ER trägt unsere Sünde! - Predigt zu Joh 1,29-34 von Winfried Klotz

ER trägt unsere Sünde! - Predigt zu Joh 1,29-34 von Winfried Klotz
1,29-34

Johannes 1, 29-34

29 Am Tag darauf sieht er – Johannes – Jesus auf sich zukommen, und er sagt: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.
30 Dieser ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war, ehe ich war.
31 Und ich kannte ihn nicht. Aber er sollte Israel offenbart werden; darum kam ich und taufte mit Wasser.
32 Und Johannes legte Zeugnis ab und sagte: Ich habe den Geist wie eine Taube vom Himmel herabkommen sehen, und er blieb auf ihm.
33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hatte, mit Wasser zu taufen, er sprach zu mir: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit heiligem Geist tauft.
34 Gesehen habe ich, und Zeuge bin ich: Dieser ist der Sohn Gottes.

Wer begegnet uns in der Einöde am Jordan? Johannes, der Wüstenmensch, Umkehrprediger, Heuschrecken-und-wilden-Honig-Esser, Mann, gekleidet mit einem Sack aus Kamelhaar; ein Mensch, völlig aus der Zeit gefallen, der in der Wüste Judäas eine sperrige, ärgerliche Bußpredigt hält; Erfolg und Anerkennung sind ihm unwichtig, aber alle Welt läuft zu ihm in die Wüste, hört zu, schlägt sich an die Brust und lässt sich im Jordan taufen. Alle Welt – mit Ausnahmen natürlich; nicht alle glaubten, dass Gottes Gerichtstag vor der Tür steht, andere hielten sich für genügend vorbereitet.

So beschreiben die drei ersten Evangelien Johannes den Täufer. Hier im Johannesevangelium ist Johannes nur ein Stimme, die Zeugnis ablegt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.Hier ist er nur der Mann mit dem überlangen Finger, der auf den gekreuzigten Jesus weist, wie es auf dem Isenheimer Altarbild von Matthias Grünewald dargestellt ist. Zu seinen Füßen ein Lamm, aus einer Wunde des Lammes fließt Blut in einen Kelch.

Alles, was in unserem kurzen Predigtwort gesagt ist, ist Bekanntmachung dessen, wer Jesus Christus ist. Dabei sieht das Johannesevangelium fast ganz von einer geschichtlichen Situation ab. Genannt wird ein Ort, Bethanien, am Ostufer des Jordan. Es sieht ab von der Person des Johannes, seiner Ankündigung des Gottesreiches, seinem Ruf zur Umkehr und der Taufe als Zeichen der Umkehr; sie wird im Johannesevangelium ein paarmal erwähnt. (1, 26. 31. 33; 3, 23) Johannes ist nur eine Stimme, sein Tun als Täufer soll Jesus bekanntmachen.

Auch die Zuhörer kommen in unserem Abschnitt nicht in den Blick; im Abschnitt davor sind es Abgesandte des Hohen Rates, später werden die Pharisäer genannt. Im Abschnitt danach legt Johannes Zeugnis über Jesus vor zweien seiner Jünger ab. Hier aber redet Johannes im Angesicht dessen, der auf ihn zukommt, Jesus.

Versteht irgendwer, was Johannes meint? Oder anders: Was meinen die Berichterstatter des Johannesevangeliums? Wir hören das Zeugnis des Johannes aus ihrem Mund. Es fällt auf, dass ein ungewöhnliches, biblisch seltenes Wort für Lamm gebraucht wird, ein Wort, dass sich nur noch Jesaja 53, 7 in der griechischen Übersetzung (LXX) (s. Zitat Apg. 8, 32) und im 1. Petrus 1, 19 findet. Im 1. Petrusbrief heißt es: Ihr wurdet losgekauft „mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“. Wenn ich es recht verstehe, legt dieses Wort für Lamm den Akzent auf Verletzlichkeit, vielleicht auch Reinheit. Jedenfalls gibt es eine Form des Wortes im Feminin, die mit „Lämmchen“ und „junges Mädchen“ übersetzt wird.

Jesus, makelloses, reines Lamm Gottes? Wir erinnern uns, am Passafest wurden Lämmer geschlachtet und ihr Blut an die Pfosten der Eingangstür gestrichen, damit das Gericht Gottes an den Bewohnern vorüber gehe, sie verschont bleiben. Das Johannesevangelium berichtet im Unterschied zu den anderen Evangelien, dass Jesus zu der Zeit hingerichtet wurde, in der die Lämmer für das Passafest geschlachtet wurden. Jesus, Gottes Passalamm, seine Hinrichtung Opfer zur Verschonung derer, die sich auf ihn berufen?! Das Johannesevangelium schlägt diesen Bogen. Ja, es kann in Kapitel 6 berichten: „Jesus aber sagte zu ihnen: ‚Ich versichere euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.‘“ Das ist Auslegung des Abendmahls, das im Johannesevangelium nicht berichtet wird.

Jesus, Gottes Opferlamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt?! Genauso lautet das Zeugnis über Jesus im Johannesevangelium. Ich weiß, das ist für viele anstößig und nicht nachvollziehbar. Warum? Fragen wir uns doch: Wer ist Jesus für mich?

Manche beziehen ihr Christsein auf die 10 Gebote; aber achten sie auch auf das erste Gebot und Jesu Auslegung, Gott von ganzem Herzen und mit aller Kraft zu lieben und die Mitmenschen wie sich selbst? Wo finden sie Vergebung, wenn sie an den Geboten scheitern?
Manche beziehen ihr Christsein auf die Bergpredigt; aber sind sie auch arm vor Gott (1. Seligpreisung) und wissen, dass sie alles von ihm brauchen? Eben auch den, der ihre Sünde hinwegnimmt! Den Armen vor Gott wird die gute Nachricht verkündigt (Mt 11, 5b); auf welches Evangelium vertrauen sie? Lautet ihr Evangelium schließlich doch „ich bin ok, du bist ok?

Ist Jesus nur so etwas wie ein ferner Leuchtturm, der uns eine Richtung weist, in die wir mit unserer Kraft steuern sollen? Oder eine Lampe, die uns hilft, die dunklen Ecken unseres Lebens auszuleuchten und besser zu verstehen? Oder die Notfallbox, zu der wir greifen, wenn nichts mehr hilft? Oder auch das ungewisse Trostpflästerchen für die Wunden, die das Leben schlägt? Vertreter einer Lebensversicherung für die Stunde unseres Todes?

Ja gewiss, Jesus ist auch Leuchtturm, den Weg erhellende Lampe, Helfer in der Not, Tröster und Hoffnungsgeber; aber er ist noch mehr! ER ist Dein/ mein Stellvertreter vor Gott. Es muss jetzt niemand mehr seine Schuld verdrängen, niemand muss friedlos durchs Leben gehen, niemand sich selbst rechtfertigen. Jesus ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Die Tür zu Gott ist auf, die Brücke gebaut, die trennende Mauer niedergelegt. Das hat Gott getan durch Jesus. Im Vertrauen auf Jesus haben wir Zugang zu Gott.
Warum sträuben sich viele dagegen, dass Jesus der ist, der Stellvertretung vor Gott leistet durch sein Leben, Leiden, Sterben und seine Auferstehung für mich, indem er tut, was kein Mensch kann, nämlich die Sünde hinweg zunehmen? Warum kann Gott das nicht durch Jesus tun? Lasst uns aufatmen, uns freuen und jubeln über die gute Nachricht, dass wir im Vertrauen auf Jesus angenommen sind als Gottes Kinder. ER trägt meine Sündenlast, ER überbrückt den Abgrund, der mich von Gott trennt, ER versöhnt mich mit Gott, so dass ich Frieden habe!

Der 1. Johannesbrief sagt: „Meine lieben Kinder, ich schreibe euch diese Dinge, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand doch eine Sünde begeht, haben wir einen Anwalt, der beim Vater für uns eintritt: Jesus Christus, den Gerechten. Er, der nie etwas Unrechtes getan hat, ist durch seinen Tod zum Sühneopfer für unsere Sünden geworden, und nicht nur für unsere Sünden, sondern für die der ganzen Welt.“ (1. Joh. 2, 1-2)

Wollen wir wirklich aus eigener Kraft in den Himmel kommen?
Johannes bezeugt uns in unserem Wort die Größe Jesu. Jesus ist der, auf den der Geist Gottes herabkommt und auf dem er bleibt; Jesus ist der Geisttäufer, Gottes Sohn.
Wie finden wir Zugang zu diesem Zeugnis des Johannes? Doch nur durch Jesus selbst!

So verborgen und doch wirkmächtig wie Gott selbst ist auch sein Geist. Der Geisttäufer Jesus ist Mittler des Geistes. Der Anschluss an ihn verbindet mit dem Geist. Wie geht das? Was müssen wir tun? Den Verstand ausschalten? Nein! Unser Selbst, unser Personsein aufgeben? Auch nicht! Uns hineinmeditieren? Nein. Also gar nichts? Doch. Auf Jesus hören, ihn aufnehmen in Herz und Leben, auf Gottes Gnade vertrauen, das dicke eigene ICH ihm anvertrauen und unterstellen. Wer ans andere Ufer will, muss über die Brücke gehen. Wer zu Gott kommen will, soll über Jesus, die Brücke zu Gott, gehen.

Vertrau Dich IHM an, dann gehst Du mit ihm! Sich IHM anvertrauen ist keine Leistung, sondern heißt loslassen; das aber ist manchmal ein schwerer Kampf. Wegsehen von mir, hinsehen zu ihm. Geben wir Gott Antwort. Und werden wir wie Johannes Zeugen für Jesus. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Winfried Klotz

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Das ist schwer zu beantworten, da ich fürs Internet schreibe. Meine Erfahrung ist, dass sich eine Predigt in der jeweiligen Situation anders gestaltet. Ich weiche vom geschriebenen Text ab und spreche frei. Die freie Rede im Blick auf die Zuhörer ist wichtig. Die Vorbereitung dazu geschieht auch im Gebet.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Empfehlenswert ist der Johanneskommentar von Klaus Wengst.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
- - -

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
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Perikope
08.01.2023
1,29-34

Mit Gottes Hilfe auf neuen und ungewohnten Wegen weitergehen - Predigt zu Joh 6,37-40 von Thomas Volk

Mit Gottes Hilfe auf neuen und ungewohnten Wegen weitergehen - Predigt zu Joh 6,37-40 von Thomas Volk
6,37-40

Mein Herz braucht eine Pause

Liebe Gemeinde!

„Mein Herz braucht eine Pause“ singt die junge Sängerin Antje Schomaker und meint, dass ihr gerade alles viel zu schnell geht und ihre Gefühle und Stimmungen dadurch ständig durcheinander geraten.

Vielleicht empfindet das jemand von uns genauso: „Mein Herz braucht auch eine Pause.“ So vieles hat sich verändert, seit ich alleine in der Wohnung lebe. Der Abschied nimmt mich so mit. Mein Leben ist aus der Bahn geworfen. Meine Tage sind ohne eine feste Struktur. Seit er tot ist, weiß ich nicht mehr, wofür ich lebe. Sie war mir so nahe und so lieb. Und ich merke auch, dass manche Menschen nicht mehr so selbstverständlich für mich da sind. Wenn mir nur klar wäre, wohin ich mit meinem Leben möchte?

 

Pausen laden zum Träumen ein

„Mein Herz braucht eine Pause.“ Danach sehnen wir uns oft im Alltag. Der Gottesdienst am Totensonntag will eine solche Pause in einem vielleicht noch neuen und ungewohnten Lebensalltag sein. Und – sozusagen als Pausenlektüre – hören wir aus dem 6. Kapitel des Johannesevangelium, die Verse 37–40:

[Christus spricht:]

37Alle, die mein Vater mir anvertraut,
werden zu mir kommen.
Und wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.

38Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen:
Nicht um zu tun, was ich selbst will,
sondern was der will, der mich beauftragt hat.

39Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat:
Ich soll keinen von denen verlieren,
die er mir anvertraut hat.
Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag
vom Tod erwecken.

40Denn das ist der Wille meines Vaters:
Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben,
werden das ewige Leben erhalten.
Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.“

(Basis Bibel)

Vom mühevollen Alltag lenkt Christus unseren Blick in die Ewigkeit.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten“ (V.40).
Und wenn ich noch nicht so weit nach vorne schauen kann? Viel zu oft zieht es mich in die Vergangenheit. Mein Herz braucht eine Pause, um all die Erinnerungen zu sortieren.
Wie schön wäre es, wenn es etwas geben würde, das für „ewig“ ist und „für immer“ bleibt. Wie gern hätte ich noch Zeit mit meiner Liebsten verbracht. Es hätte ja nicht unbedingt „auf ewig“ sein müssen. Es hätte schon gereicht, wenn einfach noch etwas Zeit geblieben wäre.
Und ich möchte auch, dass das Andenken bleibt. Alle Liebe, die sie gegeben hat, soll in dieser schnelllebigen Welt nicht verloren gehen. Alles, was sie ausgezeichnet und einzigartig gemacht hat, soll einen festen Platz im Herzen behalten. Das, was die Bibel mit Ewigkeit benennt, soll auch für sie gelten.

 

Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot

Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot. So erzählt es die Geschichte von der Speisung der 5000 unmittelbar vor unserem Abschnitt.
Viele Menschen wollen Jesus unbedingt sehen. Sie scheuen nicht einmal eine Fahrt über den gefährlichen See Genezareth. Sie haben am Tag davor erlebt, wie er mit fünf Broten und zwei Fischen über fünftausend Menschen satt gemacht hat. Wer, wenn nicht er, soll der längst verheißene Messias sein, auf den schon ihre Väter und Mütter und Generationen davor gehofft haben?
Doch Jesus entweicht auf die andere Seite des Sees nach Kapernaum. Vergeblich! Viele Menschen reisen ihm nach. Sie wollen weitere Wunder bestaunen können. Und Jesus weicht ihren Fragen nicht aus. Seine Antworten gipfeln in einer schlichten und zugleich provozierenden Behauptung: „Die Antwort auf alle eure Fragen steht vor euch: Ich bin es!‚ ‘Ich bin das Brot des Lebens!‘“ (Johannes 6,15). Und: „Wer zu mir kommt, denn werde ich nicht abweisen“ (vgl. V.37). Vertraut mir!

 

Brot für jeden neuen Tag

Brot für jeden neuen Tag – das ist Christus. Um den einzelnen Tag geht es. Für die 5000 Menschen damals, weil sie in der Begegnung mit Jesus, dem Brot des Lebens, satt geworden sind. Und für uns heute ist Christus ist wie das tägliche Brot, das man in der Wohnung jetzt vielleicht alleine zu sich nehmen muss, weil es uns hilft, über diesen einen Tag zu kommen.
Christus ist das tägliche Brot, das alle einsamen Stunden mit uns teilt, vor allem dann, wenn man sich im Esszimmer umschaut und an so manchen Abend denkt, an dem der Raum mit vielen Personen gefüllt war. Christus, das tägliche Brot, ist da und bleibt da und gibt uns zu verstehen: Ich gebe dir viel Kraft auf allen neuen Wegen. Ich mache dich mutig, durch ungewohnte Türen zu gehen. Ich gebe dir einen langen Atem, wenn die trüben Tage nicht enden wollen.
Und auch wenn manche Wohnungen vom bisherigen Freundeskreis auf einmal wie verschlossen sind, so weist Christus niemanden ab. Auf ihn, auf seine vielen Möglichkeiten, uns immer wieder neuen Mut zukommen zu lassen, können wir uns verlassen. Er ist unser stiller Begleiter, wenn wir Tage durchleben müssen, die ganz anders sind und die wir uns wirklich nicht ausgesucht haben. Christus ist das tägliche Brot, das uns hilft, in einem neuen Lebensabschnitt zurechtzukommen.

 

Niemand soll verloren sein

Christus spricht: „Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren“ (V.39). Das sagt er in eine Welt hinein, in der einiges verloren geht. Das spricht er in ein Leben hinein, in dem so viel zwischen unseren Händen zerrinnt.
Für den heutigen Totensonntag übertragen: Niemand soll sich auf neuen und ungewohnten Wegen verloren vorkommen. Nicht heute. Nicht morgen. In aller Zukunft nicht. Was für eine Zusage, dass wir auf allen neuen Wegen niemals alleine sind, sondern begleitet und getragen?

 

Die Hoffnung für unsere Verstorbenen - In Gott geborgen sein

Diese Zukunft ist nicht nur uns Lebenden verheißen. Sie gilt auch für unsere Verstorbenen.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken“ (V.40).
Unsere Verstorbenen sind „auf ewig“ bei Gott geborgen. Dass ist unsere christliche Hoffnung. Deshalb finde ich auch die Aufschrift „Hier ruht in Gott …“ auf manchen Holzkreuzen, die man auf ein frisches Grab stellt, so tröstlich. Hier ruht jemand in Gott. Hier ist jemand in Gottes ewiger Welt geborgen. Ich brauche diese Person nicht mehr festhalten. Ich kann mich meinem Leben und dem, was vor mir liegt, wieder mehr zuwenden.
Die Vorstellung, dass unsere Verstorbenen „in Gott ruhen“ beruhigt mich, auch wenn ich nicht weiß, wie das „ewige Leben“ aussieht. Ich muss es auch nicht wissen. Und ruhen ist für mich auch mehr als ein Schlafen. Es ist ein Geborgensein bei Gott und eine neue Lebendigkeit, auch wenn ich sie nicht näher beschreiben kann.

 

Eine Utopie mit verändernder Kraft

Dieser Glaube ist wirklich eine Utopie. Ein Zukunftsraum. Gleichzeitig hat er „verändernde Kraft“ hat. Unser Leben besteht ja nicht darin, dass wir ständig die Vergangenheit wiederholen. Die besten Jahre liegen nicht immer nur hinter uns.
Dieser Glaube verändert mich und meinen Alltag. Er hilft mir, mit Abschieden umzugehen und mit all allem, was ich im Leben nicht festhalten und nicht ändern kann.
Dieser Glaube macht mich mutig. Er hilft mir trotzig nach vorne zu schauen.

 

Der Glaube wird uns nicht enttäuschen

Vielleicht brauchen Sie noch länger eine Pause, um alle Gedanken zu sortieren. Vielleicht spüren Sie aber auch schon, dass bald die Zeit da ist, wieder auf neuen Wegen weiter zu gehen. Auf alle Fälle: Der Glaube wird uns nicht enttäuschen. Er hilft uns, dass wir mutig und trotzig, jeden Tag aufs Neue, uns auf ungewohnten Wegen zurechtfinden.

Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und umfangreicher ist als alles, was uns in seinen Bann ziehen will, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Thomas Volk

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe die Predigt für Menschen geschrieben, die in der Kirchengemeinde, in der ich tätig bin, am Totensonntag um 15:00 Uhr zum Gedenkgottesdienst an die Verstorbenen kommen. Die Angehörigen sind dazu schriftlich eingeladen worden und die Gottesdienstgemeinde besteht aus Erfahrung fast ausschließlich aus den Personen, die in den letzten 12 Monaten an einem offenen Grab gestanden haben und immer noch oder immer wieder trauern.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich versuche mich in Menschen hineinzudenken, die, wenn Sie ihre/n Liebste/n verloren haben, nun gar nichts mehr vom Leben erwarten oder nicht mehr die anderen Menschen wahrnehmen, die auch noch da sind und Hilfe anbieten. Dabei macht der christliche Glaube doch Mut, „auf neuen und ungewohnten Wegen“ dem Leben wieder auf die Spur zu kommen.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In dem auf den ersten Blick nicht gerade „seelsorgerlichen“ Abschnitt Johannes 6,37-40 habe ich die Formulierung neu entdeckt, dass bei Christus „niemand verloren ist, der ihm anvertraut“ ist (Johannes 6,39). Das hat mir kürzlich selbst geholfen, als ich bei „meinen Lieben“ auf dem Friedhof war. Bei dieser Aussage von Johannes 6,39 habe ich nicht das Bild eines „Schutzmantelchristus“ vor Augen, sondern eines, in dem Christus Menschen wieder in ihr Leben schickt.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Das Coaching war wieder richtig gut. Ich hatte in meinem ersten Entwurf manche wichtigen Aussagen und Passagen wieder durch bestimmte Formulierungen oder durch apologetische Passagen oder „Lieblingsfüllwörter“ abgeschwächt Und „Weniger ist mehr“. Durch das Coaching habe ich noch einmal viel gekürzt und die Abschnitte sind dabei klarer geworden.

Perikope
20.11.2022
6,37-40