Der Gottesdienst wurde gestaltet von Pfarrerin Norma Lennartz und Pfarrer Favor A. Bancin.

Pfarrerin Norma Lennartz:

Er wollte ein Wort. Ein besonderes Wort.
Gleich am Flughafen.
Mitten im Gewimmel.
Zwischen Koffern und Abschiedsküssen.

Wir holten Pastor Bancin dort ab und begrüßten uns:
„Hallo! Herzlich willkommen in Deutschland! Wie war die Reise?“
Dann gingen wir zum Ausgang.
Doch er blieb stehen.
„Would you please pray with us?”
Würden Sie bitte ein Gebet -mit uns sprechen?

Etwa hier, mitten im Flughafen?

Was hätten Sie gemacht?
Hätten Sie in aller Öffentlichkeit dort gebetet?
Auch wenn die Leute komisch geguckt hätten?

Liebe Gemeinde, wenn Menschen aus verschiedenen und Kulturen und Ländern
zusammen kommen, fordert das heraus.
Ganz automatisch.
Weil unsere Unterschiede plötzlich ganz offensichtlich werden: die Sprache, die Gewohnheiten.

Manchen macht das Angst.
Andere schauen neugierig hin.
Wieder andere lassen sich auf die fremden Kulturen ein.

Wir hatten zum Beispiel in der Gemeinde mal eine arabische Familie. Die hat einen Sohn bekommen. Und als es darum ging, wie der Junge heißen soll, war klar: Das Kind soll einen richtig deutschen Namen bekommen. Deshalb haben sie den kleinen Säugling Hermann genannt.

Ja, Traditionen und Gewohnheiten können abfärben.
Auch umgekehrt, wie Tim es eben erzählt hat: Er stimmt in die Gebete der Christen aus Ghana ein.

Aber: wie viel Veränderung wollen wir überhaupt − in unserer Gesellschaft und in unserer Kirche?
Und wozu soll diese Begegnung mit Fremden gut sein?
Unser Austausch, das gemeinsame Gespräch?

Der Prophet Jesaja hält viel davon. Er sagt:
9 So viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.10 Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. (Jesaja 55, 9-11)


Gottes Wort ist wie Wasser.
Es nimmt seinen Weg vom Himmel auf die Erde. Es macht den Boden fruchtbar und bereichert unser Leben.
Und ihm wird gelingen, wozu Gott es sendet.
Das Wort Gottes nimmt seinen Lauf wie das Wasser.
Denn es wurde ja nicht nur einmal ausgesprochen
und verhallte dann im All.
Gottes Wort wird immer weiter gesagt.
Hier bei uns in Wuppertal, dort, wo Sie leben und überall auf der Welt.

Es nahm seinen Anfang im Heiligen Land, sprang über Flüsse und Meere,  über Landes- und Sprachgrenzen hinweg. Jahrhunderte lang.
Unzählige Menschen auf allen Kontinenten haben  in Gottes Wort Halt und Trost gefunden.

Aber es gab auch dunkle Zeiten.
Jahrhunderte, in denen Gottes Wort verfälscht wurde.
Als Menschen es mit Schwert und Feuer durchsetzten. Mit Rassismus und Arroganz.

Gott sei Dank begegnen wir uns heute anders.
Wir sind gleichberechtigte  Partner.
Heute heißt  Mission: Nord und Süd, Ost und West tauschen sich aus. Bringen sich gegenseitig den Glauben und das Wort Gottes näher.
Und so kommen Menschen aus anderen Ländern auch in unsere Gemeinde.
Sie verkünden uns Gottes Wort. 
Auf ihre Weise.
Und wir erleben:
Neues wächst auf:
Unser Glaube wird reicher.

So hat mir eine Frau erzählt: „Ich treffe mich regelmäßig mit Frauen, die aus verschiedenen Ländern kommen und wir lesen die Bibel.
Seitdem ist mein Bild von Gott viel größer geworden.
Zum unserem Kreis gehört eine junge Frau aus Indonesien.
Vor zehn  Jahren hat es einen Anschlag auf ihre Studentengruppe gegeben.
Dabei ist sie durch eine Nagelbombe schwer verletzt worden.
Und nun sprachen wir über den Satz „Du sollst deine Feinde lieben.“

Da sagte sie: „Wir müssen offen sein für alle Menschen.
Ich bitte Gott, dass er mir die Kraft dazu gibt.“
Ich habe lange darüber nachgedacht und mir wurde klar:
Gott ist nicht nur der „liebe Gott“, bei dem wir geborgen sind.
Gott fordert mich auch heraus.
Es  kann sein, dass Gott sehr viel von uns verlangt.
Feinde lieben.
Das ist eigentlich eine Zumutung.
Von dieser Frau habe  ich gelernt,
wie ich meinen Frieden machen kann,
wenn mich etwas sehr belastet.
„Gott wird dir helfen.“ hat sie gesagt. „Bitte ihn darum“ .
Es ist, als ob bei solchen Begegnungen
Gottes Wort leibhaftig zu uns  kommt.
Und wir das, was wir längst zu kennen meinen,
nochmal neu entdecken.
In der Gemeinde oder in der Nachbarschaft:
Durch die junge Frau aus Indonesien,
die Familie aus dem Kamerun
durch die alte Frau aus Kasachstan,
oder durch Sie, lieber Pastor Bancin.
Gottes Wort  wird gelingen, wozu es gesandt ist.
Das geht nicht immer ohne Irritation
Ich habe das schon auf dem Flughafen gemerkt, als wir Sie abholten.

Nun standen wir da, zwischen all den Menschen und falteten die Hände.
Und ich spürte plötzlich:
Das Beten verbindet uns miteinander und auch mit Gott.
Es war schön, unseren gemeinsamen Weg so zu beginnen.
Auch wenn mich das zunächst irritiert hat.

Irritieren das bedeutet:
Etwas in mir wird angefragt,
angestoßen,
es kommt in Bewegung durch mein Gegenüber.

Ich kann darauf mit Abwehr reagieren
und mich verschließen.
Mit dem Risiko,
dass meine Seele dürr, hart und vielleicht sogar einsam wird,
wie ein trockener Boden, auf dem nichts mehr wächst.
Oder ich versuche, mich zu öffnen.
Und lasse zu, dass ich mich in Frage stellen lasse,
und mich vielleicht sogar verändere.
Der jüdische Philosoph Martin Buber sah darin einen großen Gewinn
für jedes Menschenleben.
Er sagte sinngemäß:
Wir Menschen sind vom ersten Atemzug an mit anderen verbunden.
Unser Leben ist Begegnung und Gespräch.

Darum wird jeder Mensch erst am Du zum Ich.
Ja, durch das Wort der anderen
wächst nicht nur unser Glaube.
Daran wächst unser ganzer Mensch.
Weite wirkt.
In uns selbst.
Im Gespräch unter vier Augen.
Zwischen Nachbarn .
Und durch Menschen von verschiedenen Kontinenten.
Wir können uns bereichern und weiter wachsen, ein Leben lang.
Auch dort, wo wir es niemals erwarten. 
Denn Gott verspricht:
Das Wort, das aus meinem Munde geht,
wird nicht wieder leer zurückkommen,
sondern es wird tun, was mir gefällt
und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Amen

Perikope
31.01.2016
55, 9-11