13 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft abgeben müssen.
Wie Trennung Heilung bewirkt
„Das Wort Gottes ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert …“
Wie verstehen wir diese Worte? Können sie uns die neue Woche hindurch begleiten? Handelt es sich um einen Text, den wir besser überschlagen, weil er weh tut?
Nur soviel sei vorweg gesagt. Diese Worte, wonach Christus und das Bild vom Schwert zusammen gehören, sind kein Sonderfall im Neuen Testament. In seiner Aussendungsrede an die Jünger sagte Christus nach Matthäus 10: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“(Vers 34). Der Seher der Offenbarung sieht den Weltenrichter und beschreibt ihn mit den Worten: „und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert“ (1,16). Weitere Texte wären anzuführen. Die uns heute vorliegenden Worte sind Teil einer Quelle im Neuen Testament, die das Bildwort des Schwertes enthält.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie und schärfer als ein zweischneidiges Schwert.“ Das ist die Botschaft des ersten Verses. Es folgt die Mahnung, Gott mit gutem Gewissen Rechenschaft zu geben. So geht es einmal um die Wirkung des Gotteswortes auf uns und dann um unseren Umgang mit dem Wort Gottes.
Zunächst: „Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“
Ist es so in unserem Leben? Sind wir das „gute Land, das hundertfältig Frucht bringt“? Zweifel kommen auf. Tage und Zeiten treten in Erinnerung, an denen wir in der Bibel lasen, ihre Worte beteten, Angst und Einsamkeit aber geblieben sind.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“ Haben wir davon etwas gespürt oder
ist das alles zu vollmundig und eine Nummer zu groß? Ist es zu enthusiastisch und darum eher deprimierend als aufrichtend? Wir wollen später darauf zurück kommen, legen die Einwände für eine Zeit zur Seite.
In den Vordergrund des Textes drängt sich das Bildwort vom Schwert: „Das Wort Gottes … ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein.“ Das ist die besondere Botschaft dieses Sonntages.
‚Das Wort Gottes trennt, wie ein Schwert trennt. Es trennt so scharf, dass es keine Verbindung mehr gibt. Was mit dem Schwert auseinander geteilt wurde, geht nicht mehr zusammen.’
In welcher Weise „trennt“ das Wort Gottes? Pauschal geantwortet: Das Wort Gottes oder das Wort Jesu trennt uns von einem Leben, das nicht schriftgemäß ist und uns darum nicht zu einem sinnerfüllten Leben führt. An zwei Beispielen sei ausgeführt, was damit gemeint ist.
Jesus sagt uns: „Sorget nicht um das andere Morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“ (Matthäus 6,34). Gehen diese Worte in uns ein, nehmen wir sie wie ein Schwert in unsere Hand, so trennt das Wort Jesu von einem Leben, das vom Sorgen und nochmaligem Sorgen um den morgigen Tag bestimmt ist. Es schneidet uns von der Angst vor der Zukunft ab und führt aus der Unfreiheit in die Freiheit.
Das geschieht nicht, wie das Bild vom Schwert suggeriert, gleich und sofort. Es gibt offenbar wirkungslose Schwerthiebe, Hiebe, die daneben gehen oder kraftlos sind. Es kann aber geschehen, dass nach einem anhaltenden Ringen und Suchen nach dem rechten Weg, ein Mensch aufsteht, und wie mit einem Schwertstreich die todbringende Macht der Sorge abwehrt.
Der Prophet Jesaja sagte einst dem König Hiskia die Gottesworte:
„In Umkehr und Ruhe liegt euer Heil, im Stillehalten und Vertrauen eure Stärke!“ I1I
König Hiskia, der zu Lebzeiten Jesajas in Juda herschte, wollte Hals über Kopf einen Bund mit den Ägyptern gegen Assur eingehen, was der Untergang des Königtums gewesen wäre. Der Prophet verhinderte es. In diese angespannte Situation fallen Jesajas Worte: „In Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, im Stillehalten und Vertrauen eure Stärke.“
Das Gotteswort, nach zweieinhalbtausend Jahren auf uns gewendet, drängt zur Abkehr von überstürztem Aktivismus und Hektik. Es schneidet ab von Gehetzt- und Getriebenwerden. Der Gestresste erfährt, wie die fremde Fessel, die an ihn gelegt wurde, wie vom Schwert durchgeschnitten wird.
Auch hier gilt, dass das Schwert geführt werden will. Das Wort vom Stillehalten und der Umkehr ist wie eine geistliche Waffenrüstung in die Hand zu nehmen und mit allen Fasern unseres Wesens zu leben.
Unter den ungezählten Denkmälern, die sich im Zentrum unserer Städte befinden, gibt es auch den Roland. Er steht in Brandenburg, Prag und an vielen anderen Orten. I2I Der berühmteste Roland hat seinen Standort vor dem Bremer Rathaus. Die Skulptur ist dort ca. 10 Meter hoch.
Der Bremer Roland hat ein ausgesprochen friedfertiges Gesicht und erinnert an Darstellungen des Erzengels Michael. Er trägt aber keine Lanze und ersticht keinen Drachen, sondern hat ein überdimensioniertes Schwert. Das prägt neben dem Schild mit dem Kaiserwappen die Skulptur. Das Schwert ist das wichtigste.
Der Legende nach war Roland ein Neffe Karls des Großen. Seine Stellung auf Märkten und vor Rathäusern soll wohl sagen, dass es selbst für einen Menschen mit einem so sanftmütigen Gesicht nicht ohne das Schwert geht. Eine Stadt, und sei sie noch so bürgernah, bedarf der Macht des Schwertes, des Schwertes als klärendem Gerichtsspruch, zur Abwehr der Verbrecher in der Stadt und der Feinde vor der Stadtmauer.
Im Mittelalter wurde Roland als Märtyrer verehrt. Als Beleg dafür dienen die ihm beigegebene Rose als Zeichen des Märtyrertodes. Der Bremer Roland hat zudem Engelsfiguren auf dem Gürtelschloss. Roland wird auf Fenstern zahlreicher gotischer Kirchen als Heiliger dargestellt.I3I
Versenkt man sich ein wenig in das schöne Bildwerk des Bremer Roland, so kann sich unsere Abneigung gegen das Bildwort vom Schwert verringern. Die Botschaft des unbekannten Bildhauers ist deutlich: Sanftmut und Schwert gehen zusammen.
Die Bildhauer, die den Roland darstellten, arbeiteten an einigen Orten mit einem besonderen Attribut. Zwischen den Füßen Rolands, am Boden liegend, sieht man in Bremen einen Mann mit einem abgeschlagenen Haupt.I4I In Zerbst liegt ein Hund zu Rolands Füßen.
Was kann die Botschaft sein? Auffällig ist bei der Bremer Skulptur, dass das Gesicht des Enthaupteten Rolands Gesicht ähnlich ist. Was soll das besagen? Als Deutung scheint mir die Feststellung sinnvoll, dass dieser dem Roland ähnliche Mensch zu Füßen des Rolands das erste ist, wogegen das Schwert zu richten ist. Der wichtigste Kampf richtet sich gegen sich selbst. Und der Hund? Mag er anbellen gegen das, was recht ist oder nicht, Roland hält ihn kurz.
Ich komme auf die Einleitung der Predigt zurück.
„Das Wort Gottes ist lebendig und voller Energie …“ Wir hatten Bedenken geäußert. Wo sind wir bei dieser Botschaft? Die Antwort heißt nunmehr: Das Wort Gottes ist das Wort einer eigenen Kategorie. Wie Gott lebt, lebt dieses Wort und wie Gott Leben erhält, erhält dieses Wort am Leben. Negativ gesagt: Das Wort Gottes, das lebendig, energiereich und schärfer als ein Schwert ist, ist keine Verlautbarung zu einem Thema, keine Nachricht, die morgen überholt ist, keine Information über eine Sache. Es ist auch keine „Geschichtswahrheit“, die uns über alte Zeiten und den Glauben der Menschen in dieser Zeit unterrichtet. Es ist anders als dieses. Um Welten geschieden. Man erfährt sie an ihrer Wirkung, wenn man an sie glaubt. Sie gibt Leben und Energie, sie trennt und heilt.
Als Mose starb, lauteten seine letzten Worte an das versammelte Volk:
„Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute bezeuge … Denn es ist nicht ein leeres Wort. Es ist euer Leben“(Deuteron. 32,46 ff.)
Gegen den Einspruch, wo und wann denn dieses Wort zum Leben verhilft und dass es so wenige Spuren dieses Wortes in unserem Leben gibt, beschwört Mose das Volk Israel … und mit dem Volk Israel auch uns, an diesem Wort festzuhalten. Juden und Christen glauben an die unbeschreibbare, aber wirkliche Macht dieses Wortes.
ANMERKUNGEN
I1I Jesaja 30,15 – Übersetzung nach Otto Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kapitel 13–39 Berlin 1973, S.232.
I2I Digital ist eine sachkundige Darstellung der Rolanddenkmale nachzulesen bei Dietlinde Munzel-Everling, Kaiserrecht und Rolandfiguren – ein weiterer Beitrag zur Rolandforschung, in: forum historiae iuris. Erste Internet-Zeitschrift für Rechtsgeschichte. http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/. Einfacher über „Roland“ nach wikepedia unter „weblinks“.
I3I Nach Munzel-Everling, Abschnitt 24 ff.
I4I Die Deutung ist umstritten. Ich folge Munzel-Everling, Abschnitt 29.
Wie Trennung Heilung bewirkt - Predigt zu Hebräer 4,12-13 von Ulrich Kappes
4,2-13
Perikope