Predigt zu 1. Petrus 2,2-10 von Antje Marklein
Einstieg: Gespräch unter Jugendlichen über Taufe (kann erzählt oder besser mit verteilten Rollen gesprochen werden)
Pausengespräch in der Marie-Curie-Schule letzte Woche, 3 Jugendliche aus der siebten Klasse:
Anna: habt ihr am Wochenende Zeit? Gehen wir zum Schützenfest? Ich kann nicht, sagt Emina, Sonntag ist der letzte Tag der Fastenzeit, Ramadan, - sie rückt ihr Kopftuch zurecht - und dann ab Montag feiern wir Fastenbrechen. Da will ich zuhause sein.
Wie du das aushältst, wirft Leonie ein. Den ganzen Tag ohne Essen und vor allem ohne Trinken. – Naja ganz so schlimm ist es für mich ja nicht, sagt Emina, ich darf ja Ausnahmen machen, bin ja noch ein ‚Kind‘. Und du, Leonie, fragt Anna: kommst du mit am Sonntag? Nein, ich kann auch nicht. Mein Cousin wird getauft, und ich will oder soll mit dabei sein, weil ich ja auch vor der Konfirmation noch getauft werde.
Emina: Ach, dann kannst du mir ja mal erklären was das soll mit der Taufe? Mit Wasser und Orgelmusik, habe ich mal im Fernsehen gesehen. Ja, sagt Leonie, mit der Taufe wird man Christ, - ich dann wohl eher Christin - gehört zu Jesus oder so.
Emina: Wie oder so, was heißt denn das? Wie fühlt man sich dann? Anders als ohne Taufe?
Da fällt Anna ins Gespräch: Also ich bin in der Osternacht getauft worden, das war feierlich, mit Kerzen und vielen netten Worten der Pastorin über mich. Dass ich einmalig bin und dass Gott mich lieb hat. Und das jetzt ein neues Leben beginnt. Und dann gab es ein Fest in der Familie. Aber ich fühle mich nicht anders als vorher. Und man sieht es mir wohl auch nicht an. Bin jetzt evangelisch. Du weißt doch: Luther und so.
‚Luther und so‘ - Woran erkennen wir evangelische Christen? Irgendwie haben es die Moslems leichter, zumindest die, die ein Kopftuch tragen. Die kann man ansprechen, weil sie ihre Religion sichtbar tragen. Und oft auch leben, zum Beispiel gerade jetzt im Fastenmonat Ramadan.
Woran also sind wir evangelische Christen zu erkennen?
Vielleicht erhalten wir eine Antwort auf diese Frage im Predigttext aus dem 1. Petrusbrief.
P. Text in Auszügen verlesen
Christus der lebendige Stein – und wir als lebendige Steine, die ein geistliches Haus bauen. Welch ein starkes Bild. So wird Christsein konkret, oder?
Aber will ich ein Stein sein? Steine sind kalt, unbeweglich, man legt einander Steine in den Weg – so sagt man, Pflastersteine werden bei Demonstrationen als Waffen geworfen, Menschen wurden früher gesteinigt, und ein Grabstein ist auch nicht lebendig.
Steine können auch lebendig sein, erzählen ganze Lebensgeschichten, Steine waren in der –‚Steinzeit‘- wichtige Werkzeuge, halfen beim Feuermachen, Steine prägen eine Landschaft, Edelsteine schmücken Menschen, und auf jüdischen Friedhöfen werden nicht Blumen sondern Steine auf die Gräber gelegt.
Ihr seid, so sagt es der Verfasser des Petrusbriefes, lebendige Steine, die ein geistliches Haus bauen. Ja, wenn unsere Kirche ein Haus aus lebendigen Steinen ist – dann schauen wir uns die lebendigen Steine einmal an. Das sind dann wir, die Christen und Christinnen, aus denen dieses Haus gebaut ist. Vielleicht kann man uns daran erkennen?
Unsere Gemeinde, das Haus der lebendigen Steine. Die Menschen, die in unserer Kirche bzw. unserer Gemeinde ein- und ausgehen, sind die lebendigen Steine. Sie beleben diese Gemeinde, sie erst machen die Kirchen zu Kirchen und die Gemeindehäuser zu Gemeindehäusern. Und auch all die, die hier arbeiten, als Haupt- und Ehrenamtliche, sind solche lebendigen Steine.
So könnte also eine Antwort von Anna lauten: Als Christen sind wir erkennbar weil wir miteinander das Haus aus lebendigen Steinen bilden.
Und – was für ein Stein bin ich, sind Sie?
Bin ich ein Stein, der einen festen Platz hat – oder werde ich noch hin- und hergeschoben bis ich meinen Ort gefunden habe? - Wer steht neben mir und stützt mich? - Wem bin ich eine Stütze? - Wo habe ich meinen Platz in diesem geistlichen Gebäude, das wir Kirchengemeinde nennen? Und – möchte ich eigentlich lieber anderswo stehen? Bin ich ein Stein des Anstoßes? Jeder Stein ist einmalig. Jeder Stein passt an einen Platz, ohne dass er abgeschliffen oder gekürzt werden muss. Wie in einem Mauerwerk, wo Steine aufeinander aufgebaut stehen, so sind auch wir in unserer Gemeinde aufeinander angewiesen. Ohne uns gäbe es die Gemeinde nicht. Und so einmalig, wie jeder/jede einzelne sich hier einbringt, so einmalig und bunt ist auch das was uns dann als Christen erkennbar macht: die eine engagiert sich diakonisch, ein anderer hat einen kulturellen Schwerpunkt, die dritte hat besonders Jugendliche im Blick, ein vierter setzt sich politisch im Stadtteil für Flüchtlinge ein und die fünfte macht gern Musik. Jemand kann gut reden, eine andere kann gut mit Zahlen umgehen… Und jeder einzelne lebendige Stein findet da seinen Platz, wo er hinpasst.
Getragen werden wir alle, so verschieden wir sind, von einem Eckstein, einem Fundament, das uns Sicherheit gibt: Unser Glaube ist dieses Fundament, manchmal ganz klein, und doch stark und unverrückbar.
Heute, am Taufsonntag, werden an vielen Orten Tauffeste stattfinden. So werden neue lebendige Steine in diesem Haus aufgenommen, sie werden mit der Zeit ihren eigenen Platz einnehmen. Durch die Taufe werden Kinder und Jugendliche ihren Platz bei uns finden, und mit ihnen und den vielen anderen werden wir weiter bauen an dem Haus der lebendigen Steine.
Leider geschieht auch das andere: Menschen treten aus unserer Kirche aus, Kirchen werden entwidmet, Gebäude werden abgerissen oder umfunktioniert (Konkretion Region Hannover vergangene Woche, 1 evangelisches und ein katholisches Kirchengebäude). Wie steht es beim Prediger Salomo: alles hat seine Zeit. Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit. Bauen hat seine Zeit, abbrechen hat seine Zeit. Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit. Ja, ich denke tatsächlich dass unsere jetzige Zeit eine solche Krisenzeit ist, in der innerhalb (und außerhalb) der Kirche vieles im Wandel ist. Transformation - mit diesem Begriff können wir vielleicht die Krise als Chance begreifen. Ich muss im Wandel keinen Verlust sehen, sondern kann ihn als Aufbruch zu Neuem begreifen. Eine Neuausrichtung ist angesagt, um die alte Botschaft, unser Fundament, tragfähig zu machen für die sich wandelnde Gesellschaft. Es kommen neue lebendige Steine hinzu, die ihren Platz suchen. Und das ist gut so. Umso wichtiger ist es dass wir sprachfähig sind bzw. werden, dass also Anna Emina erklären kann, was für sie evangelisch sein bedeutet…
Zur Zeit Martin Luthers, vor knapp 500 Jahren, gab es auch einen großen gesellschaftlichen und kirchlichen Wandel. Luther war es wichtig, dass an diesem Wandel möglichst viele Menschen aktiv beteiligt waren. Priestertum aller Getauften, so nannte er das Fundament, auf dem er die evangelische Kirche gründete: Alle Getauften sind Priester, gestalten Kirche mit, leben ihren Glauben aktiv und verantwortlich. Deshalb hat er die Bibel ins Deutsche übersetzt, damit alle sprachfähig werden über ihre Glauben; deshalb hat er die Sonderrechte von Priestern abgeschafft, damit die Kirche für das Volk da ist. Luther war wichtig, dass in dieser Zeit der Reformation die Christen mitwirken, mitgestalten – so wie lebendige Steine im Gebäude.
So kann sich Anna gut auf Martin Luther berufen, wenn sie ihren evangelischen Glauben erklären will. Sichtbar sind wir evangelischen Christen in dem, was wir ausstrahlen und in dem was wir gemeinsam bauen und bewegen. Unser Engagement macht uns glaubwürdig und erzählt von unserem Glauben. Vielleicht kann Anna mit Emina darüber ins Gespräch kommen können, was Glaube jeweils für sie bedeutet. Vielleicht nimmt Anna ein paar Steine in die Hand, dann wird es anschaulich. Das Haus der lebendigen Steine. Vielleicht lädt Emina Anna morgen zum Fastenbrechen ein. Und dann kommt Emina einmal mit ins Gemeindehaus. Und im Laufe ihres Erwachsenenlebens wird Anna dann ihr Evangelisch-Sein immer mehr mit Leben füllen können und mehr sagen können als: ‚ du weißt doch: ‚Luther und so‘!