Besuch am Jordan - Predigt zu Matthäus 3,13-17 von Markus Nietzke
„Was hat es mit der Taufe auf sich? Und mit meiner Taufe?“ Diese Fragen beschäftigen Astrid schon seit Beginn ihrer Reise in an den Jordan. Gespannt hat sie sich auf die Rundreise durch den Nahen Osten eingelassen. Israel. Die Altstadt von Jerusalem, der Berg Karmel, der See Genezareth. Und Jordanien: Amman und Petra. Ein paar Tage Erholung am Roten Meer. Schon seit den frühen Morgenstunden ist sie unterwegs. Nach der Landung auf dem Queen Alia International Airport in Amman vor wenigen Tagen auf der Rundreise durch den Nahen Osten hatten sie in der Hauptstadt Jordaniens Quartier genommen. Nun werden die Pilgerstätten des Christentums östlich des Jordans in den Blick genommen.
Astrid ist eben angekommen. Die Strecke von Amman an den Jordan hatte der Bus in gut einer Stunde zurückgelegt. „Aber“, sagte der Reiseführer, „bitte bedenken Sie, dass sie am Jordan zu Fuß gehen müssen. Planen sie etwa zwei Stunden ein, bis sie das Ziel erreicht haben!“. Sie steigt aus dem Bus, zusammen mit einer Reisegruppe von Jugendlichen, die sich auf diese Tour gemacht hatten. Astrid wischt sich eine Strähne aus dem Gesicht. Dabei merkt sie, wie warm es schon am frühen Morgen in Al-Maghtas am Jordan ist. Eine Schweißperle läuft ihr über die Wange. Auf den Lippen schmeckt sie den Staub, der sich am Bushalteplatz auf die Reisenden nach ihrer Ankunft gelegt hatte. Sie kneift die Augen ein wenig zusammen, weil die Sonne sehr hell über dem Jordantal scheint. Nun aber los; hinab an den Jordan, durch die karge Landschaft. Ein wenig muss man auf seine Schritte achten, die Wegstrecke ist kurz aber steil. Und dann ist sie da. Astrid steht dort, wo der Überlieferung nach Johannes der Täufer neben vielen anderen Menschen auch Jesus getauft hatte. Sie nimmt auf einer Steinbank etwas unterhalb der Kirche im Schatten eines Baumes Platz und blättert in der Bibel. Sie hat den Hinweis ihres Pastors aus Deutschland dabei im Ohr: „Wenn ihr dort seid, lest doch mal im Matthäusevangelium im 3. Kapitel nach, was bei der Taufe Jesu am Jordan geschah!“ So legt sie jetzt den Finger auf ihr Smartphone, öffnet ihre Bibel-App, sucht die Bibelstelle, findet die Zeilen und beginnt zu lesen:
13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's ihm zu. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Ihr Lieben, nach Al-Maghtas, wo Johannes Jesus im Jordan taufte, pilgern nach wie vor viele Menschen. Etwa 100 000 Besucher jährlich kommen zu diesem Ort der Verehrung; dazu gehörten u.a. auch verschiedene Päpste (zuletzt Franziskus 2014) und Regierungschefs, wie Vladimir Putin (2012). Dieser Ort fasziniert Pilger und Touristen. Er zieht Menschen an, die in irgendeiner Weise etwas von sowohl Johannes als auch Jesus gehört haben und nun – mehr oder minder zufällig – an den Ort der Taufe Jesu kommen und dort eine Weile innehalten. Bis heute lassen sich dort Menschen taufen. An der gleichen Stelle, wo Johannes der Täufer Jesus getauft haben soll. Es hat ja etwas Faszinierendes an sich: Bei jeder Taufe – ob am Jordan oder in dieser Kirche – wird Wasser über den Kopf gegossen. Es muss lebendiges, fließendes Wasser sein (Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Reichel-Odié / Broich). Je mehr Wasser, je besser! Dreimal schöpft der Pastor im Taufgottesdienst reichlich Wasser aus dem Taufbecken und gießt es sichtbar für alle Anwesenden über den Kopf des Täuflings.
Lasst uns in Gedanken auch kurz an den Jordan wandern. Vielleicht nehmen wir uns dabei wie Astrid, der jungen Frau, ein bisschen Zeit und denken über die Taufe Jesu nach.
Die einen sagen, Johannes der Täufer hat Jesus getauft und die Stimme aus dem Himmel sagt: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Dort ist Jesus sozusagen von Gott als Sohn adoptiert worden. Gott hat Jesus als Werkzeug erwählt (Julius Schniewind, NTD). Jetzt erst ist Jesus durch Gottes Geist dazu bestimmt, seinen Weg zu gehen. Dann steigt Jesus aus dem Jordan heraus und zieht gut drei Jahre durch die Lande. Bis Jesus schließlich nach Jerusalem kommt, leidet und am Kreuz bitterlich stirbt.
Die anderen sagen, Gott hat mit dieser Taufe von Jesus und der Stimme aus dem Himmel Jesus als seinen Sohn ausgerufen und proklamiert. Das, was Jesus schon seit der Ankündigung seiner Geburt in Bethlehem ist, wird nun ganz und gar öffentlich gemacht. (Klaus Berger KzNT) Dieser Jesus ist es – kein anderer – der Gottes Willen tut.
Astrid hat sich inzwischen ein wenig auf der Steinbank im Schatten der Bäume zurückgelehnt, hat die Worte aus dem Evangelium in sich nachklingen lassen. Sie überlegt sich: Welche Bedeutung hat die Taufe von Jesus für mich? Sie liest den Abschnitt noch einmal und bleibt gedanklich an dem Vers hängen, in dem Johannes der Täufer sich ein wenig sträubt, Jesus zu taufen: 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.
Astrid überlegt: Der Sinn der Taufe Jesu ist also der, dass er „alle Gerechtigkeit“ erfüllt. Was mag das für eine Gerechtigkeit sein? Was heißt das Wort: „Erfüllung"? Ihr fällt ein, dass sie im Konfirmandenunterricht mal etwas vom Einhalten der als ein Weg zu einem gerechten Leben verstanden wird. „Aha“, denkt Astrid: „Jesus ist ja auch Jude. Dann erfüllt Jesus die Thora; er ordnet sich der Thora unter, wird ihr gehorsam.“ (Wong, NTOA 22). Dann wäre Jesus ein „Vorbild" für die Christen, zu deren "ganzer" Gerechtigkeit auch die Taufe dazu gehört. (Wong, NTOA 22). Logischerweise ist dann die Taufe für das Leben eines Christen notwendig. Konstitutiv … und das heißt: Die Taufe ist eine Superkraft!
Ihr Lieben, schon in der alten Christenheit wurde eine Verbindung gezogen zwischen der Taufe Jesu und unserer Taufe. Seine Taufe ist ein Vorbild für Christen. Sie taufen kleine Kinder und Erwachsene, weil sie dem Beispiel Jesu folgen. Die Taufe ist das Zeichen, mit dem klargemacht wird: Du gehörst jetzt zu Jesus Christus. Du folgst ihm jetzt auf seinem Weg nach. So wie Gott Jesus als seinen Sohn angenommen hat, adoptiert er dich als seine Tochter und als seinen Sohn. Das wird in deiner Taufe laut proklamiert: Du hast Anteil an der Kraft der Taufe!
Christen aus alter Zeiten deuteten das Geschehen am Jordan auch auf diese Weise: Mit dem Hinuntersteigen in den Jordan und der Taufe von Jesus wird schon sein Tod und sein Hinabsteigen in das Reich der Toten vorweggenommen. Dort besiegt Jesus alle widergöttlichen Mächte. Dann steigt er aus dem Wasser des Jordans heraus als Sieger über alle Mächte des Verderbens.
Jesus stellt sich bei seiner Taufe in die Reihe der sündigenden Menschen. Er ist darin mit uns Menschen solidarisch. Bis in den Tod, der die Folge unserer Sünde ist. Jesu Aufstieg aus der Taufe im Jordan zeigt eine neue Perspektive auf. Gott zeigt Jesus sein Wohlgefallen. Aus dem Leben bisher wird durch die Taufe ganz neues, ganz anderes Leben möglich.
Der Apostel Paulus hat diese Verbindung zwischen Taufe, Tod und Auferstehung weitergeführt und entfaltet:
3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.
Um es mit Astrids Worten noch einmal zu sagen: Die Taufe ist also eine Superkraft. Astrid beugt sich noch einmal über ihr Smartphone und liest die Bibelstelle: 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Nach diesem Besuch an der Taufstelle von Jesus am frühen Morgen geht Astrid hinauf zur Bushaltestelle. Sie denkt: „‚Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!‘. Das hat Gott Jesus zugerufen. Das Verweilen an diesem Ort hat mir etwas gebracht: Die Taufe von Jesus hat mit mir zu tun. Ich gehöre seit meiner Taufe zu Gottes Söhnen und Töchtern. Ich fahre verändert weiter.“ Es galt für Jesus. Es galt Astrid. Es gilt auch dir.
BERGER, Klaus: Kommentar zum Neuen Testament. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2011
Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Studium in Israel e.V. 2019
SCHNIEWIND, Julius. Das Evangelium nach Matthäus. NTD 2, Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1937
STRACK, Hermann, BILLERBECK, Paul: Kommentar zum Neuen Testament. KNT I, München, C.H. Beck, 5.Aufl 1926.
WONG, Kun-Chun: Interkulturelle Theologie und multikulturelle Gemeinde im Matthäus-Evangelium. Zum Verhältnis von Juden- und Heidenchristen im ersten Evangelium. NTOA 22. Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht, 1992.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Zwei junge Mädchen – beide von mir als Kinder getauft – waren sind mir als zu den Hörenden der Predigt zuerst eingefallen. Sie sind oft im Gottesdienst. Sie stellen im Konfirmandenunterricht tiefgründige Fragen zum Christ-Sein. Ich versuche mit der Predigt und in Aufnahme der Thematik, was die Taufe „bringt“, sie gegebenenfalls damit an ihre Taufe zu erinnern, deswegen wähle ich die fiktive jugendliche Figur „Astrid“. Ich möchte gerne die Sonntage zu Epiphanias als Tauferinnerung für die gesamte Gemeinde fruchtbar machen. Der Predigttext bot dafür entsprechende Gelegenheit.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich war bisher noch nicht im Nahen Osten und am Jordan und kenne den (eventuellen) Taufort Jesu nur aus der Literatur. Ich habe deswegen gezielt im Internet recherchiert und mir als Inspiration ein Bild aus Al-Maghtas (Kirche Johannes des Täufers, Steinbank, Jordan) heruntergeladen und in meiner Einleitung schreibenderweise erschlossen. Ort und Text (Matthäus 3) bekamen für mich dadurch einen neuen Blickwinkel.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Verbindung zwischen der Taufe Jesu und unserer eigenen Taufe ist mir bei der Abfassung der Predigt neu bewusst geworden. Ich hatte das bisher nicht zwingend so eng aufeinander bezogen. Der Stellenwert der Taufe ist in meiner eigenen theologischen Prägung „hoch“ – ich könnte in weiteren Predigt, im Unterricht und in der Seelsorge im Pfarrbezirk und den Gemeinden noch weitere Elemente der Tauferinnerung artikulieren und berücksichtigen.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Der Predigtcoach machte mich behutsam auf Dinge aufmerksam: Rhetorische Fragen in der Predigt, die Hörende eher irritieren könnten und last but not least der Wechsel der Zeiten (Zeit, Modus) aus der Vergangenheit (Bericht „über“, eher passives Reden) in die weitaus leichter zu erzählende und besser zu hörende „aktive“ Sprache („in der Gegenwart“ reden). Große Worte und große Gedanken „herunterbrechen“ in einfache, kurze Sätze – oder es auch einfach mit einem „großen“ Gedanken auf sich beruhen zu lassen.
Link zur Online-Bibel
12.01.2020 - 1. So. n. Epiphanias
Heiliger Geist- heilender Geist - Predigt zu Matthäus 16, 13-19 von Jörg Coburger
„Tu es petrus et super hanc petram aedificabo ekklesiam meam“ So kann es alle Touristen sehen, wenn sie in Rom den Petersdom besuchen. Ganz hoch oben, im Rund der riesigen Kuppel steht es geschrieben. Es ist auf lateinisch gesagt, was unser Predigtext heute in griechischer Sprache ausdrückt; also nun auf deutsch: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche erbauen“
„Du bist“ Wie wir vernehmen konnten, fällt gleich zweimal dieses „Du bist“. Zum Ersten sagt das Petrus bekenntnishaft zu Christus ( „Du bist Christus“ ) und zum anderen Mal spricht Christus damit dem Apostel eben jenes soeben gehörte Verheißung zu: „Du bist Petrus“ Die in Rom all so verwendete Inschrift – immerhin, so erfährt der Besucher, sei sie zwei Meter hoch - ist die seitens der Römisch-Katholischen Kirche die Begründung und Grund für das Papstamt. Nun ist es allerdings ein biblischer Text und die Deutungshoheit muss ich nicht meinen Schwestern und Brüdern der anderen Konfession überlassen. Mein Kirchenverständnis beziehe ich nicht aus Rom. Von Petrus bis zum derzeitigen Papst Franziskus eine Art „charismatische Pipeline“ zu behaupten ist allerdings auch vielen katholischen Theologen fremd.
Wir sehen in der Bibel Petrus als eine überaus vielfältige und keineswegs homogene Persönlichkeit. Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt; zum Beispiel einer, der sich auf dem Apostelkonzil streiten kann. Oder da ist der Fischer Petrus, der morgens nach einer durcharbeiteten , frustrierenden Nacht am Strand beim Netze Waschen erneut auf Christus hören kann und sich dadurch seiner selbst klar wird. Ein und derselbe ist´s dann, der über Wasser zu Christus will und bald zu versinken droht. Er wird Zeuge der Auferweckung der Tochter des Jairus, seine Schwiegermutter erfährt Heilung durch Jesus. In den Stunden des Prozesses gegen Jesus will er nicht zu ihm gehört haben und distanziert sich klar und deutlich. Er ist in der Lage, über sein Versagen bitterlich zu weinen. Ganz menschlich will er nichts vom Leidensweg Jesu wissen. Er wird mit Haft bestraft und erlebt dort Todesangst. Und schließlich ist es der, der in Jerusalem die Pfingstpredigt hält. Im Lukasevangelium öffnet sich eine Tür zum Verständnis seines Lebens durch Jesus selbst: Es wird Petrus zugesprochen, dass seine Erfahrungen wichtig und wertvoll sind, weil sie später nach, einer Lebenswende, einmal die Gemeinde stärken können.
Und auf so einen baut Jesus Christus seine Kirche? Ja, auf so einen, der sich bekennt und outet, wie brüchig seine Biografie auch sein mag. Und wie spätere Übermalungen seiner historischen Person und Überzeichnungen, wie Redaktion und andere Betonungen auch geschehen sein mögen, das darf durchaus so sein, Petrus hat aufgehört, über Jesus zu reden.
Jesus will es geradezu wissen, er hebt das Gespräch selbst auf eine neue Ebene: Und ihr .. und du – was sagst du, wer ich bin…?
Dabei spielt das Petrus-Bekenntnis durchaus nicht auf einer Ebene von „Jesus ist für mich“ sondern doch mehr, auch wenn´s manchen stören mag. Es gibt durchaus mehr als ein sicher gut gemeintes „Für mich“ in einem Bekenntnis. Wir können unvermittelt gefragt sein, ganz überraschend, und sind in dem Augenblick durch niemand anderen mehr vertretbar. Die einen sagen dies ÜBER Jesus, andere wiederum sagen das. Im Religionsunterricht begegnet mir das ständig. Klar, Wissensvermittlung und Lehrplan ist wichtig und das fromme Meinungen und unfromme nicht zensiert werden dürfen. Aber da gibt es auch einen Spielraum, dass mir etwas Frommes rausrutschen darf. Diesen Spielraum will ich nicht gern verspielen. Gelernt habe ich, dass dort, wo kein Bekenntnis mehr im Ton der Gültigkeit gesprochen werden darf und soll, es auch keine sich daran reibendes „Für mich“ mehr möglich macht. Jedes Bekenntnis will eine Übereinstimmung herstellen und eine Vergewisserung suchen.
Die Diskussion über Jesus ist bis heute nicht abgeflaut. Immer weiter erscheinen kluge, fromme, frömmelnde, mehr oder minder bisweilen sogar blödsinnige Jesusbücher. Was wird von anderen alles über Jesus gesagt. Die Liste ist lang und reich. Da war Jesus schon mal der „Heiland der Deutschen“ ( Walter Grundmann ) oder „ein heruntergekommener Weichling“
( Friedrich Nietzsche ) Für Milan Machowetz war er „der erste Atheist“ und für meinen Russischlehrer „der erste Sozialist“ Shalom ben Chorin nennt Jesus „seinen größeren Bruder“ und Kolosser 1,15 spricht vom „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“.
Bekenntnisse, die vor mir da waren und größer sind als mein Herz und meine kleine- große je eigene Biografie. Bekenntnisse, die meinen religiösen Autismus aufdecken und aufbrechen, die mich in ungeahnte weite Räume führen, entstehen offenbar in einem Dialog. Jesus setzt sich dem aus. Er sucht nach Schlüsselworten und Felsensätzen. Die Suche Jesu ist nicht abgesperrt gegen Heiligen Geist. Offenbarung bleibt möglich. Aber Gott muss uns nicht ständig zustimmen und nachziehen. Neue Antwort war möglich: Du bist! Die Not meiner Kirche besteht derzeit genau in einer unübersehbaren Tendenz genau darin, dass wir wohl bereit sind, Jesus als einen besonders tollen Menschen, mutigen Märtyrer oder guten Seelsorger zu verstehen, aber Göttliches…? Jesus ist mehr, als wir ihm skeptisch wie zubilligen wollen. Je größer unser Wunsch und Suche nach Einmaligkeit, dem Besonderen, nach eigener Identität mitten in den Kollektivismen heute ist, desto deutlicher wird, wie nicht allein im Singulären, im Exclusiven, das in einer neuen Marke gefunden werden kann, sondern „Nur im Du werde ich zum Ich“ – so Martin Buber.
Diese Brauchbarkeit für einen ehemaligen Versager fasziniert. Auf Grund seiner Entwicklungsfähigkeit zeigt uns der Blick Jesus, der auf Petrus fällt, wird er zu einer Grundsäule der ersten Gemeinde. Die Perspektive der Liebe, uns in Gottes heilenden Geist als das sehen zu dürfen, was noch zu werden versprechen. Weil ich weiß, wer bin, kann ich mir auch leisten, einzustimmen. Weil ich weiß, wer ich bin, kann ich mir auch leisten zu sagen: Du bist.