Groß und wunderbar sind deine Werke! - Predigt zu Offenbarung 15,2-4 von Maximilian Heßlein
15,2-4

Groß und wunderbar sind deine Werke! - Predigt zu Offenbarung 15,2-4 von Maximilian Heßlein

Groß und wunderbar sind deine Werke!

2 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen

3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.

4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Liebe Gemeinde,

manchmal fragt man sich ja doch, was das denn alles für Texte sind und was die denn mit unserem Leben zu tun haben. Oder?

Ja, es ist ein poetisches Bild. Ja, es steht in der Bibel. Ja, es ist Wort Gottes. Aber ist das alles konkret meins. Hat das was mit unseren Taufkindern heute Morgen zu tun? Ein gläsernes Meer, Menschen die an seinem Rand stehen und singen?

In allem Nachdenken aber über diese Fragen, Ihr Lieben, fiel es mir wieder ein: Es ist schon einige Jahre her, aber die Erinnerungen sind frisch, als wäre es gestern gewesen. Ich stand an einem Sommerabend am Meer und schaute in die Ferne. Ich war allein mit meiner Frau. Warm war es, schwül und sehr, sehr heiß. Der Himmel war zugezogen. An der einen oder anderen Stelle lugte ein kleiner Lichtschein der Sonne durch die Wolkendecke. Ansonsten war alles in ein unwirkliches Grau in Grau getränkt. Kein Tier bewegte sich, kein Mensch betrat das Wasser, kaum einer verirrte sich noch an den Strand und kein Schiff fuhr hindurch. Es war absolute Stille.

Ein schwerer Orkan-Sturm war über alle Medien angekündigt worden. Die Aufregung und die Sorge der auf unserer Urlaubsinsel heimischen Menschen waren mit Händen zu greifen. Die kannten sich aus. Sie hatten alles vertäut und festgezurrt, was herumfliegen konnte, und brachten die letzten Gegenstände in Sicherheit. Die Fenster und Türen waren zugenagelt. Die meisten flüchteten vorsorglich schon jetzt in ihre Häuser. Zugleich jedoch regte sich noch kein Lüftchen.

Das Meer lag totenstill vor mir, als hätte jemand eine große und schwere Glasplatte darauf gelegt, um die Wellen zu kontrollieren und zu unterdrücken.

Das war, liebe Gemeinde, ich glaube das fest, das war ein gläsernes Meer. Die Oberfläche konnte nicht reiner und unbefleckter sein.

Zugleich war es die oft besagte Ruhe vor dem Sturm. Bis zu diesem Tag habe ich mir das nie vorstellen können. Aber doch, das gibt es wirklich. Die ganze Schöpfung harrte dessen, was da mit dem Sturm auf sie zukam. Die Angst und die Unsicherheit nicht nur der Menschen, sondern eben auch der Tiere waren in der Stille des Tages so sehr erfahrbar, dass ich bei mir selber das Gefühl heraufziehen spürte, dass da auch ein Sturm durch mein Leben fegen könnte: Werde ich jemals aus diesem Orkan wieder heil herauskommen? Wie wird der morgige Tag aussehen? Wird es ihn überhaupt geben? Steht die Welt noch und gilt Gottes Wort an Noah: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Ja, liebe Gemeinde, sollte ich nicht manchmal Angst haben vor solchen Stürmen des Lebens? Bringen Sie mich nicht zu der einen oder anderen Zeit an die Grenze meines Vertrauens in Gottes Wirken und Schaffen?

Sie werden alle Ihre eigenen Beispiele dafür haben. Sie werden wissen, wie die Zeiten sind, in denen man den Sturm heraufziehen sieht und keine Möglichkeit hat, dem zu entgehen. Sie werden auch wissen, wie es ist, wenn der Sturm dann da ist, wie es einen vor unsicheren Sorgen und ängstlichen Nöten, vor Schmerzen und Trauer um und um blasen kann, wie es einem den Atem verschlägt, oder in die Ecke drängt. Ich vermute mal, Sie kennen das: sich selbst nutzlos, hilflos, wertlos fühlen.

Es wird auch im Leben unserer Taufkinder heute Morgen irgendwann eine Rolle spielen, weil es zu den Kennzeichen menschlichen Lebens gehört, weil das Leben eben keine Einbahnstraße in die Freude kennt, sondern über Höhen und Tiefen sich hinwindet. Und wir leben darin, gestalten dieses Leben mit Hoffnung und Liebe und Lust und Kreativität.

Israel, liebe Gemeinde, hat das auch erlebt mit seiner Versklavung in Ägypten. Unser Herr und Heiland Jesus Christus hat das erlebt in seinem Leiden und Sterben. Wie hat er ängstlich geharrt in Gethsemane. Da war scheinbar nichts, das diesen Sturm des Lebens stillen konnte, der da anrollte; da war nichts, das die Not beendet, und die Angst in Freude verwandelt. Da war nur klar: Am Ende stehen der Tod und das Verderben. Solche Angst war zu spüren, als die Sklaventreiber an den Pyramiden kamen, als Jesus betete zu Gott. Solche Angst ist zu spüren, wenn das Verderben in unser Leben hineingreift. So war das, als der Sturm am Meer heraufzog.

Liebe Gemeinde, in solchen Momente sehne ich mich nach Hilfe für mein Leben. Ich sehne mich danach, dass mich jemand aus dieser Situation herausholt, mich eben mal kurz an einen anderen Ort stellt, wo dieser Sturm nicht so blasen wird oder mich einfach deckt und birgt mit seinen starken Armen. Oder ich sehne mich danach, dass ich aus diesem Traum eben aufwache und alles wieder gut und schön wird.

In diesen Augenblicken erkenne ich, wie sehr ich an diesem Leben, an diesem Geschenk Gottes hänge, wie wertvoll und wie schön es ist und wie wenig selbstverständlich. Überlegen Sie doch einmal mit mir! Schauen Sie nach Syrien, die grauenhaften Bilder aus Homs in der letzten Woche. Schauen Sie nach Slawjansk. Schauen Sie nach Nigeria. Schauen Sie auf das kleine Mädchen Yagmur in Hamburg, die im letzten Winter wohl von Ihrer Mutter zu Tode gequält und gefoltert wurde und keiner ihr half.

Es ist, Ihr Lieben, nicht selbstverständlich, dass ein Kind gesund auf die Welt kommt, dass es so kregel und fröhlich in unser Leben eingeht, wie es unsere Taufkinder heute zum Beispiel tut. Nein, es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen nach Verwerfungen und Trennungen in ihrem Leben, noch einmal neu anfangen. Nein, es ist nicht selbstverständlich, dass ich im Angesicht schwerer Bedrohung die Ruhe behalte, neue Seiten an mir und meinen Lieben entdecke und die Kostbarkeit des Lebens noch einmal neu und vollkommen deutlich vor Augen bekomme. Und, Ihr Lieben, es ist nicht selbstverständlich, dass ich im festen Vertrauen darauf, dass mit dem Ende dieses Lebens, die Gegenwart und das Heil unseres Gottes noch nicht zu Ende ist, sondern dass es einen neuen Anfang findet, dass ich in diesem Vertrauen meiner Wege gehe. Die Erfahrung der geborgenen Freiheit des Lebens, liebe Gemeinde, ist nicht selbstverständlich.

Die Stürme des Lebens machen mir dieses Vertrauen manchmal auch ganz schön schwer.

Aber – und daran liegt mir, dass wir das heute Morgen festhalten – alles das, all das Unselbstverständliche geschieht. Darin aber finde ich die Zeichen, die gegen die Stürme stehen, die uns bedrohen. Es mögen nur kleine Zeichen sein. Aber sie sind da. Sie stehen dafür, dass Gott uns an der Hand hat und weiter an die Hand nimmt. Wir sind nicht alleine. Gott schenkt neues Leben. Wir finden neue Freunde und neue Gemeinschaft. Wir werden getröstet durch ein liebes Wort, durch eine Geste, durch ein freundliches Lachen. Wir sind in der Lage Frieden zu schaffen und neue Wege der Konfliktbewältigung zu gehen. Wir spüren das Leben unserer Kinder und ihre gottgeschenkte und gegeben Energie. Ja, Ihr Lieben, wir werden endlich auferstehen in die Herrlichkeit Gottes hinein.

Wissen Sie übrigens, woran ich damals diese Nähe und die Zukunft Gottes erkannt habe? In der angsterfüllten, unsicheren und gefährlichen Situation dieses Morgens damals im Sommer, am Strand, da spiegelten sich der Himmel und sein Licht im gläsernen Meer des Ozeans. Und es leuchtete.

Im Angesicht der Bedrohung meines Lebens leuchtete der Himmel. Nur klein und unscheinbar. Aber deutlich sichtbar. Da war ich sicher, liebe Gemeinde, Gott behält den Sieg und wir sind seine Sieger.

Heute, an diesem Tag stehen wir mit ihm am gläsernen Meer. Heute halten wir seine Harfen in der Hand. Heute singen wir. Wir singen Lieder der Freiheit. Wir singen Lieder des Lebens. Der Herr hat eine herrliche Tat getan. So hat Mose gesungen.

Und wir singen: Christ ist erstanden. Ur- und Erzgeschichten unseres Glaubens. Ur- und Erzgeschichten der Freiheit Gottes und seines Lebens.

Liebe Gemeinde, es geht in allen diesen Geschichten um Sie und um mich. Es geht um diese ganze große und schöne Gemeinde. Es geht vor allem um unsere Täuflinge, um Erika und Hans-Dieter.

Ihr Leben bleibt. Wir wissen das, wenn wir heute in das klare, gläserne Wasser schauen. Denn wenn wir zusammen an einem Tauftag in das Wasser der Taufe schauen, wenn wir gewahr werden, dass wir, die wir getauft sind, schon einmal in dieses Wasser geschaut haben, dann wissen wir auch: Wir haben den Himmel Gottes und seine Geborgenheit, die darin liegt, schon ganz deutlich vor uns gesehen. Im Wasser der Taufe spiegelt er sich wieder.

Das werden unsere Täuflinge heute erfahren und als Verheißung für ihr Leben zugesagt bekommen. Gott war und ist und bleibt bei euch.

So stimmen wir im Blick auf unsere Gemeinde, wir stimmen im Blick auf unser Leben und im Blick auf das, was Gott mit unseren Täuflingen und uns in diesem Leben vorhat, ein, in diesen Lobgesang der Sieger, weil wir die Sieger sind:

Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Amen.

Perikope
Datum 18.05.2014
Bibelbuch: Offenbarung
Kapitel / Verse: 15,2-4
Wochenlied: 243 341
Wochenspruch: Ps 98,1