieß es schon vor Jahren mit Blick auf die, die nicht dazu gehörten.
„Heilung” - auch da zu viel und zu wenig? Von Zweiklassenmedizin ist wieder die Rede, von zu langen Wartezeiten. Und während die einen sich das Silikon in alle erdenklichen Körperteile einbringen lassen fehlt es in Afrika an den nötigsten Arzneien gegen AIDS.
Und dann ist da noch vom Unterjochen die Rede, davon dass mit dem Finger gezeigt wird auf Menschen, von übler Rede, von Lücken in den Mauern und Wegen voller Schlaglöcher - und von Gerechtigkeit - und das ist für mich der wichtigste Begriff geworden, und ich habe mich gefragt, was denn gerecht sein könnte.
Ist es möglich, dass es wirklich ganz einfach das ist: Nicht zu viel und nicht zu wenig von all dem, was das Leben ausmacht, von Essen und Trinken, von Kleidung und Obdach, von Macht und Einfluss, von Anerkennung und Zuneigung, von Freiheit und Grenzen ....
Sicher nicht von allem gleichviel für alle - die Ideologien, die sich das zum Ziel gesetzt hatten, sind wohl grandios gescheitert - aber eben genug für alle - das wäre doch der Lichtblick für die ganze Welt und ihrer Menschen, „Licht das in der Finsternis aufgeht und Dunkel, das hell ist wie am Mittag”, das wäre doch so etwas wie Heilung dessen, woran Welt und Menschen kranken, das wäre Umbau, Renovierung, Reparatur auch dessen, was wir Menschen unserer Mitwelt angetan haben, wenn es nicht bei dem „zu viel” für uns und dem „zu wenig” für unsere Mitgeschöpfe bliebe, sondern zu dem „genug für alle” auch hier!
Wir feiern an diesem Sonntag in den evangelischen Kirchen das Erntedankfest. Auch dort, wo kaum noch jemand von der Landwirtschaft lebt, sind die Kirchen, die Altäre vor allem mit Symbolen des „täglichen Brots” geschmückt; Früchte, Ähren, Wein, Brot und vieles mehr. In vielen Gemeinde ist auch das dabei, was jenseits der Landwirtschaft das Erwerbsleben bestimmt. In meiner früheren Gemeinde, in der niemals jemand vom Land gelebt hat, sondern immer nur vom Stahl, gehörte eben auch das Stück Schiene und der Rundstahl dazu, aber eben auch das, was das Land gibt.
Und es ist auch heute noch weitverbreitete Sitte, dass die Menschen aus der Gemeinde das, was zum Schmuck der Kirche dient, spenden und hinbringen - und dass es nach dem Sonntag nicht zurückgegeben, sondern anderen Menschen gegeben wird - dem nahegelegenen Altenheim vielleicht oder dem Kindergarten oder der „Tafel”, die den Tisch deckt für die, die es nötig haben.
Wir danken für das, was uns gegeben ist - durch die Natur, durch menschliche Arbeit - unsere eigene und die derer, die für uns arbeiten.
Wir denken an die, die nicht genug haben und unsere Hilfe brauchen
Ein kleines Gebet, gesprochen nach dem Einsammeln der Kollekte im Gottesdienst, verdeutlicht den Sinn des allen:
„Herr, wir danken dir, das du uns gibst, was wir zum Leben brauchen;
wir danken dir, dass du genug gibst, das wir abgeben können. Segne Geber, Gaben und Empfangende.”
Wie im Großen und im Kleinen der Ausgleich zwischen „zu viel” und „zu wenig” geschaffen werden, das zu begreifen, zu planen, zu entscheiden, dazu bedarf es klügerer Menschen als ich es bin.
Ich weiß aber, dass ich nicht einfach warten kann, bis irgendjemand irgendetwas tut, sondern damit beginnen soll, da wo ich leben, da wo ich es kann.
Und nicht erst dann gilt: Du wirst rufen und der Herr wird dir antworten; du schreist und er wird sagen: Hier bin ich!”
Er hat es gesagt. Amen
In diesem Jahre hören oder lesen unsere Landwirte diese Zusage sicher mit gemischten Gefühlen. Wie so oft - jedenfalls hier bei uns im Norden - ist nicht der Mangel an Wasser das, was sie bewegt hat in den letzten Wochen und Tagen sondern eher das Gegenteil: Nicht zu wenig, sondern zu viel. Und zu wenig Sonne. Das Getreide ist nicht recht gewachsen, die Ernte konnte nicht zur ganz rechten Zeit eingebracht werden; selbst die riesigen Reifen der großen Trecker haben manchmal den aufgeweichten Boden nicht bewältigen können.
Nur der Mais - von dem es auch bei uns hier immer mehr gibt - scheint gut zu stehen und Äpfel gibt es in Hülle und Fülle.
Merkwürdig, wie sehr „zu viel” und „zu wenig” zusammengehörig erscheinen - wie die beiden Seiten einer Medaille:
Zu viel Wasser - zu wenig Ertrag - zu wenig Erlös; und andererseits auch das: Zu viel Ertrag - zu geringe Preise....
Wie sieht es mit dem „zu viel” und „zu wenig” aus in unserer Welt, auch in unserem Land auf dem Hintergrund all der wichtige Begriffe in dem Abschnitt aus dem Jesajabuch?
Wie steht es um das „Brot”, um das „tägliche Brot”, das ja doch mehr ist als der Kanten Brot, der den ersten Hunger stillt.
Zu wenig: Natürlich denken Sie dabei wahrscheinlich wie ich auch zuallererst an die Hungergebiete unserer Welt, Somalia, Nordkorea vielleicht und so viele andere. „Brich den Hungrigen dein Brot” - wie soll das gehen, wenn es nicht bei Hilfslieferungen bleiben soll, die vielleicht doch ihr Ziel nicht erreichen? Wie soll in unserer Welt ein wirkliches „Brechen des Brotes”, also ein wirkliches Teilen funktionieren, wo es doch nicht einmal vor unserer Haustür zu gehen scheint: Wieviele Kinder bei uns kommen morgens in die Schule ohne Frühstück, wieviele Alte sind unzureichend ernährt, wieviele Menschen suchen sich ihre Nahrungsmittel in den Abfallkörben und Mülltonnen der Städte - dort wo das „zu viel” unserer Welt landet.
Rund ein Drittel der bei uns produzierten Nahrungsmittel - so ein gerade erschienener Bericht - wird nicht verbraucht sondern verschwendet, landet nicht im Magen sondern im Müll.
Wie gehen wir um mit dem „zu viel” und „zu wenig” an täglichem Brot?
Und wie steht es mit dem „Haus”, dem Obdach, dem sprichwörtlichen „Dach über dem Kopf”? Auch da zu viel und zu wenig. Riesige Häuser, in denen vielleicht gerade noch zwei Personen leben, und Zeltstätte in den Katastrophengebieten der Welt - Leerstände nicht nur in den Plattenbauten der Großstädte, sondern auch in den Einfamilienhäusern auf dem Land - und Menschen, die „Platte machen” und oft nur eine notdürftiges Dach finden, das sie vor der Feuchtigkeit schützt.
Kleidung nach der letzten Mode und im stolzen Bewusstsein, die richtige Marke zu tragen - und die Billigklamotten ohne Namen, die anscheinend schon Kinder zu unterscheiden wissen - „Drei Streifen Adias - zwei Streifen Caritas”, so hieß es schon vor Jahren mit Blick auf die, die nicht dazu gehörten.
„Heilung” - auch da zu viel und zu wenig? Von Zweiklassenmedizin ist wieder die Rede, von zu langen Wartezeiten. Und während die einen sich das Silikon in alle erdenklichen Körperteile einbringen lassen fehlt es in Afrika an den nötigsten Arzneien gegen AIDS.
Und dann ist da noch vom Unterjochen die Rede, davon dass mit dem Finger gezeigt wird auf Menschen, von übler Rede, von Lücken in den Mauern und Wegen voller Schlaglöcher - und von Gerechtigkeit - und das ist für mich der wichtigste Begriff geworden, und ich habe mich gefragt, was denn gerecht sein könnte.
Ist es möglich, dass es wirklich ganz einfach das ist: Nicht zu viel und nicht zu wenig von all dem, was das Leben ausmacht, von Essen und Trinken, von Kleidung und Obdach, von Macht und Einfluss, von Anerkennung und Zuneigung, von Freiheit und Grenzen ....
Sicher nicht von allem gleichviel für alle - die Ideologien, die sich das zum Ziel gesetzt hatten, sind wohl grandios gescheitert - aber eben genug für alle - das wäre doch der Lichtblick für die ganze Welt und ihrer Menschen, „Licht das in der Finsternis aufgeht und Dunkel, das hell ist wie am Mittag”, das wäre doch so etwas wie Heilung dessen, woran Welt und Menschen kranken, das wäre Umbau, Renovierung, Reparatur auch dessen, was wir Menschen unserer Mitwelt angetan haben, wenn es nicht bei dem „zu viel” für uns und dem „zu wenig” für unsere Mitgeschöpfe bliebe, sondern zu dem „genug für alle” auch hier!
Wir feiern an diesem Sonntag in den evangelischen Kirchen das Erntedankfest. Auch dort, wo kaum noch jemand von der Landwirtschaft lebt, sind die Kirchen, die Altäre vor allem mit Symbolen des „täglichen Brots” geschmückt; Früchte, Ähren, Wein, Brot und vieles mehr. In vielen Gemeinde ist auch das dabei, was jenseits der Landwirtschaft das Erwerbsleben bestimmt. In meiner früheren Gemeinde, in der niemals jemand vom Land gelebt hat, sondern immer nur vom Stahl, gehörte eben auch das Stück Schiene und der Rundstahl dazu, aber eben auch das, was das Land gibt.
Und es ist auch heute noch weitverbreitete Sitte, dass die Menschen aus der Gemeinde das, was zum Schmuck der Kirche dient, spenden und hinbringen - und dass es nach dem Sonntag nicht zurückgegeben, sondern anderen Menschen gegeben wird - dem nahegelegenen Altenheim vielleicht oder dem Kindergarten oder der „Tafel”, die den Tisch deckt für die, die es nötig haben.
Wir danken für das, was uns gegeben ist - durch die Natur, durch menschliche Arbeit - unsere eigene und die derer, die für uns arbeiten.
Wir denken an die, die nicht genug haben und unsere Hilfe brauchen
Ein kleines Gebet, gesprochen nach dem Einsammeln der Kollekte im Gottesdienst, verdeutlicht den Sinn des allen:
„Herr, wir danken dir, das du uns gibst, was wir zum Leben brauchen;
wir danken dir, dass du genug gibst, das wir abgeben können. Segne Geber, Gaben und Empfangende.”
Wie im Großen und im Kleinen der Ausgleich zwischen „zu viel” und „zu wenig” geschaffen werden, das zu begreifen, zu planen, zu entscheiden, dazu bedarf es klügerer Menschen als ich es bin.
Ich weiß aber, dass ich nicht einfach warten kann, bis irgendjemand irgendetwas tut, sondern damit beginnen soll, da wo ich leben, da wo ich es kann.
Und nicht erst dann gilt: Du wirst rufen und der Herr wird dir antworten; du schreist und er wird sagen: Hier bin ich!”
Er hat es gesagt. Amen
Perikope