Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Reinhard Schmidt-Rost

Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Reinhard Schmidt-Rost
15,19-28

19 Wenn die Hoffnung, die Christus uns gegeben hat, nicht über das Leben in der jetzigen Welt hinausreicht, sind wir bedauernswerter als alle anderen Menschen.
20 Doch es verhält sich ja ganz anders: Christus ist von den Toten auferstanden! Er ist der Erste, den Gott auferweckt hat, und seine Auferstehung gibt uns die Gewähr, dass auch die, die im Glauben an ihn gestorben sind, auferstehen werden.
21 Der Tod kam durch einen Menschen in die Welt; entsprechend kommt es nun auch durch einen Menschen zur Auferstehung der Toten.
22 Genauso, wie wir alle sterben müssen, weil wir von Adam abstammen, werden wir alle lebendig gemacht werden, weil wir zu Christus gehören.
23 Aber das geschieht nach der von Gott festgelegten Ordnung. Zuerst ist Christus auferstanden. Als nächstes werden, wenn er wiederkommt, die auferstehen, die zu ihm gehören.
24 Und dann wird Christus die Herrschaft Gott, dem Vater, übergeben – dann, wenn er allen gottfeindlichen Mächten, Kräften und Gewalten ein Ende bereitet hat; dann ist das Ziel erreicht.
25 Denn Christus muss so lange herrschen, bis »Gott ihm alle seine Feinde unter die Füße gelegt hat«.
26 Der letzte Feind ist der Tod, aber auch ihm wird schließlich ein Ende bereitet,
27 denn es heißt in der Schrift: »Alles hat Gott ihm unter die Füße gelegt.« Ausgenommen von diesem »alles« ist natürlich der, der Christus zum Herrscher über alles gemacht hat.
28 Wenn dann alles unter die Herrschaft von Christus gestellt ist, wird er selbst, der Sohn, sich dem unterstellen, der ihn zum Herrn über alles gemacht hat. Und dann ist Gott alles in allen.   (Neue Genfer Übersetzung).

Liebe Gemeinde,
bald sind es 2000 Jahre, seit Jesus von Nazareth unter den Menschen wirkte und wirkt. Seine Worte werden weiterhin und unaufhörlich von Generation zu Generation weitergegeben. Er hat mit seinen Worten so viele Menschen erreicht und in ihren Herzen berührt, wie sonst kein Mensch, der jemals gelebt hat. Und er bewegt auch uns, und wir geben diese Bewegung weiter! Sollten wir das nicht Auferweckung nennen? 
- Bei einer Fernsehsendung mit einer solche „Quote“ würde man sagen: Die Sendung lebt! -     

Christus lebt und wirkt mit seinem Geist in den Menschen, gestern und heute und in Ewigkeit. Er ist in einer Sphäre wirksam, die in Raum und Zeit hineinwirkt, aber nicht von dieser Welt ist. So spüren wir ihn und deshalb sprechen wir mit den ersten Zeugen: Er ist wahrhaftig auferstanden!
  
Wer wollte angesichts der Wirkung, die Christus auf unser Leben ausübt, nach einem Reanimierten in einem vergänglichen Körper, in irdischer Gestalt fahnden, um durch Betasten zu beweisen, dass da eine Wiederbelebung stattgefunden hat? Und was hätte eine solche Entdeckung für eine Bedeutung? Die Worte des Christus verbinden alle, die sie hören und bewahren, mit ihm und seinem geistigen Leben jenseits von Raum und Zeit.

Der Tod aber ist die Kraft, die seit Adam und Eva auf die Menschheit einwirkt, sie an Raum und Zeit fesselt, und sie von Gott, der Quelle allen Lebens, entfernt. Der Tod ist der Meister des Lebens, er treibt die Menschen in seine eigenen  Arme. Die Kraft des Todes aber ist der jedem Menschen angeborene Egoismus . Diese Kraft entfernt von Gott, der Quelle des Lebens. Die Trennung von Gott bringt immer wieder Herrschaft und Gewalt von Menschen über Menschen und gegen Menschen hervor, diese Erfahrung begleitet die Menschheit, seit sie denken kann. Der Mensch will selbständig sein, sich selbst behaupten, er will sein, was nur Gott sein kann: Die Quelle allen Lebens. Der Mensch kann aus dieser Quelle des Lebens schöpfen, durch die Worte Christi, durch die Liebe, die sich Menschen entgegenbringen, aber er ist diese Quelle nicht selbst, so sehr er sich anstrengt, das Leben zu beherrschen oder zu manipulieren. Er gerät bei allen eigenen Anstrengungen immer wieder unter die Macht des Todes.

Noch hat der Tod die Menschheit in der Hand, aber der Apostel Paulus hat eine Erfahrung gemacht, die ihn auf eine ganz neue Art von Herrschaft hoffen lässt. Seit ihm Christus begegnet ist, hofft er darauf, dass  „Gott alles in allem sein wird“.

Diese Worte der Hoffnung „Gott wird sein alles in allem“ schließen der Sache nach unmittelbar an die Worte über die Liebe an, die Paulus wenige Zeilen zuvor in diesem Brief aufgeschrieben hat, wo er die Liebe rühmt als die Kraft, die niemals aufhört, die in Ewigkeit strömt und Leben hervorbringt: Die Liebe hört niemals auf, so doch die Weissagungen und das prophetische Reden aufhören werden.

Gott wird sein alles in allem, so beschreibt der Apostel die neue Herrschaft und das andere Leben, das er erwartet. Viele Menschen können sich diese andere, neue Herrschaft und dieses neue Leben in ihrem Leben nicht vorstellen, sie sehen und erleben nur die üblichen Versuche der Selbstbehauptung des einen gegen den anderen, den Sieg der Starken über die Schwächeren, die Leistungsvergleiche und Wettbewerbe.  Sie registrieren nur Bosheit und Mißgunst, schonungslose Brutalität, Willkür und Gewalt. Und die Ordnungen der Gesellschaften nehmen sie allenfalls als Notbehelf wahr, der das Leben nur mühsam und unzureichend unterstützt.

Dabei ist das alte Leben im Schatten des Todes doch schon berührt von der neuen Herrschaft der Liebe und dem neuen Leben in der Gemeinschaft mit  Gott. Neue Herrschaft und neues Leben sind dort zu spüren, wo Menschen von der Kraft der Liebe erfüllt, von ihrem Egoismus gelöst werden, in ihrer Seele geheilt werden von den Wunden, die sie im Kampf um Selbstbehauptung erlitten und zugefügt haben.

Liebe Gemeinde,
das feiern wir an Ostern: Der Tod ist nicht mehr Alleinherrscher in der Welt. Die Kämpfe, Kriege und Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen, zwischen Interessengruppen und Nationen sind als Lebensmittel, als Mittel der Bewahrung des Lebens in die Kritik geraten. Die Kultur der Menschheit orientiert sich seit Ostern neu: Die Macht der Liebe wird nun als die Kraft erkannt und anerkannt, die wirklich Leben schafft, die Verständigung und Versöhnung anstrebt, die Gegensätze nicht verschärft, sondern mildert.

Allgemein durchgesetzt hat sich diese Überzeugung bis heute noch nicht, aber sie gewinnt weltweit und in verschiedenen Religionen immer mehr Anhänger. Die Liebe ist die Lebenskraft der Menschheit für alle Zukunft, - und wo sie missachtet oder gar niedergeschlagen wird da steht sie immer wieder auf, nicht um selbst zu siegen, sondern um zum Besten der Menschen zu wirken, durch Menschen.

Die Gemeinschaft derer, die an die Macht der Liebe als Lebenskraft glauben, stärkt sich in diesem Glauben durch die Zeichen von Taufe und Abendmahl.[1] In diesen beiden Zeichen vergewissert sich die Christenheit, dass das Leben ein Geschenk und seine Erhaltung nicht selbstverständlich ist, aber dass wir um Vergebung bitten und auf Erlösung aus unserem Egoismus immer neu hoffen dürfen. Es sind evangelische Oster-Zeichen.

Amen.
 


[1] Im Ostergottesdienst in der Bonner Schloßkirche wird in diesem Jahr ein fünf Jahre altes äthiopisches Mädchen getauft, das von einer deutschen Familie adoptiert worden ist. Außerdem feiern wir das Heilige Abendmahl. Als Taufspruch für ihr sehr munteres Mädchen, Rhama, haben sich seine Eltern das Psalmwort: "Mein Herz ist bereit, o Gott/mein Herz ist bereit./Ich will Dir singen und spielen." (Ps. 108, 2).- Mit Rücksicht auf die beiden Feiern ist die Predigt relativ kurz. Sie kann aber im Schlussteil leicht ergänzt werden durch Erfahrungen der Predigerinnen und Prediger mit der belebenden Kraft der Liebe in ihrem Umkreis

 

Perikope
20.04.2014
15,19-28

Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Frank Zeeb

Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Frank Zeeb
15,19-28

Liebe Gemeinde,

ein kluger Mann hat über den Osterglauben gesagt: „mit einem Geheimnis kann man leben, wenn man Vertrauen hat.“ Ich finde, er hat recht: Den Osterglauben kann man mit dem Verstand nicht durchdringen, er bleibt ein Geheimnis. Das Geheimnis heißt: „Christ ist erstanden“. Mehr nicht. In diesen drei Worten ist das ganze Geheimnis umschlungen. Wir haben es vorher auf dem Friedhof gesungen, wir werden es nachher noch einmal singen und unsere orthodoxen Mitchristen rufen es sich als Gruß zum Ostermorgen zu: Christos anesti – und die Antwort lautet „Alithos anesti“. Er ist wahrhaftig auferstanden. Die Ostkirchen haben ja überhaupt einiges bewahrt, was in der eher nüchternen westlichen Kirche – und bei uns Protestanten gleich gar – verloren gegangen ist. Sie feiern die göttliche Liturgie als ein Geheimnis, in dem sich ereignet, was verkündigt wird. Nicht weil es etwas zu verstehen gibt, weil es vom Verstand her klar ist, sondern weil es ihnen wichtig ist, dass das Geheimnis Geheimnis bleiben darf. Ich erzähle das deswegen so ausführlich, weil Ostern in diesem Jahr in besonderer Weise ein ökumenisches Fest ist. Normalerweise unterscheidet sich das Kirchenjahr der östlichen Kirchen von unserem – meist sind wir mit unseren Festen knapp zwei Wochen eher dran. Das hat mit dem Kalender zu tun, auch mit astronomischen Gegebenheiten. Aber in diesem Jahr fällt in Ost und West, in allen Konfessionen der Ostertermin auf den heutigen Sonntag. Ich finde das ein wunderbares kirchenverbindendes Symbol: Die Christenheit ist eins in dem Bekenntnis: „Christ ist erstanden“ und sie darf das heute zusammen und in Einheit bekennen. „Christ ist erstanden“ – das älteste Bekenntnis im Neuen Testament, das älteste liturgische Stück in unserem Gesangbuch und die gemeinsame Grundlage aller Christenmenschen, die aus diesem Geheimnis leben, mit ihm leben und darauf vertrauen. Ist es Ihnen aufgefallen? Unser Predigttext erzählt nicht. Da ist er anders als die Evangelien, die in immer neuen Anläufen die Botschaft von der Auferstehung erzählend ausdrücken. Sie erzählen von Menschen, die zu Auferstehungszeuginnen und -zeugen wurden, von Maria, von Maria Magdalena, von Simon Petrus, von Johannes, Thomas und vielen anderen. Sie schildern deren Gefühle, ihre Ängste und Sehnsüchte, ihre Hoffnung und ihren Zweifel. Wenn wir von Ostern sprechen, dann fallen uns in der Regel diese Geschichten ein. Bei Paulus findet sich nichts von alledem. Er geht davon aus, dass es eine Tatsache ist, dass Christus auferstanden ist. Die hinterfragt er nicht, er setzt sie voraus. Wie das geschehen ist, das darf Geheimnis bleiben. Aber was das Geheimnis bedeutet, was es mit uns zu tun hat und wie wir dem Geheimnis vertrauen können, das ist Paulus wichtig. Man könnte auch sagen: Er spürt dem Geheimnis nach. Er versucht es einzuordnen. Er bietet alles auf, was er von Christus und von der Schrift weiß, um das Geheimnis ins rechte Licht zu stellen, um es relevant zu machen, um es in Zusammenhänge zu stellen, dass es Vertrauen weckt.

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth. Offenbar war die Situation dort nicht ganz einfach. Wir wissen von Spannungen. Soziale Gegensätze brachen auf, auch theologische. Die kleine Gemeinde stand vor der Spaltung. Die Armen wollten nicht mehr mit den Reichen feiern, weil die sie ihre Armut allzu deutlich spüren ließen. Dann verteilten sich unterschiedliche Frömmigkeitsformen auf verschiedene Parteiungen. Neben einer – modern gesprochen – volkskirchlich orientierten Gruppe stand eine – wieder modern ausgedrückt – charismatische Gruppierung, die nur die persönliche und unmittelbare Glaubenserfahrung gelten ließ und alles andere abtat. Vor allem letztere hatten natürlich mit dem Geheimnis der Auferstehung ihre Schwierigkeiten.

Sie hatten ja den Auferstandenen zwischen Ostern und Himmelfahrt nicht aus eigener Anschauung gesehen. Auch Paulus, der ihnen die Botschaft verkündigt hatte, war kein unmittelbarer Auferstehungszeuge. Hinzu kam, dass die Auflösung des Geheimnisses auf sich warten ließ. Statt der Erfüllung der Verheißung, der Wiederkunft Christi und des Einbruchs des Gottesreiches kam der Alltag. Schlimmer noch: Mitchristen starben und wurden begraben – kein Wunder, dass eine geistorientierte, erlebnisgesteuerte Frömmigkeit zu der Schlussfolgerung kommen musste: Es gibt gar keine Auferstehung der Toten. Jesus von Nazareth mag auferstanden sein, aber er ist zum Vater zurückgekehrt, er regiert die Welt nun durch seinen Geist. Es gilt jetzt zu leben und zu glauben. Noch ist Zeit, wenn wir alle einmal sterben, wird es zu spät sein.

Diese Denkweise bewirkte eine radikal diesseitige Glaubenswelt. Es galt das Leben auszukosten, den Glauben unmittelbar zu leben, ohne jedes Vertrauen und ohne Hoffnung auf eine Zukunft – und das heißt: ohne das Geheimnis. Insoweit ist die Situation des Paulus der unseren nicht ganz unähnlich. Die neue Mitgliedschaftsstudie der EKD und andere Befragungen legen den Schluss nahe: Nur noch eine Minderheit, auch unter den Gemeindegliedern, sogar unter den Hochverbundenen, glaubt noch an die Auferstehung der Toten, kann etwas anfangen mit dem Geheimnis, Trost und Hoffnung schöpfen aus der großartigen Vision vom Reich Gottes – vielleicht ist diese Hoffnungslosigkeit ja mit ein Grund dafür, dass unsere Welt so ist, wie sie ist.

Paulus entfaltet seinen Korinthern das Geheimnis, indem er sie dort abholt, wo sie stehen. Er nimmt ihre Zweifel und Fragen ernst, aber eben auch die Grundsäulen ihres Glaubens. Dass Christus auferstanden ist, bezweifelt in Korinth niemand. Dass Jesus gekreuzigt und begraben wurde, auch nicht. Damit sind die beiden Grundbekenntnisse ausgesprochen. Paulus stellt das nun in einen ganz weiten Zusammenhang, indem er gleichsam eine Ellipse zeichnet: eine große geometrische Figur, die um zwei Brennpunkte kreist, auf die hin sich alles beziehen lässt: Karfreitag und Ostern. Kreuz und Auferstehung, Tod und ewiges Leben, Schöpfung und Vollendung. Am Karfreitag erfüllt sich das wahre Menschsein Jesu Christi, denn der Mensch erleidet den tiefsten Tiefpunkt, den ein Mensch nur leiden kann. An Ostern wird die ganze Gottheit Jesu Christi offenbar, denn nur Gott selbst kann den Tod besiegen. Im Karfreitag kommt die Schöpfung an ihr Ziel, denn Geschaffen-Sein, das ist ein Sein zum Tode. Was als Geschöpf in die Welt gekommen ist, das muss diese Welt auch durch den Tod wieder verlassen. An Ostern geschieht aber der Umschwung, sozusagen die Wende der Heilsgeschichte und der Welt. Die Endzeit bricht sich Bahn in der Jetzt-Welt, denn nur vom Reich Gottes her kann der Tod überwunden werden. Paulus erinnert an die Geschichte von Adam, dem urtypischen Menschen. Adam war der wahre Mensch, wie schon sein Name sagt. Er hielt die Nähe Gottes nicht aus, und begab sich in die Gottesferne, in die Sünde, in die Sphäre des Todes. Wir alle sind als Menschen wie Adam, unfähig, die Nähe Gottes zu ertragen und unbedingt dem Tod verfallen – Karfreitagsgeschöpfe eben. Deshalb, so Paulus, wird Gott selber Mensch, damit es nach dem Karfreitag Ostern werden kann, damit das Leben sich durchsetzt, damit Sünde, Tod und Weltverfallenheit nicht das letzte Wort behalten dürfen. Gottes Sohn lebt als Mensch das Leben des Karfreitagsmenschen mit allen seinen Brüchen. Und er lebt als Osterwesen das Leben von der endzeitlichen Herrlichkeit Gottes her, von einer Welt, in der es keine Kriege mehr geben wird, wie in der Ukraine und in Syrien, keine Terroranschläge wie in Afghanistan, in der Menschen nicht einen grausamen, elenden Tod sterben, geplagt von Krankheit und Schmerzen, in der das Recht des Stärkeren sich nicht durchsetzt und die Existenz der Armen nicht weniger lebensfroh ist als die der hohen Herrschaften. Beides lässt sich integrieren, das Leben vor Karfreitag und das Leben nach Ostern, und ist schon integriert, in dem einen, der beides ist: der karfreitägliche Mensch und der österliche Gott. Wer kann das Geheimnis fassen, das uns in Christus und seinem Weg begegnet?

Einen Königszugang wird es hier nicht geben. Es ist eben ein Geheimnis, das wir mit dem Verstand nicht erfassen können. Wenn es aber richtig ist, was wir glauben, dass mit der Auferstehung etwas neues in die Geschichte und in unsere Welt hereinbricht, dann hat die Welt, in der wir leben, eine neue Qualität. Sie braucht sich dann nicht mehr messen zu lassen an den grausamen Abläufen der Weltgeschichte, an der Wiederkehr des Ewig-Gleichen, an Sachzwängen, Naturnotwendigkeiten und dem Gesetz von Fressen und Gefressen-werden. Dann können wir leben als Protestleute gegen den Tod. Die Welt wird davon nicht mit einem Schlag besser. Sie wird vielleicht nicht einmal anders. Aber bei uns ändert sich etwas. Wir leben aus der Hoffnung, denn wir kennen seit dem Ostermorgen das Geheimnis, was die Welt im Innersten zusammenhält. Es ist die Tatsache, dass Gott das Leben will und nicht den Tod. Von diesem unbedingten Lebenswillen Gottes her, ergibt manches Sinn, was in der Welt nicht verständlich ist, womit man sich auch nicht abfinden darf. Die Welt und unser Leben steht weiterhin unter dem Kreuz des Karfreitags. Das zu leugnen, wäre töricht. Aber die Frage, die alles entscheidende Frage, lautet doch: Lassen wir es dabei resigniert bewenden und setzen damit unser Vertrauen und unsere Hoffnung auf den Tod – oder geben wir dem Geheimnis eine Chance, die Welt von Ostern her zu beleuchten, sich selbst in dem zu bewahrheiten, was verkündigt wird.

Marie-Louise Kaschnitz hat diese Hoffnung im Alltag in ein Gedicht gefasst:

Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

In diesem Sinne: Lichtvolle Ostern! Amen.

Perikope
20.04.2014
15,19-28

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Claudia Trauthig

Predigt zu 1. Korinther 15,1-11 von Claudia Trauthig
15,1-11

I.

Liebe Gemeinde,

„Christ ist erstanden (– er ist wahrhaftig auferstanden!)“

Mit diesem traditionellen Ostergruß haben wir unseren Gottesdienst vorhin eröffnet.

Eigentlich sind das nur drei schlichte Wörter –

und doch ist es ein Satz, der die ganze Welt und unser aller Leben verändert: Seine verändernde Kraft weckt die Sehnsucht des Herzens - und beflügelt unseren Verstand. Die Dynamik des Lebens lässt sich nicht mehr aufhalten. Als zarter Ruf dringt sie aus dem leeren Grab Jesu – und ist seit diesem ersten Ostern nie mehr verstummt - und wird es auch nie: Christ ist erstanden.

Nicht nur ist diese Botschaft nie mehr verstummt, sie hat sich ausgebreitet und breitet sich aus. Denn so ruft und singt und tanzt man heute nicht mehr nur in Jerusalem, sondern rund um den Erdball, bis an die entlegensten Enden der Erde: Christ ist erstanden!

Nur drei Worte. Doch in ihnen ist alles eingeschlossen. Das Herz wird leicht und die Menschheit frei: befreit zum Leben. So will es Gott.

Durch diese drei Worte konnte ein Mensch wie Bonhoeffer ruhig den Henker erwarten und seinen Mördern zuletzt folgenden Satz mitgeben:

„Für euch ist es das Ende,

für mich aber der Beginn des Lebens.“

Durch diese drei Worte können auch wir den Mut und die Hoffnung aufbringen, von den Gräbern… zurück in das Leben zu gehen: Von den vielen Gräbern in unserem Leben, jenen auf den Friedhöfen, aber auch den anderen im eigenen Lebenslauf. Nicht verzweifeln müssen wir, wenn wir an Grenzen kommen, nicht haltlos auf die Leere starren, die der Tod reißt. Wir Christenmenschen können die Lücke halten, hier und heute mit Bruchstücken leben, aufrecht, aufgerichtet und getrost – durch Christus.

Ostern übertrifft jedes Frühlings- und Hasen-Ostereierfest bei weitem. Ostern ist das Evangelium unseres Lebens. Wer Ostern nicht hat, versäumt das wahre Leben. So entschieden unterstreicht es jedenfalls Paulus.

Der Predigttext für Ostersonntag 2014 ist ein Abschnitt aus seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Ein ganzes Kapitel widmet Paulus hier der Frage nach der Auferstehung. Nicht viel anders als heute werden auf dem religiösen Markt diverse Angebote gehandelt. In Korinth gibt es Skeptiker, die mit „Auferstehung“ gar nichts anfangen können. Dann sind da andere, die irgendwie schon glauben, dass es mehr noch gibt als den Tod… Aber eine leibliche Auferstehung, in einem neuen Leib, wie es die Christen behaupten, scheint ihnen zu weit hergeholt. Wieder andere, geprägt von ihren jüdischen Wurzeln, haben kein Problem mit einer leiblichen Auferstehung, aber selbstredend nur für die Gerechten, am Ende aller Zeiten.

Braucht es überhaupt den Glauben an die Auferstehung, um Christ zu sein?

Hören wir, wie Paulus antwortet:

II.

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.

Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden.

Ein jeder aber in seiner Ordnung:

als Erstling Christus, danach, wenn er kommen wird, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm „alle Feinde unter seine Füße legt.“

Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn „alles hat er unter seine Füße getan“.

Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.

Liebe Gemeinde,

so sehr der Apostel in den Jahren seiner missionarischen Arbeit immer wieder Zugeständnisse macht, die Lebenswelt seiner Adressaten ernst nimmt und ihren Hintergrund in seine Arbeit integriert… Hier bleibt Paulus kompromisslos:

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

So unverzichtbar Christus, das Evangelium für diese Welt und dein alltägliches Leben sind - so unzureichend ist, wenn damit schon alles „erledigt“ wäre. Das Evangelium ist mehr als bloß Lebenshilfe im Alltag. Wer sich nicht weiter wagt, glaubt letztlich nicht an den Ewigen, den lebendigen Gott, sondern an den Tod.

Wer an den Tod glaubt, aber bleibt gefangen. Wer an den Tod glaubt, versucht aus jedem Tag das äußerste herauszupressen - koste es, was es wolle. Wer an den Tod glaubt, versucht sogar aus sich selbst das Äußerste herauszuholen… und sei es das Leben. Wer an den Tod glaubt, verkümmert, stirbt schon jetzt und hier.

Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.

Sich zu Christus bekennen, bedeutet für Paulus: das wahre Leben haben, ohne ans Äußerste gehen zu müssen: Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten.

Diese Ostermelodie macht uns zu Menschen, die nicht nur mit den Lippen bekennen, die Ostern nicht nur loben - sondern es leben. Und dies nicht allein für sich, sondern für den Nächsten, die Nächste – die Schöpfung. Ostern ist immer ein Gemeinschaftsereignis!

Paulus jedenfalls hat die Welt klar im Blick. Weltvergessenheit lässt sich dem frühen Christentum nicht unterstellen. Der Auferstandene sitzt doch zur Rechten des Vaters und erhebt Anspruch auf Leben und Wirken in der Welt: Denn er muss herrschen, bis Gott ihm „alle Feinde unter seine Füße legt“…(…)  damit Gott sei alles in allem.

Spekulationen, wann und wie dies geschieht, vermeidet Paulus. Da bleibt er ganz nüchtern. „Jedes Schwelgen in Phantasien“, schreibt ein heutiger Exeget, „wäre eine Beleidigung Gottes“. (Klaus Berger)

III.

Liebe Gemeinde,

Ostern heißt: fest vertrauen, dass nicht die Hoffnung zuletzt stirbt, sondern der Tod. Ostern heißt: erkennen, dass alle Mächte des Todes längst von einer tödlichen Kraft befallen wurden, weil das Leben siegt.

Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.

Die Mächte des Todes werden für uns und auch mit uns weiter vernichtet, immer und überall, wo wir dem Leben dienen und uns nicht zu Handlagern des Todes herabstufen lassen.

Wann und wie das passiert?

Unentwegt. Unzählig. Namenlos.

Oftmals leise; hier und da aber doch auch aufsehenerregend und mit lautem Jubel.

Ostern will uns Augen, Ohren und alle Sinne dafür öffnen: Auferstehung ist mitten unter uns. Sie gehört jetzt und längst zum Leben. Ostern ist Evangelium. Evangelium aber sind Botschaften, Nachrichten, die froh machen, weil sie dem Tod ins Gesicht lachen und Leben schaffen.

Je mehr ich meine Augen und Ohren in der Passionszeit geschärft habe, umso mehr Lichtstrahlen konnte ich entdecken, Ostertöne hören…

- Da erzählt mir ein Freund aus den sogenannten neuen Ländern, wie wundervoll für ihn noch immer, 25 Jahre nach dem Mauerfall dieses Ereignis ist und bleibt: „Am 4. November `89 bin ich in Berlin zu dieser riesigen Demo gegangen. Ich lief ganz am Rand, denn ich hatte meinen Kleinen im Wagen dabei. Wir hatten große Angst vor der Staatsmacht und vor Eskalation. „Die Mauer muss weg“, riefen da ein paar und manche stimmten mit ein. „Träumer“ dachte ich noch. Sind wir froh, wenn sich langsam etwas bewegt… 5 Tage später war die Mauer Geschichte.“

- Da sehe ich im Fernsehen, wie sich Frauen und Mädchen, alte und junge, Mütter und Töchter, Omas und Schwestern rund um den Globus versammeln. Freundinnen verabreden sich: Gehst du auch hin? Über das weltweite Netz üben sie einen fröhlichen Tanz. One billion rising heißt die lebensfrohe Aktion, die Frauen Mitte Februar 2014 auf öffentliche Plätze strömen lässt: auch in Stuttgart. One billion rising bedeutet: Eine Milliarde erhebt sich.

Vor zwei Jahren hatte eine Künstlerin aus New York die Idee: Tief betroffen von den Gewalterfahrungen vieler Frauen, nach Schätzungen der UN ca 1 Milliarde, rief sie die Frauen der Erde auf, gegen Gewalt aufzustehen - doch nicht so, wie man es kennt, durch Demonstrationszüge und Protestkundgebungen, sondern durch ansteckende und fröhliche Zeichen: One billion rising meint: eine Milliarde Frauen steht auf, um zu tanzen und das Leben zu feiern. Allein in Deutschland waren es um die 200 Städte, in denen dieses fröhliche Zeichen gegen Gewalt und für das Leben gesetzt wurde.

Nicht jede ist eine Künstlerin und nicht jeder gerät mitten hinein in die ganz großen Ostergeschichten unserer Zeit. Wichtig ist, Botschafter und Botschafterin des neuen Lebens sein und immer wieder werden. Oft erkennt man erst in der Rückschau: Ostern steckt auch in mir. Ob ich Unterschriften sammle für den Erhalt eines Krankenhauses vor Ort, ob ich Müll einfach mal aufhebe - statt über die anderen zu schimpfen, ob ich mich unterbrechen lasse, wenn ein Mensch eine Umarmung oder ein offenes Gesicht braucht…

Denn dieser Tag verändert die Welt,

auch heute und auch Dich.

Christ ist erstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!

Amen.

 

Perikope
20.04.2014
15,1-11

„Frohe Ostern!“ - Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Eberhard Busch

„Frohe Ostern!“ - Predigt zu 1. Korinther 15,19-28 von Eberhard Busch
15,19-28

„Frohe Ostern!“

In diesen Tagen hören wir oft verschiedenste Mitmenschen, bekannte und unbekannte, auf der Straße oder sogar unter dem Verkaufspersonal in den Läden, wie sie uns das wünschen: „Frohe Ostern!“ Was sie sich dabei wohl denken? Wie auch immer, sie spüren dabei wohl etwas Zutreffendes. Von Ostern können wir richtig nur reden, indem wir „Frohe Ostern“ sagen.  Und „eine Störung seiner Freude / sucht ein jeder möglichst zu vermeiden“, heißt es bei Wilhelm Busch. Unser Bibeltext erklärt, dass das Ostern nach der Bibel der gute Grund dafür ist, ungestört von allen verkehrten Störungen, frohe Ostern zu feiern und einander zu wünschen. Die Osterlieder im Kirchengesangbuch laden herzlich dazu ein. Man denke, in einem Lied aus dem 18. Jahrhundert heißt es nicht weniger als 12 Mal: „O herrlicher Tag, o fröhliche Zeit“! Und in einem mittelalterlichen Gesang ist radikal davon die Rede: „Wär er nicht erstanden, die Welt, die wär vergangen. Seit dass er erstanden ist, so loben wir den Herren Christ.“ Unser Bibeltext aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth führt mit gewaltigen Worten aus, warum Ostern uns Freude bereitet.

Zuerst vernehmen wir da: „Christus ist auferstanden“. Das ist doch ungeheuer. Als Paulus auf dem Areopag in Athen, der Stätte der griechischen Weisheit, predigte unter den Leuten auf dem Marktplatz, freuten sie sich allerdings nicht, sondern: „Als sie ‚Auferstehung der Toten’ hörten, spotteten die einen“ und die anderen waren desinteressiert. In der Tat, ist es denn nicht vielmehr so, wie das Lied von Johann Rosenmüller sagt: „Alle Menschen müssen sterben“? Ist der Tod nicht das Ende, „von wo noch keiner kam zurück“? Muss man sich nicht damit abfinden? In manchen Todesanzeigen in den Zeitungen lesen wir: „Wir wollen dich nie vergessen“. Das ist nicht gerade eine Auferstehung. Denn der Dahingegangene kommt nicht zurück. Aber in dieses Traurige hinein ruft Paulus: „Christus ist auferstanden!“ Wie sollen wir das verstehen? Das sagt nicht, dass Christus noch einmal zurückkehrte in sein vorheriges Leben. Geschweige, dass dies bedeutet, dass sein Tod eine Panne war, die für eine Weile rückgängig gemacht wurde, oder ein Irrtum, der nachträglich zu korrigieren versucht wurde.

An Seinem Tod ist nichts rückgängig zu machen und zu korrigieren. Seine Hingabe am Kreuz zur Beseitigung dessen, was uns Menschen von Gott trennt, das ist seine umfassende Heilstat. Seine Aufopferung zur Versöhnung, die bleibt gottlob für immer gültig. Und Er sorgt selbst dafür, dass das nicht vergessen wird. Denn dazu ist er auferstanden von den Toten, dazu lebt er, um sein Versprechen zu halten: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matth. 28,20). Er ist bei uns – nicht als ein anderer, aber bei uns auf eine ganz neue Weise. Er ist bei uns in einem Leben, das nicht mehr den Tod vor sich hat; sondern das den Tod hinter sich hat. Er ist bei uns und vergegenwärtigt seine Heilstat. Er ist so bei uns, wie es im Johannesevangelium erzählt wird: Als die Jünger erschrocken über den Tod Jesu und voll Angst hinter verschlossenen Türen sitzen, steht er mitten unter ihnen und schenkt ihnen seinen Heiligen Geist und sendet sie damit aus ihren verschlossenen Türen hinaus hin zu ihren Mitmenschen mit der Botschaft der Versöhnung (Joh. 20,19-13).  Und er ist so bei uns, wie es dann dort von einer neuen Versammlung Jünger heißt: Da wurde Jesus erneut für einen Moment sichtbar und richtet insbesondere den zweifelnden Jünger Thomas auf mit dem Satz: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Eben bei denen, die ihn nicht sehen, aber an ihn glauben, ist er ebenso erfreulich gegenwärtig wie bei denen, die ihn damals sahen.

Nun könnte man vielleicht denken: Wenn es denn so ist mit der Auferstehung Christi, nun, aber das ändert doch nichts an der Aussage jenes Liedes: „Alle Menschen müssen sterben“. Das bestätigt uns jeder Gang über den Friedhof. Müssen wir also nicht sagen, die biblische Ostergeschichte redet von einer Ausnahme? Und diese Ausnahme bestätigt die Regel der Macht des Todes über jeden Menschen? Sehr wohl, es ist richtig, der Tod ist unser Ende. Aber er ist nicht das Ende Jesu Christi. Er lebt und, indem er lebt, bestätigt er nicht jene Regel. An Ostern durchbricht er diese Regel. Wie er für uns gestorben ist, so ist er für uns auferstanden. Ist es wahr, dass wir sterben, so werden wir in unserem Tod doch nicht ihm wegfallen und nicht aus seiner Hand verschwinden. Unsere Osterlieder jubilieren geradezu darüber: „Lässet auch ein Haupt sein Glied, welches es nicht nach sich zieht?!“ (in: Jesus meine Zuversicht, Berlin 1635) „Ich hang und bleib auch hangen / an Christus als ein Glied., Wo sein Haupt durch ist gangen, / Da nimmt er mich auch mit. /Er reißet durch den Tod,/ Durch Welt, durch Sünd’ und Not, /Er reißet durch die Höll’, / Ich bin stets sein Gesell“, (so Paul Gerhardt). Oder mit dem frühaufklärerischen Christian Gellert (1757): „Jesus lebt, mit ihm auch ich. ... Er, er lebt und wird auch mich / von den Toten auferwecken.“

Wohlgemerkt: „auch mich“. Denn der Horizont des Paulus reicht viel weiter nach unserem Predigttext. Er schreibt: „Er muss herrschen, bis dass er alle seine Feinde unter seine Füße lege.“ In diesen Worten bezieht er das, was im Psalm 110 vom alttestamentlichen König gesagt ist, auf den auferstandenen Christus. Der muss herrschen, und dies solange, bis er alle seine Gegner entkräftet hat, sagt die Schrift. Er ist ja in seinem Erdenleben heftig angefeindet worden. Und er hat noch heute Feinde. Tatsächlich gibt es auch heutzutage Mächte, die sich gegen ihn, gegen Gottes heilsamen Willen richten. Paulus nennt den Tod „den letzten Feind“. Aber das heißt nicht, dass er sein ärgster Feind ist. Mit dem aller ärgsten hat sich Christus in seinem Kreuzestod buchstäblich auseinander-gesetzt. Er ist der ärgste Feind, weil er uns von unserem Angewiesensein auf Gott und sein Erbarmen fernhalten will. Den hat er vor allem entkräftet.

Das Arge an diesem Feind ist, dass er bevorzugt nach solchen greift, die nicht irgendwo fern vom Glauben leben, sondern die durchaus religiös aktiv sind. Seine Meisterleistung ist es, dass er uns von Gott weghaben will, ohne dass wir es merken, ja, ohne dass wir es gerade in unseren frömmsten Gefühlen wahrhaben wollen. Wir merken es nicht, weil wir uns mit uns selbst trösten und zufrieden geben. Das ist der ärgste Feind, der uns zu einem Leben ohne Gottes Gnade anstiftet. Dieser Feind wurde im Tod Jesu Christi erledigt, indem der uns auch in dem tiefsten Dunkel der Gnadenlosigkeit dort nicht verlassen hat. Aber seit diese böse Dunkelheit besiegt ist, gibt sich ihre Macht nicht geschlagen. Noch und noch versucht sie, uns Gottes Zusage seines Beistands madig zu machen und als unglaubwürdig auszugeben. Noch und noch haben wir deshalb zu beten: „Erlöse uns von dem Bösen“. Dieses Böse bedrängt uns von vielen Seiten. Und jener Feind hat ganz zuletzt noch einen Pfeil in seinem Köcher: er will uns einbläuen, dass wir jedenfalls, wenn wir gestorben sind, keinen Heiland mehr haben und nichts mehr von seiner rettenden Macht. Der auferstandene und erhöhte Christus hat gleichsam alle seine Hände voll zu tun, zu „herrschen, bis er alle seine feindlichen Widersprecher unter seine Füße lege“. Aber weil er lebt und kämpft und nicht aufgibt, darum ist dies ein hoffnungsvoller Kampf. Darum ist sein Ausgang nicht zweifelhaft. Und darum wird der Kampf nicht endlos dauern.

Und wenn er beendet sein wird, so sagt Paulus, dann wird erst recht nicht alles zuende sein. Im Gegenteil, dann wird „Gott alles in allem“ sein. Der heute in der Welt bedrängte, der so oft von uns vergessene oder mit allerlei angeblich Heiligem verwechselte Gott wird nicht verschwunden sein, selbst wenn die Gewalthaber und Einflussreichen der Welt allesamt von ihren Lautsprechern und aus ihren Einschaltquoten verschwunden sind. Er, Gott,  wird „alles“ sein und wird überall in alle Ecken und Winkeln sein. Es gibt dann definitiv kein Versteck mehr vor ihm. Nicht nur ein klein wenig, nicht beschränkt auf den von uns allenfalls reservierten Raum des Religiösen wird er da sein. Und er wird alles mit seinem hellen, guten, warmen Licht alles erleuchten und durchleuchten, alles, was gewesen ist und was nun doch in ihm aufbewahrt ist.

Nikolaus von Zinzendorf hat daran Anstoß genommen, dass Paulus hier anscheinend so redet, wie wenn Christus ganz zuletzt abgetreten sei und Gott nur noch ohne ihn da ist. Aber wir haben den Satz besser zu verstehen. Paulus sagt: „Der Sohn wird sich selbst dem unterwerfen, dem er alles unterworfen hat.“ (V 28), und dies, damit Gott alles in allem sei. Aber damit ist ja nicht gesagt, dass er die Gottessohnschaft dann abgelegt haben wird. „Er kommt aus seines Vaters Schoß ...“ und er wird auch zuletzt nicht daraus vertrieben, sondern er ist und bleibt Gottes geliebter Sohn, an dem Gottvater Wohlgefallen hat (Matth. 3,17; 17,5). Dieses Wohlgefallen hört zuletzt nicht etwa auf. Vielmehr darum geht es: Er hat zuletzt seine Aufgabe in der Sendung unter uns vollendet.  Seine Arbeit ist dann getan und zwar zur vollen Genüge getan. Es wird dann herauskommen, dass es stimmt, was er nach dem Johannes-Evangelium (6,38) kühn erklärte: „Ich bin aus dem Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“ Aber diesen Willen tut Gott der Vater nicht ohne, sondern mit dem Sohn. Das macht sie unzertrennlich. Das eint sie.

 Machen wir damit ernst, dass Gott auch zuletzt kein heilandsloser Gott ist, dann verstehen wir, dass Gott zuletzt auch kein menschenloser Gott ist. Das Schriftwort sagt uns: Gott wir dann sein der „Gott alles in allem“. Gott wird dann nicht ohne alles, sondern mit allem, ja, in allem sein. Daher wird  Gott alles sein nicht ohne seine Menschen, eben kein unmenschlicher Gott, keiner, der uns vergessen hat, und keiner, der uns nicht ewig liebt. Ja, wir dürfen sagen: Gott wird dann auch nicht sein ohne all die zahllosen Pflanzen und Tiere, deren Schöpfer er ist und mit denen wir Menschen heute mehr denn je zügellos und räuberisch umgehen. Auch sie sind allesamt keine zeitlosen, sondern sind zeitliche Wesen, die eines Tages geboren werden und eines Tages sterben und vergehen. Aber wie Gott uns und alle schon geliebt hat, bevor an uns auch nur zu denken war, so wird er auch nach aller Zeit uns und alle lieben. Und in seiner Liebe kommt ihm nichts und keiner abhanden.

Pfarrer Hermann Kohlbrügge, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Wuppertal predigte, hat es eindrucksvoll so ausgesprochen: „Darum, wenn ich sterbe – ich sterbe aber nicht mehr – und es findet jemand meinen Schädel, so predige es ihm dieser Schädel noch: Ich habe keine Augen; dennoch schaue ich ihn; ich habe keine Zunge, dennoch lobsinge ich Ihm mit euch allen, die ihr Seinen Namen anruft. Ich bin ein harter Schädel, dennoch bin ich ganz erweicht in Seiner Liebe; ich liege hier draußen auf dem Gottesacker, dennoch bin ich drinnen im Paradies! Alles Leiden ist vergessen!. Das hat uns seine große Liebe getan.“ Gott sei Dank! Liebe Gemeinde, wie sollten wir da nicht einander grüßen mit einem herzlichen „Frohe Ostern!“

Perikope
20.04.2014
15,19-28