Heiliger Geist- heilender Geist - Predigt zu Matthäus 16, 13-19 von Jörg Coburger
„Tu es petrus et super hanc petram aedificabo ekklesiam meam“ So kann es alle Touristen sehen, wenn sie in Rom den Petersdom besuchen. Ganz hoch oben, im Rund der riesigen Kuppel steht es geschrieben. Es ist auf lateinisch gesagt, was unser Predigtext heute in griechischer Sprache ausdrückt; also nun auf deutsch: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche erbauen“
„Du bist“ Wie wir vernehmen konnten, fällt gleich zweimal dieses „Du bist“. Zum Ersten sagt das Petrus bekenntnishaft zu Christus ( „Du bist Christus“ ) und zum anderen Mal spricht Christus damit dem Apostel eben jenes soeben gehörte Verheißung zu: „Du bist Petrus“ Die in Rom all so verwendete Inschrift – immerhin, so erfährt der Besucher, sei sie zwei Meter hoch - ist die seitens der Römisch-Katholischen Kirche die Begründung und Grund für das Papstamt. Nun ist es allerdings ein biblischer Text und die Deutungshoheit muss ich nicht meinen Schwestern und Brüdern der anderen Konfession überlassen. Mein Kirchenverständnis beziehe ich nicht aus Rom. Von Petrus bis zum derzeitigen Papst Franziskus eine Art „charismatische Pipeline“ zu behaupten ist allerdings auch vielen katholischen Theologen fremd.
Wir sehen in der Bibel Petrus als eine überaus vielfältige und keineswegs homogene Persönlichkeit. Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt; zum Beispiel einer, der sich auf dem Apostelkonzil streiten kann. Oder da ist der Fischer Petrus, der morgens nach einer durcharbeiteten , frustrierenden Nacht am Strand beim Netze Waschen erneut auf Christus hören kann und sich dadurch seiner selbst klar wird. Ein und derselbe ist´s dann, der über Wasser zu Christus will und bald zu versinken droht. Er wird Zeuge der Auferweckung der Tochter des Jairus, seine Schwiegermutter erfährt Heilung durch Jesus. In den Stunden des Prozesses gegen Jesus will er nicht zu ihm gehört haben und distanziert sich klar und deutlich. Er ist in der Lage, über sein Versagen bitterlich zu weinen. Ganz menschlich will er nichts vom Leidensweg Jesu wissen. Er wird mit Haft bestraft und erlebt dort Todesangst. Und schließlich ist es der, der in Jerusalem die Pfingstpredigt hält. Im Lukasevangelium öffnet sich eine Tür zum Verständnis seines Lebens durch Jesus selbst: Es wird Petrus zugesprochen, dass seine Erfahrungen wichtig und wertvoll sind, weil sie später nach, einer Lebenswende, einmal die Gemeinde stärken können.
Und auf so einen baut Jesus Christus seine Kirche? Ja, auf so einen, der sich bekennt und outet, wie brüchig seine Biografie auch sein mag. Und wie spätere Übermalungen seiner historischen Person und Überzeichnungen, wie Redaktion und andere Betonungen auch geschehen sein mögen, das darf durchaus so sein, Petrus hat aufgehört, über Jesus zu reden.
Jesus will es geradezu wissen, er hebt das Gespräch selbst auf eine neue Ebene: Und ihr .. und du – was sagst du, wer ich bin…?
Dabei spielt das Petrus-Bekenntnis durchaus nicht auf einer Ebene von „Jesus ist für mich“ sondern doch mehr, auch wenn´s manchen stören mag. Es gibt durchaus mehr als ein sicher gut gemeintes „Für mich“ in einem Bekenntnis. Wir können unvermittelt gefragt sein, ganz überraschend, und sind in dem Augenblick durch niemand anderen mehr vertretbar. Die einen sagen dies ÜBER Jesus, andere wiederum sagen das. Im Religionsunterricht begegnet mir das ständig. Klar, Wissensvermittlung und Lehrplan ist wichtig und das fromme Meinungen und unfromme nicht zensiert werden dürfen. Aber da gibt es auch einen Spielraum, dass mir etwas Frommes rausrutschen darf. Diesen Spielraum will ich nicht gern verspielen. Gelernt habe ich, dass dort, wo kein Bekenntnis mehr im Ton der Gültigkeit gesprochen werden darf und soll, es auch keine sich daran reibendes „Für mich“ mehr möglich macht. Jedes Bekenntnis will eine Übereinstimmung herstellen und eine Vergewisserung suchen.
Die Diskussion über Jesus ist bis heute nicht abgeflaut. Immer weiter erscheinen kluge, fromme, frömmelnde, mehr oder minder bisweilen sogar blödsinnige Jesusbücher. Was wird von anderen alles über Jesus gesagt. Die Liste ist lang und reich. Da war Jesus schon mal der „Heiland der Deutschen“ ( Walter Grundmann ) oder „ein heruntergekommener Weichling“
( Friedrich Nietzsche ) Für Milan Machowetz war er „der erste Atheist“ und für meinen Russischlehrer „der erste Sozialist“ Shalom ben Chorin nennt Jesus „seinen größeren Bruder“ und Kolosser 1,15 spricht vom „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“.
Bekenntnisse, die vor mir da waren und größer sind als mein Herz und meine kleine- große je eigene Biografie. Bekenntnisse, die meinen religiösen Autismus aufdecken und aufbrechen, die mich in ungeahnte weite Räume führen, entstehen offenbar in einem Dialog. Jesus setzt sich dem aus. Er sucht nach Schlüsselworten und Felsensätzen. Die Suche Jesu ist nicht abgesperrt gegen Heiligen Geist. Offenbarung bleibt möglich. Aber Gott muss uns nicht ständig zustimmen und nachziehen. Neue Antwort war möglich: Du bist! Die Not meiner Kirche besteht derzeit genau in einer unübersehbaren Tendenz genau darin, dass wir wohl bereit sind, Jesus als einen besonders tollen Menschen, mutigen Märtyrer oder guten Seelsorger zu verstehen, aber Göttliches…? Jesus ist mehr, als wir ihm skeptisch wie zubilligen wollen. Je größer unser Wunsch und Suche nach Einmaligkeit, dem Besonderen, nach eigener Identität mitten in den Kollektivismen heute ist, desto deutlicher wird, wie nicht allein im Singulären, im Exclusiven, das in einer neuen Marke gefunden werden kann, sondern „Nur im Du werde ich zum Ich“ – so Martin Buber.
Diese Brauchbarkeit für einen ehemaligen Versager fasziniert. Auf Grund seiner Entwicklungsfähigkeit zeigt uns der Blick Jesus, der auf Petrus fällt, wird er zu einer Grundsäule der ersten Gemeinde. Die Perspektive der Liebe, uns in Gottes heilenden Geist als das sehen zu dürfen, was noch zu werden versprechen. Weil ich weiß, wer bin, kann ich mir auch leisten, einzustimmen. Weil ich weiß, wer ich bin, kann ich mir auch leisten zu sagen: Du bist.
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21.07.2019 - 5. So. nach Trinitatis
Große Freude – Predigt zu Matthäus 2, 1-12 von Frank Nico Jaeger
Da machten sich die Sterndeuter auf den Weg. Und der Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her. Und als sie den Stern sahen, waren sie außer sich vor Freude.
„Und dann kommt ihr auch wirklich zu uns?“ Der Glühwein hat mir die Zunge gelöst und die katholische Gemeindereferentin nickt eifrig: „Aber klar!“ „Ich freue mich!“, sage ich noch, dann hat das Gespräch längst eine andere Richtung genommen.
Jedes Jahr geht der katholische Kindergarten mit den Weisen aus dem Morgenland auf Tour durch die Stadt und segnet die Häuser. Meine Frau hatte mich schon mehrmals streng darauf hingewiesen, dass der alte Aufkleber über der Tür nun auch schon ein paar Jahre alt sei. „Ob da nicht mal ein neuer hinkann?!“ Gott sei Dank war mir das jetzt hier am Glühweinstand noch eingefallen und so hatte ich mich dieser Verantwortung entledigt.
Drei Wochen später, der letzte Glühwein war längst getrunken, Weihnachten war vorbei und in meinem Kopf waren längst wieder andere Themen in den Vordergrund getreten, klingelte es an der Tür. Zugegeben, es war kurz nach halb zehn, aber es waren immer noch Ferien und die Tage davor waren anstrengend genug gewesen. Kurzum, wir waren gerade erst aufgestanden, noch ohne Frühstück und alle im Schlafanzug. Aber da ist der Jüngste auch schon längst an der Tür und lässt eine große Schar fremder Menschen in den Flur. Auf dem Weg nach unten erkenne ich die katholische Gemeindereferentin und erinnere mich sofort.
Dass ich außer mir bin vor Freude kann ich zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht behaupten, aber ich versuche mein Bestes. Eines der anwesenden Kinder erkennt mich und ruft laut meinen Namen. Vor meinem Gesicht baumelt ein goldener Stern und jetzt fangen alle an zu singen. Das gibt mir die Gelegenheit mich zu sammeln: Ach ja, der Glühwein, die katholische Gemeindereferentin, meine Anfrage, ihre Zusage.
Als die Kinder fertig sind nicke ich anerkennend. Mittlerweile ist auch meine Frau zu uns gestoßen, ebenfalls im Schlafanzug. Der goldene Stern baumelt jetzt über meiner ganzen Familie, aber Freude will immer noch nicht aufkommen.
So etwas haben wir alle noch nicht erlebt. Weder die katholische Gemeindereferentin, noch wir, geschweige denn die Weisen.
Außer sich vor Freude?
Es ist eine Sache, wenn du verkleidet als orientaler Sterndeuter voller Freude einem Stern folgst, denke ich. Eine ganz andere Sache ist es aber doch, frühmorgens an einer Haustür im waldhessischen Hersfeld plötzlich und unerwartet diesen weisen Sterndeutern gegenüberzustehen.
Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass es wirklich schwer ist, sich auf Kommando über einen unangemeldeten Stern zu freuen, mit dem man zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr gerechnet hat.
Den Weisen aus dem Morgenland macht das alles nichts aus. Denen geht es gut. Die haben die Zeichen der Zeit längst erkannt und sind wieder auf der Spur. Folgen dem Stern und haben sich sehr darüber gefreut, dass ihnen die Tür geöffnet wurde. Auf die Kleidung, das haben sie später noch der katholischen Gemeindereferentin mitgeteilt, haben sie überhaupt nicht geachtet.
Derweil herrscht im Königspalast rege Aufregung. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. So kurz vor den ruhigen Tagen eine beunruhigende Nachricht aus dem Osten. Ausgerechnet aus dem Osten.Er sieht schon die Pressemeldungen aus den Parteizentralen vor seinem inneren Auge: Das würde von „wir sind total neugierig und außer uns vor Freude“ bis hin zur Ablehnung a la „was soll schon aus dem Osten Gutes kommen“ reichen. Die ganze Bandbreite eben.
Jetzt muss er sich vorbereiten. Welches Protokoll gilt eigentlich für Weise und Sterndeuter aus dem Morgenland? Ausgerechnet aus dem Orient und ausgerechnet jetzt. Der König lässt müde den Stift fallen und schaut aus dem Fenster auf eine aufgeregte Stadt. Seit dieser Stern erschienen ist, drehen hier alle am Rad. In der Kantine gibt es heute Kalbsgeschnetzeltes, aber er hat keinen Hunger. Er muss sich vorbereiten. Er hat den Stern auch gesehen. Außer sich vor Freude ist er nicht. Nein, das kann er wirklich nicht sagen.
Von all dem bekommen die Weisen nichts mit. Sie sind längst weitergezogen.
Sie haben keine Ahnung von Schlagzeilen und Protokollen. Sie sind einfach nur aufgebrochen, um dieses Kind, das König sein soll, zu finden. Also klopfen sie mal hier und mal dort. Und wenn die Menschen ihnen die Türen öffnen freuen sie sich noch mehr, auch wenn nicht alle freundlich zu ihnen sind.
Einer hält sie sogar für Paketboten, wahrscheinlich wegen der Geschenke in ihrer Hand. Aber es ist ihnen wirklich egal, wer wo und wann Pakete beim Nachbarn abgelegt hat, obwohl der Mann zu Hause gewesen sei. Sie verstehen es auch nicht. Darum lächeln sie einfach und ziehen weiter. Sie sind nicht den weiten Weg bis hierhin gekommen, um sich jetzt mit dem alltäglichen kleinklein zu beschäftigen.
Nein, sie haben sich auf den Weg gemacht, um einem Stern zu folgen, den sie schon im Osten gesehen haben und sie spüren deutlich, dass das Ziel nahe ist. Und wenn sie kurz Rast machen um still und hastig was zu essen und zu trinken schauen sie sich in die Augen und wissen: Sie können es kaum erwarten; sie sind immer noch außer sich vor Freude.
Als sie den Stern sahen, waren sie außer sich vor Freude.
Dass die Weisen sich freuen, finde ich sympathisch. Freude ist gut, keine Frage, aber außer sich sein vor Freude? Ich z.B. freue mich, wenn mir ein Einparkmanöver glückt. Es muss auch gar nicht kompliziert sein. Irgendwo auf dem Supermarktparkplatz gelingt es mir, mich elegant in eine Parklücke zu quetschen oder am Straßenrand, mitten hinein in eine Lücke und vorne und hinten ist noch massig Platz.
Dann freue ich mich. Ich freue mich aber auch, wenn ich das Altpapier in die richtige Tonne entsorgt habe und der Korb wieder leer ist. Und ich freue mich, über kleine Zeichen der Menschlichkeit. Über zärtliche Gesten, eine aufgehaltene Tür, ein aufmunterndes Wort, über die Urlaubskarte von Freunden mit der ich schon gar nicht mehr gerechnet habe. Ich bin bescheiden geworden. „Es sind eben die kleinen Dinge!“, sagt der christliche Sprüche-Kalender und den werde ich als nächstes in die blaue Tonne werfen.
Und ich frage mich, wann hat das eigentlich aufgehört, sich auf das Große zu freuen? Über die richtungsweisende, neue Idee? Über die weltverändernde Vision? Über das tröstliche Zeichen, dass der Welt einen ganz neuen Weg weist? Wann habe ich bloß damit angefangen, mehr über Protokolle nachzudenken und mich übers Einparken zu freuen als über einen hellen Stern, der mir den Weg ins Neue weist? Ich freue mich über die kleinen Dinge, weil ich den Großen nicht traue?
Die Weisen aus dem Morgenland sind mutig. Machen sich auf den Weg, klopfen hier und dort an Türen, gehen - von Königen und unvorbereiteten Menschen völlig unbeeindruckt - unbeirrt ihren Weg. Und wenn der Stern nicht zu sehen ist, ziehen sie eben mit der Hoffnung weiter. Weil sie wissen: Das Kind ist da!
Das Kind ist König!
Was für ein Glück!
Was für eine große Freude!
Amen.
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Dass Herz braucht Kronen – Predigt zu Matthäus 2,1-12 von Nico Szameitat
Das Herz braucht Kronen. Wer einmal Anfang Januar in Köln ist, der sollte unbedingt am 6. in den Dom gehen. Festlicher und strahlender geht kaum ein Gottesdienst, die Orgel braust, alle singen dazu „Stern über Bethlehem“ und am Ende bildet die Gemeinde eine lange Prozession, die vorne am goldenen Schrein entlangzieht. Denn nur an diesem Tag ist an dem Schrein die Frontplatte abgenommen und hinter dem goldenen Gitter ahnt man - mehr als dass man sie sieht - , drei menschliche Schädel mit Kronen darauf. Das Herz braucht Kronen.
Ja, der Kölner Dom rühmt sich, seit dem 12. Jahrhundert die Gebeine der Heiligen Drei Könige in diesem goldenen Schrein zu beherbergen. Die Heilige Helena soll sie im 4. Jahrhundert in Jerusalem gefunden haben. Eigentlich komisch, wo es doch bei Matthäus heißt, dass die Weisen zurückzogen in ihr Land. Aber vielleicht gab es ja in Jerusalem ein Altersheim für Könige.
Wohl kaum eine andere Geschichte aus der Bibel ist im Laufe der Jahrhunderte durch den Volksglauben, durch Herz und Seele der Menschen so sehr ausgeschmückt worden wie die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Aus einer ungenannten Anzahl von Weisen werden aufgrund der Dreizahl der Geschenke schnell drei Personen, aufgrund der Kostbarkeit der Geschenke aus den drei Personen schnell drei Könige. Und dann erhalten diese drei Könige Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Sie kommen von den drei im Mittelalter bekannten Kontinenten Europa, Asien und Afrika – darum ist auch einer schwarz – und sie haben drei unterschiedliche Lebensalter: Der Junge, der Mittlere und der Alte.
Und dann entstehen im ausgehenden Mittelalter die Krippenspiele und erste Krippenlandschaften und die Heiligen Drei Könige bekommen kostbarste Gewänder und Turbane sowie Karawanen mit Kamelen und Knechten. Und natürlich Kronen. Das Herz braucht Kronen.
Dabei klang die Geschichte für die ersten Hörer und Hörerinnen keineswegs märchenhaft. Matthäus greift tief in die Erzählungen und Weisheiten der jüdischen Bibel, unseres Alten Testaments, und wirft sie in seine Gegenwart.
Was Luther mit dem wunderschönen Begriff „Morgenland“ übersetzt, klang für damalige Ohren zum Beispiel eher bedrohlich. Die Weisen kamen aus dem Osten. Aber aus dem Osten konnte nichts Gutes kommen. Seit Jahrhunderten lag Israel mit den östlichen Völkern Krieg. Uralt war die Feindschaft - hatten die Völker des Ostens nicht schon Mose und das Volk auf ihrer Wanderung in das Gelobte Land immer wieder hinterrücks angegriffen? Tückische Menschen waren das. Fremde von dort konnten nichts Gutes bringen.
Eigentlich gab es nur eine Friedenszeit und die war lange her. Das war, als König Salomo, der Davidssohn, Besuch bekam von der Königin des Ostens, der Königin von Saba. Beide überschütteten sich gegenseitig mit Geschenken, mit Gold, Sandelholz und Spezereien. Und die Königin von Saba bewunderte vor allem die Weisheit Salomos. Eine uralte Geschichte von Freundschaft, Frieden und Weisheit, die auch am Horizont bei Matthäus wieder aufleuchtet, als die drei Weisen mit Geschenken aus dem Osten aufbrechen. Die Konstellation der Sterne verriet ihnen die Geburt eines neuen Königs in Israel. Und so gehen sie natürlich in die Königsstadt Israels, nach Jerusalem, nichts Böses ahnend.
Jerusalem ist die Stadt aller Völker. Hier sollen die Völker einst friedlich zusammen kommen. Hier könnten Weise und Könige aus Ost und West sich auf einem Gipfeltreffen einigen. Aber der Machthaber in der Königsstadt will keinen Friedensgipfel.
König Herodes ist entsetzt. Der Mächtige fürchtet um seine Macht, um seine Krone. Das darf nicht wahr sein! Und was nicht wahr sein darf, das soll auch nicht wahr sein. Ein neuer König an seiner statt? FakeNews! Wären sie Minister, hätte Herodes sie gleich entlassen, aber da die Weisen nicht in seinem Dienste stehen, kann er nur versuchen, sie zu instrumentalisieren und schickt sie weiter von der Königsstadt zur Davidsstadt, von Jerusalem nach Bethlehem. Ein Stern führt sie, wie schon Bileam es prophezeite. Und sie schenken Gold und Weihrauch, wie schon Jesaja es weissagte. Aber nicht nur.
„Für den König aller Lande!“ sagt der erste, legt ein Goldstück vor die Krippe und kniet nieder. Der zweite hat ein Säckchen mit Weihrauchkörnern. „Für den König aller Himmel!“ sagt er und kniet nieder. Der dritte hat einen Balsam dabei. Maria erkennt den bitteren Geruch: Myrrhe. Sie weiß, damit werden Wunden behandelt. Und damit werden Tote balsamiert. „Für den Menschen mitten unter uns!“ sagt der Dritte leise und kniet nieder. Drei Weise, knieend, still. Wie einst bei der Königin von Saba bleibt nur ein stilles Staunen vor dem Davidssohn, wenn der Reichtum abgelegt ist. Was für eine Weisheit ist das hier, in dem Stall? Was für eine Weisheit ist das, das dieses Kind Gottes Sohn sein sollte?
Zweitausend Jahre später ziehen Caspar, Melchior und Balthasar, als Vertreter aller Völker und aller Lebensalter von Haus zu Haus und klingeln an den Türen. Die Sternsinger sind in diesen Wochen wieder unterwegs. Vielerorts sind sie ökumenisch und vielerorts übersteigt die Nachfrage das Angebot. Das heißt, es gibt viel mehr Menschen, die einen Besuch von den Sternsingern wünschen, als es sternsingende Kinder und Termine gibt. Die Sternsinger kommen und singen. Anders als ihre Urahnen bringen sie keine Schätze, sondern sammeln Geld ein. Dafür bringen sie etwas anderes. Wie ein Schutzzeichen prangen die Buchstaben, Zahlen und Sterne, mit simpler Kreide gemalt an den Türen. C M B, 2019, Christus mansionem benedicat, Christus segne dieses Haus. Und die Sehnsucht der Menschen nach diesem Segen ist groß. Sie kommen verkleidet wie Märchenfiguren. Sie kommen singend und sie bringen den Segen in die Häuser. Der Segen, der aus einem kleinen Haus, einem Stall nur ausging. Von einem König, des Himmels und der Erden, des Weihrauchs und des Goldes. Wahrer Gott und wahrer Mensch, Myrrhenkind.
Das Herz braucht Kronen.
Und so ziehe ich durch die Wüste des Lebens,
stürmende Wolken, wirbelnder Sand,
irgendwo hinten in der Karawane.
Der Stern zieht mich voran,
die Sehnsucht nach ein wenig Glanz für mein Leben.
Die Taschen meines weiten Mantels sind voll:
mit Wüstenstaub wie mit Himmelskram.
Ich ziehe durchs Leben und brauche mich nicht zu schämen.
Weder für meine Sehnsüchte und Ängste,
noch für die Schrammen, die die Wüstendornen
schon in mein Herz gekratzt haben.
Denn unter dem Stern ist ein König,
der trägt eine Krone von Dornen
und teilt die Myrrhe mit mir.
Der streicht mir Balsam auf die wunde Seele
und flüstert mir zu:
Fürchte dich nicht.
Was auch immer dein Herz braucht,
ich bin da
und segne dich.
Amen.
Liedvorschläge
EG 45 Herbei, o ihr Gläubgen
EG 70 Wie schön leuchtet der Morgenstern
EG.E 1 Stern über Bethlehem
EG 73 Auf, Seele, auf und säume nicht
EG 24,8.15 Sei mir willkommen, edler Gast
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Z-U-K-U-N-F-T - Predigt zu Matthäus 2, 1-18 von Pfarrer Christoph Maier
Z-U-K-U-N-F-T
Z wie Zeit
U wie Unvorhergesehenes
K wie Kinder
U wie Ungewissheit
N wie Neugierde
F wie Freude
T wie Träume
Was wird die Zukunft bringen? Zwischen den Jahren ist mancher schon dabei Bilanz zu ziehen. In den ruhigen Tagen zwischen den Jahren ist Zeit die guten Vorsätze für das neue Jahr zu bedenken. Was wird die Zukunft bringen? Wie wird das mit der Gesundheit weiter gehen? Was werden die Kinder brauchen? Wo will ich Dinge ändern? Was sollte auf jeden Fall so bleiben, wie es ist? Was werden die politischen Entwicklungen bringen? (In Sachsen werden 2019 Landtagswahlen sein).
Zukunft – sie kommt. Mal freudig erwartet, mal von sorgenvollem Blick begleitet. Manche nehmen die Herausforderung, die Zukunft zu gestalten, gerne an und manche schwelgen lieber in der Vergangenheit, wo alles viel, viel besser war.
„Maria, wach auf! Es geht um unsere Zukunft. Wir müssen weg von hier. Jetzt! Sofort! Unser Baby, unser Kind, unsere Zukunft ist in Gefahr.“
Eine böse Ahnung, ein schlechter Traum, ein Engel Gottes treibt die heilige Familie zur Flucht. Der Evangelist beschreibt den Fluchtgrund so: ... damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Hosea 11,1): „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ Ob diese Story der Glaubwürdigkeitsprüfung deutscher Asylverfahren standhalten würde? Ich wage es zu bezweifeln.
Aber darum geht es nicht. Es geht um Zukunft. Darum überhaupt eine Zukunft zu haben. Kinder sind Zukunft. Sie zu bewahren ein angeborener Reflex der Elternschaft.
Es geht auch um unsere Zukunft. Daran erinnert der Evangelist Matthäus, wenn er die Geburt Jesu mit der Prophetie des ersten Testaments zusammen spricht. Der Evangelist erinnert an die Propheten der Vergangenheit, um zu zeigen, dass auch in Zukunft Vertrauen möglich sein wird; trotz Ungewissheit, trotz schlechter Prognosen, trotz widriger Umstände.
Und noch ein anderer bangt um seine Zukunft. Herodes. Er fühlt sich um seine Zukunft betrogen. Die fremden Gelehrten haben ihn hinters Licht geführt. Herodes begnügt sich nicht damit, darauf zu vertrauen, dass die Zukunft kommt. Er nimmt seine Zukunft lieber selbst in die Hand, denn es soll alles so bleiben, wie es ist. Zumindest für ihn. Und damit alles so bleibt, wie es ist, muss er vielen Anderen die Zukunft nehmen.
Der Kindermord von Bethlehem steht für die geraubte Zukunft. Ein Kind zu töten ist ein ungeheuerliches Verbrechen. Ein Kind steht für das Vertrauen in die Zukunft, die sich erfüllen wird. Wer ein Kind tötet, tötet die Zukunft. Ein Kind ist die Frucht der Liebe. Zwei Menschen haben sich aufeinander eingelassen und sind bereit Ungewissheit und Entbehrung, schlaflose Nächte und andere Sorgen auf sich zu nehmen, um eine gemeinsame Zukunft zu haben. Der Kindermord von Bethlehem soll diese Zukunft ausrotten. Einer allein möchte sich der Zukunft bemächtigen, sie bestimmen und prägen.
Aber so funktioniert die Zukunft nicht. Wer die Zukunft bestimmen möchte, wird sie verlieren. Wer möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, wer meint sich vor Veränderungen schützen zu können, begeht ein Verbrechen an der Zukunft.
Die Vorlage für den Kindermord aus Bethlehem findet der Evangelist Matthäus im 2. Buch Mose. Zu viele Ausländer lebten in Ägypten. Das macht Angst, verändert die Zusammensetzung der Bevölkerung, bringt eine fremde Religion ins alte Ägypten. Die gehört da nicht hin. So kann das nicht weitergehen. Also befiehlt der Pharao, alle Neugeborenen der Hebräer umzubringen.
Damit alles so bleibt, wie es ist, muss er vielen Anderen die Zukunft nehmen. Mose entkommt im Weidenkörbchen und wird die Zukunft dieses Volkes und dieser Religion herausführen zu einer Zukunft, die bis zu uns heute reichen wird.
Der Evangelist Matthäus ist ein konservativer Theologe. Er erinnert mit dem Beginn seines Evangeliums an die Vergangenheit. Historisch lässt sich der Kindermord von Bethlehem kaum plausibel machen. Herodes war zwar bekannt dafür nicht zimperlich zu sein, auch vor der Ermordung seiner eigenen Kinder und Thronfolger schreckte er nachweislich nicht zurück, um sich seiner eigenen Zukunft zu bemächtigen. Aber hinter dem Kindermord von Bethlehem steckt eher die theologische Aussageabsicht des Evangelisten, als die historischen Fakten.
Wahr bleibt allerdings: Wer die Zukunft bestimmen möchte, wird sie verlieren. Wer möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, wer meint sich vor Veränderungen schützen zu können, begeht ein Verbrechen an der Zukunft.
Konservativ bedeutet bewahren. Wer die Zukunft bewahren möchte, muss bereit sein zur Veränderung. Die Erinnerung an die Vergangenheit, wie Matthäus sie seinem Evangelium aufprägt, führt zum Vertrauen in die Zukunft. Mit der Erinnerung an die Vergangenheit, an Mose und die Geschichte seiner Geburt, gewinnt Matthäus die Verheißung für die Zukunft seiner christlichen Gemeinde. Die Zukunft – sie kommt. Mal freudig erwartet, mal von sorgenvollem Blick begleitet. Wir dürfen die Herausforderung annehmen, die Zukunft zu gestalten. Dabei muss auch der Evangelist eingestehen: Etwas Besseres, oder mehr Sicherheit als die Verheißung hat er nicht zu bieten. Wir sind ohnmächtig beim Heraufführen der Zukunft und können im besten Falle nur vertrauen, dass sie kommt und Gutes bringen wird. Wir begeben uns auf die Flucht ins Ungewisse, auf die Flucht nach vorne. Wir müssen weiter, es hilft ja nichts, sonst ist unsere Zukunft in Gefahr! Mit uns geht die Verheißung.
Die Erinnerung an die Verheißung ist aber nicht zu verwechseln mit dem Festhalten des Bewährten. Das Festhalten an dem, was schon immer so war verspielt die Zukunft. Wer Besitzstand wahren, Herrschaft sichern und Dynastien bewahren will, wie Herodes, verspielt die Zukunft. Diese Spielart konservativ zu sein, führt eben gerade nicht zum Vertrauen, sondern zur Skepsis gegenüber der Zukunft und dem, was sie an Herausforderung bringt. Diese Spielart, konservativ zu sein, hat einen Hang zur Bemächtigung, zum Beherrschen der Zukunft. Hier verwandelt sich die Verheißung in Versuchung. Hier droht die Gefahr, Anderen mit Gewalt die Zukunft zu nehmen, damit alles bleiben kann, wie es ist. Was bleiben will, muss sich ändern, muss aufbrechen, muss die Flucht in die Zukunft antreten.
Was bleiben will, muss sich ändern …
von Inge Müller
Wie das Meer,
das bleibt
in Ebbe und Flut.
Der Baum im Wechsel
der Jahreszeiten.
Die schwingende Brücke.
ein Klang …
Was bleiben will,
muss sich ändern.
Das Leben.
Einatmen und Ausatmen.
Das, woraus ich
Kraft schöpfe.
Meine Wurzeln.
Meine Wege.
Was bleiben will,
muss sich ändern.
Liebe,
die ihre Gezeiten hat
wie das Meer.
Freundschaft.
Glück.
Eine Aufgabe.
ein Erfolg …
Was bleiben will,
muss sich ändern.
Meine Bilder
von der Vergangenheit
von der Zukunft
vom Sinn
von Gott
Meine wichtigsten Bilder.
Ich will, dass sie bleiben
Was bleiben will,
muss sich ändern.