Predigt zu 2. Mose 32,7-14 von Paul Geiß
32,7-14

Predigt zu 2. Mose 32,7-14 von Paul Geiß

Moses Fürbitte mit den rechten Worten zur rechten Zeit

2. Mose 32, 7 Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. 8 Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat. 9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, dass es ein halsstarriges Volk ist. 10 Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.

11 Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? 12 Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. 13 Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.

14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.

Liebe Gemeinde! Eine „schöne“ Geschichte! Ein schonungsloser Bericht von Gottes Zorn, eine große Versuchung für Mose, ein Bericht von der Möglichkeit mit Gott zu streiten, sie führt sogar vorläufig zu einem scheinbar guten Ende, so hat Kain mit Gott verhandelt, und eine Überlebensmöglichkeit bekommen, so hat Abraham für eine Stadt gebeten, so dass zumindest Lot und seine Familie gerettet werden konnten, so hat sich Jakob am Jabbok mit Gott physisch bis zur Erschöpfung auseinandergesetzt, was ihn von einem Betrüger zu einem reifen Menschen werden ließ.

Und hier unser Bibeltext, das ist an dem Sonntag, an dem es um das Gebet geht, eine Geschichte  von der Barmherzigkeit Gottes, der unser Bitten und Flehen erhören kann, aber nicht muss. Heute heißt der Sonntag im offiziellen kirchenjahrskalender Rogate, das heißt übersetzt: Betet!

Lassen Sie Sich mit hinein nehmen in diese Gedanken von Gottes Zorn und Gnade, die uns auch heute immer wieder beschäftigen, denn es gibt nicht nur der liebenden Gott, auch den zornigen, das können und dürfen wir nicht verschweigen zugunsten eines Glaubens, der über alles, aber auch wirklich alles den Mantel des Schweigens und der Barmherzigkeit legt, denn es gibt ihn, den Zorn Gottes.

Soli Deo Gloria – Allein Gott sei die Ehre, das steht über mancher Orgel, eine Jubelruf und eine Mahnung, dass die Gemeinde sich bei aller schönen Musik von hervorragenden Organisten durch die Musik auf Gott besinnen soll. Und es gibt wahrhaftig Musikstücke, die einem die Tränen in die Augen treiben, weil sie so überirdisch schön sind. Dennoch: die Hauptaufgabe von Kirchenmusik ist es, auf Gott hinzuweisen.

Soli Deo Gloria -  das steht auch im Altarraum mancher schönen Kirche und Kirchen, das sind Ruheräume in der lauten und belebten Stadt, sie sind das Zentrum von zehntausenden von Dörfern mit ihren herrlichen historischen Dorfkernen, die oft durch architektonisch einheitlich gestaltete, schmerzhaft unschöne Neubaugebiete um ihren Charme gebracht würden, wäre da nicht die Kirche, ein altes Schulhaus, ein kleines Rathaus, manchmal auch ein Schloß, eine Burg mit Zinne und Kapelle.

Aber die Kirche steht nicht da als Kunstwerk mit schöner Ästhetik, ein Denkmal, ein Museum, sie hat die Aufgabe, an Gott zu erinnern, der unsichtbar, manchmal kaum wahrnehmbar, manchmal abgewandt und scheinbar am Schicksal der Menschen uninteressiert, aber auch wahrnehmbar in den Gottesdiensten und Ritualen unserer Kirchen und Konfessionen, in seinem Zorn, aber auch  in seiner Barmherzigkeit und Liebe unser Heil will.

Hinweis soll das alles sein, Musik und Kirchenbau, Gottesdienst und Gesang, Hinweis auf Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und das hatte das Volk Israel immer mal wieder vergessen. Das hat Gottes Zorn hervorgerufen. Jetzt will er nicht mehr die Menschheit vernichten und nur Noah übrig lassen, jetzt will er sein auserwähltes Volk vernichten und nur Moses übrig lassen, weil sie vom Wege abgewichen sind, weil sie sich selbst einen Gott gemacht haben, weil sie den unsichtbaren Gott für ihre Augen sichtbar und anbetbar machen wollten.

Ist das nicht ein verständliches Anliegen? Gott, in der Nacht die Feuersäule, am Tag die tornadoartige Wolke, wie es die Bibel beschreibt in den Berichten von der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste, das reicht den Israeliten nicht. Sie wollen einen Gott, wie ihn die anderen Völker auch haben, einen Stiergott, männlich stark, fruchtbar, immer bereit zum Kampf für die, die ihn anbeten. Aber das ist nur ein Bild, Abbild menschlichen Sehnens, eine selbstgemachte Religion ohne Folgen. Die Stärke, die Macht, die sexuelle Potenz, auch das wird heute bei uns angebetet und wer sich dem nicht fügt, gilt nicht als cool und begehrenswert. Hahnenkämpfe um Macht und Einfluß machen auch vor der Wissenschaft und der Universität, vor Staat und Kirche nicht Halt. Ist das nicht schon Abgötterei?

Aber was sind das für Ziele? Lohnen sie den Kampf? Sind sie nicht ein Tanz auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, es geht eher um mich, den großen Organisten und Musiker, den schlauen Professor, die weitsichtige Pröpstin an der Spitze eines Kirchenkreises, die Landrätin, die sich volksnah zeigt, um wieder gewählt zu werden, und dann wird die Sache, für die man einstehen möchte zum Vorwand für die eigenen narzisstischen Ziele.

Gott allein die Ehre. Und weil Menschen immer wieder in Versuchung geraten, sich selbst höher einzuschätzen als Gott, bauen sie ihre Netzwerke, ihre Machtpositionen, basteln sie sich ihre Götter selbst.

Das erregt Gottes Zorn, er will erneut dieses Volk vernichten. Es reicht ihm. Und Moses bittet, bittet für dieses halsstarrige Volk, widersteht der Versuchung, die der himmlische Vater listigerweise an ihn heranträgt, - oder ist Moses gar der einzige Mensch mit seiner Familie, dem Gott noch traut nach den vielen Enttäuschungen, die ihm dieses Volk bereitet hat? Und Moses argumentiert geschickt historisch, geschichtlich, juristisch: Du bist der Gott der Väter, Du hast uns aus Ägypten geführt, Du hast mit diesem Volk einen Vertrag geschlossen, was sollen denn die Leute denken, wenn Du Dich so verhältst?  Moses ist auch listig und weiß offenbar, wo Gottes schwache Stelle ist. Er will, dass Er verehrt wird, Er angebetet wird, sein Name sei gelobt! Denn das entlastet ja auch die Menschen von ihren eigenen Eitelkeiten.

Also Moses schafft es. Er kann das Zorngericht abwenden, bitten, betteln, argumentieren, miteinander reden, es hilft und nimmt den Druck von Moses. Ein barmherziger Gott, der sein eigenes Urteil zurücknimmt. Ihn anzubeten lohnt sich, nicht den Chef, die Vorgesetzten, die selbst ernannten starken Männer und starken Frauen, die menschlichen Leitfiguren, nein, um Gottes berechtigten Zorn über den Zustand der Welt zu besänftigen, können auch wir an Gottes Barmherzigkeit appellieren. Kyrie eleison, Herr, erbarme Dich, ein einziges Sündenbekenntnis wie in jedem Gottesdienst, das ist die richtige Haltung Gott gegenüber und nach dem Gnadenzuspruch loben, preisen, singen, beten, bitten, hoffen, ja auch flehen. Und am Ende, am Ende kommt hoffentlich heraus, wie es in Psalm 13 heißt: Ich will dem HERRN singen, weil er so wohl an mir tut.

Leider noch eine unschöne Fußnote am Schluss, ich will sie nicht verschweigen: Moses selber hat den Frevel des Volkes dann gnadenlos bestraft. Er zerschmettert die Tafeln der Gebote, zerstört den Goldenen Stier, er ruft die Kämpfer des Stammes Levi zu sich, er lässt sie unter dem Volk wüten, so dass, wie die Bibel berichtet, dreitausend Menschen sterben und der Stamm Levi in der jüdischen Geschichte für ewige Zeiten eine herausragende Rolle bekommt, die er bis heute behalten darf. Auch Moses kommt also an die wahre Größe Gottes nicht heran.

Vielleicht sollte man manchmal nicht weiter denken und nicht weiter lesen. Wie schreibt Paulus dann im Neuen Testament vom barmherzigen Christus: Lass Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Das ist sie, die wahre Größe, Gott auch für ein halsstarriges Volk, halsstarrige Politiker, halsstarrige Kapitalisten, halsstarrige Militärs um die Hoffnung auf Umkehr, auf Gnade bitten, denn

Soli Deo Gloria, ihm allein gebührt die Ehre und der Ruhm und die Anbetung.

AMEN.