Predigt zu Offenbarung 1, 9-18 von Elisabeth Tobaben
1,9

Predigt zu Offenbarung 1, 9-18 von Elisabeth Tobaben

Liebe Gemeinde!
  Haben Sie noch in Erinnerung, was Sie letzte Nacht geträumt haben?
  Manchmal geht es einem ja so, dass man morgens aufwacht, und ganz konkrete Traumbilder vor Augen hat.
  Mitunter erkennt man vielleicht Ereignisse wieder vom Tag zuvor oder aus früherer Zeit, weil sie eingeflossen sind in diesen Traum.
  Manchmal aber machen sich diese Bilder auch selbständig, erscheinen mit einemmal ganz verzerrt oder nehmen geradezu märchenhafte Züge an.
  Hin und wieder zeigt sich im Traum auch mit verblüffender Deutlichkeit die Lösung eines Problems.
  Man wacht auf, und weiß plötzlich ganz genau, was man zu tun hat.
  In der Bibel hören wir immer wieder von Menschen, denen im Traum von Gott gezeigt wird, wie es weitergehen kann.
  -    Josef erfährt im Traum, dass er mit Maria und dem Kind nach Ägypten fliehen soll;
  -    die Weisen aus dem Morgenland lernen im Traum, dass sie auf keinen Fall Herodes verraten sollen, wo sie das gefunden haben, also ziehen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
  Manchmal tauchen in unseren Träumen  Bilder oder Motive auch häufiger auf;
  solche, die vergleichbar sind, weil andere sie auch aus ihren Träumen  kennen;
  - man läuft und läuft und kommt nicht voran,
  - man wird verfolgt.
  - oder kann plötzlich fliegen,
  Heute hören wir von solchen Bildern mit traumhaften Zügen, Bilder aus einer Art Wachtraum, einer Audition und Vision, wie sie der Seher Johannes erlebt hat.
  Im letztes Buch der Bibel werden sie geschildert, in der Offenbarung des Johannes.
  
  Textlesung Apk 1, 9-18   
  Ich aber, Johannes,
  der in der Gemeinschaft mit Jesus,
  eure Trauer,
  eure Hoffnung auf das Reich Gottes
  und eure Standhaftigkeit teilt:
  die Geduld der Menschen,
  die auf ihn warten:
  Ich, Euer Bruder,
  bin auf der Insel Patmos gewesen,
  in der Verbannung,
  weil ich Gottes Wort lehrte
  und Jesu Zeugnis vertraute.
  Es war ein Sonntag,
  nach Sabbath,
  die Stunden des Herrn,
  als ich auf einmal
  -entzückt und begeistert! Wie von Sinnen! Nicht bei mir!-
  die Stimme hörte,
  in meinem Rücken,
  laut dröhnend wie eine Posaune:
  Schreib auf, was Du siehst,
  schreib’s in ein Buch
  und schick es densieben Gemeinden.
  Nach Ephesus schick es, nach Smyrna und nach Pergamon,
  nach Thyatira, nach Sardes, Philadelphia und Laodizea.
  Als ich mich umwandte
  -welche Stimme sprach da mit mir?-,
  sah ich
  auf einmal
  die sieben goldenen Leuchter
  und in ihrer Mitte
  den MENSCHEN,
  bekleidet, bis zu den Füßen,
  mit einem langen Gewand
  und gegürtet, um den Leib, mit einem Goldreif.
  Sein Haupt und seine Haare: strahlend weiß
  Wie schimmernde Wolle,
  nein, heller noch, wie Schnee!
  Die Augen: lodernde Flammen,
  und seine Füße: glühendes, im Ofen zerschmelzendes Erz,
  funkelnd wie Gold.
  Und seine Stimme: brausend wie die gewaltigen Wasser
  und das Dröhnen der Brandung.
  Da! In seiner Rechten die Sterne:
  Sieben!
  Und sein Mund:
  Ein mächtiges, doppelschneidiges Schwert.
  Wie die Sonne, hoch im Zenit,
  ein strahlender Ball,
  so war sein Antlitz.
  Als ich ihn sah,
  warf ich mich nieder vor ihm,
  zu seinen Füßen – wie tot!
  Er aber legte die Rechte auf mich und sprach:
  Hab keine Furcht.
  Ich bin der Erste und der Letzte.
  Der Lebendige bin ich.
  Ich war tot, aber jetzt
  -schau mich an!-
  ich lebe wieder:
  von Ewigkeit zu Ewigkeit.
  Die Todes- und die Höllen-Schlüssel
  Sind in meiner Hand.
  
  „Du sollst dir kein Bildnis machen...“
  bei dieser Fülle von Bildern in der Offenbarung liegt es nahe, dass einem das Bilderverbot einfällt aus dem Dekalog, den 10 Geboten.
  Groß ist die Gefahr, dass man das Bild verwechselt mit der Wirklichkeit, mit dem, was „dahinter ist“ und was das Bild eigentlich „nur“ ausmalen soll.
  Davor soll das Bilderverbot schützen.
  Und dennoch brauchen wir zugleich Bilder, um uns Gott überhaupt vorstellen zu können; auch sprachliche Bilder, um uns überhaupt austauschen zu können über unsere inneren Bilder.
  Gott selber kann niemand sehen, sagt die Bibel, ohne zu vergehen.
  Deshalb wohl fällt auch der Seher Johannes wie tot hin, als er den Herrn sieht.
  „Uns Menschen ist in diesem Leben nur der bekleidete Gott erträglich,“ sagt Martin Luther, und er meint: wenn er uns durch das Wort vermittelt wird. (WA 40/II, 329)
  
  Die ganze Spannung wird deutlich zwischen dem, was man sagen muss und möchte, und doch eigentlich gar nicht zeigen kann.
  Die Bilder wechseln ständig in dieser Szene, und sind rational auch gar nicht zu vereinheitlichen. Traumhaft eben.
  Dauernd heißt es, dass Johannes etwas sieht, das ist “wie“, „gleich als wie“, „ähnlich wie“ usw.
  Sogar die Stimme, die die Bilder deuten will, ist noch entfremdet, zuerst klingt sie wie eine gewaltige Posaune! Später erinnert sie ihn an das  Rauschen gewaltiger Wassermassen, das Dröhnen der Brandung.
  Gleichnisse für das Kommen des Ewigen.
  Die strahlenden, kraftvollen Bilder setzen sich deutlich ab von der düsteren
  Situation, in der sich Johannes befindet, und die der Gemeinden, an die er schreibt.
  Ein bisschen klingt in unserem Text davon an.
  Es ist offenbar keine ganz einfache Zeit, es war gefährlich geworden, das Wort Gottes zu lehren, wie Johannes das getan hat;
  Von den jungen christlichen und jüdischen Gemeinden  wurde verlangt, sich anzupassen, den Kaiserkult mitzumachen.
  Manche sagten: „Nur so ein kleiner Kniefall vor dem Standbild des Kaisers, was ist denn schon dabei? Wenn euch das doch rettet?“
  Die Gemeinden, für die Johannes schreibt, sind standhaft geblieben, so wie er selbst.
  Ihre Hoffnung, dass Jesus bald wiederkommen würde, hatte sie aufrecht gehalten.
  
  Man vermutet, dass die Machthaber Johannes abgeschoben hatten, verbannt auf die Insel Patmos, damit er kein Unheil mehr anrichten könnte und die neue Lehre vom gekreuzigten und auferstandenen  Christus noch weiter verbreiten.
  Es könnte auch sein, das er sich selbst in Sicherheit gebracht hatte und nun im Exil lebte auf der Insel.
  Jedenfalls: jetzt sitzt er auf der gut 34 km2  großen felsigen Insel, damals gut eine Tagereise vor Küste der heutigen Türkei, wahrscheinlich konnte er sich auf der Insel frei bewegen, weg konnte er ja nicht.
  
  Johannes dürfte ein einflussreicher Mann gewesen sein und zudem hoch gebildet.
  Er macht in seinem Text immer wieder Anspielungen auf alttestamentliche Texte und auch auf außerbiblische jüdische Offenbarungsgeschichten bezieht er sich, höchstwahrscheinlich war er also ein „Judenchrist“, war also Jude als er sich taufen ließ.
  Doch all seine Bildung nützt ihm jetzt reichlich wenig, er sitzt dort auf der Insel, weit weg, einsam, in größter Sorge um die Menschen, die er zurücklassen musste.
  Er hat keine Ahnung, was aus ihnen geworden sein mag, ob es ihnen einigermaßen gut geht, oder ob sie vielleicht auch längst irgendwo interniert worden sind, gequält und gefoltert werden.
  Eine Horrorvision!
  
  Was Johannes auf der Insel Patmos erlebt, das klingt fast wie die  Berufungsvisionen der alten Propheten.
  Am Herrentag (V. 10), an einem Sonntag also gerät er in Verzückung, wird vom Geist ergriffen und hört hinter sich diese Stimme, die wie eine laute, dröhnende  Posaune klingt.
  Ähnlich wie die alttestamentlichen Propheten sieht und hört er etwas, was er festhalten, aufschreiben soll, weitergeben und deute. (V. 19: „Schreib auf, was du gesehen hast“  sagt die Stimme in seinem Rücken. (V.11)
  Das ist wie eine Art Dreischritt. Hören - Sehen - Schreiben.
  Festhalten für die Nachwelt sozusagen, und damit auch für uns.
  Er dreht sich um und sieht etwas, was man normalerweise eigentlich gar nicht sehen kann;
  Fast so, als würde gerade in diesem Moment der Himmel aufgehen und ihm einen Blick „hinter die Kulissen“ ermöglichen. Wie im Traum.
  Und er sieht den lebendigen Christus, der ihm Trost und Hoffnung zuspricht, so dass er sich  auf seiner einsamen Insel in all seiner Verzweiflung mit einemmal geborgen und aufgehoben fühlen kann.
  Denn: er hört  wie die Posaunenstimme sagt: „Fürchte dich nicht!“
  Er soll den Trost und die Geborgenheit, die ihm selbst gerade geschenkt worden sind, weitergeben an die Gemeinden zu Hause.
  Aufschreiben also soll er, was er hört und sieht aus dem offenen Himmel mit seiner Fülle an Symbolen und Zeichen: es fängt hier in diesem kurzen Abschnitt schon an und setzt sich später fort.
  Sieben Leuchter sieht Johannes, sieben Sterne und sieben Engel; und alle haben etwas zu bedeuten.
  Und so schreibt er  darüber eine Sammlung von Briefen, einen an  sieben Gemeinden.
  Sieben - die Zahl der Vollkommenheit, Symbol für das Allumfassende, Perfekte.
  Kein Wunder also, dass sie Themen, die in seinen Briefen angesprochen werden, alle Gemeinde gleichermaßen betreffen und interessieren, und wir uns in diese Reihe mit hineinstellen können.
  Es ist eine Art „offener Brief“ - wie er vielleicht heute in der Zeitung stehen würde, im Internet oder als Buch veröffentlicht.
  Wie geht nun Johannes mit seinen Bildern um?
  Sieben goldene Leuchter sieht er, und in ihrer Mitte: den Menschensohn.
  Eine Vision, wie sie Jahrhunderte vorher bereits der Prophet Daniel gehabt hatte.
  Auch er sah in einer großen Vision den Menschensohn, von dem Heil und Rettung ausgeht.
  Und genau dieses Bild greift Johannes auf und deutet es neu.
  Eben dieser Menschensohn, von dem Daniel spricht, sagt Johannes, das ist Christus,.
  Der Auferstandene.
  Die Fülle von Bildern scheint geradezu nach sprachlichem Ausdruck zu verlangen.
  Noch einmal Martin Luther: „Christi Reich (ist) ein Hör-Reich, nicht ein Sehe-Reich. denn die Augen leiten und führen uns nicht dahin, da wir Christum finden und kennen lernen, sondern die Ohren müssen das tun.“ (WA 51,11)
  Der Seher Johannes hat Christus zunächst mal vor Augen.
  Die überirdische, geheimnisvolle Gestalt zwischen den sieben Leuchtern, angetan mit dem langen feierlichen Gewand und dem goldenen Gürtel, Zeichen königlicher Macht.(V. 13)
  Das Weiß feinster Wolle, des Schnees und schließlich das alles umstrahlende Licht, sie verkünden das ganz andere, Unfassbare, jenseits von Zeit und Welt.
  Das  Licht einer neuen Welt.
  Und doch ist die Gestalt nicht nur „lieblich und freundlich“, sie hat auch etwas Gefährliches an sich.
  Wie ein zweischneidiges Schwert kommt es aus ihrem Mund, geschärft auf beiden Seiten. (V. 16)
  Und so verlangt auch diese machtvolle Erscheinung nach einer Erklärung, braucht ein deutendes Wort.
  Und das spricht die leuchtende Gestalt selbst:
  „Ich bin“ sagt sie, „der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ (M. Luther)
  
  Sieben Leuchter stehen um die Lichtgestalt!
  Das ist kein Zufall; wir hörten es schon, in der Zahlenmystik ist die Sieben die Zahl der Vollkommenheit.
  Zusammengesetzt aus der Drei, der Zahl für Gott (Vater, Sohn und Heiliger Geist), und der Vier für die Welt und den Menschen (vier Himmelsrichtungen z.B.)
  Gott und Mensch kommen in Christus zusammen, sagen die sieben goldenen Leuchter.
  Und so sind wir angelangt bei dem Festkreis, der sich heute schließt: Mit dem heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias geht die Weihnachtszeit zu Ende.
  „Gottheit und Menschheit vereinen sich beide, Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah...“ singen wir.
  Diese Nähe Gottes haben wir zu Weihnachten gefeiert,
  in der Hoffnung, dass der Zuspruch des Johannes auch uns erreichen möchte, das „Fürchte dich nicht!“
  
  Amen