Predigt zu Lukas 21,25-33 von Paul Geiß
21,25-33

Predigt zu Lukas 21,25-33 von Paul Geiß

25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. 31 So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.

32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

Liebe Gemeinde,

sie haben alle ihre Themen, die Sonntage der Adventszeit. Am vorigen Sonntag war es der Einzug Jesu in Jerusalem, heute geht es um das Ende der Welt. Am dritten Adventssonntag wird von Johannes, dem Täufer, dem Vorläufer Jesu, berichtet, am vierten Advent steht Maria mit ihrem Lobgesang im Mittelpunkt von Bibeltexten und Liturgie.

Heute also: Vom Ende der Welt. Das Ende der Welt kündigt sich nach den Worten Jesu an durch besondere Zeichen. Immer wieder haben Menschen nach solchen Zeichen gesucht, Zeichen, die die Zukunft voraussagen. Zeichen, die die Katastrophe ankündigen.

Nostradamus hatte prophetische Visionen gehabt, die sich noch in den Jahrhunderten danach bewahrheitet haben, Astrologen können aus der Stellung der Sterne und geschickter Psychologie einzelnen Menschen Hinweise auf ihre Zukunft geben, man muss es aber nicht glauben.

Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge, Erdbeben und Kriege waren immer wieder Hinweise auf das Ende. Davon haben wir in den letzten Jahren wahrhaftig genug gehabt. Kriege und Kriegsgeschrei, Tsunami, Atomkatastrophe in Tschernobyl und Fukushima, die instabile Lage im Nahen und Mittleren Osten, Ukraine-Krieg, viele Millionen Menschen vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen über die ganze Erde.

Sind das schon die Zeichen des Endes? Oder sind das nicht großenteils die von Menschen verursachten Katastrophen, die die Bosheit der Menschen aufzeigen? Dafür brauchen wir noch nicht das Ende der Welt, sondern alle gesammelte Energie, um die Kriege einzudämmen, die Folgen der Katastrophen zu lindern und den Opfern beizustehen. Unsere Großväter und Großmütter, inzwischen Urgroßeltern haben den zweiten Weltkrieg als apokalyptisches Ereignis mit allen Schrecken erlebt, ein Zeichen für das nahe Ende, den Antichrist, der dem jüngsten Tag vorausgehen soll nach der Offenbarung des Johannes. Aber die Erde ist noch nicht im Weltende aufgegangen, wir erwarten diese Zukunft immer noch seit Christi Geburt, Kreuz und Auferstehung. Und mit dem Weltende erwarten wir unsere Erlösung, sie ist nahe. Sein Wort gilt, er sagt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte nicht!

Dazu mag man jetzt stehen, wie man will. Wichtig daran ist, dass es in der Menschheit zu allen Zeiten das Bewusstsein gegeben hat: So kann es nicht weitergehen. Es muss etwas geschehen und wir Menschen können es nicht herbeiführen, das muss auf andere Weise geschehen, das muss von außerhalb dieser Welt kommen.

Und Jesus bestätigt das: Das Ende wird kommen, bereitet Euch darauf vor. Und so warten wir, warten mir nüchtern und in Geduld auf das, was Jesus verheißen hat, nicht Nostradamus, nicht die Katastrophenschwarzmaler, sondern Jesus. Er sagt etwas im wahrsten Sinne des Wortes aufrichtendes: Seht auf und erhebt Eure Köpfe, Eure Erlösung kommt mit jedem Tag näher.

Seht auf! Nicht nach unten schauen, sich aufrichten, nach vorn schauen, den Kopf erheben.

Ich habe die Chance, in einem großen und guten Chor singen zu dürfen. Jedes Mal vor der eigentlichen Probe machen wir eine halbe Stunde Stimmbildung. Sie beginnt mit der Lockerung des Körpers, Muskeln entspannen, sich ausschütteln, sich nach unten beugen und langsam aufrichten. Nach ein paar Minuten, in denen wir den Körper nach unten hängen lassen, richten wir uns auf, langsam, bewusst. Und dann richtet sich der Kopf auf, ein Summen ertönt, wir beginnen in der Tiefe, formen Vokale, Silben, wandern mit der Stimme Ton für Ton nach oben, wieder herunter, beginnen neu immer einen Halbton höher.

Dabei öffnen wir Resonanzräume in Kopf und Hals, singen lauter, leiser, immer höher, bis jeder an seine Stimmgrenze kommt. Frei und offen werden Kopf und Stimme, und dann kann das Singen losgehen. So stell ich mir das vor: Seht auf und erhebt Eure Häupter, weil sich Eure Erlösung naht. Und die Erlösung hat Christus, haben die Apostel, hat Johannes, der greise Seher auf der Insel Patmos in seiner Offenbarung formuliert, das ist dann Bild gewordene Verkündigung.

Und so findet sich in vielen alten Kirchen über der Kanzel, - mann muss sich fast erheben, den Kopf recken, um das zu sehen, -  eine solche Vision vom Ende als Schnitzwerk oder Bildhauerkunst dargestellt. Die Menschen versammeln sich auf dem Berg Zion, in der Stadt auf dem Berge, der wiederkommende Christus versammelt die Lebenden und die Toten, sie gehen ein in den himmlischen Frieden bei Gott. Das soll den Gläubigen unter der Kanzel deutlich machen: Wir haben hier nur eine vorübergehende Heimat, sie ist nicht alles, wir hoffen auf die Wiederkunft von Jesus Christus, jenseits aller Katastrophen werden wir bei Gott sein. Das lässt uns vorausschauen, lässt uns die alltäglichen Belastungen überwinden und uns der Zukunft stellen.

Und Jesus malt das aus: Der Menschensohn wird nach all den erschrecklichen Zeichen auf einer Wolke kommen und dann, und dann, dann können wir unsere Häupter erheben und auf ihn mit aller Inbrunst warten, auf ihn, der unsere Erlösung ist.

Das kann man am Besten singend herbeisehnen. Die schönen Adventslieder sind voll von dieser Erwartung. All das, was da als geschäftige Übertreibung in den Städten mit ihren Lichtern, Weihnachtsbäumen, Leckereien für Gaumen und Magen auf den ganzen Weihnachtsmärkten daherkommt, das ist doch neben dem puren Gewinnstreben auch Ausdruck der Sehnsucht nach einer Welt jenseits der unseren, nach einer Transzendenz unseres alltäglichen Lebens. Es ist ein Gottesgeschenk, dass Jesus unsere Katastrophenangst in Freude verwandeln will.

Am besten drückt das die Advents- und Weihnachtsmusik aus, die uns die frommen Komponisten aller Jahrhunderte geschenkt haben. Wie singen wir im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach im Forte: Wir singen Dir in Deinem Heer aus aller Kraft Lob, Preis und Ehr, dass Du, o lang gewünschter Gast, Dich nunmehr eingestellet hast, und zwischen jeder Zeile ganz zart Flöten und Oboen, damit der Jubel nicht überhand nimmt.

Was folgt daraus, daraus, dass den Menschen bange ist vor dem, was die Katastrophen andeuten? Wir brauchen nicht vor Angst zu vergehen. Bis Jesus kommt, können wir uns immer wieder aufrichten, unsere Häupter erheben und vielleicht immer mal wieder, vor allem alle Jahre wieder singen, wieder Bach, wieder das Weihnachtsoratorium im dritten Teil:

Ich will Dich mit Fleiß bewahren, ich will Dir leben hier, Dir will ich abfahren (auf Dich will ich mich im Leben und im Sterben verlassen). Mit Dir will ich endlich schweben voller Freud ohne Zeit, dort im anderen Leben.

Also noch einmal und noch einmal: Seht auf und erhebt Eure Häupter, weil sich Eure Erlösung naht!

Amen.

 

Perikope
Datum 07.12.2014
Bibelbuch: Lukas
Kapitel / Verse: 21,25-33
Wochenlied: 6
Wochenspruch: Lk 21,38