Predigt zur Jahreslosung 2016
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Predigt zur Jahreslosung 2016

Liebe Gemeinde,


es gibt Worte, die so kraftvoll sind, dass sie zu beständigen Begleitern werden. Für ein Jahr oder vielleicht auch weit darüber hinaus. Die Jahreslosung für 2016 ist ein solches Wort. Es hat das Zeug dazu, uns das heute beginnende Jahr über zu begleiten und uns Kraft zu geben.
Wir wissen sofort, wovon in dem Satz aus dem Buch des Propheten Jesaja  die Rede ist.

Und selbst wenn unsere Lebensgeschichte so verlaufen ist, dass wir den mütterlichen Trost vermisst haben, dann kennen wir vielleicht umso mehr die Sehnsucht nach diesem Trost. Gerade haben wir an Weihnachten wieder das Bild gesehen mit Maria und Josef und dem Jesuskind. Vermutlich spricht dieses Bild auch deswegen so viele Menschen an, weil es Geborgenheit vermittelt. Selbst der Heiland der Welt ist als verletzliches kleines Kind auf die bergenden Arme der Mutter angewiesen. wie wunderbar  ist es, bergende und schützende Arme um sich zu spüren, seien es väterliche oder mütterliche.


„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Vielen von uns kommen sofort Bilder in den Sinn, wenn wir diesen Satz hören. Bilder aus der Kindheit. Von Ängsten, die uns gelähmt haben, die uns vielleicht haben weinen lassen, die uns verzweifelt nach der Mutter haben rufen lassen. Und dann diese Erfahrung, diese wunderbare Erfahrung, dass das Rufen gehört wird. Dass die Mutter da ist. Oder auch der Vater, der ja genauso mütterlich sein kann wie die Mutter. Und das Gefühl, einfach geborgen zu sein. Zu spüren, wie die Angst vergeht.


Wir mögen durch unsichere und manchmal schwere Zeiten gehen. Aber wir sind nicht allein, sondern gehalten und getragen in diesen Zeiten. Nichts weniger verspricht die Jahreslosung aus dem Buch des Propheten Jesaja als dass wir genauso in das neue Jahr gehen dürfen. Wie dringend wir das brauchen! Denn unsere Welt ist nicht bei Trost am Anfang des Jahres 2016.  Man kann schon verzweifeln, wenn man mit einem Gefühl der Ohnmacht vor sinnlosen Gewaltorgien steht, deren Brutalität jede Vorstellungskraft übersteigt. Und wenn man dann sieht, wie Menschen vor dieser Gewalt fliehen, ihr Leben riskieren, es vielleicht bis hierher nach Europa schaffen und dann hier auf eine Situation treffen, in der sich wegen der großen Zahlen Erschöpfung und Verzagtheit auszubreiten beginnt, in der manche die Ängste der Menschen missbrauchen und zu hetzen beginnen oder mit Worten oder sogar mit echtem Feuer Brände legen.
Was wird werden im Jahr 2016? Wird sich unsere Gesellschaft auseinander entwickeln? Wird der soziale Friede in Gefahr geraten? Oder werden wir uns als Gesellschaft auf unsere Kräfte besinnen? Auf unsere großen finanziellen Kräfte in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte, die gerade jetzt ein Riesensegen ist? Auf unsere sozialen Kräfte, die schon in den letzten Monaten in einer Weise sichtbar geworden sind, wie es vor einem Jahr niemand zu hoffen gewagt hätte?


Und was wird werden, wenn jetzt deutsche Tornado-Flugzeuge in den syrischen Bürgerkrieg eingreifen? Wird Deutschland damit einen Beitrag dazu leisten, dass die Mörderbanden, die eine ganze Region terrorisieren, endlich gestoppt werden? Oder wird der intensivierte Einsatz militärischer Gewalt von außen nur neue Gewalt gebären und die zivilen Konfliktlösungsmittel, die einzig wirklich Frieden schaffen, behindern oder gar blockieren?


Tatsächlich ist die Verantwortung groß. Ich bete darum, dass die Kräfte des Friedens und der Versöhnung die Oberhand behalten werden. Ich bete darum, dass die Kriegslogik nicht zur Normalität wird und wir uns daran gewöhnen. Ich bete darum, dass die Menschen, die jetzt fliehen müssen, irgendwann in ihre Heimat zurückkehren können.
Manchmal wünsche ich mir, dass Gott einfach direkt eingreift, allen Gewalttätern die Waffen aus der Hand schlägt und auf direktem Wege Frieden schafft.
Aber können wir Gott die Verantwortung für die Gewalt zuschieben, die wir als Menschen einander antun? Wollen  wir wirklich einen Gott, der uns wie Marionetten führt? Der das Weltgeschehen so lenkt als ob er ein Theaterstück aufführt?


Nein, Gott ist kein Marionettenspieler. Er hat uns, die wir zu seinem Bilde geschaffen sind,  die Freiheit gegeben, das Gute oder das Böse zu tun. Und er wirbt um uns, nicht durch Drohung und Gewalt, sondern durch Fürsorge und liebende Nähe. Ja, und auch durch Trost und Beistand.


„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Der Gott, der so spricht  sitzt nicht hoch oben auf seinem Thron . Sondern es ist der Gott, der die Verletzlichkeit der Menschen kennt, der ihre Ohnmacht kennt, der diese Ohnmacht am Kreuz selbst erfahren hat. Er zwingt nicht zur Liebe sondern strahlt sie aus und gießt sie durch seinen Geist in die Herzen der Menschen ein
Dieser Gott ist nicht irgendeine abstrakte Größe. Er ist nicht irgendeine kosmische Kraft. Er ist auch nicht irgendein Weltprinzip. Sondern er ist ein sehr persönlicher Gott. Einer, der Mensch geworden ist, geboren in einer Obdachlosenunterkunft, einer, der als Erwachsener umhergezogen ist und den Menschen vom Reich Gottes und seiner Liebe erzählt hat, diese Liebe selbst in einzigartiger Weise ausgestrahlt hat, Menschen Heilung hat erfahren lassen, am Ende der Gewalt der Menschen zum Opfer gefallen ist und gekreuzigt wurde. Und dann auferstanden ist und gezeigt hat, dass der Tod am Ende nicht das letzte Wort hat. Das ist der Gott, an den wir Christen glauben! Das ist der Gott, der sagt: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Diesem Gott, liebe Gemeinde, können wir unser Leben anvertrauen. Mit diesem Gott können wir ohne Verzagtheit ins Jahr 2016 gehen. Von diesem Gott können wir uns trösten lassen, so wie einen seine Mutter tröstet!


Stellen wir uns einmal einen Moment vor, wir würden das in unserem Land wirklich tun! Mit diesem Gott ins Jahr 2016 gehen!
Wir würden unsere Furcht überwinden. Wir würden das ernst nehmen, was wir aus dem Munde der Engel an Weihnachten gesagt bekommen haben: „Fürchtet Euch nicht!“ Wir würden den Terroristen diesen Triumph nicht gönnen, dass sie uns Angst einjagen. Und wir würden weiter unsere Feste feiern und in die Fußballstadien gehen und uns am Leben freuen wohl wissend, dass das Leben endlich ist und Risiken birgt, aber genauso gewiss, dass unser Gott uns behütet und begleitet im Leben und im Sterben und uns nichts trennen kann von seiner Liebe.
Wir würden mit nüchternem Blick auf die Probleme schauen, die mit der Integration vieler Menschen verbunden sind, die als Flüchtlinge hierher kommen, aber wir würden uns davon nicht einschüchtern lassen, sondern anpacken und die Empathie weiter ausstrahlen, die unser Land im letzten Jahr zu einem der berührendsten Orte der Welt gemacht hat.
Wir würden mit einem wachen Blick auf die Menschen schauen die schon lange hier leben, aber auch soziale Not erfahren. Wir würden uns zu ihren Anwälten machen und damit sichtbar machen, dass Gerechtigkeit ein Volk erhöht.


Wir würden überall im Land - und immer wieder - schöne Gottesdienste miteinander feiern, uns durch wunderbare Musik wie heute das Herz öffnen lassen, im Gebet alles, was uns beschwert und freut, vor Gott von der Seele reden. Wir würden uns von den biblischen Texten Orientierung geben lassen, in der Gemeinschaft mit Gott und miteinander Kraft schöpfen und am Ende mit dieser Kraft im Herzen und einem Segen im Rücken nach Hause wieder in den Alltag gehen. Wir würden einander vergeben lernen, weil wir wüssten, wie sehr wir selbst auf Vergebung angewiesen sind. Und wir würden endlich dankbar leben können, weil wir wissen, welches Geschenk jeder Tag aus Gottes Hand ist und wie kostbar er ist.
Wir würden unser Leben in alledem auf Glaube, Hoffnung und Liebe gründen. Und wir würden das niemandem verheimlichen. Wir würden allen sagen und es mit unserer eigenen Existenz ausstrahlen, wie wunderbar es ist, aus dieser Kraft leben zu dürfen.
So, liebe Gemeinde, so wäre das, wenn wir mit diesem Gott ins Jahr 2016 gehen würden! Wenn wir nicht immer nur vom „christlichen Abendland“ reden würden, sondern dieses große Wort „christlich“ wirklich zur Basis unseres Lebens werden ließen!


Warum tun wir es nicht einfach! Lasst Eure Zweifel hinter Euch! Probiert es mit diesem Gott! Lasst ihn zu Eurem täglichen Begleiter werden!
Er sagt uns zu: Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet. Es ist die Melodie, mit der wir heute ins Jahr 2016 gehen und die uns durch dieses ganze Jahr begleiten soll.
Wer getröstet wird, kann selber trösten. Wer genährt wird, kann selber nähren. Wer Segen erfährt, kann selber zum Segen werden.
So geschehe es an uns allen in diesem neuen Jahr!


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

AMEN