Mit vollen Händen – Predigt zu 1. Korinther 2,1-10 von Gerlinde Feine

Mit vollen Händen – Predigt zu 1. Korinther 2,1-10 von Gerlinde Feine
2,1-10

Die Schöne-Sachen-Schublade

„Ich kann doch nicht mit leeren Händen kommen!“

So sagte meine Mutter immer, wenn wir irgendwo eingeladen waren. Und wenn es einen Anlass gab – einen Geburtstag, eine Taufe oder Konfirmation – dann durfte es auch nicht einfach eine Schachtel mit Pralinen sein oder ein Blumenstrauß. Nein, etwas Besonderes musste her. Etwas, das schön war und nützlich. Das man sich selbst wohl kaum leisten würde und von dem man vielleicht noch gar nicht wusste, dass man es brauchte.

Dann ging sie zum Juwelier. Der verkaufte bei uns auch Uhren und Besteck und allerlei Haushaltsnippes, und dort gab es eine Schublade mit schönen Sachen, aus der meine Mutter dann diese besonderen Geschenke auswählte: Zuckerzangen und Sahnelöffelchen. Servierschalen für Knabberkram. Serviettenhalter und Messerbänkchen. Manches mit hübscher Gravur oder einem stilisierten Sternzeichen. Anderes einfach wunderbar glänzend und von elegantem Design.

Nichts davon war lebensnotwendig. Einiges einfach nur zum Staunen. Und alles erregte Aufmerksamkeit, wenn es aus der Geschenkverpackung hervorkam. „Wie wunderbar!“ Und auch praktisch. Auf alle Fälle eindrücklich. Genau das, worauf es ankam. Nicht mit leeren Händen gekommen zu sein. Einen guten Eindruck zu hinterlassen. Eine freundliche Beziehung aufzubauen. Sich in Erinnerung halten.

Denn die Dinge aus der Schöne-Sachen-Schublade bekommen meist einen Ehrenplatz in der Vitrine. Beim Saubermachen fallen sie mir wieder in die Hände. Im Alltag habe ich sie selten in Gebrauch. Wann nutze ich denn wirklich einen silbernen Dochtabschneider? Wozu ist der ziselierte Süßstoffspender gut, wenn wir doch nicht mal Zucker in den Kaffee geben? Schöne Dinge, die niemand braucht, stehen irgendwann im Weg. Und verstellen den Blick aufs Wesentliche.

Danaer-Geschenke

„Ich bin nicht mit leeren Händen zu Ihnen gekommen.“

Sagt der Minister, der seinen Wahlkreis aufsucht. Und bringt einen Scheck mit für eine soziale Einrichtung oder die Bewilligung eines schon lange erhofften Vorhabens. Und hofft, dass diese Geschenke Wohlwollen erzeugen und Verständnis dafür, dass andere Erwartungen sich nicht erfüllen. Oder wenigstens Beziehung stiften. „Den wähle ich, weil er mich beschenkt hat“, sagen wir dann. Und es ist erstaunlich, wie einfach die Gaben da manchmal sein dürfen. Und wie wenig nützlich.

Manche reden dann von Danaergeschenken. Das sind Gaben, die Eindruck machen oder beschwichtigen – und dann kommt hinterher etwas nach, das viel unangenehmer ist als der Verzicht auf diese eine Wohltat.

Deshalb tun wir gut daran, genauer hinzuschauen, was uns da eigentlich versprochen wird. Was verbirgt sich hinter den Versprechen von Bürgernähe und Partizipation? Mehr Geld für die Bildung – wie viel und für wen? Ein besseres Verkehrskonzept – an welcher Stelle und zu welchem Preis?

Dreißig neue Diakonenstellen sollen den Pfarrplan 2024 versüßen. Beeindruckend. Aber umgerechnet auf 50 Kirchenbezirke dann vielleicht doch nicht mehr so viel. Genau wie die Zusagen, mehr Geld für Projekte an die Gemeinden auszuschütten – und die können es dann doch nicht so kreativ einsetzen, wie es gedacht war, weil das kirchliche Arbeitsrecht es nicht erlaubt.

Und schon ist das, was da so scheinbar weise und klug erdacht wurde, gar nichts mehr nütze. Es macht nur zusätzliche Arbeit und ein schales Gefühl, mit Cleverness übers Ohr gehauen zu werden. Was nach einem schlauen Plan aussah, schafft keine neuen Beziehungen. So kann Kirche nicht wachsen. Im Gegenteil. Sie verliert noch an Vertrauen. Selbst Engagierte fühlen sich getäuscht und wenden sich ab, sind demotiviert und verärgert.

Vorsicht also vor solchen Geschenken, die niemand braucht, obwohl sie so schön aussehen. Und: Vorsicht beim Schenken! Nicht immer ist das, was besonders begehrenswert erscheint, auch das, was man wirklich nötig hat…

Geistliche Bedarfsanalyse

„Ich wollte nicht mit leeren Händen zu euch kommen.“

Paulus erinnert sich gut an seinen ersten Besuch in Korinth. Er hatte schon von den Menschen gehört, die er dort kennenlernen würde. Von ihrer Sehnsucht nach Gott. Von ihrer Situation. Von ihren Fragen. Er kannte die Spielregeln einer solchen Stadt, hatte selbst lange genug in Orten gelebt, in denen es ganz ähnlich zuging, wo es einen großen Hafen gab und Handel und Römisches Recht und griechische Götter. Wo Menschen aus den verschiedensten Kulturen zusammenlebten und wo diejenigen am meisten Ansehen hatten, die sich souverän bewegen konnten zwischen den Ständen, die vielsprachig waren und gewandt, voller Bildung und Weisheit.

Er selbst gehört auch dazu. Bestens ausgebildet, mehrsprachig, klug und von Haus aus privilegiert. Dass er ein schlechter Redner gewesen sein soll, kann man sich kaum vorstellen, wenn man seine Briefe liest. In theologischen Diskussionen mit ihm ziehen andere schnell den Kürzeren. Es wäre ihm ein Leichtes, mit etwas rhetorischen Handwerkszeug seine Gastgeber zu beeindrucken. Und vermutlich war es auch das, was alle von ihm erwartet hatten.

Doch: Als ich zu euch kam, trat ich nicht als glänzender Redner oder Weisheitslehrer auf. Denn ich kam zu der Überzeugung, dass bei euch nichts so wichtig sei wie der Messias Jesus, und der als Gekreuzigter.

Ihr braucht keine philosophischen Abhandlungen über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Ihr braucht keine komplizierten Mathematischen Formeln und keinen Dreistufenplan für Freiheit und Demokratie. Und glänzende Reden, geschliffene Rhetorik, blendende Analysen braucht ihr auch nicht.

Das alles würde euch sicher sehr beeindrucken. Es würde auch eine gewisse Bindung zwischen uns herstellen und Sympathie und Staunen. Aber über kurz oder lang würdet ihr merken, dass es nichts bringt, wenn ich euch für mich gewonnen hätte. Oder für das, was gerade „in“ ist.

Es hilft vielleicht für den Moment. Hilft, sich durchzusetzen im Beruf und sich einen guten Platz zu erobern in der Gesellschaft. Da ist es gut, wenn man weiß, wie das Spiel funktioniert, welche Weisheiten man beherrschen muss und wie man gut klarkommt mit den Mächtigen und Starken unserer Zeit. Aber die Herrschenden dieser Welt sind dabei, ihre Macht zu verlieren.

So klug ist Paulus, dass er das erkennt. Deshalb will er den Korinthern keine nutzlosen Geschenke seiner Menschenweisheit machen. Er hat Besseres im Gepäck. Weil nichts so wichtig ist wie der Messias Jesus, und der als Gekreuzigter.

Zweierlei Weisheit

„Ich komme zu euch, um euch Christus zu zeigen.“

Gottes Geheimnis. Gottes Weisheit.

So ganz anders als man es sich vorstellen würde. Verborgen vor denen, die sich mit der menschlichen Weisheit so gut auskennen. Verachtet und verurteilt. Und trotzdem nicht vernichtet. Da war Gott vor.

Wir reden von göttlicher Weisheit, im Geheimnis verborgen, die Gott vor aller Zeit bereitet hat, um uns an der göttlichen Gegenwart teilhaben zu lassen.

Wir reden von Hoffnung gegen den Augenschein. Von Vertrauen statt Angst. Von Verstehen wider alle Vernunft. Wir reden von einer Welt, in der das Schwache geschützt ist und die Starken ihre Macht nicht ausnutzen. Wo es auch verspielt zugehen darf und nicht immer alles gegeneinander aufgerechnet wird. Wo alle und jedes einen Platz hat, ohne im Weg zu sein. Wo selbst das Nutzlose noch eine Bedeutung hat und Wert und Würde und Glück.

Das ist Gottes Weisheit. Und die braucht ihr wirklich. Die macht euch mächtiger als alle Cleverness und alles Wissen unserer Zeit. Und ohne sie nützt euch auch alles andere nichts, nicht zusätzliche Stellen und auch keine Sonderzuweisungen. Weil sie nicht aus dem Verstand kommt, sondern aus der Liebe. Und weil sie nicht nach dem Nutzen schaut, sondern nach dem Herz.

Was kein Auge sah und kein Ohr hörte und was in keines Menschen Herz hinaufstieg, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben. Vor aller Zeit. Weil er uns wiederliebt. Und uns bei sich haben will.

Die schönsten Sachen sehen

„Ihr werdet ihr nicht mit leeren Händen kommen müssen.“

Ihr werdet vorbereitet sein, wenn es soweit ist. Wenn euch die Mächtigen dieser Zeit nichts mehr anhaben können. Wenn ihr hinüberwechselt in Gottes neue Welt.

Dann müsst ihr nicht in den Schubladen eurer Erinnerung kramen und schauen, ob sich etwas Besonderes darin findet, das ihr ihm bringen könntet. Müsst nicht überlegen, wie viel man investieren sollte und was dabei herausspringt. Müsst keinen guten Eindruck hinterlassen. Müsst nicht Angst haben, dass es nicht reicht.

Gott selbst legt euch das größte Geschenk in die Hände. Und sorgt dafür, dass ihr es auch erkennt und liebhabt. Die Geistkraft hat es uns enthüllt. Sie ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.

Sie sieht hinter die Fassade. Erkennt, was in dir steckt. Liebt dich, wie du bist und freut sich an allem, was sie findet. Staunt über das, was sie längst weiß: Wie wunderbar du gemacht bist. Wie viel du anderen bedeutest. Wonach du dich sehnst. Wie stark du vertraust, wie beharrlich du hoffst, wie fröhlich du glaubst.

Gott legt sich selbst in unsere Hände. Zeigt uns, wer er ist. Lässt sich von uns berühren und weitertragen. Wir werden seine Schönheit erkunden, und seine Liebe zu uns wird uns stark machen und mächtig und frei. Das ist seine Weisheit – und sie ist kein Geheimnis mehr.

Was kein Auge sah und kein Ohr hörte und was in keines Menschen Herz hinaufstieg, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben. Die Geistkraft hat es uns enthüllt. Sie ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes.

So beruht euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Und nichts sei bei euch so wichtig wie der Messias Jesus, der Gekreuzigte.

Gottes Weisheit. Unser Glück. Und alles, was wir nötig haben.

Amen.

 

Perikope
14.01.2018
2,1-10

Konfi-Impuls zu Gründonnerstag 29.03.2018 - 1. Korinther 10,16-17 von Andrea Holm

Konfi-Impuls zu Gründonnerstag 29.03.2018 - 1. Korinther 10,16-17 von Andrea Holm
10,16-17

Vorbemerkungen:

Ich gehe davon aus, dass das Thema Abendmahl im Unterricht schon behandelt wurde und gehe deshalb nicht näher darauf ein.

Leib ist für Konfis eine ungewöhnliche Formulierung. Ich habe deshalb anstelle des Wortes „Leib“ das Wort „Körper“ gewählt.

Als ich „… ein Leib“ gelesen habe, ist mir unweigerlich das Bild vom „einen Leib und den vielen Gliedern“ eingefallen (1.Kor.12). Weil wir durch das Abendmahl zu einem Leib werden, werde ich mich an diesem  Bild orientieren. Zur Vorbereitung auf den Predigttext gliedere ich die vorangehende Unterrichtsstunde so:

  1. Ich lege ohne nähere Erklärung ein langes Band auf den Boden. An das eine Ende lege ich einen Zettel auf dem „Wichtig“ steht und ans andere Ende einen mit „Unwichtig“.

Nun verteile ich Kärtchen an die Konfis, auf die ich jeweils ein Körperteil geschrieben habe z.B. Hand, Fuß, Ohr etc. (man braucht mindestens so viele Kärtchen wie Konfis).

Nun muss jede/r das Körperteil vorlesen, das auf dem Zettel steht und eine Eigenschaft nennen, die dieses im Körper hat.

  1. Ich erzähle, dass mir gerade ein Körperteil weh tut, z.B. der Fuß, und dass ich deshalb merke, wie wichtig es für mich ist. Ich stelle mich an das Ende des Bandes, an dem „Wichtig“ steht. Ich fordere die anderen auf, einen Platz für ihr Körperteil auf der „Wichtigkeitsskala“ zu wählen und sich dorthin zu stellen. Das gibt recht schnell ein engagiertes Durcheinander, da jeder sein Körperteil wichtig findet.
  2. Da es meistens zu keiner Einigung kommt, unterbreche ich das Gerangel und stelle eine Frage: „Wie müsste die Aufstellung gestaltet werden, wenn deutlich werden soll, das alle gleich wichtig sind? Ich lese 1. Kor.12, 12-27.

Nur im Kreis sind alle gleich weit weg von der Mitte. Niemand kann sagen: „Ich bin vorne.“ Das leuchtet unmittelbar allen ein. In die Mitte des Kreises lege ich einen Zettel auf dem Jesus Christus steht.

  1. Ich lese jetzt den Predigttext für Gründonnerstag 1.Kor 10,16f und stelle einen Abendmahlskelch und eine Schale mit Brot ebenfalls in die Mitte des Kreises. Durch Wein und Brot sind wir so miteinander verbunden, dass Christus das Zentrum des Körpers ist, der aus den einzelnen Körperteilen gebildet wird.
  2. Bevor wir den Kreis auflösen, mache ich einen Schritt in den Kreis hinein und stelle mich vor die Person, die rechts neben mir im Kreis steht. Ich gebe ihr die Hand mit den Worten „Der Friede Christi sei mit Dir“. Dann mache ich einen Schritt weiter zum nächsten Konfi. Der Konfi, dem ich eben Frieden wünschte, schließt sich mir an und dann der Nächste usw. Es entsteht eine Schlange, die von Person zu Person weiterzieht. So kann jeder jedem Frieden wünschen.
  3. Die Konfis können mit dem Erlebten den Predigtteil gestalten. Bei geeigneter Besucherzahl könnten die Konfis die „Friedensschlange“ mit allen Besuchern nach dem Abendmahl machen.
Perikope
29.03.2018
10,16-17

Kreuz und Krippe – Predigt zu 1. Korinther 2, 1-10 von Christoph Hildebrandt-Ayasse

Kreuz und Krippe – Predigt zu 1. Korinther 2, 1-10 von Christoph Hildebrandt-Ayasse
2,1-10

1. Korinther 2, 1-10

Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer  Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

 

Liebe Gemeinde,

wenn man sie fragte, was für sie das Wichtigste am christlichen Glauben ist, was würden Sie antworten?

Die Antwort des Paulus im Korintherbrief hier ist: Jesus Christus, der Gekreuzigte, ist das Wichtigste, die Hauptsache des christlichen Glaubens. „Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten“, schreibt er nach Korinth. Das ist eine knappe, eindeutige Antwort.

Noch von Weihnachten und Epiphanias herkommend fällt mir ein Zitat von Luther dazu ein, was das Wichtigste am christlichen Glauben ist: Gott wurde Mensch in Jesus Christus im Stall von Bethlehem. Mit den Worten Luthers: „Wir fassen keinen andern Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“ Diese Antwort klingt nach mehr, nach mehr Geschichten und Berichten, angefangen bei der Krippe.

Wo würden Sie anfangen, wenn es um den christlichen Glauben geht: Bei der Krippe oder beim Kreuz?

Oder würden sie mit der Auferstehung? Oder der Schöpfung? Oder den 10 Geboten? Natürlich gehört dies alles zusammen. Aber wenn Sie gefragt würden, was würden Sie als erstes sagen?

Es ist heute ja gar nicht so unwahrscheinlich, dass man gefragt wird: Was glaubst Du als Christ eigentlich?

Der Nachbar, dessen Familie schon seit zwei oder drei Generationen nicht mehr zu einer Kirche gehört, könnte so fragen. Oder der muslimische Arbeitskollege. Oder ein Atheist aus dem Freundeskreis. Oder ein religiös Unentschlossener in der Familie.

Die Menschen in unserem Lebensumfeld werden immer unterschiedlicher. Das ist nicht nur in den großen Städten so. Auch an vielen Orten auf dem Land lebt man meist nicht mehr in einer religiös homogenen Umgebung.

Und als Christenmenschen leben wir heute damit in einer missionarischen Situation. Damit meine ich nicht, dass wir nach Afrika oder Asien reisen sollten um sogenannte Heiden zu bekehren. So einseitig stellt man sich Mission ja leider immer noch vor. Nein, unter Mission verstehe ich das, was der 1. Petrusbrief so ausdrückt: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht.“ (1. Petr. 3, 15f.) Mission heißt also zunächst einfach: Auskunft geben können über die Hoffnung, über den Glauben, der in mir ist; und das nicht herablassend oder aggressiv, sondern freundlich und voll Achtung dem anderen, Andersgläubigen oder Nichtgläubigen gegenüber. Mit Sanftmut und Ehrfurcht Auskunft geben, was das Wichtigste im Glauben ist.

Also: wo anfangen; was ist das Wichtigste?

Der Apostel Paulus stellt den gekreuzigten Jesus Christus ins Zentrum des Glaubens. Nicht die Krippe, nicht die Auferstehung, nicht die Schöpfung, nicht die 10 Gebote,  – und auch kein leeres Kreuz als christliches Symbol; nein: den leidenden, gekreuzigten Christus stellt er in die Mitte. Er, so schreibt Paulus, war und ist die Mitte seiner Predigt und seiner Worte. Einfacher konnte und wollte er es sich nicht machen. Für manche in Korinth war der gekreuzigte Jesus Christus eine Dummheit, für andere ärgerlich. Griechen und Juden konnten da nur den Kopf schütteln über diesen leidenden Gott am Holz der Schande, dem Kreuz.

Werfen wir einen Blick in die christliche Gemeinde von Korinth, an die der Brief gerichtet ist. Paulus gründet sie ungefähr im Jahr 50 und dient in ihr für 1 ½ Jahre. Dann reist er weiter. Unsere Verse aus dem Korintherbrief schreibt er etwa 5 Jahre später aus Ephesus. Die Gemeinde hatte sich kräftig entwickelt. Korinth war eine Großstadt mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Religion. Viele Menschen waren zur Gemeinde gekommen und hatten sich taufen lassen. Aber es gab immer mehr Spannungen in der Gemeinde.

Die Gründe für die Spannung waren zum Teil solche, wie wir sie auch heute aus unseren Großstädten kennen. Da gibt es soziale Spannungen. Da gibt es Reiche, eine Mittelschicht und Arme in der Gemeinde. In Korinth droht der Zusammenhalt der verschiedenen sozialen Schichten unter den Christen verloren zu gehen.

Dann gab es auch damals in Korinth dies: da gehen manche lieber zum Pfarrer x., weil er so anspruchsvolle, intellektuelle Predigten hält. Andere gehen wegen der aktuellen, politischen Predigten lieber zur Pfarrerin y.. Und die meditativ-musikalischen Gottesdienste in der z-Kirche finden ihr eigenes Publikum. Andere engagieren sich in der Diakonie, aber bleiben den Gottesdiensten fern. Personen, Richtungen, Frömmigkeitsstile – eine Großstadtgemeinde differenziert sich aus. Damals wie heute. Aber eigentlich gehören sie als Christenmenschen zusammen.

Nur: was hält sie zusammen, die Gemeindeglieder, die Kirchengemeinden, die christlichen Konfessionen? Sind es besondere Persönlichkeiten Prediger, Pfarrerinnen, Bischöfe, Aktionen? Was ist wirklich echt, wo ist das Wichtigste; und was ist nur aufgesetzt oder nur oberflächlich?

Paulus hat den Eindruck, dass es inzwischen viel Äußerlichkeit, viel Aufgesetztes in der Gemeinde gibt.

Er erinnert die Korinther daran wie er selber aufgetreten ist, damals als er als Missionar die Gemeinde gründete. „Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;

 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Paulus hatte damals auf die Korinther nicht besonders intellektuell gewirkt, war nicht besonders eloquent gewesen. Er fühlte sich schwach in seiner Arbeit. Er hatte Angst, wenn er mit den Menschen sprach. Und seine Knie zitterten beim Predigen. Wenig beeindruckend hatte er als Missionar auf andere gewirkt. Aber Paulus war es damals gleichgültig und es ist ihm fünf Jahre später immer noch egal wie er auf andere wirkt. Nicht er, nicht seine Weisheit sollte im Vordergrund stehen, so schreibt er, sondern allein das Evangelium. Gewirkt hat das Evangelium bei euch, schreibt er. Nicht ich. Gewirkt hat die Kraft Gottes. Gewirkt hat durch die Schwäche des Paulus hindurch Jesus Christus, der Gekreuzigte.

Und davon will Paulus predigen, davon wie Gott wirkt. Er stellt dem Wirken Gottes das Wirken der Herrschenden gegenüber. Und er stellt der Weisheit der Welt die Weisheit Gottes entgegen. Und dies sind wirkliche Gegensätze.

Er stellt fest: Gottes Weisheit kümmert sich um Leidende, Schwache, Arme und Sterbende. Die Weisheit der Welt aber kann man an den Herrschenden ablesen: sie üben Gewalt aus, und sie sind doch selber vergänglich. Am gekreuzigten Jesus Christus dagegen kann man die Weisheit Gottes sehen. Schwach sieht sie aus und elend und leidend, die Weisheit Gottes.

Aber das Geheimnis und die Tiefe der Weisheit Gottes kannst du sehen, hören und spüren; so wie es schon bei Jesaja heißt: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«

Paulus hat das in seiner Missionsarbeit in Korinth erlebt. Gottes Kraft war in der Schwachheit, in der Paulus auftrat, stark und mächtig.

Wenn ein Schwacher sich aufrichten kann, ein Elender aufatmen kann, ein Leidender lächeln kann, dann sieht, hört und spürt man diese Weisheit Gottes in Jesus Christus, dem Gekreuzigten.

„Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.“ Das ist das Wichtigste am christlichen Glauben, schreibt Paulus.

Mit den Worten Luthers: „Wir fassen keinen andern Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

Und da sind sie ganz nah beieinander, Paulus und Luther, in ihren Worten. Das Kind in der Krippe, das da elend, nackt und bloß liegt, wie es im Weihnachtslied heißt, und der Gekreuzigte zeigen die Weisheit Gottes.

Was ist das Wichtigste am christlichen Glauben? Das Kreuz oder die Krippe? Die 10 Gebote, die Schöpfung oder die Auferstehung? Wie immer wir unsere Schwerpunkte im Glauben setzen, was immer uns als das Wichtigste erscheint alles wird Jesus Christus, den Gekreuzigten widerspiegeln.

Amen

Perikope
14.01.2018
2,1-10