Predigt zu Klagelieder 3, 22-26.31-32 von Wolfgang v. Wartenberg
3,22
"Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß. Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.
Denn der HERR verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte."
Liebe Gemeinde,
1.
die Zuversicht, die sich in diesen Worten spiegelt, war nicht immer so. Sie ist die Frucht schwerer Not, Ergebnis eines schmerzlichen Nachdenkens, geschenkte Gewissheit in Ohnmacht und Hilflosigkeit.
In zwei schrecklichen Kriegen in den Jahren 597 und 587 vor Christ Geburt haben die Menschen Jerusalems zwei große Niederlagen erlitten. Die Stadt wurde von babylonischen Truppen eingenommen. Die Oberschicht der Stadt, das Königshaus, die Priester, die Handwerker wurden als Gefangene nach Babylon entführt. Zurück blieben andere, von denen diese Lieder stammen. Die Zurückgebliebenen wussten nicht, ob sie ihre deportierten Männer und Frauen jemals wieder sehen würden. Die Stadt war zerstört. Der Tempel war niedergerissen. Das war, so hatte man den Eindruck, das noch größere Unglück. Eine Stadt konnte man wieder aufbauen. Aber einen Tempel? Der Tempel galt in damaliger Zeit als die Garantie dafür, dass Gott seine Hand schützend über die Stadt halten würde. Wenn nun der Tempel zerstört war, so war nach damaliger Vorstellung der Gedanke nicht fern, dass der Gott dieses Tempels möglicherweise ein schwacher Gott war, der sich gegen die Götter der Nachbarvölker nicht zur Wehr setzen konnte.
Die Not ist groß. Wie aber begründet der Dichter der Verse, die wir gehört haben, seine Zuversicht? Was sagt er?
2.
Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Vielleicht können wir diesen Satz mit eigenen Worten wiedergeben.
Dass wir - der Dichter schließt sich mit ein in die Worte, die er an die Bevölkerung von Jerusalem richtet – dass wir, die Frauen, die Männer und die Kinder den schrecklichen Krieg und die Verfolgung überhaupt überlebt habt, dass wir nicht gestorben oder wie die anderen verschleppt worden sind, dass wir nicht gar aus sind, das hat seinen Grund in der Barmherzigkeit Gottes. Das alles zeugt von der Güte Gottes, des Herrn.
Dass wir noch etwas zu essen und zu trinken haben, dass wir in der Nacht nicht erfrieren, weil wir ein Dach über dem Kopf haben, dass wir uns trotz allem daran machen können, wieder aufzubauen, was zerstört worden war, das zeige doch, dass Gott nicht fern ist, dass er weiterhin da ist.
Mitten in seiner großen Traurigkeit und seinen gut begründeten Ängsten wird der Dichter des Klageliedes aufmerksam auf die Zeichen für die Güte und Barmherzigkeit Gottes.Der Dichter ist nicht fixiert auf die Not, in der sie alle leben müssen.
Er schaut auf den Anbruch des Morgens und macht sich, seinen Zeitgenossen – und doch auch uns – klar, dass es eigentlich etwas ganz Wundersames ist, den Aufgang der Sonne und den Beginn des nächsten Tages zu erleben. Jeder neue Tag ist ein Zeichen der Barmherzigkeit, der Treue und Zuverlässigkeit Gottes.
Liebe Gemeinde, auch für uns sind das alles keine Selbstverständlichkeiten. Gewiss,
der 2. Weltkrieg liegt lange hinter uns. Aber vielleicht kennen wir das auch, wir, die Jüngeren, dass wir manchmal hilflos und ungetröstet unsere Tage bestehen müssen.
Ich denke an den Schüler, der mit hochrotem Kopf an der Tafel steht - und alle Schüler lachen.
Ich denke an das Mädchen, die ihres Aussehens wegen ein hässliches Wort hinterher gerufen wurde. Vielleicht waren wir selbst einmal dieser Schüler, dieses Mädchen.
Ich denke an die Frau, die ihren Mann verloren hat.
Ich denke an den jungen Mann, der schwer erkrankt in der Klinik liegt- und er weiß nicht, wie es weiter gehen wird.
Ich denke an die vielen älteren Frauen und Männer, nach denen nur selten, viel zu selten einer fragt. Die Kinder leben woanders. Und wenn sie in der Stadt wohnen, so haben sie doch keine Zeit für sie.
Liebe Gemeinde, die Not, die uns Menschen so hilflos macht, so verzweifelt, so ohnmächtig, ist so vielfältig, wie das Leben nun einmal ist.
Vielleicht sind wir wohlhabend – und fühlen uns dennoch sehr arm.
Vielleicht leben wir im Kreis einer großen Familie oder von vielen Freunden – und fühlen uns doch ganz einsam.
Vielleicht sind wir belesen und haben studiert – und wissen trotzdem nicht weiter.
Wir haben alles, so scheint es – aber die innere Zufriedenheit fehlt.
Wir sind beschäftigt – und haben doch nicht das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Was hilft uns weiter? Was richtet uns auf? Wer gibt uns jetzt die Kraft für den nächsten Schritt?
Vielleicht sind es ähnliche Gedanken, die an die Bevölkerung in Jerusalem gerichtet werden, die auch uns weiterhelfen.
Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Liebe Gemeinde, dass wir leben,
dass jede, dass jeder, so wünsche ich es uns von Herzen, auf schöne Erinnerungen zurückschauen kann,
dass es Menschen gibt, denen wir wichtig sind, die uns sogar lieben,
das zeugt davon, dass Gott es gut mit uns meint.
Dass wir unser Auskommen haben,
dass wir seit über 60 Jahren im relativen Frieden leben, hier in Deutschland und im westlichen Europa,
dass wir frei und autonom über unsere Zukunftspläne entscheiden können,
das sollten wir einfach mal wahrnehmen und anerkennen.
Gewiss, da gibt es noch Vieles zu kritisieren und zu verbessern, aber das, was gut ist und uns ein relativ unbeschwertes Leben ermöglicht, das sollten wir doch einfach gelten lassen – und mit den Worten des Klageliedes würdigen:
GottesBarmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Gott ist nicht fern, auch nicht in dieser modernen Welt von heute. Die guten Erfahrungen, die wir immer wieder machen dürfen, zeigen uns, dass Gott weiterhin an uns Menschen und an unserem Leben interessiert ist, dass er uns Gutes wünscht, - darf ich so einfach sagen: dass er uns liebt.
3.
Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.
Liebe Gemeinde, durch diesen Vers wird deutlich, dass dieses Lied nicht klagt, sondern im Gegenteil: es vermittelt Zuversicht und Freude.
Trauert nicht länger dem geplünderten Besitz hinterher! Macht euch nicht soviel Sorgen, wovon ihr in Zukunft leben wollt!
Ihr habt doch weiterhin Anteil an Gott und an seinen Möglichkeiten. Was also sorgt ihr euch? ER sorgt für euch! Das will dieses Lied vermitteln.
Unwillkürlich werden wir an die eindrucksvollen Worte Jesu in der Bergpredigt erinnert:
(Matthäus Kap. 6, 25ff) Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. ... Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. ... Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? ... euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
Liebe Gemeinde, diese Worte Jesu sind Aussagen, die eine große Gelassenheit und eine unbeschreibliche Heiterkeit vermitteln. Ob wir uns anstecken lassen?
Gott gibt uns Anteil an sich. Er sorgt für uns wie ein guter Vater.
Ich bin sicher, dass allein diese feste Zuversicht, dieser Glaube, dieses Urvertrauen in Gott – unsere innere Haltung zu unserer Not verändern kann, wie groß sie auch sein mag.
4.
Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen..
Liebe Gemeinde, auf die Hilfe Gottes hoffen, das meint gewiss die Hilfe in einem ganz konkreten Anliegen. So wie wir im Vaterunser um unser täglich Brot bitten, so bitten wir auch um unser- darf ich es einfach so sagen?- um unser täglich Glück.Manchmal ist unsere Not übergroß. Wir haben dann keine Geduld. Aber Gott mutet uns zu, dass wir warten können und alles ihm anheim stellen.
5.
In einem Gedicht heißt es: „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.“ (Hilde Domin).
Es ist schon etwas Eigentümliches. In der Tat. Wir sehen Gott nicht. Wir können Gott nicht beweisen. Aber dennoch werden wir aufgefordert, mit Gott zu rechnen, zu ihm zu beten, ihm unsere Gedanken, Eindrücke und Bitten mitzuteilen.
Es ist, als sprechen wir in die Luft hinein. Alles scheint so sinnlos. Und dann – plötzlich geschieht, kann es geschehen und geschieht es immer wieder, dass unser Gebet erhört wird.
Wir wissen manchmal nicht, wie wir den Tag, der vor uns liegt, bestehen sollen.
Ein Telefongespräch, das wir mit einem Vorgesetzten führen müssen, liegt uns vielleicht schwer auf dem Magen.
Vielleicht denken wir am Morgen voller Sorgen an die Begegnung mit dem Freund, der Freundin, an dem, an der uns sehr viel liegt.
Vor einer Prüfung erfasst uns Unruhe und Lampenfieber.
Eine große Niederlage nimmt uns allen Schwung, auch nur aufzustehen.
Der Verlust eines lieben Menschen lässt mir mein Leben als sinnlos erscheinen.
Unsicher stehen wir auf und ängstlich setzen wir den Fuß – wie in die Luft, da scheint es nichts zu geben, was uns trägt, wir sind ganz allein – und dann stehen wir plötzlich auf festem Boden.
Das Gespräch läuft gut. Die Begegnung hilft den beteiligten Menschen. Die Prüfung wird bestanden. Ein Freund stellt sich an meine Seite. Nach einer gewissen Zeit der inneren Konzentration spüre ich die Kraft in mir, mit neuer Zuversicht weiterzuleben.
Liebe Gemeinde, diese guten, hilfreichen, weiterführenden Erfahrungen wünsche ich uns.
Immer wieder. Begleiten und stärken sie uns nicht schon unser Leben lang von Kindheit an bis zum heutigen Tag?
6.
Denn der HERR verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Unsere Betrübnis, unsere Traurigkeit, unsere Mutlosigkeit haben, liebe Gemeinde, nicht das letzte Wort, sondern Gottes großes und weites Erbarmen. Amen
Denn der HERR verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte."
Liebe Gemeinde,
1.
die Zuversicht, die sich in diesen Worten spiegelt, war nicht immer so. Sie ist die Frucht schwerer Not, Ergebnis eines schmerzlichen Nachdenkens, geschenkte Gewissheit in Ohnmacht und Hilflosigkeit.
In zwei schrecklichen Kriegen in den Jahren 597 und 587 vor Christ Geburt haben die Menschen Jerusalems zwei große Niederlagen erlitten. Die Stadt wurde von babylonischen Truppen eingenommen. Die Oberschicht der Stadt, das Königshaus, die Priester, die Handwerker wurden als Gefangene nach Babylon entführt. Zurück blieben andere, von denen diese Lieder stammen. Die Zurückgebliebenen wussten nicht, ob sie ihre deportierten Männer und Frauen jemals wieder sehen würden. Die Stadt war zerstört. Der Tempel war niedergerissen. Das war, so hatte man den Eindruck, das noch größere Unglück. Eine Stadt konnte man wieder aufbauen. Aber einen Tempel? Der Tempel galt in damaliger Zeit als die Garantie dafür, dass Gott seine Hand schützend über die Stadt halten würde. Wenn nun der Tempel zerstört war, so war nach damaliger Vorstellung der Gedanke nicht fern, dass der Gott dieses Tempels möglicherweise ein schwacher Gott war, der sich gegen die Götter der Nachbarvölker nicht zur Wehr setzen konnte.
Die Not ist groß. Wie aber begründet der Dichter der Verse, die wir gehört haben, seine Zuversicht? Was sagt er?
2.
Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Vielleicht können wir diesen Satz mit eigenen Worten wiedergeben.
Dass wir - der Dichter schließt sich mit ein in die Worte, die er an die Bevölkerung von Jerusalem richtet – dass wir, die Frauen, die Männer und die Kinder den schrecklichen Krieg und die Verfolgung überhaupt überlebt habt, dass wir nicht gestorben oder wie die anderen verschleppt worden sind, dass wir nicht gar aus sind, das hat seinen Grund in der Barmherzigkeit Gottes. Das alles zeugt von der Güte Gottes, des Herrn.
Dass wir noch etwas zu essen und zu trinken haben, dass wir in der Nacht nicht erfrieren, weil wir ein Dach über dem Kopf haben, dass wir uns trotz allem daran machen können, wieder aufzubauen, was zerstört worden war, das zeige doch, dass Gott nicht fern ist, dass er weiterhin da ist.
Mitten in seiner großen Traurigkeit und seinen gut begründeten Ängsten wird der Dichter des Klageliedes aufmerksam auf die Zeichen für die Güte und Barmherzigkeit Gottes.Der Dichter ist nicht fixiert auf die Not, in der sie alle leben müssen.
Er schaut auf den Anbruch des Morgens und macht sich, seinen Zeitgenossen – und doch auch uns – klar, dass es eigentlich etwas ganz Wundersames ist, den Aufgang der Sonne und den Beginn des nächsten Tages zu erleben. Jeder neue Tag ist ein Zeichen der Barmherzigkeit, der Treue und Zuverlässigkeit Gottes.
Liebe Gemeinde, auch für uns sind das alles keine Selbstverständlichkeiten. Gewiss,
der 2. Weltkrieg liegt lange hinter uns. Aber vielleicht kennen wir das auch, wir, die Jüngeren, dass wir manchmal hilflos und ungetröstet unsere Tage bestehen müssen.
Ich denke an den Schüler, der mit hochrotem Kopf an der Tafel steht - und alle Schüler lachen.
Ich denke an das Mädchen, die ihres Aussehens wegen ein hässliches Wort hinterher gerufen wurde. Vielleicht waren wir selbst einmal dieser Schüler, dieses Mädchen.
Ich denke an die Frau, die ihren Mann verloren hat.
Ich denke an den jungen Mann, der schwer erkrankt in der Klinik liegt- und er weiß nicht, wie es weiter gehen wird.
Ich denke an die vielen älteren Frauen und Männer, nach denen nur selten, viel zu selten einer fragt. Die Kinder leben woanders. Und wenn sie in der Stadt wohnen, so haben sie doch keine Zeit für sie.
Liebe Gemeinde, die Not, die uns Menschen so hilflos macht, so verzweifelt, so ohnmächtig, ist so vielfältig, wie das Leben nun einmal ist.
Vielleicht sind wir wohlhabend – und fühlen uns dennoch sehr arm.
Vielleicht leben wir im Kreis einer großen Familie oder von vielen Freunden – und fühlen uns doch ganz einsam.
Vielleicht sind wir belesen und haben studiert – und wissen trotzdem nicht weiter.
Wir haben alles, so scheint es – aber die innere Zufriedenheit fehlt.
Wir sind beschäftigt – und haben doch nicht das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Was hilft uns weiter? Was richtet uns auf? Wer gibt uns jetzt die Kraft für den nächsten Schritt?
Vielleicht sind es ähnliche Gedanken, die an die Bevölkerung in Jerusalem gerichtet werden, die auch uns weiterhelfen.
Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Liebe Gemeinde, dass wir leben,
dass jede, dass jeder, so wünsche ich es uns von Herzen, auf schöne Erinnerungen zurückschauen kann,
dass es Menschen gibt, denen wir wichtig sind, die uns sogar lieben,
das zeugt davon, dass Gott es gut mit uns meint.
Dass wir unser Auskommen haben,
dass wir seit über 60 Jahren im relativen Frieden leben, hier in Deutschland und im westlichen Europa,
dass wir frei und autonom über unsere Zukunftspläne entscheiden können,
das sollten wir einfach mal wahrnehmen und anerkennen.
Gewiss, da gibt es noch Vieles zu kritisieren und zu verbessern, aber das, was gut ist und uns ein relativ unbeschwertes Leben ermöglicht, das sollten wir doch einfach gelten lassen – und mit den Worten des Klageliedes würdigen:
GottesBarmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.
Gott ist nicht fern, auch nicht in dieser modernen Welt von heute. Die guten Erfahrungen, die wir immer wieder machen dürfen, zeigen uns, dass Gott weiterhin an uns Menschen und an unserem Leben interessiert ist, dass er uns Gutes wünscht, - darf ich so einfach sagen: dass er uns liebt.
3.
Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.
Liebe Gemeinde, durch diesen Vers wird deutlich, dass dieses Lied nicht klagt, sondern im Gegenteil: es vermittelt Zuversicht und Freude.
Trauert nicht länger dem geplünderten Besitz hinterher! Macht euch nicht soviel Sorgen, wovon ihr in Zukunft leben wollt!
Ihr habt doch weiterhin Anteil an Gott und an seinen Möglichkeiten. Was also sorgt ihr euch? ER sorgt für euch! Das will dieses Lied vermitteln.
Unwillkürlich werden wir an die eindrucksvollen Worte Jesu in der Bergpredigt erinnert:
(Matthäus Kap. 6, 25ff) Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. ... Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. ... Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? ... euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft.
Liebe Gemeinde, diese Worte Jesu sind Aussagen, die eine große Gelassenheit und eine unbeschreibliche Heiterkeit vermitteln. Ob wir uns anstecken lassen?
Gott gibt uns Anteil an sich. Er sorgt für uns wie ein guter Vater.
Ich bin sicher, dass allein diese feste Zuversicht, dieser Glaube, dieses Urvertrauen in Gott – unsere innere Haltung zu unserer Not verändern kann, wie groß sie auch sein mag.
4.
Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen..
Liebe Gemeinde, auf die Hilfe Gottes hoffen, das meint gewiss die Hilfe in einem ganz konkreten Anliegen. So wie wir im Vaterunser um unser täglich Brot bitten, so bitten wir auch um unser- darf ich es einfach so sagen?- um unser täglich Glück.Manchmal ist unsere Not übergroß. Wir haben dann keine Geduld. Aber Gott mutet uns zu, dass wir warten können und alles ihm anheim stellen.
5.
In einem Gedicht heißt es: „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug.“ (Hilde Domin).
Es ist schon etwas Eigentümliches. In der Tat. Wir sehen Gott nicht. Wir können Gott nicht beweisen. Aber dennoch werden wir aufgefordert, mit Gott zu rechnen, zu ihm zu beten, ihm unsere Gedanken, Eindrücke und Bitten mitzuteilen.
Es ist, als sprechen wir in die Luft hinein. Alles scheint so sinnlos. Und dann – plötzlich geschieht, kann es geschehen und geschieht es immer wieder, dass unser Gebet erhört wird.
Wir wissen manchmal nicht, wie wir den Tag, der vor uns liegt, bestehen sollen.
Ein Telefongespräch, das wir mit einem Vorgesetzten führen müssen, liegt uns vielleicht schwer auf dem Magen.
Vielleicht denken wir am Morgen voller Sorgen an die Begegnung mit dem Freund, der Freundin, an dem, an der uns sehr viel liegt.
Vor einer Prüfung erfasst uns Unruhe und Lampenfieber.
Eine große Niederlage nimmt uns allen Schwung, auch nur aufzustehen.
Der Verlust eines lieben Menschen lässt mir mein Leben als sinnlos erscheinen.
Unsicher stehen wir auf und ängstlich setzen wir den Fuß – wie in die Luft, da scheint es nichts zu geben, was uns trägt, wir sind ganz allein – und dann stehen wir plötzlich auf festem Boden.
Das Gespräch läuft gut. Die Begegnung hilft den beteiligten Menschen. Die Prüfung wird bestanden. Ein Freund stellt sich an meine Seite. Nach einer gewissen Zeit der inneren Konzentration spüre ich die Kraft in mir, mit neuer Zuversicht weiterzuleben.
Liebe Gemeinde, diese guten, hilfreichen, weiterführenden Erfahrungen wünsche ich uns.
Immer wieder. Begleiten und stärken sie uns nicht schon unser Leben lang von Kindheit an bis zum heutigen Tag?
6.
Denn der HERR verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Unsere Betrübnis, unsere Traurigkeit, unsere Mutlosigkeit haben, liebe Gemeinde, nicht das letzte Wort, sondern Gottes großes und weites Erbarmen. Amen
Perikope