Heimkehr - Predigt zu Pred 12,1-7 von Angelika Volkmann
Einladung an die Jugend
Freue dich, Jüngling, deiner Jugend und lass dein Herz guter Dinge sein in deinen jungen Tagen! So spricht Kohelet.
Diese Aufforderung an die junge Generation, das Leben zu genießen, ist ja mal sehr sympathisch in der Bibel!
Es ist wunderbar, wenn Großeltern zu ihrem Enkel sagen: Genieße! Lass es dir gut gehen! Freu dich, feiere, tanze, spiele! Tue nicht immer das Vernünftige, sondern folge deinem Herzen. Tue, was dir Freude macht, werde Gärtner oder Tierpflegerin oder studiere Jura, wenn es deine Sache ist, auch wenn andere dir abraten.
Vom Prediger folgt der Hinweis: Die Zeit der Jugend ist schnell vorbei. Wir Älteren wissen das. Für einen Zwanzigjährigen liegt gefühlt eine Ewigkeit zwischen ihm und einem Dreißigjährigen. Darum die Aufforderung an die Jüngeren, die man liebt: Genießt es! Die einzige Einschränkung: Denke an deinen Schöpfer. Oder ist das nicht vielmehr eine Erweiterung des Blickes?
Was sagt dieser Text den Älteren und den Hochaltrigen?
Erst wir Älteren begreifen im Rückblick auf unser Leben das schnelle Tempo, in dem die Jahre vergehen. Darum richten sich diese Verse vielleicht sogar in erster Linie an ältere Menschen.
Um die Botschaft entschlüsseln zu können, müssen wir vielleicht erst einmal den kennen lernen, der da spricht, in der Hebräischen Bibel „Kohelet“ genannt. Wer ist Kohelet?
Martin Luther hat Kohelet als „Prediger“ bezeichnet. Wörtlich übersetzt heißt das Wort allerdings: die Versammelnde. Was wird hier gesammelt? Weisheiten? Menschen, um sie zu lehren?
Es klingt in diesem Buch „Prediger“ nicht nach einer Predigt, die beruhigt und ermutigt. Hier werden Zweifel geäußert, hier widerspricht einer sich selbst, hier werden Illusionen gnadenlos zerstört. Alles ist eitel! Nichtig! Deswegen spricht dieses Buch moderne und skeptische Menschen an.
Wie stehen wir jeden Morgen auf? Ist es immer wieder das Gleiche? Bin ich schlecht gelaunt, fühle Zeitdruck, werde hektisch? Kommt mir alles so sinnlos vor? Oder freue ich mich beim Aufwachen über mein Leben. Empfinde ich Dankbarkeit für den neuen Tag, der mir geschenkt wird?
Was ist Glück? Darüber reden in Kohelet verschiedene Stimmen (siehe Yoel Bin-Nun und Yaakov Medan, מקהלת קולות בדמות אחת אני קוהלת - I am Koheleth - a chorus of voices, im Oktober 2017 auf Hebräisch erschienen). Es wird mit Identitäten gespielt. Wer wird hier versammelt? Vielleicht Schüler, die dem Sprechenden zuhören. Vielleicht auch die vielfältigen Gedanken, die er hat. Man könnte Kohelet als einen ansehen, der viele Stimmen in sich sammelt und eine Art Tagebuch führt, wo er sie miteinander reden lässt.
Der Weise
Da hören wir den Weisen, der schonungslos die Wirklichkeit wahrnimmt. Ganz oft sagt er: Alles ist eitel. Chäwäl. Nichtig. Flüchtig. Vergänglich. Wie ein Windhauch. Nichts hat Bestand. Darüber verzweifelt er. Das bringt doch alles nichts. Der Mensch müht sich ab – und wofür? Die Weisheit ist nicht tröstend, sondern verstörend. Der Weise ist zutiefst skeptisch. Was hat ein Weiser dem Toren voraus? Nichts! Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund - aber sein Verlangen bleibt ungestillt (6,7). Dabei sehnen sich die Menschen nach Bestand, nach dem, was ewig ist. Gott hat die Ewigkeit in ihr Herz gelegt! (3,11) Als Weiser ist Kohelet offenbar nicht in der Lage, das jeweils Neue an einer Situation zu sehen. Es ist für ihn immer wieder das Gleiche. Immer wieder Scheitern. Nie bleibender Erfolg. Wie Goethes Faust sagt: Ich hasse dieses Leben. Es kommt ihm vor wie ein ewig gleicher Kreislauf. Kohelet ist darüber verzweifelt. Er hat die Fähigkeit verloren, eine Entwicklung zu sehen. Außerdem hat er die Fähigkeit verloren, über den Moment zu staunen.
Der Genießer
Wie sympathisch ist uns da die andere Stimme in ihm, die diesem verzweifelten Skeptiker widerspricht und ganz oft sagt: Genieße! Genieße das Leben! Sei guter Dinge! Was sich dir anbietet, was dir geschenkt ist: Genieße es! Das ist das Beste, was du tun kannst. Die Stimme des Genießers. Mach dir nicht so viele Gedanken. Grüble nicht! Freu dich des Lebens! Es ist eine Gabe Gottes
Der Aktivist
Doch dieser Stimme widerspricht dann der Aktivist, der das Unglück der Menschen sieht, ihr Leiden. Ich sah alles Unrecht an, das unter der Sonne geschieht, und siehe, da waren die Tränen derer, die Unrecht litten und keinen Tröster hatten. (4,2) Ihr könnt doch nicht einfach euer Leben genießen, solange andere leiden! Der Aktivist möchte Gerechtigkeit.
Ihm widerspricht dann wieder der Weise und sagt: Es hat doch alles keinen Wert. Unser ganzes Engagement nützt doch nichts!
Der Gottesfürchtige
Und dann gibt es noch den Gottesfürchtigen, der sagt: Ich weiß doch, dass es wohlgehen wird denen, die Gott fürchten. (8,12) Und auch er ruft zur Lebensfreude auf und stimmt dem Genießer zu: So geh hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut, denn dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen. Lass deine Kleider immer weiß sein und einem Haupte die Salbe nicht mangeln. (9,7+8)
So reden sie und streiten und es dreht sich im Kreis. Manche Ausleger sehen in diesem Streit eine Entwicklung, die wir am Ende des Buches sehen können, in unserem Text für heute. Die Stimmen werden sich immer mehr einig. Dem Gottesfürchtigen gelingt es, auf die anderen einzuwirken. Jeder trägt eine wichtige Erkenntnis bei! Wir können ja in der Seele von Kohelet nicht dabei sein – aber vielleicht war es so: Zum Weisen sagt der Gottesfürchtige: Natürlich ist alles vergänglich! Wir sind kleine Menschen! Unsere Zeit ist begrenzt! Das ist kein Grund zur Verzweiflung. Söhne dich damit aus! Zum Genießer sagt er: Du hast Recht! Solange du den Genuss dankbar empfängst als Geschenk Gottes, ist alles wunderbar. Das ist Lebenskunst! Zum Aktivist sagt er: Auch du hast Recht! Gott selbst will Gerechtigkeit. Tu du das deine, in Bescheidenheit. Der Gottesfürchtige weiß, dass unsere Vergänglichkeit den Lebensgenuss nicht verhindert, sondern im Gengenteil, ihn erst in vollem Umfang ermöglicht.
In der jüdischen Mystik ist Chäwal (Abel) ein Erleuchteter. Er konnte seinen Tod heiter annehmen, war ausgesöhnt mit der Vergänglichkeit. Er konnte loslassen. Kain konnte nicht ertragen, dass alles vergänglich ist. Genau so geht es dem weisen Kohelet. Er versteht nicht, dass Chäwäl, der Windhauch, die Vergänglichkeit von allem, die ihn zur Verzweiflung treibt, dass Chäwäl der Schlüssel zur Erleuchtung ist. Ja! Wir sind vergänglich und müssen uns nicht dagegen wehren! Chäwäl/Abel kann das Flüchtige annehmen. Ob Kohelet das auch kann?
Im letzten Kapitel seines Buches, auf dessen Worte wir heute hören, wird das deutlich.
Zart und poetisch wird das Altern bebildert und zum Tod hingeführt
Ganz zart spricht Kohelet hier über die Härten des Alters. Er verharmlost die Verluste nicht, doch er kleidet sie in poetische Bilder, die Jahre, die da nahen, da du sagen wirst, sie gefallen mir nicht. Sonne und Licht, Mond und Sterne werden sich verfinstern. Die Hüter des Hauses zittern – die Arme: Was haben sie früher nicht alles bewegt und getragen; die Starken krümmen sich – die Beine: Wie leichtfüßig sind sie früher treppauf gesprungen und waren schwungvoll beim Tanz; müßig stehen die Müllerinnen, weil sie so wenige geworden sind, – die Zähne, um die man sich anders kümmern muss. Finster werden, die durch die Fenster sehen: die Augen, die vielleicht nicht mehr lesen können; die Türen an der Gasse schließen sich – die Ohren kriegen nicht mehr alles mit; die Stimme der Mühle wird leiser. Der Mensch fürchtet sich vor Steigungen und Stufen auf dem Weg, der Mandelbaum blüht – hier werden die schönen weißen Haare angesprochen und es ist auch ein Bild des blühenden Frühlings, die Heuschrecke erinnert an den Sommer, die aufbrechende Kaper an den Herbst und auch an das Nachlassen der sexuellen Kraft. Der Kreislauf der Jahre geht weiter, der Mensch fährt dahin – der Winter wird nicht erwähnt. Im Bild des Brunnens beschreibt er den Tod: die silberne Schnur zerreißt, die goldene (Trink-)Schale zerbricht; ja, jedes Mal vergeht etwas absolut Kostbares, wenn ein Mensch stirbt. Der Eimer zerschellt an der Quelle, das Rad, über das die silberne Schnur des Eimers Tausende Male in den Brunnen lief, das Rad des Lebens zerbricht und fällt hinein.
Heimkehr (schuw)
Der Tod wird beschrieben mit Bildern aus der Schöpfungserzählung. Der Staub muss wieder zur Erde kommen, von der er genommen ist. Eine Rückkehr! Der Geist des Menschen (ruach!) muss wieder zu Gott kommen (taschuw), der ihn gegeben hat – auch er kehrt zurück. Das klingt wie Heimkommen. Unser Leben kommt von Gott, er hat es uns gegeben – Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend. Wir sind vergänglich, aber nicht verloren: Am Ende unserer Tage kehren wir zu ihm zurück. Der Kreis schließt sich.
Der Streit der Stimmen ist vorbei. Jetzt ist Einklang zu spüren. Ja, ich bin vergänglich. Ich kann und muss nicht alles bewirken. Ich darf ein kleiner Mensch sein. Vergängliche Momente können köstlich sein – das Aufblühen einer Blume, der Klang der Musik, der verweht, die lächelnden Augen, die die Meinen suchen, der Geschmack des Weines auf meiner Zunge. Geschenke Gottes, um mich zu erfreuen! Täglich und stündlich ein Wunder! Der Geschmack der kommenden Welt! Schon jetzt, damit ich ihn kennen lerne. Er hat mir die Ewigkeit ins Herz gelegt. Ich bin versöhnt. Ich werde heimkehren.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
In der Gottesdienstgemeinde sind viele Ältere und Hochaltrige.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Kohelet hat mich schon als Jugendliche fasziniert, später im Studium ebenfalls. Jetzt habe ich als über Sechzigjährige noch eine ganz andere Ebene erfassen gelernt. Ich bin hochmotiviert, dieser biblischen Gestalt zuzuhören und sie immer wieder neu zu verstehen. Ich freue mich über die vier Texte aus Kohelet, die neu in die Perikopenordnung aufgenommen wurden.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Den Gedanken, dass es in Kohelet verschiedene Stimmen gibt, die sich streiten, finde ich sehr anschlussfähig für heutige Menschen mit ihren hohen Ambivalenzen.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Es war für mich wieder sehr wertvoll, im Entstehungsprozess der Predigt eine kompetente und wertschätzende Gesprächspartnerin zu haben. Meiner Coach verdanke ich sehr gute Hinweise zu sprachlichen Formulierungen, zu Brüchen, zur Gliederung und immer wieder die Hinführung zum „Reden In“ statt „Reden Über“.
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Käthe und die Gerechtigkeit – Predigt zu Prediger 7, 15-19 von Berenike Brehm
I Wenn Käthe so aus dem Fenster schaut, macht sie sich Gedanken. Über das Leben und darüber, wie es so zugeht in der Welt. Käthe schaut oft aus dem Fenster. Schon seit einigen Jahren. Sie sagt, aus dem Fenster schauen und nachdenken sei ihr Beruf. Sie sei Lebensphilosophin, Glückssucherin, Menschenbeobachterin. Käthe findet, dass sei eine der wichtigsten Arbeiten, die man tun kann. Und, wenn sie ehrlich ist: Viel mehr kann sie mit ihren über neunzig auch nicht mehr. Aber beobachten kann sie, und philosophieren, und nach der Weisheit suchen. Und das tut Käthe. Mit voller Hingabe. Mit ihren noch guten Augen, dem scharfen Verstand, und natürlich der bunten Häkeldecke über den Beinen.
Manchmal, wenn Käthe so dasitzt und schaut, dann seufzt sie. Etwa, wenn der Herr Schulz von Gegenüber samstags sein teures Auto wäscht und auf Hochglanz poliert. „Der lügt und betrügt doch, dass sich die Balken biegen“, denkt Käthe dann und ärgert sich, dass es diesem Schmierfinken so gut geht. Oder wenn Käthe die Frau Fischer aus dem 3. Stock sieht, seufzt sie erst recht: „Ach, das ist so eine Herzensgute, aber immer Pech mit den Männern…“
II Vielleicht seufzen Sie auch manchmal mit Käthe, wenn Sie die Welt betrachten. Es ist ein Seufzen so alt wie die Menschheit. Ein Seufzen, das sich auch in der Bibel findet. Etwa im Buch des Predigers, Kapitel 7: 15 Dies alles hab ich gesehen in den Tagen meines eitlen Lebens: Da ist ein Gerechter, der geht zugrunde in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Gottloser, der lebt lange in seiner Bosheit.
Das laute Seufzen eines Mannes, der uns heute als „der Prediger“ bekannt ist. Ein Mann, der einiges mit Käthe gemeinsam hat: Er beobachtet die Menschen - als Glückssucher, Lebensphilosoph gewissermaßen. Als er ein kleines Kind war, hat man ihm wahrscheinlich Sätze beigebracht wie: „Wenn du brav und anständig bist, wird es dir gut gehen. Und wenn du falsch und unanständig bist, wird es dir schlecht gehen.“ Aber so war es in seinem Leben nicht gekommen. Wenn er sich so umschaute, waren da welche, die Falsches taten und gut lebten wie Käthes Herr Schulz. Und da waren andere, die Gutes taten, aber schlecht lebten wie Käthes Frau Fischer. Er fragte sich: Sollte es nicht anders sein? Warum sorgt Gott nicht für mehr Gerechtigkeit, so dass es den Guten gut und den Schlechten schlecht geht?
III Einmal saß Käthe mit ihrer Enkeltochter Leni am Fenster. Gemeinsam haben sie Menschen beobachtet und nach dem Glück gesucht. Sie haben über das Leben philosophiert und Leni hat gefragt: „Warum sorgt Gott nicht für mehr Gerechtigkeit?“ Käthe hat lange aus dem Fenster in die Ferne geblickt bevor sie antwortete. Sie hat an all die Frau Fischers gedacht, denen sie von Herzen ein gutes, rundes Leben wünschen würde. Sie hat an all die Herr Schulzes gedacht, denen sie das Wohlergehen nicht gönnt. Dann hat sie langsam und bedächtig, aber mit fester Stimme gesagt: „Damit wir den lieben Gott fürchten.“ Und während sie ihre Häkeldecke zurecht zupfte, und durch die Decke hindurch auf all das Leben blickte, das hinter ihr lag, hat sie weitergeredet: „Weißt du, so schwer’s ist: Für eins bin ich dem lieben Gott dankbar: Dass er mich nie in die Versuchung geführt hat zu meinen, ich könnte mich selbst erlösen. Sondern dass er mich gelehrt hat, ihm zu vertrauen. Und ich glaub, das geht nur, wenn’s den Guten auch mal schlecht geht.“ Dann hat Käthe aufgeblickt, und Leni direkt ins Gesicht gefragt: „Kannst du mir sagen, wer wirklich gut ist? Und was Glück bedeutet?“
IV Auch der Prediger vor tausenden Jahren hat sich gefragt, was es bedeutet gut und glücklich zu sein. Er hat die Menschen beobachtet und gesehen, wie sie sich abmühen: Wie sie etwa besonders streng und moralisch leben, oder wie sie andere über’s Ohr hauen. Und er hat gesehen, wie all ihre Rechnungen ein ums andere Mal nicht aufgehen. Dann hat er sich zurückgelehnt und aus all dem für sich einen Schluss gezogen: Der Weg liegt im Maß halten. Übertriebener Ehrgeiz führt nicht in die richtige Richtung. Die, die besonders klug sein wollen, verbittern. Die, die besonders perfekt leben wollen, werden unmenschlich. Aber die, die sich an keinerlei Regeln halten, werden auch irgendwann ihre Rechnung bekommen – nur oft nicht sofort. Denn mit solchen, denen man nicht vertrauen kann, will niemand länger was zu tun haben.
Als der Prediger das erkannte, seufzte er noch einmal tief, und schrieb einen doppelten Ratschlag auf: Sei nicht allzu gerecht und nicht allzu weise, damit du dich nicht zugrunde richtest. Sei nicht allzu gottlos und sei kein Tor, damit du nicht stirbst vor deiner Zeit. Es ist gut, wenn du dich an das eine hältst und auch jenes nicht aus der Hand lässt; denn wer Gott fürchtet, der entgeht dem allen.
V Käthe hat nach Lenis Besuch weiter durch das Fenster geschaut, Herrn Schulz und Frau Fischer beobachtet, und über die Gerechtigkeit nachgedacht. Sie hat an ihrer bunten Häkeldecke gezupft und durch sie hindurch auf das Leben hinter ihr geblickt. Und über die Zeit schlich sich ein Gedanke in ihren Kopf: „Dass es den Guten nicht immer gut geht, das ist Gottes Gnade.“ Mal um mal wischte Käthe den merkwürdigen Gedanken beiseite. Doch er verstummte nicht. Und irgendwann hatte Käthe ihn verstanden: „Du hast recht.“, sagte sie da zu ihrem eigenen Gedanken, und „ich bin froh drum. Denn sonst müsste ich ja, wenn es mir schlecht geht, Angst haben, ich hätte mir das selbst zuzuschreiben. Ich müsste fürchten meine Krankheiten seien Strafen Gottes. Aber so darf ich immer wissen, dass Gott in den schweren Zeiten an meiner Seite ist.“ Dann hat Käthe noch einmal durch ihre Decke auf die Vergangenheit geblickt, tief Luft geholt und zu sich selbst gesagt: „Ja, es ist Gnade, dass es den Guten nicht immer gut geht. Denn es bedeutet, dass ich Gott vertrauen darf. Dass ich wissen darf, dass er gerade im Schweren bei mir ist.“ In diesem Moment hat Käthe aufgeblickt. Sie hat durch das Fenster Frau Fischer gesehen und ihr zugeflüstert: „Ich hoffe, dass du das auch weißt“.