Predigt zu 4. Mose 13 von Margot Runge
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Eine pralle Weintraube, da läuft das Wasser im Mund zusammen. Das ist wie ein Traum. Davon erzählt die Bibel.

Er erinnert an die bittere Zeit in Ägypten, jene Zeit voller Tränen und Unterdrückung, als die Israelit_nnen Sklavinnen und Sklaven in Ägypten waren. Sie stöhnten unter der Zwangsarbeit für den Pharao. Gott hörte ihre verzweifelten Klagen. Ich führe euch in die Freiheit, versprach er. Ich bringe euch  in ein Land, in dem ihr sicher leben könnt, ein Land, so fruchtbar, daß Milch und Honig darin fließen. Das gelobte Land.

Gott  half dem Volk, der Sklaverei zu entrinnen. Mit Mose und Miriam flohen sie vor dem Pharao und zogen trockenen Fußes durchs Schilfmeer.

Die Israelit_nnen  waren frei, aber sie hatten noch einen weiten Weg vor sich. Als es nichts zu essen gab, speiste  Gott sie mit Wachteln und Manna. Gott ließ Wasser in der Wüste sprudeln. Gott gab ihnen Gebote und Regeln. Doch das Land, von dem sie träumten, lag noch in weiter Ferne. Lange, lange  wanderten sie durch die Wüste.

Lesung der Geschichte vom Land der Träume (4. Mose 13)

Endlich kamen sie ganz nah an das Land heran, das Gott ihnen versprochen hatte. Voll Freude hielten sie an, schlugen ihre Zelte auf und schauten sehnsüchtig zu den Bergen hinüber. Hinter diesen Bergen lag das Land Kanaan. Nicht mehr lange, so hofften  sie, dann sind wir am Ziel. Dann kommen wir in das Land, „wo Milch und Honig fließt“! ... Ob das Land wirklich so schön war, wie alle sagten? Ob es dort auch genug zu essen gab? Die Israeliten wollten es gerne vorher wissen.

Da rief Mose zwölf Leute zu sich und befahl ihnen: „Geht über die Berge und seht euch heimlich in dem neuen Land um! Schaut euch die Menschen und ihre Städte an! Seht und erkundet, was dort in dem Land wächst! Dann kommt zurück und sagt uns, was ihr gesehen habt!“

Da machten sie sich auf den Weg, zogen über die Berge und blieben lange Zeit weg. Nach vierzig Tagen kehrten sie endlich zurück. Aber wie staunten die Leute, als sie die Heimkehrer sahen! Auf ihren Schultern trugen sie eine Stange, daran hing eine riesige Weintraube. In ihren Händen hielten sie frische Früchte, Granatäpfel und grüne Feigen. „Seht her!“, riefen die zwölf. „So üppige Früchte wachsen in diesem Land. Es ist wirklich ein Land, wo ‚Milch und Honig fließt‘!“   (in Anlehnung an Neukirchener Kinderbibel 86 und  Neukirchener Erzählbibel 68 f.)

Ich weiß nicht, wem das Wasser im Mund mehr zusammengelaufen ist, als die Leute mit dieser riesigen Weintraube zurückkamen, den Kindern oder den Erwachsenen. Jedenfalls haben alle glänzende Augen bekommen. Im Grunde waren sie nur ein abgerissener Haufen von Sklavenfamilien, bettelarm, dem Pharao weggelaufen und dem Tode entronnen. Von der langen Wanderung durch die Wüste sahen sie bestimmt ziemlich mitgenommen und staubig aus. Und nun: Weintrauben, Granatäpfel, Feigen. Ein Land, das üppige Früchte hervorbrachte, lag vor ihnen. Es bot genügend Raum zum Leben für alle. Was Gott versprochen hatten, breitete sich überreichlich vor ihnen aus und brachte ihre Gesichter zum Strahlen: Nie mehr Hunger. Kein Pharao. Keine Sklavenarbeit. Freiheit. Genug zu essen in Hülle und Fülle. Ein Traum lag greifbar vor ihnen.

Diese Geschichte ist nicht passiert. Die Menschen haben sie sich trotzdem erzählt und in die Bibel geschrieben. Denn solche Erfahrungen haben sie immer wieder gemacht. Bis heute erleben Völker bittere Not, Unterdrückung und Unfreiheit. Bis heute verlassen Familien ihre Heimat, irren umher wie die Israelit_nnen in der Wüste und suchen Orte, wo sie sich niederlassen können und sicher sind.

Die Bibel will uns erzählen: Genügend Raum zum Leben für alle, ein Land, das üppig Früchte trägt, das bietet die Erde auch heute. Die Erde bringt reichlich hervor, was wir brauchen, nährt Pflanzen, Tiere und Menschen. Es kann es ein gutes Leben für uns geben, für alle Völker. Die Erde soll ein gelobtes Land sein, in dem Milch und Honig fließen und alle ihr Auskommen haben. So will es Gott.

Zum Erntedankfest erinnern wir uns daran. Gott hat uns die Erde anvertraut. Ein Paradies soll sie sein, kein Jammertal. Offene Türen  soll  dieses Paradies haben, keine Mauern mit Stacheldraht. Flüchtlinge wie die Israelit_nnen damals werden nicht mit Brandbomben beworfen wie Ende August in der Asylbewerberunterkunft. Sondern sie können hereinkommen, sich ausruhen und eine Existenz aufbauen. Keine Angst, es ist wirklich genug für alle da!

Erntedank erinnert uns daran, wie Gott sich die Erde ausgedacht hat und wie schön sie werden kann, wenn wir dabei mit Hand anlegen. Wir können behutsam mit ihr umgehen, sie bewahren, der Gerechtigkeit zum Recht verhelfen. Wir selbst werden schön, unsere Gesichter beginnen zu strahlen, unsere Würde leuchtet auf, wenn wir dabei mitmachen. Wir können  das Paradies zum Blühen bringen und miteinander das gute Leben teilen. Die Weinranken an den Pfeilern erinnern uns jeden Sonntag daran.

Doch heute, zum Erntedankfest, sehen wir die Trauben greifbar vor uns. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen. Beim Altarumgang freuen wir uns über die vielen Erntegaben für die Sangerhäuser Tafel, und wir spenden für Brot für die Welt. Wenn wir um den Altar ziehen, ist es ein bißchen wie bei den Kundschaftern damals. Wir dürfen ruhig schon mal einen Blick darauf werfen und träumen von diesem gelobten Land.

 

Perikope