03.09.23 - 13. So. n. Trinitatis
11.06.23 - 1. So. n. Trinitatis
Weihnachtskinder - Predigt zu 1. Joh 3,1-2 von Isolde Karle
1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt. 2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Liebe Universitätsgemeinde,
vordergründig betrachtet hat unser Predigttext nichts mit Weihnachten zu tun. Und doch berührt er weihnachtlichen Erfahrungen. Diese haben mit dem Kindsein zu tun – dem neugeborenen Jesus, unserem eigenen Kindsein und dem Kind-Gottes-Sein. Darüber will ich mit Ihnen zusammen nachdenken.
„Seht!“ Mit dieser Mahnung beginnt der Text. Eindringlich fordert uns Johannes auf, genau hinzusehen und nicht blind durch die Gegend zu laufen. Seht hin! Seid nicht blind für das, was an Weihnachten geschieht! Macht nicht einfach weiter im alten Trott, sondern merkt auf, seht, nehmt wahr! Gott kommt in diese Welt, Gott will dieser Welt helfen, die in diesen Pandemie-Zeiten so bedroht und dunkel wirkt. Gott will die Welt zu einem Ort der Liebe und des Lichtes machen. Und er setzt alles dafür ein – Gott besucht uns und kommt uns nahe.
Weihnachten erzählt vom Kommen Gottes in die Welt. An Weihnachten steht nicht ein König oder Kanzler und schon gar kein Professor im Mittelpunkt, sondern ein Neugeborenes, ein schwaches verletzliches Kind. Es ist die Geburt dieses Kindes, das die Nacht in Bethlehem erhellt und Himmel und Erde in Bewegung bringt.
Warum zwingt diese Geburt die Welt dazu, neu aufzumerken? Ich denke, jede Geburt ist etwas Wundersames. Ein Neugeborenes beansprucht die Aufmerksamkeit seiner Eltern ganz und gar. Es fragt nicht danach, ob es passend oder unpassend kommt, es ist einfach da. Es will nicht gefallen und kennt noch keine Erfolgsstrategie – es ist einfach da, vollkommene Präsenz.
Durch dieses „ganz in der Welt sein“ helfen uns Kinder, unsere üblichen Verhaltensmuster zu durchbrechen. Wir lachen mit einem Kind, machen Faxen, um es zum Lachen zu bringen, wir lassen uns verzaubern vom Lächeln eines Kindes, wir werden offen für Dinge, die wir im Alltag leicht übersehen. Ein Kind fordert uns heraus und lässt uns unsere eigene Lebendigkeit spüren.
Deshalb: Seht das Kind in der Krippe, seht, was an Weihnachten geschieht. Gott überlässt uns nicht uns selbst, sondern berührt unsere Herzen, dass sie sich öffnen für das Kind in der Krippe, für das Lachen, für den Neuanfang, für die Hoffnung, die sich mit diesem Kind verbindet.
Mein zweiter Gedanke schließt daran an. „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“
Wir sind Gottes Kinder. Nicht nur der kleine Jesus ist ein Kind Gottes. Auch wir sind Kinder Gottes. Wir haben uns so an diese Bezeichnung gewöhnt, dass wir gar nicht mehr bemerken, was in ihr steckt: Kind Gottes sein, mit Gott verwandt sein, Gott ähnlich sein – eine unglaubliche Wertschätzung und Achtung steckt in dieser Bezeichnung.
Wissen Sie noch, wie es war, Kind zu sein? Für viele von uns ist das schon lange her. Manche denken sehnsuchtsvoll an ihre Kindheit zurück, andere sind vielleicht froh, dass sie ihre Kindheit gut überstanden und hinter sich gebracht haben. Wir bleiben Kinder, auch als Erwachsene, jedenfalls solange die Eltern leben. Als meine Eltern starben, empfand ich das als tiefgreifenden Einschnitt: Jetzt bin ich nicht mehr Kind, dachte ich. Eine Freundin sagte damals zu mir: Jetzt bis Du Waise. Eigentlich sagt man das nicht mehr bei längst Erwachsenen, aber tatsächlich empfand ich das ein wenig so. Es brach etwas Grundlegendes in meinem Leben weg. Ich fühlte mich meinen Eltern immer eng verbunden, habe ihnen immer gern erzählt, was passiert, und war dankbar zu wissen, dass sie an mich denken, für mich beten und Anteil daran nehmen, was in meinem Leben geschieht. Deshalb fehlt es mir bis heute, dass ich nicht mehr das Telefon in die Hand nehmen, sie anrufen und ihnen erzählen kann.
Weihnachten heißt: Wir sind Gottes Kinder. Wir dürfen auch als Erwachsene Kind sein und das Kind in uns wahrnehmen. Jesus sagt: Werdet wie die Kinder. Habt dieses Vertrauen, diese Unbekümmertheit, diese Präsenz, die Kindern eigen ist.
Johannes weiß, dass es uns schwer fällt, zu glauben. Wir müssen nicht nur sorgenvolle Erwachsene sein, sondern dürfen auch Kinder sein, Kinder Gottes allzumal – deshalb schiebt er der Rede von den Kindern Gottes noch eine etwas pathetische klingende Bestätigung hinterher: „und wir sind es auch!“ Ja, wir sind es auch. Auch wenn es uns nicht leichtfällt, darauf zu vertrauen: Wir werden von Gott begleitet und behütet, wir werden geliebt, wahrgenommen, geachtet und mit Freude angeschaut. Wir werden getröstet in Traurigkeit, getragen, wenn wir nicht mehr weiterwissen, mit Kraft beschenkt, wenn uns Schwäche niederdrückt und uns Zweifel quälen. In aller Dunkelheit und Gebrochenheit der Welt sagt uns Weihnachten: Du bist Gottes geliebtes Kind!
Mein dritter Gedanke: Gott kommt im Jesuskind nicht nur im Stall von Bethlehem zur Welt, sondern auch in uns. Meister Eckart, der große Mystiker aus dem 14. Jahrhundert, hat diesen Gedanken entfaltet. Meister Eckart verstand Weihnachten weniger als historisches Ereignis, sondern als einen Prozess, der sich immerfort ereignet. Es geht an Weihnachten nicht nur um die Geburt des Sohnes Gottes, sondern auch und vor allem um die Geburt Gottes in meiner Seele. Meister Eckart fragt: „Was hilft es mir, dass diese Geburt immerfort geschehe und doch nicht in mir geschieht? Dass sie aber in mir geschehe, daran ist alles gelegen.“ Eckart spricht davon, dass der Geist Gottes in uns aufblüht und uns zum Leuchten bringt. Dieser Geist Gottes hebt unsere Seele empor. Bei Eckart hat das nichts Angestrengtes und Bemühtes. Erfahre ich mich als Kind Gottes, dann bin ich daheim, dann erfahre ich mich gehalten in einem letzten Grund.
Die Geburt Gottes ist für Eckart ein Prozess, in dem wir uns nicht nur als geliebte Kinder Gottes erfahren. Vielmehr macht es uns selbst zu Liebenden und Schenkenden. Aus dem Gehaltensein wächst die Hoffnung, die Welt verändern zu können, aus dem unerschütterlichen Vertrauen in das Gute resultiert die Zuversicht, dass vieles wieder heil werden kann. So strahlt die Erfahrung der Gottesgegenwart auf unser Leben aus. An Weihnachten wird Gott geboren – auch in mir.
Mein letzter Gedanke: Weihnachten ist Weltunterbrechung, so formuliert es Armin Nassehi. An Weihnachten feiern wir Gottes Gegenwart, indem wir Kerzen anzünden, Lieder singen, indem wir uns beschenken, in fröhliche Kinderaugen blicken, festliche Musik hören, indem wir zusammen essen und trinken. Weihnachten ist Weltunterbrechung. Am 24. Dezember abends findet die sonst so umtriebige Gesellschaft einen einzigartigen Ruhepunkt. Für kurze Zeit werden fast alle Systeme runtergefahren, wird alles langsamer und ereignisloser. Darin ist Weihnachten geradezu subversiv. Die Routinen und Alltäglichkeiten werden in Frage gestellt. Der Hochmut der großen Sprecher und Mächtigen wird wenigstens zeitweise leiser, wenn er nicht ganz verstummt. Um auf ein Kind zu hören, um uns selbst als Kind Gottes zu erfahren, um Gottes Gegenwart zu feiern und uns zu öffnen für das Aufblühen des Geistes Gottes in unserer Seele. Genießen wir diese Weltunterbrechung. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt wird kurz vor Weihnachten im Universitätsgottesdienst der Ruhr-Universität gehalten. Die Pandemie ist prägend, zugleich ist gerade vor diesem dunklen und irritierenden Hintergrund die Sehnsucht nach Geborgenheit wie Kinder sie erleben und einem Weihnachtsfest als Weltunterbrechung groß.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Meister Eckart und das Nachdenken über das eigene Kindsein und zugleich Kind Gottes zu sein.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Weihnachten ist Weltunterbrechung. Und: Gott kommt in meiner Seele zur Welt, die dadurch aufblüht.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Für mich war in der Überarbeitung besonders wichtig, dass ich den recht abstrakten und schwierigen Predigttext mit weihnachtlichen Erfahrungen in Verbindung bringe und die Predigt klar in vier „moves“ gliedere. Den Hinweis auf Meister Eckart – und damit auf ein prozesshaftes Weihnachtsverständnis von der Geburt Gottes in meiner Seele – verdanke ich einem kritischer Leser, der mich auf diesen faszinierenden mystischen Gedanken hinwies.
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02.01.2022 - 1. Sonntag nach dem Christfest
Licht schenkt Versöhnung – Versöhnung schenkt Licht – Predigt zu 1. Johannes 1,5 – 2,6 von Andreas Schwarz
Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.
Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis. Der Herr sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis. Das Licht war gut. Das Licht ist gut. Es ermöglicht Leben. Es macht das Leben hell und warm und bunt. Es macht das Leben gut. Wir hören diese Botschaft. Und wir leben davon. Kein Gottesdienst ohne Licht, ohne Kerzen auf dem Altar. Keine Osternacht ohne Einzug der einen brennenden Kerze in die Dunkelheit. Keine Taufe ohne Kerze. Keine Erinnerung an die Taufe, ohne die vielen brennenden Taufkerzen. Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Das Licht und das Leben. Sie gehören zusammen. Damit Leben möglich wird. Damit Leben gut ist. Damit es warm ist, wir geborgen sind, behütet und beschützt. Damit wir es hell haben, und wir uns nicht verlaufen, damit wir wissen, wo es hingeht mit unserem Leben, wem wir nachfolgen, wo die Zukunft ist. Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis.
Gottes Licht ist anders als unsere Lichter, anders als die Lichter dieser Welt. Die eine kurze Zeit brennen und auslöschen; dann ist das Wachs verbraucht, der Faden durchgebrannt, die Haltbarkeit erreicht und überschritten. Unser Licht, unser Lebenslicht, ist vorübergehend, endlich. Wer jetzt im Rampenlicht steht, wird irgendwann ersetzt, ausgetauscht, ins Dunkle gezerrt. Wer sich jetzt im Scheinwerferlicht sonnt, die Zustimmung und den Applaus genießt, spürt bald den absteigenden Ast. Und ahnt auch die, die die Säge schon in der Hand haben. Stars und Leuchten leben für den Augenblick und verglühen. Das ist unser Leben. Das Leben in der Finsternis. Das ist nicht das Leben im Licht Gottes. Es spiegelt etwas vor, wird durch die Maske und die Garderobe, durch geschickte Beleuchtung zum Glänzen gebracht, zur Bewunderung und zur Begeisterung. Aber es ist am Ende eine Fassade und hält nicht, was es verspricht. Unsere künstlichen Lichter machen es kurz hell, scheinen und blenden. Aber sie bringen das Leben nicht. Sie besiegen die Finsternis nicht. Nicht wirklich und nicht dauerhaft.
Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis. Dieses Licht macht schön ohne Maske, ohne Schminke und Garderobe. Dieses Licht macht jedes Leben hell und warm. Dauerhaft, ewig. Es leuchtet hier und jetzt und in der Zukunft. Es veraltet nicht und wird nicht ersetzt. Es verbraucht sich nicht und verschwendet keine Energie. Es wirft keinen Schatten und produziert keine Dunkelheit. Im Gegenteil: es macht es gerade da hell, wo es dunkel in unserem Leben ist. Und welches Leben ist ohne Dunkelheit? Wer ist nicht bemüht, das Dunkle zu verbergen? Damit nicht jeder weiß, was ich denke, wünsche und hoffe, was ich tue, im Dunkeln. Niemand soll es sehen oder wissen. Gott auch nicht. Es soll im Dunkeln bleiben. Unerkannt, unentdeckt, unvergeben.
Und Gott sah, dass das Licht gut war. Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Da wird etwas anders. An Jesus Christus ist das zu sehen und zu erleben. Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und die wir euch verkündigen: Gott ist Licht. Die Evangelien werden nicht müde, genau das von Jesus Christus zu erzählen. Wie er zu den Menschen geht und ihrer Dunkelheit begegnet. Er ist das Licht von Gott und sieht, wo es dunkel ist bei den Menschen.
Worunter sie leiden, wovor sie Angst haben. Wie sie unter ihrer Sünde leiden und sie zu verbergen suchen. Sie meiden die Gesellschaft, weil es ihnen peinlich ist. Oder weil die deutlich zu verstehen geben, dass sie solche Leute nicht bei sich haben wollen. Jesus Christus holt sie ins Licht, in sein Licht. Er holt sie aus ihrem Dunkel heraus, in das sie sich selbst verkrochen hatten, in das man sie verwiesen hatte. Er holt sie heraus, er schaut sie an, schaut in ihre Augen, auf ihren Körper, in ihre Seele. Er sieht ihre Krankheit, er sieht ihre Sünde. Er sieht, was sie vom Leben trennt. Er erkennt sie und hilft ihnen, sich selbst zu sehen und zu erkennen. Hell, offen, ehrlich. Schonungslos. Ungeschminkt. Jesus sieht nicht, was die Menschen vorgeben und vortäuschen, sondern wie sie sind, was sie zu verbergen suchen. Es tut ihnen gut. Es wird gut mit ihnen. Weil er ihnen ihre Sünde vergibt und ein neues, ein anderes Leben ermöglicht. Aufrecht, offen, ehrlich.
Er nimmt sie an und sie können sich selbst annehmen. Er vergibt ihnen und sie können sich selbst vergeben. Sie müssen sich nicht verstecken und von sich etwas Gutes behaupten, was in Wahrheit gar nicht gut ist. Jesus tritt in das Leben der Menschen und macht es hell. Da, wo es dunkel ist. Wo Menschen erleben und spüren, sie kommen aus diesem Dunkel niemals selbst heraus. Sie leben ein neues Leben, weil Jesus ihnen ihre Sünde vergibt. Sie leben von seiner Versöhnung. Er hat es hell gemacht, ehrlich. Es hat es geöffnet für neue Erfahrungen und für die Zukunft. Das ist seine Botschaft. Für den Zöllner Zachäus, der seine Leute betrogen und hintergangen hat, der gemeinsame Sache mit der römischen Besatzermacht gemacht hatte. Mit dem keiner aus der frommen Gemeinde zu tun haben wollte.
Die Prostituierte, die Jesus die Füße salbt, mit ihren Tränen befeuchtet, mit ihren offenen Haaren trocknet. Auf die alle mit dem Finger zeigen. Die Frau, die man beim Ehebruch ertappt hatte, über die alle urteilen, die man schon verurteilt hat und töten will. Sie alle holt Jesus aus dem Dunkel ihres Lebens heraus, aus dem Urteil der Gerechten, aus dem eigenen Urteil über gescheiteres Leben, ins Licht seiner Vergebung. Ins Licht eines neuen Lebens.
Wie sollte da nicht Raum sein für dich und für mich und für jeden Menschen mit der Dunkelheit seiner Sünde? Niemand, für den Jesus nicht gestorben wäre, Keine, für die Jesus nicht mit seinem Blut bezahlt hätte. Die Botschaft verkündigen wir. Und davon leben wir. Niemand lebt davon, dass er sein Leben selbst hell macht. Niemand macht sein Leben selbst gut. Nichts aber wäre verheerender, als das zu glauben. Als hätte ich mein Leben im Griff. Als könnte ich es gut machen. Als bräuchte ich keine Vergebung. Als bräuchte ich Jesus Christus nicht. Ich würde mich täuschen, mich belügen, mich am Ende verlieren. Hätte zu ihm gesagt, er sei umsonst gekommen, sei umsonst gestorben. Ich bräuchte ihn nicht und seine Vergebung nicht und seine Versöhnung nicht. Würde die Finsternis dem Licht vorziehen.
Den Schein des Lebens vom echten Leben. Wer sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Sein Wort, das den Sünder zu sich ruft, in sein Licht, zu seiner Vergebung. Und ihn entlastet von dem Druck, sich selbst gut zu machen, sich und anderen einzureden, er sei gut oder könne sich gut machen.Er ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Dich und mich also. Und die ganze Welt. Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen.
Amen.
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Klare Grundsätze. Realistische Selbsteinschätzung. – Predigt zu 1. Johannes 1,5-2,6 von Martin Weeber
Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln doch in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und er selbst ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Und daran merken wir, dass wir ihn erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll so leben, wie er gelebt hat.
Das Programm ist einfach und schlicht: Die Lehre und das Leben sollen übereinstimmen. Was in der Theorie gelehrt wird, das soll sich in der Praxis zeigen. Die großen Grundsätze sollen in der Umsetzung ihre Wahrheit bewähren. Dieses Programm ist sehr einleuchtend. Aber wenn es dann einmal nicht so ist, dass die Praxis mit der Theorie übereinstimmt – dann wird sehr schnell die Theorie in Frage gestellt, wird die Lehre angezweifelt, werden die Grundsätze problematisiert. „Wenn Ihr behauptet, dass ihr zu Christus gehört, dann müsst Ihr auch so leben, wie er gelebt hat.“ Wenn es herauskommt, dass im pietistisch geprägten Kinderheim Kinder schlecht behandelt, ja sogar missbraucht worden sind: Dann wird der Pietismus insgesamt in Frage gestellt. Wenn ein Mitarbeiter einer staatlichen Behörde einen Fehler macht: Dann schließt man zurück auf die ganze Behörde. Und wenn in einer Behörde viele Fehler gemacht werden: Dann sind neuerdings manche Leute schnell dabei, von einem Staatsversagen zu reden. Man schließt zurück von einer schlechten Praxis auf die Grundsätze, die diese Praxis eigentlich hätten leiten sollen. Man schließt auch zurück von einzelnen Personen auf die Institutionen, denen sie angehören. Von schlechten Lehrern schließt man zurück auf das Schulsystem. Von schlechten Pfarrern schließt man zurück auf die Kirche. Und man ist schockiert, wenn man in der Zeitung davon liest, dass es auch in Firmen, von deren Seriosität immer alle überzeugt waren, Tricksereien und Betrügereien gegeben hat. Man schließt von der Praxis zurück auf die Theorie, vom Vertreter einer Institution auf die Institution selber; vom Einzelnen auf die Gruppe, der er angehört, von der Mitarbeiterin auf die Firma. „Wenn Ihr behauptet, dass ihr zu Christus gehört, dann müsst Ihr auch so leben, wie er gelebt hat.“ Dieses Programm der Übereinstimmung zwischen Lehre und Leben ist völlig einleuchtend.
Wer eine Theorie vertritt, der muss auch in der Praxis danach handeln. Wer Grundsätze propagiert, der muss sie auch verwirklichen in dem, was er tut. Jede Institution wird darum versuchen, das Ethos derer, die ihr angehören und sie vertreten, zu pflegen. Das gilt für große staatliche Institutionen und es gilt für kleine Vereine oder Initiativen. Es gilt für große Firmen wie für kleine Handwerksbetriebe. „Wer in meinem Handwerksbetrieb arbeitet, der arbeitet ordentlich, und wenn er geht, hinterlässt er keine Unordnung.“ Man schult seine Mitarbeiter. Man übt sie etwa ein in einen guten Umgang mit den Kunden. Die Mitarbeiter müssen ihren Job beherrschen, aber sie müssen auch gut mit den Kunden umgehen können. Wir machen das in der Kirche natürlich genauso: Wer etwa in der Jugendarbeit aktiv mitwirken will, der muss zunächst eine Mitarbeiterschulung durchlaufen. Wir wollen, dass unsere Arbeit gut gemacht wird. Darum schulen wir die Leute. Darum gibt es für angehende Pfarrer das Ausbildungsvikariat. Darum besuchen Erzieherinnen immer wieder Fortbildungen, und Pfarrer ebenso.
Wir werden als Kirche daran gemessen, wie sich jeder verhält, der sich als Kirchenmitglied zu erkennen gibt oder der gar beruflich für die Kirche oder die Gemeinde tätig ist. Das ist in der Kirche nicht anders als sonstwo auch. Dieses Denken hat etwas Einleuchtendes an sich, aber auch etwas sehr Unbarmherziges. Denn es rechnet nicht damit, dass Menschen unvollkommen sind. Menschen sind keine Maschinen. Menschen werden müde. Menschen sind nicht immer ganz bei der Sache. Menschen sind bisweilen überfordert. Und dann machen sie Fehler. Wir Menschen sind nicht perfekt. Wir sind nicht immer so, wie wir sein sollten. Wir sind nicht immer so, wie wir gerne wären. Oder ist hier einer unter uns, der von sich sagen würde: „Ich habe noch nie einen Fehler gemacht!“? Wir Menschen sind ziemlich anfällig dafür, Fehler zu machen. Auch das hat unser Predigttext im Blick. Darum redet er von der Fehlbarkeit von uns Menschen. Sein Ausdruck dafür ist „Sünde“.
Man weiß nicht so sehr viel über den Verfasser der kleinen Schrift, aus der unser Predigttext ein Abschnitt ist. Aber man vermutet, dass er ein alter Mann gewesen ist, als er diesen Brief geschrieben hat. Mir würde das sehr einleuchten. Denn für mich spricht sich in dem, was er schreibt, eine große Lebenserfahrung aus. Er hat jene Phase des Lebens hinter sich, in der man die Dinge in schwarz und weiß einteilt. Ja, man merkt es seinen Zeilen durchaus an, dass er die Faszination dieser Sicht auf die Welt durchaus noch nachvollziehen kann: „Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln doch in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.“ Es gibt Licht und Finsternis, es gibt Lüge und Wahrheit – und dazwischen nichts.
Wenn man die Dinge so sieht, dann gibt einem das eine ungeheure Energie: Man kann alles ganz klar einordnen und zuteilen. Man hat für alles jeweils zwei Kästchen: hell/dunkel, gut/schlecht, wahr/falsch. Und so weiter. Man sortiert alles auf der Welt entweder in das eine Kästchen ein oder in das andere. Man ist eindeutig für etwas oder eindeutig gegen etwas. Aber vielleicht beginnt man irgendwann zu zögern: Wenn ich mich mit Haut und Haaren für meinen Beruf einsetze – das ist doch gut! Aber wenn ich dabei dann vor lauter Arbeitseifer meine Familie vernachlässige? Sicher ist es gut, wenn die Autofirmen ihre Fahrzeuge gut absetzen können. Aber verstopfen die vielen Autos nicht irgendwann unsere Straßen und Städte? Und so weiter.
Irgendwann kommen die meisten Leute darauf, dass fast alle Dinge zwei Seiten haben. Nur weniges ist eindeutig gut, und nur weniges ist eindeutig schlecht. Wohlgemerkt: Es gibt sie schon, die Dinge, die eindeutig gut und die Dinge, die eindeutig schlecht sind. Und so ist das auch mit unserem Handeln: Es gibt ein paar gewichtige Eindeutigkeiten, aber es gibt auch vieles, was zwei Seiten hat. Wenn ich zum Beispiel Menschen helfe, indem ich ihnen eine finanzielle Unterstützung zukommen lasse, dann trage ich leicht auch dazu bei, dass sie sich in ihrer Passivität einrichten. „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“
Das kann uns sehr belasten, wenn wir merken, dass wir Dinge tun, deren Folgen alles andere als eindeutig gut sind. Und manches Mal machen wir auch Dinge, von denen wir ganz genau wissen, dass sie nicht gut sind. Aber sie sind eben im Moment so verlockend, dass wir ihnen nicht widerstehen können. Wir verkneifen uns die spitze Bemerkung nicht, weil sie uns geistreich dastehen lässt. Wir genießen den Triumph, den es uns bereitet, wenn wir anderen einen Fehler oder eine Schwäche nachweisen können. Wir genießen es, zu den Guten zu gehören. Wir schauen auf andere herab.
All das gehört in den großen Bereich dessen, was die Bibel als „Sünde“ bezeichnet. Manche Menschen scheinen total cool zu sein. Sie scheinen durch solche Überlegungen nicht belastet zu sein. An ihnen scheint das alles abzugleiten. Soll man solche Leute beneiden? Manchmal beneide ich solche Menschen in der Tat. Selbstgerechtigkeit hat auch etwas sehr Verlockendes. Wie schön, wenn man sich immer für perfekt halten kann!
Aber was ist mit denen, die nicht so leicht darüber hinwegkommen können, dass sie nicht immer so gut handeln, wie sie es gerne täten? Was ist mit denen, die sich wegen ihrer Fehler und Schwächen schämen? Für die hat unser Predigttext eine tröstliche Perspektive: Er verweist darauf, dass Jesus „uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ Für manche hört sich das furchtbar altmodisch an, wie eine Botschaft aus uralter Zeit. Aber bei Lichte betrachtet ist diese Botschaft des alten und lebenserfahrenen Johannes von großer Klugheit und Schönheit: Sie will uns herausholen aus dem Karussell der Selbstvorwürfe und Grübeleien.
Die Größe der Worte des alten Johannes liegt in zweierlei: Zum einen darin, dass er die großen Grundsätze nennt und anerkennt: Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge. Zum anderen aber darin, dass er uns auf den verweist, der die „Versöhnung“ ist „für unsere Sünden“. Klare Grundsätze. Realistische Selbsteinschätzung: Wir sind der Versöhnung und der Vergebung bedürftig. „Wenn Ihr behauptet, dass ihr zu Christus gehört, dann müsst Ihr auch so leben, wie er gelebt hat.“
Wie hat Christus gelebt? Auf jeden Fall so, dass er barmherzig umgegangen ist mit uns fehlbaren und so oft auch tatsächlich Fehler begehenden Menschen. Wie er barmherzig umgeht mit uns, so sollen auch wir barmherzig umgehen miteinander. Wir sind solche, denen Christus die Sünden vergibt – und die anderen sind’s auch.
Noch einmal in der kräftigen Sprache der Bibel gesagt: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Und er selbst ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.“
Amen
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Konfi-Impuls zu 1. Johannes 1,5-2,2 von Jennifer Berger
1. Das Proprium des Sonntags
Eine Annäherung im Konfi-Unterricht: Umkehr und Versöhnung steht über diesem 3. Sonntag nach Trinitatis. Streit kennen alle Konfis. Ob unter Freunden oder in der Familie – Versöhnung ist ein Thema, das sie beschäftigt.
Die Konfis erzählen lassen: Wie viel kann ich verzeihen? Was ist unverzeihlich? Wo ist Versöhnung noch möglich, wo sind Grenzen?
Dazu kann das Evangelium des Sonntags gelesen werden. Das verlorene Schaf (oder ggf. den verlorenen Sohn). Wie ist das bei Gott mit der Versöhnung und dem Verzeihen/Vergeben?
2. Vorbereitung des Predigttextes
Licht und Schatten, hell und dunkel. Das kennen die Konfis auch aus ihrem eigenen Leben. Jeder macht Fehler. Tut Dinge, die ein anderer verzeihen muss (dazu die Ideen von 1. aufgreifen), das bringen die Konfis mit dem Predigttext in Verbindung. Wie ist es, wenn Lügen/Fehler ans Licht kommen? Wie gehen wir damit um? Was kann es konkret für das Leben bedeuten, dass in 1. Johannes 2,1 steht, dass wir einen Fürsprecher haben?
3. Im Gottesdienst
Die Konfis die Fürbitten gestalten lassen. Dazu sammeln sie die Lügen/Fehler/Sünden (dazu die Ideen von 2. aufgreifen), die in ihrer Lebenswelt vorkommen. Sie sollten so offen beschreiben sein, dass sie nicht auf einen konkreten Konfi zurückzuführen sind. Diese werden im Gottesdienst vor Gott gebracht und dort wird darum gebetet, dass sie in seinem Licht verwandelt werden. Nach jeder Bitte kann eine Kerze auf dem Altar angezündet werden.
Bsp.: Barmherziger Gott, wir stellen all die Notlügen, die wir jeden Tag gebrauchen in Dein Licht. Wir meinen sie helfen uns, aber oft führen sie uns tiefer in Lügen und Not. Vergib uns, wo wir sie benutzt haben und mach uns stark die Wahrheit zu sagen. (danach Kerze anzünden).