Von Tannen und Bäumen – Predigt zu Hosea 14,9 von Margot Runge
Rupfi ist in diesem Jahr der am meisten bedauerte Weihnachtsbaum Deutschlands. Rupfi heißt der Weihnachtsbaum auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt. Er hat eine eigene Facebookseite und 5791 Follower (20.12.). Es ist ihm anzusehen, wie der trockene Sommer seinen Zweigen und Nadeln zugesetzt hat. Doch Spott und Hohn über die „lichte Fichte“ sind längt umgeschlagen. „Wir lieben ihn, weil er nicht perfekt ist“, heißt es im Internet. Inzwischen fotografieren sich die Leute vor dem Baum, kaufen Rupfi-Anstecker, deren Erlös dem Kinder-Hospiz in Tambach-Dietharz zugutekommt, und diskutieren im Facebook über innere Werte. „Zu Weihnachten muss nicht alles perfekt sein. Das Leben hat Brüche. Und Rupfi eben auch.“ Der Klimawandel ist auf dem Weihnachtsmarkt angekommen.
Maria und Josef hatten zu Weihnachten überhaupt keinen Baum. Aber mit Bäumen haben die Menschen die Weihnachtsgeschichte immer wieder verbunden. Da ist der Stammbaum dieses Kindes. Er reicht tief in die jüdische Geschichte zurück, bis zu Jesse, dem Vater des legendären jüdischen Königs David. Aus der Wurzel Jesses ist ein neues Reis entsprungen – es ist ein Ros entsprungen. Aus dem schlafenden Jesse erstreckt sich ein Baum, dessen Zweige die jüdischen Propheten und schließlich die Madonna mit dem Jesuskind hervorbringen. In den Schreibstuben der Klöster haben Mönche und Nonnen diesen lebenden Stammbaum mit purpurnen und goldenen Pinselstrichen auf Pergament gezeichnet.
Andere Maler haben dargestellt, wie die Familie mit dem Neugeborenen nach Ägypten fliehen muss und unter einem Baum Rast macht. Sein kräftiger Stamm gibt Halt, seine Zweige spenden Schutz und Schatten, so wie Gott die verfolgte Familie schützt und den Menschen Trost und Hoffnung spendet.
Im Mittelalter haben die Menschen zu Weihnachten die Geschichte vom Paradies, von Adam und Eva nachgespielt. Der Lebensbaum stand als geschmückter Baum mit Äpfeln und vergoldeten Nüssen in der Kirche und durfte danach von den Kindern geplündert werden. Bis zu unseren Weihnachtsbäumen hat es freilich noch Jahrhunderte gedauert.
Doch Bäume haben die Menschen schon immer zu wichtigen Anlässen gepflanzt. Bei der Hochzeit etwa oder zur Geburt eines Kindes, wenn der Krieg zu Ende war oder verfeindete Dörfer sich versöhnten. Nach der friedlichen Revolution besiegelten viele Städte so ihre Partnerschaft.
In unzähligen Kriegen wurden Wälder abgeholzt, für Rammböcke oder um freie Sicht und Angriffsfläche zu schaffen. Soldaten hackten sie für Brennholz ab oder aus reiner Zerstörungswut.
Erst wenn Frieden ist, werden wieder Bäume gepflanzt. Wenn in verwüsteten Gärten Obstbäume erste Knospen treiben, beginnen die Menschen zu hoffen. Die ersten Früchte stillen den Hunger und wecken die Lust am Leben wieder auf.
Im Alten Testament, bei einem der jüdischen Propheten dieses Stammbaumes, gibt es einen wundervollen Satz. Da sagt Gott: „Ich will sein wie eine grünende Tanne, von mir erhaltet ihr eure Früchte“ (Hosea 14,9). Natürlich wachsen in Israel keine Tannenbäume. Wahrscheinlich ist ein Wacholderbaum gemeint, den Martin Luther kurzerhand mit Tanne übersetzt hat. Mir gefällt dieser Satz trotzdem. Gott ist wie eine grünende Tanne, die uns Früchte spendet. Trockenheit und Dürre in diesem Jahr haben Rupfi, dem Erfurter Weihnachtsbaum, zugesetzt. Trockenheit und Dürre gibt es genügend im Leben. Doch Gott, die Tanne, grünt unbeirrt. Sie ist ein leises, aber deutliches Zeichen gegen alle Wüsten und inmitten aller Verwüstungen auf dieser Erde. Die Weihnachtsbäume in unseren Wohnungen können uns daran erinnern, egal wie krumm und schief sie sind.
Übrigens berichten mir Leute immer wieder, wie ein verkrüppeltes Bäumchen ihnen am Ende am meisten ans Herz gewachsen ist. Sie richten und putzen es besonders liebevoll. Am Heiligabend strahlt es dann doch und erfreut sie die ganze Weihnachtszeit. Sie widmen sich ihrem Bäumchen, so wie Gott sich den Menschen sorgsam und liebevoll widmet. Auch – oder gerade weil – nicht alles perfekt ist.
Ich will sein wie eine grünende Tanne, von mir erhaltet ihr eure Früchte, sagt Gott. Gott – grün und kraftvoll wie eine Tanne. Das ist ein schönes Bild zu Weihnachten. Ich wünsche uns, dass auch unsere Mühe, unsere Liebe und unsere Hoffnung Früchte trägt. Amen
Link zur Online-Bibel
10.08.14: "Kein Zacken aus der Krone"
Liebe Gemeinde,
"Kinder an die Macht" hat Herbert Grönemeyer sich vor bald 30 Jahren gewünscht. Damit die Welt anders und lebenswerter wird. Armeen gibt´s zwar noch, wenn Kinder bestimmen, aber die sind aus Gummibärchen. Statt Atomraketen fahren Panzer aus Marzipan; an Stelle von ernsten Paraden breitet sich eine Stimmung wie auf dem Kindergeburtstag aus. Frech, fröhlich und anarchisch.
Viele Frauen und Männer aus meiner Generation können den noch Song auswendig. Heute singen wir ihn allerdings zurückhaltender als damals. Denn inzwischen sitzen manche von uns an kleinen oder großen Hebeln der Macht. Und stellen hinter vorgehaltener Hand vielleicht fest, wie viel Spaß es machen kann, Macht auszuüben.
In Kirchenkreisen sollte man das allerdings nicht öffentlich sagen. Denn Macht scheint nicht recht zu unserem Selbstverständnis zu passen. Wir sehen uns ja vielmehr als Brüder und Schwestern, die sich auf Augenhöhe begegnen. Und Augenhöhe und Macht widersprechen sich doch.
In Hamburg übergibt die Bischöfin einmal im Jahr ihr Amt an "Kinderbischöfe". Sie will hören, was den Kindern auf den Nägeln brennt. Eine schöne, wichtige Geste, die dazu anregt, unser Handeln zu überdenken. Aber sie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in unserer Kirche Macht gibt. Und das ist gut so. Obwohl die Macht in der Kirche einen schlechten Ruf hat.
Klar, wer denkt beim Stichwort "Kirche und Macht" nicht an die vielen Gewalttaten, die im Namen Jesu stattfanden. Wie etwa im Dreißigjährigen Krieg, als bis zu 50.000 Mann raubend und mordend umher zogen. Oder an Karl den Großen, der die Sachsen mit vorgehaltener Waffe vom Christentum überzeugen wollte. Oder vor hundert Jahren die Pfarrer, die während des Ersten Weltkriegs für Kriegsanleihen warben.
Diese und andere Ereignisse aus unserer Kirchengeschichte haben dazu geführt, dass viele Christenmenschen Macht rundherum ablehnen.
Doch es ist ein Trugschluss, zu glauben, es gäbe machtfreie Räume, Macht sei verzichtbar und grundsätzlich schlecht. Macht ist für das Wohl einer Gemeinschaft sinnvoll. Aber sie sollte nicht mit gewaltsamer "Herrschaft" verwechselt werden.
In unserer Gemeinde müssen wir zum Beispiel wie in allen Kirchengemeinden gelegentlich Macht ausüben. Wir haben zwei Kindergärten. Dadurch sind wir Arbeitgeber für über 30 Menschen. Die Entscheidung, mit wem wir eine freigewordene Stelle wieder neu besetzen hat also durchaus Konsequenzen. Das heißt doch: Wir können unsere Macht nicht ignorieren.
Damit stellt sich also nicht die Frage, ob wir Macht ausüben, sondern wie wir den richtigen Umgang mit ihr finden. Antworten gibt uns die Bibel an vielen verschiedenen Stellen. Etwa das das dritte Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen - und mit Dir sollen alle deine Angestellten an diesem Tag frei haben. Oder das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten, also keinen Rufmord begehen.
Das sind konkrete Aufforderungen, die eigene Macht nicht zum Schaden eines anderen Menschen einzusetzen. Daneben erzählt die Bibel noch viel grundsätzlicher vom rechten Umgang mit der Macht. Sie schaut dabei auf einen jungen Mann: Salomo. Er hatte sich gerade eben auf seinen Thron gesetzt und befand sich nun in den ersten 100 Tagen seines Königtums:
5 Und der HERR erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts und Gott sprach: Bitte, was ich dir geben soll! (…) 7 Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder aus noch ein. 8 Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann. 9 So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, damit er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten? 10 Das gefiel dem Herrn gut, dass Salomo darum bat. 11 Und Gott sprach zu ihm: Weil du darum bittest und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, zu hören und recht zu richten, 12 siehe, so tue ich nach deinen Worten. Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz, sodass deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir nicht aufkommen wird. 13 Und dazu gebe ich dir, worum du nicht gebeten hast, nämlich Reichtum und Ehre, sodass deinesgleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten. 14 Und wenn du in meinen Wegen wandeln wirst, dass du hältst meine Satzungen und Gebote, wie dein Vater David gewandelt ist, so werde ich dir ein langes Leben geben.
Der Traum eines jungen Mannes. Fast ein Kind ist er noch, als er zum König gesalbt wird:
"Ich aber bin jung, weiß weder aus noch ein. Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann" sagt Salomo.
Ich finde, so spricht jemand, der ein gutes Selbstbewusstsein hat. Und zwar im wörtlichen Sinne. Salomo ist kein Testosteron gesteuerter Möchtegernheld mit maßloser Selbstüberschätzung. Kein Rowdy. Er ist sich seiner selbst bewusst. Und sieht: Ich bin noch jung, mir fehlt es an Erfahrung. Ich kann mich noch nicht auf genügend eigenes Wissen und Erkennen stützen. Ich bin auf gute Ratgeber und Vertraute an meiner Seite angewiesen und muss den angemessenen Umgang mit der Macht erst noch lernen.
Salomo konnte sich ja kaum auf seine neue Aufgabe vorbereiten. Der Sohn eines Königs zu sein, macht einen selbst nicht automatisch zu einem guten König.
Und seine Aufgabe ist schwer. Es geht ja nicht nur um ein Handvoll Leute, die er anführen soll oder um eine große Gemeinde. Es geht um ein ganzes Volk. Da kann man schnell die Übersicht verlieren.
Genau diese realistische Erkenntnis ist bereits der erste Schritt zu einem klugen Umgang mit der Macht. Ohne den klaren Blick die eigenen Fähigkeiten ist das weise Ausüben von Macht nicht möglich.
So fragt er sich: Was brauche ich, um nicht kläglich zu scheitern? Wie kann ich meiner Aufgabe gerecht werden, ohne abzuheben? Und er bittet Gott: "Gib mir ein gehorsames Herz." Oder: Ein "hörendes" Herz, wie dieses Wort auch noch übersetzt werden kann.
Eine schlichte Bitte und doch nicht zu unterschätzen. Denn auf Gott zu hören, macht ihn unabhängig von der Meinung und den Einflüsterungen anderer Menschen und Mächte. Sein Herz wird unbestechlich gegen Eitelkeit und Ruhmsucht. Zu seiner Zeit galt das Herz als Ort, an dem gedacht wurde.
Mit einem hörenden Herzen kann er immer wieder eine klare Vorstellung davon gewinnen, was gut und böse ist.
Auch worauf er genau hören soll, sagt Gott ihm in diesem Traum: Halte meine Weisungen und Gebote. Darin liegen die Werte für den richtigen Umgang mit der Macht. Die zehn Gebote sehen uns Menschen ja in einer doppelten Beziehung. Zu Gott als dem Schöpfer der Welt und zu meinen Nächsten, die Gott mir an die Seite gestellt hat und für die ich verantwortlich bin.
Im Vertrauen und Respekt vor Gott das Gute und Gerechte stets im Auge behalten - auch dies braucht es nach der Bibel, um Macht gut auszufüllen.
Mit diesem Hinweis erhört Gott die beeindruckende Bitte dieses jungen Mannes, der gerade in ein mächtiges Amt gekommen ist. Er schenkt ihm ein weises und verständiges Herz. Ein Herz, das erst hört, bevor es richtet.
Darüber hinaus bekommt Salomo auch das, was er sich nicht gewünscht hat: Reichtum und Ehre. Ein schöner Nebeneffekt, der deutlich macht: Alles ist ihm nur anvertraut. Er kann seine Macht nicht besitzen, damit er nicht abhebt oder vom Weg abkommt.
Macht bewährt sich also über kluges Handeln, nicht über äußere Kennzeichen und Statussymbole, wie beispielsweise einen großen Dienstwagen oder eine repräsentative Wohnung; auch wenn wir dies oft verwechseln. Die Bibel hilft uns hier, klar zu sehen.
Kinder an die Macht? Eine hübsche Idee, aber keine echte Alternative. Stattdessen wünsche ich mir Menschen wie Salomo an der Macht. Mit einem realistischen Selbstbewusstsein. Und einem freien Herzen, das nicht nach den glitzernden Symbolen der Macht schielt.
Die wissen: Ich bin in ein Amt gewählt und habe eine große Aufgabe. Meine Macht dazu besitze sie nicht. Ich kann sie nicht einsetzen, wie ich will. Denn ich bin den Menschen, die mir anvertraut sind, verantwortlich. Und auch Gott, der unendlich größer als ich selbst. Darum demütige ich mich unter seine Hand und versuche, auf Gottes Gebote zu hören und aus einem unbestechlichen Herzen zu handeln.
Amen.