Predigt über Apostelgeschichte 3, 1-10 von Martina Janßen
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Predigt über Apostelgeschichte 3, 1-10 von Martina Janßen

Liebe Gemeinde!
 „Fast ein kleines Wunder – genau das habe ich gebraucht!“ Meine Freundin Yvonne berichtet von ihrem Urlaub:  Drei Wochen im heimischen Garten. Eigentlich hatte sie einen Erlebnistrip nach Indien geplant: eine fremde Kultur entdecken,  ganz neue Dinge riechen, sehen und schmecken. All das hatte Yvonne bis ins kleinste Detail durchgeplant, denn im Pläne-Machen und Organisieren ist sie gut. Das muss sie auch, denn sie arbeitet als Eventmanagerin. Da muss alles passen und da muss man mit allem rechnen – und das kann Yvonne.  Nur, dass sie drei Tage vor der großen Reise mit ihrem modischen Stiletto im alten Kopfsteinpflaster hängen bleibt und sich den Fuß verknackst – das hatte sie nicht einplant! Nichts half, Indien wurde auf unbestimmte Zeit verschoben und der Urlaub fand im Garten mit hochgelegtem Fuß statt. Ärgerlich für Yvonne und vor allem ungewohnt. Denn Yvonne ist immer in Bewegung, hetzt von einem zum anderen, beruflich und privat. Stillsitzen fällt ihr schwer. Und doch wurde gerade das eine neue Erfahrung, die ihr gut getan hat: Einmal nicht vor sich selber fliehen, sondern zu sich kommen und ganz bei sich sein. Am Anfang war das schwer, aber von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde fiel es Yvonne leichter: Einfach nur ein Buch zu lesen, die Gedanken schweifen zu lassen, die Dinge ganz neu sehen zu lernen – nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen: das Sommergold am Abendhimmel, den Fluss der Wolken,  Nuancen von Grün, den Tanz der Mücken im Sommerlicht, die Linien ihrer Hand, ihr Leben. Indien hat Yvonne in diesem Urlaub nicht entdeckt, dafür aber wieder sich selbst.. „Und genau das“, so erzählt sie mir lachend, „genau das habe ich wirklich gebraucht!“
Manchmal kommt das, was man am meisten braucht, ganz unverhofft und unerbeten. So wie bei Yvonne und so wie in der kleinen Erzählung aus der Apostelgeschichte (Apg 3,1-10). Der Mann ist von Geburt an gelähmt. Jeden Tag sitzt er vor dem Tempel und bittet um Almosen. Eines Tages sieht er Petrus und Johannes und hofft, dass er von ihnen bekommt, was er braucht. Geld wünscht er sich, ein kleines Almosen, um den nächsten Tag zu überstehen, vielleicht auch eine größere Spende als sonst, denn der gelähmte Bettler hat schon von Petrus und Johannes gehört und weiß, dass sie Gutes tun und ein großes Herz haben. Doch seine Erwartungen werden enttäuscht. Petrus sagt:  „Silber und Gold habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!“  Und so kommt es auch. Der Gelähmte steht auf, springt vor Freude in die Luft und lobt Gott aus ganzem Herzen. An diesem Tag geht er zwar mit leerem Beutel nach Hause, aber zum ersten Mal in seinem Leben auf eigenen Füßen. Sicher, einiges wird ungewohnt sein. An das Laufen wird er sich erst gewöhnen müssen, auch daran, auf neue Art seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aber er hat die Chance auf ein heiles Leben aus eigener Kraft.
Liebe Gemeinde!
Eigentlich hatte sich der gelähmte Bettler Silber und Gold gewünscht. Auch unsere Wünsche haben oft mit Geld zu tun. Und wir wünschen uns das nicht ohne Grund. Geld zu haben, ist schon angenehm. Es wäre zynisch, etwas anderes zu behaupten – vor allem denen gegenüber, die sich einen Geldsegen nicht um des höheren Lebensstandards willen wünschen, sondern einfach, um zu überleben.  Von Luft und Liebe allein kann man nämlich nicht leben, auch nicht von frommen Worten. Denn die machen nicht satt, Luftschlösser bieten kein Dach über dem Kopf und in bitterer Not kann selbst die größte Liebe sterben. Kein Geld zu haben, kann sehr, sehr unglücklich machen – das ist die eine bittere Wahrheit. Aber die andere ist: Geld allein macht nicht glücklich. Die Shopping-Malls in den Cities sind nicht der Weg ins Leben, und in den Konsumtempeln dieser Welt hält sich Gott nicht versteckt. Diese Wahrheit mag banal klingen, aber sie kann gerade in unserer Zeit nicht oft genug wiederholt werden. Denn die allgegenwärtige Sprache der Werbung transportiert da ganz andere Botschaften. Konsum verheißt Glück und trägt das Versprechen in sich, ein neuer Mensch zu werden, wenn man nur die richtige Frisur, das richtige Styling und das dazu passende Accessoire erwirbt.
Sicher, Geld, Luxus, Event – all das macht Spaß und ist schön! Wer wollte das bestreiten?  Doch all der Glanz kann uns auch die Sicht auf das verstellen, was wir wirklich brauchen, und uns blind machen gegenüber unseren eigentlichen Bedürfnissen. Vielleicht kennen Sie das auch!  Wenn man ein Problem hat, kann man sich in Aktionismus flüchten, anstatt es zu lösen. Ein bisschen so wie Yvonne, die immer auf Achse ist und auf der Flucht vor sich selbst von einer Party zur nächsten tanzt. Doch auch mit noch so raffinierten Cocktails lässt sich der Durst der Seele nicht löschen. Denn genau um den geht es.  Hinter Erlebnishunger verbirgt sich oft Hunger nach heilem Leben. Und dann braucht man nicht die nächste Party, den nächsten Clubbesuch oder das neuste Handy, sondern jemanden, der einem sagt, was nicht stimmt im eigenen Leben. „Gold und Silber brauchst du nicht, aber steh auf und finde zurück in dein Leben!“
Manchmal wissen wir nicht, was uns wirklich fehlt. Wenn ich z.B. gefrustet bin, gehe ich gerne zum Friseur oder noch lieber schoppen. Das verschafft mir ein Erfolgserlebnis. Ein paar neue Schuhe können mich über den Streit mit meinem Mann gut hinwegtrösten und mir ein wahres Glücksgefühl verschaffen. Doch das verflüchtigt sich leider allzu schnell und ist meist schon in der S-Bahn nachhause verpufft. Auch wenn meine Schuhe noch so reduziert, schick und dazu noch bequem sind, so sind sie doch nur ein buntes Trostpflaster, das ich über die Wunde in meiner Seele klebe und das mich von meinem Herzschmerz ablenkt. Denn ganz ehrlich – eigentlich brauche ich in solchen Momenten keine neuen Schuhe, sondern eine Umarmung von meinem Mann. So ist das eben mit Frustkäufen. Sie lindern das Symptom, heben kurzzeitig die Laune und stellen einen ruhig, aber sie gehen dem Übel nicht an die Wurzel. Weil all die Dinge, die man da kauft, nicht das sind, was man wirklich braucht.  Ein wenig so wie bei dem gelähmten Bettler und seiner Geldspende. Sie lindert zwar seine Not und hilft ihm, den Alltag zu überstehen, aber sie schenkt ihm kein heiles Leben.
Liebe Gemeinde!
An jenen Krankenbesuch bei meiner Freundin Yvonne erinnere ich mich gerne. Es war ein lauer Sommerabend. Wir haben Indisch gekocht (immerhin!), Rotwein getrunken, sind in unseren Erinnerungen spazieren gegangen und haben Musik gehört. Nicht die neusten Club-Sampler, sondern die ganz alten Sachen. Bei einem Lied von den Stones mussten wir beide aus ganzem Herzen lachen, denn es passte so gut auf Yvonnes geplatzte Urlaubspläne und die Zeit, die sie dafür geschenkt bekam und die so nötig in ihrem Leben brauchte. „No, you can't always get what you want. But if you try sometime, you just might find. You get what you need.”
Die Ferienzeit ist um. Vielleicht sind Ihre Urlaubspläne aufgegangen, vielleicht ist alles anderes gekommen als geplant und vielleicht haben Sie auch entdeckt, was Sie wirklich brauchen: Eine Hand, die Sie hält. Eine Wunde, die verheilt. Einen Gott, der Sie behütet.
Amen