ZDF-Predigt von Vorsteher Christoph Radbruch
Predigt zu Judika (06.04.2014) von Vorsteher Christoph Radbruch, Pfeiffersche Stiftungen Magdeburg
Predigttext: Lukas 17,11-19
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
1. Können Sie sich die Szene vorstellen. Jesus und 10 Aussätzige. Da stehen sie am Rande eines Dorfes, ausgegrenzt. Die Aussätzigen in ihren Lumpen. Und Jesus steht da und schaut sie an und bemerkt ihre blutige Haut und ihre Lumpen.
So beginnt unsere Geschichte. Und die 10 Aussätzigen erheben ihre Stimme: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Wir können das verstehen, oder nicht. Es gibt in jedem Leben Zeiten, wo wir mit unserem Latein am Ende sind und nur noch um Hilfe rufen können. Es gibt Punkte im Leben, da wissen wir, dass unsere Not groß ist und unsere eigene Kraft zu schwach und dann rufen wir um Hilfe.
Das muss gar nicht so lautstark und dramatisch sein, wie bei den zehn Aussätzigen: Ich hatte vor einigen Monaten Schmerzen im Oberschenkel. Am Freitag denke ich noch, dass wird schon wieder. Aber am Samstag werden die Schmerzen immer stärker. Ich weiß nicht weiter und google mal: Schmerzen – Oberschenkel. Da kommt das Stichwort Thrombose. Ich denke, jetzt fragst du doch besser einmal einen Arzt um Hilfe. Ich gehe in die Notaufnahme hier im Krankenhaus. Da wird Blut abgenommen, eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Thrombose ist es nicht. Ischias. Gut Schmerztabletten und Physiotherapie haben dafür gesorgt, dass nach ein paar Tagen wieder fit war. Aber irgendwie war ich auch beleidigt, mein Körper hat zu funktionieren, dass mein Körper mir Grenzen setzt, das gehört sich nicht. Und ich habe dies Erlebnis auch als einen Schuss vor den Bug empfunden. Du musst jetzt akzeptieren, dass du auch in das Alter kommst, wo dein Körper nicht mehr so will, wie du willst.
Und auch in einem diakonischen Unternehmen wie die Pfeifferschen Stiftungen erleben wir Grenzen: Das Geld, das wir für unsere Aufgabenausgeben können, wird immer begrenzt sein. Da können wir noch so erfolgreich mit den Kostenträgern verhandeln. Die Zeit, die unsere Krankenschwestern für die Patienten haben ist nicht unbegrenzt, der Tag hat nur 24 Stunden.
Und zu unserem menschlichen Leben gehört, dass es begrenzt ist, die lassen sich manchmal ein bisschen nach hinten verschieben, aber wir müssen letztendlich Grenzen akzeptieren. Am Schluss ist unser Leben durch den Tod begrenzt, das erleben wir nicht nur im Hospiz und den Pflegeheimen unserer Stiftungen. Der Tod die eine große Unverschämtheit und der erbarmungsloser Zerstörer. Er zerstört den Leib. Er schneidet die Fäden durch, die Menschen miteinander verbunden haben. Die letztendliche Grenze des Lebens.
Wenn wir so an unsere Grenzen kommen – was dann? Wie gehen wir damit um? Einfach so weitermachen, solange es nur irgendwie geht. Sich möglichst nichts anmerken lassen – das versuchen viele. Und manche geben sich auch auf. Die zehn Aussätzigen in unserer Geschichte machen etwas anderes. Sie rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser. An der Front unseres Krankenhauses ist dieser Ruf zu lesen.
Manchmal wenn's einem die Sprache verschlagen hat ist dieses Rufen auch nur ein Seufzer. Vielleicht eher ein leiser zögerlicher Gedanke Gar nicht so sichtbar, wie die Inschrift über dem Eingang unseres Krankenhauses oder so unüberhörbar laut wie bei den zehn Aussätzigen die Jesus gegenüberstehen, die sich nicht schämen laut um Hilfe zu rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!
2. Und was antwortet Jesus? Man kann sich vieles vorstellen, aber völlig überraschend gibt er einen Befehl: Geht. Wir stellen uns Jesu ja immer als einen mitfühlenden und einfühlsamen Mann vor. Der die Sorgen der Menschen aufnimmt. Aber nein, hier gibt er einen Befehl: Geh.
Immer wieder kommen Menschen zu Gott völlig gefangengenommen von unseren Problemen. Voll mit unserer Klage über unsere Nöte. Und was bekommen wir von Gott als Antwort: einen Auftrag: Geh, mach dich auf den Weg. Meine Rückenschmerzen vor einigen Monaten habe ich als die Aufforderung verstanden, mich auf den Weg zu machen, indem ich mich mit dem Älterwerden auseinanderzusetze, darüber nachdenke, was es heißt, dass meine Vergangenheit größer ist als meine Zukunft und als den Auftrag, wieder regelmäßig Sport zu machen.
Wir glauben ja oft, dass es Gott es Aufgabe ist, uns zu trösten, ein Trostpflaster auf unsere Seelen klebt. Aber er erfüllt uns diesen Wunsch nicht immer. Manchmal Gottes Antwort auf unsere Klagen ist ein klarer Befehl. Mach dich auf den Weg. So wie bei den Aussätzigen, sie riefen bei Jesus um Hilfe. Und was bekamen sie als Antwort. Jesus drehte sich um und sagte. Geht! Geht und zeigt euch den Priestern. Er gab einen Befehl: Macht euch auf den Weg.
3. Die Aussätzigen machten sich auf den Weg und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der tut, was ihm befohlen ist. Die Aussätzigen gehorchten dem Wort Jesu. Sie glauben ihm. Ja es geht hier um Glauben. Glauben ist dem Wort Jesu gehorchen.
Wir meinen ja oft, glauben wäre etwas für wahr halten. Also zum Beispiel etwas das man mit dem Verstand nicht erklären kann und deswegen eben nur Glauben kann. Und dann kommt es eben zu Missverständnissen, dass Glauben verstanden wird als das Für-Wahr-Halten der Tatsache, das Jesus über Wasser gehen kann oder Maria eine Jungfrau war.
Oder wir halten Glauben für ein Gefühl, das unsere Herzen erfüllt. So ein frommes Gefühl von Gott, das uns ganz erfüllt. Aber das ist nicht der Glaube in dieser Geschichte aus der Bibel. Dieser Glaube, der hat Hände und Füße. Dieser Glauben ist tun und gehorchen. Glauben ist nichts weniger als sich auf Gottes Wort hin auf den Weg machen. So wie sich zum Beispiel Gustav Adolf Pfeiffer, der Gründer unserer Stiftungen auf den Weg machte um Geld zu sammeln für die Versorgung von Krüppeln, wie man damals behinderte Menschen nannte. Als er 1881 als Pfarrer und Superintendent nach Cracau kam, einem Vorort für Industriearbeiter am Rande Magdeburgs kam sah er sehr schnell, dass die meisten Einwohner – Männer wie Frauen, um zu überleben in den großen Magdeburger Fabriken auf der anderen Seite der Elbe arbeiteten mussten. Er erkannte sehr schnell, dass sich niemand um diejenigen kümmerte, die nicht arbeiten konnten: die Kinder, Kranken und Alten. Diese Situation verstand er als Auftrag und machte sich auf den Weg über die Elbe in die Stadt Magdeburg. Dort sammelte er Spenden bei den Fabrikbesitzern, richtete einen kleinen Kindergarten ein und baute 1889 das Johannisstift als Pflegeheim.
Sie wie sich zum Beispiel die Mitarbeiter der Behindertenhilfe unserer Stiftungen immer wieder auf den Weg machen zu den Behörden, um sich dafür einzusetzen, dass Familien in denen die Eltern behindert sind und einen unterschiedlichen Hilfebedarf haben, trotzdem zusammen wohnen können. Heute noch muss ein junger Vater, nennen wir ihn Markus, abends sein Kind und die Mutter verlassen, weil auf seinem Förderbescheid ambulantes Wohnen steht. Er braucht nur wenige Stunden Hilfe in der Woche, z.B. zum Schreiben der Einkaufsliste. Seine Lebensgefährtin und ihr gemeinsames Kind brauchen intensivere Betreuung, deswegen steht auf ihrem Förderbescheid "intensiv betreutes Wohnen" Und da Vater und Mutter in verschiedenen Leistungstypen der Behindertenhilfe einsortiert sind, erlauben die Kostenträger nicht, dass sie in derselben Wohnung wohnen.
Die Mitarbeiter der Behindertenhilfe und Gustav-Adolf-Pfeiffer haben sich auf den Weg gemacht, so wie die Aussätzigen sich auf den Weg machten und taten was Jesus Christus ihnen befohlen hatte. Was für ein Glauben. Glaube, der sich auf den Weg macht.
4. Und was für ein Skandal! Jesus schickt die Aussätzigen los ohne geheilt zu sein, um sich den Priestern zu zeigen. Nach jüdischem Gesetz mussten sich Aussätzige, falls sie doch einmal wieder gesund wurden, von einem Priester offiziell als rein deklarieren lassen Aber die blutigen Knoten im Gesicht und an den Händen sind noch sehen und trotzdem sagt Jesus sag zu Ihnen: Geht zum Priester! Und die Aussätzigen gehorchen Jesus und vertrauen ihm. Sie gehen los um sich etwas beim Priester bestätigen lassen, was noch gar nicht mal ansatzweise passiert ist. Und auf dem Weg werden sie dann geheilt, noch bevor sie ankommen. Der Zeitpunkt der Heilung geschieht also erst, als sie sich aufmachen, als sie losgehen, um sich vom Priester die Heilung bestätigen zu lassen. Losgehen im Vertrauen, dass sich auf dem Weg etwas verändert.
Anders als in dieser Geschichte, kann es sein, dass wir losgehen im Vertrauen auf Gott und die Krankheit doch nicht loswerden. Vielleicht haben wir nicht genau hingehört, dass Gott uns den Auftrag gegeben hat, zu lernen mit dieser körperlichen Grenze zu leben. Und sich erst etwas verändert, wenn wir uns auf diesen Weg machen.
Sich so auf den Weg machen, im Vertrauen, dass Gott etwas verändert. Von diesem Glauben sagt Jesus zum Schluss der Geschichte: Steh auf und geh, dein Glaube hat dich geheilt.
5. Für neun ist die Geschichte damit zu Ende. Nur einer, der kehrt um und kommt wieder zu Jesus. Er preist Gott mit lauter Stimme. Dankt Jesus als Ein-Mann-Lobpreischor.
Und deswegen feiern wir jetzt auch gemeinsam Gottesdienst, um Gott zu loben mit Liedern und Gebeten. wir werden nach diesem Gottesdienst wieder in unseren Alltag gehen und sind aufgerufen, dort zu versuchen Gottes Willen zu tun.
Aber jetzt, jetzt ist der Zeitpunkt Gott die Ehre zu geben und unseren Lobgesang anzustimmen. Hier sind wir, die christliche Gemeinde, die umdreht, zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Lasst uns Gott loben und gemeinsam singen...
Das Textbuch zum Gottesdienst finden Sie hier.