Ein Freund, ein guter Freund – Predigt zu Lukas 11,5-13 von Andreas Schwarz
Jesus sprach zu seinen Jüngern: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote;
denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf. Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Im Johannesevangelium 15,14 sagt Jesus zu seinen Jüngern:
Ihr seid meine Freunde.
Und in dem alten deutschen schwarz-weiß-Film singen die drei von der Tankstelle:
Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.
Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn auch die ganze Welt zusammen fällt.
Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den es gibt.
Sonnige Welt! Wonnige Welt! Hast uns für immer zusammengestellt! Liebe vergeht, Liebe verweht, Freundschaft alleine besteht! Ein Freund, ein guter Freund,
das ist das Beste, was es gibt auf der Welt. Ein Freund bleibt immer Freund,
auch wenn auch die ganze Welt zusammen fällt. Ein Freund, ein guter Freund,
das ist der größte Schatz, den es gibt.
Wie arm, wenn du keinen Freund hast.
Schüler nennen solche Leute: MoF – Mensch ohne Freunde. Wie grausam.
Wo doch jeder Freunde braucht. Neben dem Ehepartner. Neben der Familie. Einen Freund, mit dem man fröhlich ist und feiert. Dem man zuhört, wenn er sich aussprechen möchte. Dem man Ratschläge gibt, wenn er sie braucht. Der einem hilft, wenn man es alleine gerade nicht schafft. Den man einfach mal anruft, wenn einem danach ist. Von dem man vielleicht lange nichts hört, aber der am Geburtstag doch an einen denkt. Mit dem man so manches Schöne erlebt hat. Mit dem man manches Traurige durchgestanden hat. Der treu ist und zuverlässig. Auf den man sich verlassen kann. Der einen zu verstehen versucht und nicht verurteilt. Bei dem man so sein darf, wie man ist, wo man sich nicht verstellen muss.
Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.
Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn auch die ganze Welt zusammen fällt.
Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den's gibt.
Da traust du dich sogar, nachts anzurufen, selbst mitten in der Nacht hinzugehen und ihn um einen dringenden Gefallen zu bitten. Das wird der vielleicht nicht gut finden. Müde ist er und womöglich ein bisschen unfreundlich, aber das verstehst du sicher. Vielleicht denkt er sich – oder sagt es auch – wenn ich dir nicht helfe, wirst du keine Ruhe geben. Also helfe ich dir, damit ich meine Ruhe kriege. Bei Tag besehen tut das nicht so gut und wirft kein so schönes Licht auf eine Freundschaft. Aber bei Nacht besehen, wo man nicht so klar denken kann, wo man sich um den nötigen Schlaf der Kinder sorgt, da empfindet man schon mal so. Freude werden es nicht nachtragen. Für den Moment sind sie zufrieden, das bekommen zu haben, was sie gerade brauchen. Wir ungelegen und mürrisch auch immer: Der Freund wird dich nicht im Regen stehen lassen, er wird dich nicht wegschicken, ohne geholfen zu haben. Du würdest es doch genau so tun, für deinen Freund, für deine Freundin. Um einen Gefallen bitten, weil ihr befreundet seid. Einen Gefallen tun, weil ihr befreundet seid. Das kennt ihr alle, ihr habt Freunde, ihr seid Freunde. Ihr seid meine Freunde, sagt Jesus. Und sie erleben es, was es heißt, mit Jesus befreundet zu sein.„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus stoßen.“ Sie haben erlebt, wie gut es ihnen tut, ihn als Freund zu haben. Der für Brot gesorgt hat, als Menschen hungrig waren. Der den Sturm gestillt hat, als sie im Boot auf dem See um ihr Leben gebangt haben. Der Kranke geheilt hat, Traurige getröstet, Schuldige befreit, Verzweifelte aufgerichtet, Tote auferweckt. Weil sie ihn gebeten haben. Bittet, so wird euch gegeben; Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Ich höre das nicht als mathematische Gleichung. Ich höre das als Einladung. Ihr wisst doch, wie unverkrampft und offen Freunde miteinander umgehen. Das tut ihr doch alle selbst. Da kann man auch die verrücktesten Dinge ansprechen. Im schlimmsten Fall lacht man gemeinsam drüber. Aber was mir auf der Seele liegt, kann ich sagen. Nicht, weil ich weiß, ich kriege es, sondern weil er mein Freund ist. Ihr pflegt ein gutes Verhältnis mit Freunden, traut euch vieles zu sagen, zu fragen, zu bitten. Selbst mitten in der Nacht anzurufen, oder an der Tür zu klingeln. Und Jesus sagt: ihr seid meine Freunde. Er wirbt darum, alle Scheu abzulegen. Traut euch, bittet, sucht, klopft an, seid unverschämt. Ich nehme es euch nicht übel. Ihr geht mir nicht auf die Nerven. Niemals. Ich bin euer Freund. Sagt es mir, jedes Mal, wenn ihr Angst habt; wenn ihr traurig seid, wenn verzweifelt seid, wenn ihr euch ärgert. Bittet, so wird euch gegeben; Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. In der Familie macht ihr gute Erfahrungen, von Anfang an. Euer Kind schreit mitten in der Nacht; die Mutter stillt es – im doppelten Sinn; der Vater trägt es auf dem Arm. Ihr bringt eurem Kind, was es braucht, Milch, Brei, später feste Nahrung; was immer es braucht, um wachsen zu können, um gesund zu bleiben. Niemand von euch kommt auf die Idee, sein Kind zu quälen, ihm das vorzuenthalten, was es braucht, ihm wehzutun. Niemand.
Obwohl wir alle so sind, wie wir sind; Obwohl wir einander enttäuschen, obwohl wir an unseren Ansprüchen scheitern, obwohl wir Fehler machen im Umgang miteinander, obwohl wir einander hintergehen und verletzen, obwohl wir Freundschaften und Beziehungen belasten. Obwohl wir ungerecht sind, manchmal launisch oder mürrisch mit unseren Kindern. Wir wollen das Gute für sie und tun, was wir können. Aber es gelingt nicht immer.
Bittet, so wird euch gegeben; Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan.
Es ist unser Vater im Himmel, der gibt, was wir zum Leben brauchen; der sich von uns finden lässt, damit wir wissen, wen wir bitten und wem wir vertrauen; der uns die Tür öffnet, damit unser Leben niemals in einer Sackgasse endet, sondern immer nach vorn offen bleibt, für das Leben; damit niemand sagen, er habe keinen Freund, er sei niemandem wichtig, niemand frage nach ihm, niemand vermisse ihn. Er öffnet uns die Tür der Liebe und der Zukunft. Er schenkt uns seinen Heiligen Geist. Damit wir glauben können, hoffen und lieben. Ihr seid meine Freunde, sagt Jesus. Jetzt und in Ewigkeit. Amen.
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Mit dem Beten geht das so .... – Predigt zu Lukas 11,5-13 von Katharina Wiefel-Jenner
Und es sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten! Und Jesus sprach zu ihnen: Wer unter euch hat einen Freund und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann, und der drinnen würde antworten und sprechen: Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben. Ich sage euch: Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, so viel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater um einen Fisch, und der gibt ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder gibt ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Rogate! Betet!
Mit dem Beten geht das so – sagt Jesus: Betet so wie der Freund, der Gott zum Nachbarn hat.
Beten wir!
Beten wir also so: Verlassen wir uns einfach auf die gute Nachbarschaft zu Gott. Auch mitten in der Nacht, wenn es anklopft und wir nicht weiterschlafen können. Wenn es nicht hilft, die Decke über den Kopf zu ziehen. Wenn es nicht hilft, darauf zu warten, dass es vorbei geht. Wenn es weiter klopft und klopft und uns wach hält. Wenn lange vor Sonnenaufgang die nächtliche Ruhe dahin ist und wir leise vom nächtlichen Lager aufstehen. Hoffentlich mache ich keinen Lärm. Hoffentlich werden die Kinder nicht wach. Hoffentlich bleibt noch ein bisschen Schlaf. Ich muss doch morgen früh raus und habe einen anstrengenden Tag vor mir.
Rogate! Betet! Beten wir also so wie der Freund, der in guter Nachbarschaft mit Gott lebt. Der zögert nicht. Der geht einfach davon aus, dass sich sein Nachbar wie ein echter Freund verhält. Gehen wir einfach davon aus, dass unser Gott wie unser bester Freund handeln wird. Vertrauen wir Gott. Beten wir einfach, mitten in der Nacht, wann immer es nötig ist. Was auch immer uns bedrängt, anklopft, den Schlaf hindert.
So geht das mit dem Beten – sagt Jesus!
Beten wir!
Beten wir auch so wie der Freund, der mitten in der Nacht für seinen Freund zu Gott geht, weil der ihn braucht. Er verlässt sich in der Not einfach auf die gute Nachbarschaft zu Gott.
Beten wir also so für die Freunde, die mitten in der Nacht zu uns kommen. Für die, die erst ankommen, wenn schon alle Türen verschlossen sind. Für die, deren Reise mühsam und voller Hindernisse war. Für die Müden und Erschöpften und für die Hungrigen. Wenn sie am Ende ihrer Kräfte sind und ihr Weg noch weit ist, brauchen sie einen Ort der Ruhe. Beten wir für sie, wie der Freund, dessen Nachbar Gott ist. Bitten wir für sie bei Gott, denn sie vertrauen uns. Klopfen wir bei Gott an, damit wir ihnen Brot geben können. Klagen wir Gott ihr Leid, damit wir sie trösten können. Fragen wir Gott, wie es weitergehen soll, denn sie sind zu müde und erschöpft dazu. Mitten in der Nacht sind sie auf uns angewiesen. Wir haben Gott als Nachbarn. Wir können Gott für sie bitten. Wir können bei Gott für sie Hilfe suchen. Wir können für sie anklopfen. Von wem, wenn nicht von uns, sollen sie es erwarten. Beten wir so wie der Freund. Er verlässt sich einfach darauf, dass Gott wie ein guter Nachbar ist und der auch für die Reisenden da ist. Der ein offenes Herz und Brot hat.
So geht das mit dem Beten – sagt Jesus.
Rogate! Betet!
Und noch eines sagt Jesus: Betet so wie Kinder.
Beten wir also wie die Kinder, die alles von ihren Eltern erwarten, was sie zum Leben brauchen. Alles empfangen sie und alles erwarten sie von den Eltern. Niemand anderes könnte ihnen geben, was sie zum Leben nötig haben. Niemand anderes weiß besser, was ihren Hunger stillt, niemand kann ihnen die Welt besser erklären. Auf sie verlassen sie sich, um zu bekommen, was das Herz erwärmt und was die Tränen trocknet. Alles empfangen sie von ihnen: sogar das Leuchten der Sterne, das Lachen mit Freunden, den Ball zum Spielen und auch das Marmeladenbrot. Sie empfangen es und wenn sie darum bitten, dann wissen die Eltern schon längst, was sie brauchen.
Beten wir wie die Kinder, die sicher sind, dass sie Brot und Fisch bekommen. Beten wir zu Gott so wie Kinder, die wissen, dass ihre Eltern ihnen nie schaden und die absolut sicher sind, dass die Eltern es gut meinen. Beten wir zu Gott so wie die Kinder, die alles von ihren Eltern erwarten und weil sie wissen, dass sie alles für ihre Eltern sind.
Beten wir so. Gott ist uns Vater und Mutter. Von ihm empfangen wir Leben und Liebe, Brot und Wein. Wir sind diese Kinder und wir können alles von Gott erbitten, das Brot und den Wein, sein Wort und den Frieden. So geht das mit dem Beten – sagt Jesus.
Beten wir!
Aber wie geht das wirklich, Jesus!?
Manches Mal sind die Nächte lang. Manches Mal fehlt der Mut, in die Dunkelheit hinauszutreten. Manches Mal ist der Weg mitten in der Nacht weit. Selbst wenn Gott ganz nah ist, sogar näher als der hilfsbereiteste Nachbar und auch näher als die beste Freundin. Manches Mal empfangen wir zwar das nötige Brot, aber für das Herz wäre der ersehnte Ball wichtiger gewesen. Schlimmer noch: Manches Mal können wir den Freund nicht trösten und wissen genauso wenig wie die Reisenden den Weg.
Beten – wie geht das, Jesus? Wenn die Angst bleibt? Wenn die Schmerzen quälen? Wenn die Tränen nicht trocknen? Wenn die Ratlosigkeit wächst?
Jesus? Jesus!
Herr, lehre uns beten! (Lk11,5b)
Mit dem Beten geht das so – sagt Jesus:
Betet wie Jüngerinnen und Jünger. Ihr seid Gottes Kinder, aber ihr seid nicht unmündig. Betet wie Erwachsene. Der Glaube ist kein Ammenmärchen, keine Fabel oder Illusion. Der Glaube ist eine große Kraft und jedes Gebet hat Anteil an dieser Kraft. Sogar dann, wenn es der Glaube schwer hat, steckt in jedem Gebet genügend von dieser Kraft Gottes, die den Glauben wieder stark macht.
Beten wir also wie die Jüngerinnen und Jünger. Wenn der Weg voller Gefahren ist, beten wir um Mut. Wenn die Tränen fließen, bitten wir um Trost. Wenn wir den Hunger sehen, ringen wir mit Gott um einen Plan für die Gerechtigkeit. Wenn wir müde und traurig werden, bitten wir Gott um Zuversicht. Wenn sich die Lüge breit macht, bestehen wir bei Gott darauf, dass die Wahrheit Kraft hat. Wenn der Hass um sich greift, bitten wir um Frieden.
So geht das mit dem Beten – sagt Jesus.
Wenn ihr mich bittet „Herr, lehre uns beten!“ - dann hört meine Worte, teilt mein Brot, nehmt hin meinen heiligen Geist. Und wenn der Abend kommt, bleibe ich bei euch. Wenn der Weg schwer wird, gehe ich mit euch. Wenn alles in der Dunkelheit versinkt, macht mein Heiliger Geist alles neu.
So geht das mit dem Beten – sagt Jesus.
Dann beten wir also so: Komm, Heiliger Geist?
Ja, genau so betet: Komm, Heiliger Geist, mache uns und diese Welt neu?
Amen.
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Der auferstandene Jesus verwandelt Menschen wie je zuvor - Predigt zu Lukas 24,36-45 von Karl Friedrich Ulrichs
Da reden sie und reden. Sie reden wie wir reden, wenn wir etwas nicht verstehen, etwas nicht glauben können, wenn uns etwas verwirrt: Sie reden durcheinander, leidenschaftlich, fragend, zaghaft der eine, fast euphorisch der andere. Dass Jesus auferstanden sei. Und dass das nicht möglich sei. Da reden sie und reden, sie können nicht anders. Schweigen können sie nicht.
Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch!
Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz?
Da reden sie und reden. Und in ihre Worte klingt hinein sein Wort: „Friede sei mit euch!“ Das ist sein Wort: Friede, sein Wort, an dem er zu erkennen ist wie an seiner Stimme. Bevor unsere Ostermontagsgeschichte überhaupt richtig beginnt, ist das Wichtigste schon gesagt: Friede. Und es ist vom Wichtigsten gesagt. Von dem, der mitten unter uns tritt, wenn wir reden von ihm und seiner Auferstehung. Wenn man vom Teufel spricht, kommt er – das stimmt nicht, wahr ist: Wenn man vom Auferstandenen spricht, kommt er. In unsere Worte über den Auferstandenen mischen sich die Worte des Auferstandenen. Und dann ist er unter uns. Lebendig ist er bei uns. Seine Lebendigkeit zeigt sich an seinem Wort. Und sein Wort in seiner Lebendigkeit.
Die Freunde hören wohl, trauen aber ihren Augen nicht. Gehört haben sie Jesus, was sie aber sehen, kann er nicht sein – sondern ein Geist. Der Zweifel des Herzens trübt unsere Augen noch stärker, als er die Ohren trügt. Sie hören Jesu Gruß und seine vertraute Stimme und sehen ihn nicht. Einen Geist sehen sie, wo doch ein wahrer Mensch zu sehen ist. Angst nimmt Geister wahr, wo keine sind. Und dennoch ist es sehr vernünftig, dass sie sich erschrecken und einen Geist zu sehen meinen. Verrückt wäre es anzunehmen, der tote Jesus wäre wieder bei ihnen. Verrückt ist, was uns an Ostern zugemutet wird. Wir wollen das heute nicht ermäßigen und uns zu leicht machen. Denn wenn wir jetzt so reden über Jesus, über sein neues Leben – es könnte ja sein, dass er mitten unter uns tritt.
Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.
Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
Der auferstandene Jesus kommt zu seinen Freunden. Er zeigt ihnen seine Hände. Er zeigt, was er getan hat, was er angefasst hat, wem er seine Hände aufgelegt hat zu Heilung und Segen, der gekrümmten Frau, dem toten Kind, wem er mit seinen Händen Brot und Wein und Gewissheit und Gemeinschaft gegeben hat. Dass das wahr ist, sehen sie an den Wunden seiner Hände.
Der auferstandene Jesus kommt zu seinen Freunden. Er zeigt ihnen seine Füße. Er zeigt ihnen die Wege, die er mit ihnen und sie mit ihm gegangen sind – in die Dörfer und Städte, zu den Menschen am Rande und zum Maulbeerfeigenbaum, auf dem Zachäus saß. Und schließlich der lange Weg zu Fuß nach Jerusalem und die Wege dort nach Gethsemane ins Gebet und dann gefesselt zu denen mit Macht und Hass, am Ende die schweren Schritte nach Golgatha, dabei statt der zwölf Freunde zwei Kriminelle. Dass das wahr ist, sehen sie an den Wunden seiner Füße.
Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen?
Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor.
Und er nahm's und aß vor ihnen.
Seine Hände also und seine Füße mit den Wunden. Die müssen doch weh tun, entsetzlich weh! Hat Jesus denn keine Schmerzen? Und wenn er keine hat – ist es dann Jesus? Diese Fragen stellen sich die Freunde gar nicht – sie freuen sich. Wir können es ihnen nicht verdenken. Sie freuen sich so sehr, so ausschließlich, dass sie nicht glauben. Sie kommen einfach aus dem Staunen nicht heraus. Nicht glauben können vor Freude – Lukas macht es uns nicht leicht mit seiner Geschichte des auferstandenen Jesus. Und das ist auch ganz richtig so – es ist ja auch nicht leicht. Wir kommen aus dem Staunen ja auch nicht heraus. Je länger ich diese Geschichte lese, desto mehr staune ich. Was heißt eigentlich die überaus höfliche Frage „Habt ihr etwas zu essen?“ – Habt ihr zu essen? Seid ihr gut versorgt? Oder heißt diese Frage: Kann ich bitte etwas zu essen bekommen? Ich habe Hunger. Sie verstehen ihn richtig und stillen seinen Hunger. Sie geben ihm etwas, ein Stück gebratenen Fisch. Mit seiner Frage nach Essen macht Jesus seine Freunde zu Menschen, die etwas geben, die sich kümmern statt im eigenen Kummer zu verharren. Am Hunger wird er als leibhaftiger Mensch erkannt. Und indem er „vor ihnen“ isst, macht er sie zu Zeugen seines Lebens. Dass Jesus „vor ihnen“ isst, ist keine Demonstration, sondern ein Dienst. Der auferstandene Jesus verwandelt Menschen wie zuvor. Er lässt uns teilhaben an seiner Auferstehung.
Eine alte Predigt über diese Geschichte habe ich gelesen, einen Satz nur, der in diese Geschichte hineingemogelt wurde. In einigen mittelalterlichen Handschriften wird Jesu Essen vor seinen Freunden weitergeschrieben: „… und die Reste gab ihnen.“ Übrigens haben – für die Feinschmecker unter uns – gerade diese Handschriften den Fisch noch mit Honig verfeinert. Es kann jedenfalls gar nicht anders gewesen sein: Der auferstandene Jesus schafft Gemeinschaft beim Essen wie zuvor. Er gibt, was er selbst empfängt. Und ich glaube wie die mittelalterlichen Mönche, die diesen Gedanken hineingeschrieben haben, Jesus will, dass auch wir Gemeinschaft haben beim Essen, im Kloster, in der Familie, in der Gemeinde, mit den Gästen, die in unsere Stadt kommen, wegen Luther die einen, wegen Gewalt und Armut die anderen.
Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose und in den Propheten und Psalmen.
Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden.
Der auferstandene Jesus verwandelt Menschen wie zuvor. Aus Menschen, die durcheinander reden, werden Menschen, die zuhören. Vom gegenwärtigen Jesus lassen sie sich erinnern an seine Worte. Und die, die gerade noch redeten und redeten, die eben noch verschlossen waren im Reden und Zweifeln und in zweifelhafter Freude, sie werden offen für die Unglaublichkeiten der Heiligen Schrift – Sie wissen schon: das mit Abraham und dem Glauben, das mit Mose und der Freiheit und wie Beter um Gottes Ohr ringen und Propheten um seinen Mund und das mit Jesus, dem Heiland. Der auferstandene Jesus verwandelt Menschen wie zuvor. Wenn wir die Schrift verstehen, dann nur, weil der auferstandene Jesus uns das Verständnis dafür geöffnet hat. Oder andersherum und weiter gedacht: Wenn wir die Schrift verstehen, erweist sich Jesus als der, der lebt. Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch!
Amen.
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Immer noch Ostern – Predigt zu Lukas 24,36-45 von Hans-Hermann Jantzen
Liebe Gemeinde,
die Botschaft ist raus: „Christ ist erstanden!“ Am Ostermontag ist diese Nachricht eine Nachricht von gestern. Am Tag danach: Katerstimmung? Predigtkater?[1]
Aber noch ist Ostern. Ostern ist noch lange nicht vorbei. Ostern geschieht immer wieder und immer dort, wo Menschen sich für den Auferstandenen öffnen. Wo wir uns Herz, Sinn und Verstand öffnen lassen für das, was Gott mit uns und mit der Welt vorhat.
Darum feiern wir auch am Tag danach noch Ostern. Der Gottesdienst am Ostermon-tag ist mehr als ein Nachgesang. Wir singen fröhliche Danklieder, weil wir in der Gewissheit leben: Die Sache Jesu geht weiter.
Ich lade Sie zu einem kleinen Osterspaziergang ein. Wir begleiten die beiden Jünger von Jerusalem nach Emmaus und zurück. Wir haben die Geschichte eben als Evangeliumslesung gehört. Behutsam hat der fremde Weggefährte sie aus ihrer Trauer und Verzweiflung herausgeholt. Zuerst erkennen sie ihn nicht, aber dann, als er das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf. Was macht’s, dass er so unvermittelt, wie er sich zu ihnen gesellt hat, auch wieder verschwindet. Noch am späten Abend eilen sie zurück nach Jerusalem. „Brannte nicht unser Herz…?“ (Lk 24,32) Und sie bringen ihren verängstigten Freunden die gute Nachricht: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ (Lk 24,34)
Das brennende Herz fragt nicht. Es singt und jubelt. Die Fragen kommen später. Und die Zweifel. Der Verstand schaltet sich ein. Kann so etwas überhaupt seien – Auferstehung? Ist da wirklich etwas dran? Oder ist alles nur Einbildung? Wunschdenken überhitzter Gemüter?
Solche Fragen haben schon die erste Gemeinde in Jerusalem umgetrieben. Lukas versucht, Antworten zu geben - in den Bildern seiner Zeit. Der Predigtabschnitt für heute folgt unmittelbar auf die Emmausgeschichte. Nun allerdings nicht mehr zart-poetisch, sondern ganz massiv. Hören Sie aus dem Lukasevangelium im 24. Kapitel.
Als sie aber davon redeten, trat er selbst mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen seine Hände und Füße. Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose und in den Propheten und Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, dass sie die Schrift verstanden. (Lk 24,36-45)
Ich werde jetzt nicht in die Falle tappen, die evangelikale Fundamentalisten gern aufstellen: Da seht ihr es, Auferstehung des Fleisches! Keine Erscheinung, kein frommes geistliches Erleben, keine Vision… Ganz real. Leiblich. Zum Anfassen. „Und die Bibel hat doch Recht.“
Ich bin überzeugt: damit würden wir dem Text Gewalt antun. Und wir würden vermutlich genau so in die Bredouille kommen wie jener Ordensgeneral der Jesuiten, zu dem eines Tages ein Archäologe kommt. In großer Aufregung erstattet er ihm Bericht über seine Ausgrabungen in Jerusalem: „Ich habe das Grab Jesu gefunden!“ „Das ist ja wunderbar“, sagt der General. „Ja, ja“, entgegnet der Archäologe bedrückt, „aber das Grab war nicht leer. Das Skelett Jesu lag darin.“ „Wie?“ ruft der Ordensgeneral erstaunt, „dann hat er also wirklich gelebt?“
Die Frage, ob die Auferstehung Jesu wörtlich, also physisch-körperlich zu verstehen ist, ist keine moderne Frage. Sie gehört schon ins erste Jahrhundert. Schon die erste Gemeinde hat damit gerungen. Kritiker und Spötter von außen setzten der Gemeinde zu: Was ist denn nun mit eurem Auferstandenen? Jesus war doch gar kein echter Mensch. Er hatte nur einen Scheinleib. Seine ganze Botschaft hat weder Hand noch Fuß.
Schweres Geschütz. Lukas hält dagegen. „Fasst mich an! Ein Geist hat kein Fleisch und keine Knochen!“ lässt er den Auferstandenen sagen. Drastischer geht es kaum. Und der Gipfel der Sehnsucht nach handfesten Beweisen: Jesus bittet um etwas zu essen und verspeist vor den Augen der Jünger einen Fisch. Keine Ostergeschichte der Bibel geht so weit.
Schauen wir noch einmal in den Text. Jesus tritt mitten unter die Jünger mit dem Friedensgruß: „Friede sei mit euch!“ Die Ähnlichkeit zur Geschichte vom ungläubigen Thomas (Joh 20,24ff.) ist augenfällig. Seit urchristlichen Zeiten ist dieser Gruß ein Zeichen für die Gegenwart des Auferstandenen. Erstaunlich, dass die Jünger trotzdem in Panik geraten. Sie denken: „Das kann nur ein Geist sein.“ Eine alte Handschrift spricht von einem Gespenst (griechisch: phantasma). Das trifft die Sache gut.
Der Auferstandene – nur ein Hirngespinst seiner Anhänger? Diesem spöttischen Vorwurf will Lukas den Wind aus den Segeln nehmen. Nein, der Auferstandene ist kein Hirngespinst. Seine Gegenwart ist real! Man kann sie erfahren. Man kann sie spüren. Im Hören auf sein Wort. Im gemeinsamen Singen und Beten. Man kann sie anfassen und schmecken. In der Mahlgemeinschaft. Die Botschaft des Jesus von Nazareth hat Hand und Fuß. Und sie wirkt über seinen Tod hinaus weiter.
Und der Fisch? Auch er taugt nicht als „physischer Beweis“ für die Realität des Auferstandenen. Seit es christliche Gemeinden gibt, ist der Fisch ein Erkennungszeichen der Christen. Die griechischen Anfangsbuchstaben von „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter oder Heiland“ ergeben das griechische Wort ICHTHYS, und das heißt auf Deutsch: Fisch. Der Fisch ist zum Zeichen der Tischgemeinschaft geworden. Bis heute. Wo immer sich Menschen in Jesu Namen versammeln und miteinander essen, ist der Auferstandene mitten unter ihnen gegenwärtig.
„Seht meine Hände und meine Füße. Fasst mich an…“ Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit Ihrem Osterglauben geht. Ich habe mich oft damit herumgeschlagen, wie diese massiven Sätze zu verstehen sind. Ich habe gelernt: Es tut meiner Osterfreude keinen Abbruch, wenn ich sie als metaphorische Rede, als Bildersprache deute. Statt mich daran wundzureiben, wie das nun genau passiert ist mit der Auferstehung, bin ich frei geworden, nach der Gegenwart des Auferstandenen in meinem Leben und in der Welt zu suchen. Und ich finde sie vielfach.
Ich erlebe sie da, wo ich mit unserem schwer behinderten Enkel lachen und spielen kann. Wenn er mich anstrahlt, wenn er mir mühsam die Buchstaben vorspricht, die er neu in der Schule gelernt hat. Dann wird mein Herz, das mir oft schwer war und mit Gott gehadert hat, leicht und froh.
Ich erlebe die Gegenwart des Auferstandenen, wo Schwestern und Pfleger, Krankenhausseelsorger oder Mitarbeiterinnen des Hospizbesuchsdienstes liebevoll und respektvoll mit schwerkranken und sterbenden Menschen umgehen. Wir haben das im letzten Sommer selber dankbar erlebt, als meine Schwiegermutter bei uns zu Hause sterben durfte.
Ich erlebe die Gegenwart des Auferstandenen, wo Menschen dagegen aufstehen, wenn andere wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion ausgegrenzt und verächtlich gemacht werden. Es ist für mich Ausdruck der Osterhoffnung, dass nach wie vor so viele Menschen beruflich oder ehrenamtlich den Geflüchteten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie stehen für eine offene Gesellschaft, getragen von Vertrauen, Toleranz und Dialog.
In einem neuen Osterlied hört sich das so an:
Manchmal feiern wir mitten im Tag
ein Fest der Auferstehung.
Stunden werden eingeschmolzen, und ein Glück ist da.
Manchmal feiern wir mitten im Wort
ein Fest der Auferstehung.
Sätze werden aufgebrochen, und ein Lied ist da.
Manchmal feiern wir mitten im Streit
ein Fest der Auferstehung.
Waffen werden umgeschmiedet, und ein Friede ist da.
Manchmal feiern wir mitten im Tun
ein Fest der Auferstehung.
Sperren werden übersprungen, und ein Geist ist da.
(Text: Alois Albrecht)
„Seht meine Hände und meine Füße…“ Ich begreife: Der Auferstandene bleibt der Gekreuzigte. Weil es Gott ernst ist, auch in meiner Angst, in meiner Schuld, in meiner Gottverlassenheit, an meiner Seite zu bleiben.
Aber der Gekreuzigte ist eben auch der Auferstandene! Der Tod behält nicht das letzte Wort. Gott sagt „ja und amen“ zu dem Weg Jesu ans Kreuz und erklärt ihn zum Weg ins Leben. Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind stärker als Hass, Gewalt und Tod. Das Böse kann nur mit Gutem überwunden werden.
Die Osterbotschaft „Der Herr ist auferstanden!“ – eine Nachricht von gestern? Ganz und gar nicht. Sie wirkt weiter. Sie berührt und verändert unser reales Leben. Sie ist existentiell, lebensentscheidend. Weil sie die Hoffnung beflügelt. Die Hoffnung auf Leben – mitten in einer todesvesessenen Welt.
Ich bin froh, dass heute immer noch Ostern ist und morgen und die kommenden Tage auch. Wo wir unser Herz sprechen lassen, da blüht das Leben auf. Auch da, wo wir auf den ersten Blick nur Tod und Verfall sehen.
„Ostern ist die härteste Währung der Hoffnung.“ hat Berthold Brecht einmal gesagt. Er hatte verstanden: Wenn wir nichts über den Augenschein hinaus hoffen, dann können wir gleich einpacken. An dieser Hoffnung möchte ich festhalten und mich von ihr beflügeln lassen.
Amen.
[1] Diesen Predigteinstieg verdanke ich Jutta Noetzel, Göttinger Predigtmeditationen 71, S.221.
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„Hilf dir selbst?“ – Predigt zu Lukas 23,33-49 von Tom Mindemann
Lk 23,33-49
Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da antwortete der andere, wies ihn zurecht und sprach: Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.
Jesus – eine Trauerrede
Liebe Gemeinde,
an diesem Freitag ist Jesus von Nazareth im Alter von etwa 30 Jahren durch den Tod aus unserer Mitte genommen worden.
Mit ihm verloren wir einen Bruder und Freund, einen Lehrer, ein Idol. An ihm konnte man ablesen, wie es ginge: Mensch zu sein und Ebenbild Gottes.
Schon immer im Leben hat sich Jesus zuallererst für die anderen und ihr Heil interessiert und engagiert. Der Ehrentitel „Heiland, Christus“ ist ihm gewissermaßen schon in die Wiege gelegt worden.
Gerne erinnern wir uns alle Jahre wieder an die wundersamen Umstände seiner Geburt. Damals waren es Hirten, die als erstes davon erfuhren. „Dieses Kind muss jemand ganz Besonderes sein.“
Schon früh fühlte er sich in besonderer Weise Gott verbunden, den er liebevoll „Vater“ nannte.
Seine Jugend verbrachte Jesus größtenteils in Nazareth, bevor er in Kapernaum und verschiedenen anderen Städten Galiläas lebte und wirkte. Zuletzt hatte er eine Reise durch Samarien bis nach Jerusalem unternommen. Inzwischen durch seine Reden und seine Heilungen zu einer Berühmtheit geworden, bereitete man ihm in Jerusalem einen großartigen Empfang. Schaulustige säumten die Straßen und begrüßten ihn, winkend mit Palmwedeln, und rufend: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herren!“
Unvergessen bleibt sein Gebet, in dem er Gott für uns alle als „Unser Vater“ anspricht.
Unvergessen auch seine Worte über Brot und Wein als „Mein Leib, mein Blut“, die bis heute mit seiner Nähe verbunden sind und über die sich bis heute dennoch die Geister scheiden.
Wer außer Jesus selbst hätte vorhersehen können, dass sich das Schicksal so schnell wenden würde?
Wer außer Jesus selbst hätte, hätte das Schicksal wenden können, dass doch so vorhersehbar war?
Zuletzt ging alles ganz schnell. Jesus brachte mit einer fragwürdigen Aktion im Tempel die Oberen in Politik und Religion gegen sich auf. Er wurde in einer nächtlichen Polizeiaktion verhaftet. Und in dem kurzen Prozess, den man ihm machte, schwand sein Rückhalt im Volk so schnell, wie er vorher groß gewesen ist.
Jesus wurde hingerichtet als Verbrecher unter Verbrechern. Die letzten Stunden müssen ein Martyrium gewesen sein. Die bei ihm waren, zumindest aus der Ferne, berichten von Hohn und Spott und körperlichen Qualen.
Nichts Tröstendes gibt es da noch über ihn zu sagen.
Es starb nicht schnell, nicht schmerzlos. Er ist nicht „eingeschlafen“, wie man sagt. Nicht in den Armen seiner Mutter. Nicht zu Hause. Nicht alt und lebenssatt. Nicht in Frieden.
Tröstend aber, was er sagte: Noch am Kreuz hat er für seine Peiniger gebetet, dass Gott ihnen vergeben möge.
Auch angesichts des Todes hat er einem seiner Mitverurteilten den Blick auf das Paradies geöffnet.
Gegen fünfzehn Uhr ist Jesus verstorben, mit den Worten aus dem alten Abendgebet von Psalm 31, Vers sechs auf den Lippen: Ich befehle meinen Geist in deine Hände.
Er wird uns immer in Erinnerung bleiben, mehr noch als mit den Worten des Hauptmanns auf Golgatha: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen.(Lk 23,47)
Hilf dir selbst!
Trauerreden greifen zu kurz, wenn sie nur von Trauer reden, wenn ihnen die Perspektive fehlt.
Was bleibt vom Leben, wenn Sterben als Scheitern gilt und der Tod als Ende?
Dann bleibt nur:
Hilf dir selbst.
Steig herab vom Kreuz.
Steh auf vom Boden.
Nimm dein Leben in die Hand.
Sei deines Glückes Schmied.
Zeig Fleiß in der Schule und Opferbereitschaft bei der Arbeitssuche.
Quäl dich beim Sport für deine Gesundheit und dein Wohlbefinden.
Manage deine Zeit, um alle Erwartungen erfüllen zu können in Beruf und Familie.
Und mach eine gute Figur dabei.
Übe dich in Gelassenheit, wenn doch einmal die Kräfte schwinden.
Trag es mit Fassung und Würde, und fall dabei keinem zur Last.
Hilf dir selbst!
Das ist das Credo der Starken.
Das ist der Spott von oben, gegenüber denen die nicht stark sind.
Dreimal haben sie Jesus so verspottet, der am Kreuz hing, und dem nicht mehr zu helfen war.
Hilf dir selbst!
Das ist aber vielleicht auch der verzweifelte Ruf derer, die auf Wunder bauen, weil sie glauben, dann richtig glauben zu können.
Vielleicht hätte Judas gerne so gerufen, damit Jesus im Garten Gethsemane den Soldaten endlich zeigen würde, wer hier der Herr ist.
Vielleicht hätte Petrus so gerufen, wenn er sich getraut hätte, als der Hahn krähte.
Vielleicht formten auch die Bekannten Jesu und die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren bis Golgatha, lautlos mit ihren Lippen: „Hilf dir selbst“, in der Hoffnung, dass sie keiner bemerkte.
Was wäre wenn?
Angenommen, Jesus hätte sich selbst gerettet.
Angenommen, er hätte die Fesseln zerrissen – bei Lukas steht nichts von Nägeln.
Angenommen, er wäre vom Kreuz gestiegen.
Nicht in Finsternis, sondern mit Blitz und Donner beispielsweise, und großem Ungewitter.
Und er hätte sie besiegt, die ihm ans Leben wollten oder auch einfach nur ratlos und hilflos und heillos zurückgelassen.
Was wäre denn dann? Was wäre denn dann gewonnen?
Dann würde doch, wer an ihn glaubt, glauben, er könne sich selbst retten, wenn er nur fest genug glaubte, wenn er nur fest genug an den Fesseln zerrte, wenn er nur fest genug am Kreuz rüttelte.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Mt 16,26)
Wenn Jesus vom Kreuz gestiegen wäre, dann hätte er uns mit dem Kreuz zurückgelassen.
Hilf dir selbst?
Jesus – mit
Der Engel sprach: Fürchtet euch nicht! Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. (Lk 2,10)
Den Heiland, Christus, den Herrn in der Stadt Davids.
Und er machte in die Windeln.
Johannes taufte mit Wasser. Aber der nach ihm kam, war stärker als er und er schien es nicht wert, IHM die Schuhe zu tragen. ER würde mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Und doch sagte er zu Johannes: „Lass es jetzt geschehen“.
Jesus sagte: Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Nehmt hin und esst. Und er tauchte selber seinen Bissen mit ihnen in die Schüssel.
Er hing am Kreuz und starb seit Stunden und betete die alten Worte: Ich befehle meinen Geist in deine Hände. (Lk 23,46)
Gestorben für
Hilf dir selbst?
Die Oberen und die anderen Spötter begriffen nicht: Für Jesus ging es nicht darum, sich selbst zu retten.
Auch für alle anderen war es schwer, das zu sehen, das anzusehen, das einzusehen.
Und doch: Ist es für die Soldaten nicht sogar ein Geschenk des Himmels gewesen, gerade den Richtigen, weil den Falschen, hingerichtet zu haben? Wer sonst hätte für sie gebetet? Vergib Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)
Kann nicht auch der Tod den Blick auf das Leben eröffnen? Und Gott im Sterben erkennbar werden?
Der römische Hauptmann pries Gott. Er erkannte Gottes Willen in Jesu Worten und Taten, in seinem Handeln und seiner Haltung, in seinem Leben und Sterben: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! (Lk 23,47)
Kann nicht sogar ein „zu Spät“ für Gott zur richtigen Zeit kommen?
Die, die riefen: „Kreuzige, kreuzige ihn!“, kamen mit, um das Spektakel zu sehen. Und sie wurden gewahr, was geschah und verstummten, als andere spotteten. Sie schlugen sich an ihre Brust, als er starb. Gott, sei uns
ündern gnädig.
Jesu Tod hat ihnen den Weg zur Umkehr frei gemacht.
Gestorben und…
Jesus ist gestorben.
Niemand kann sich selber retten.
Jeder Mensch – jede Frau und jeder Mann und auch ich –ist auf Hilfe und Rettung und Heil angewiesen. Das ist die Botschaft von Karfreitag.
Niemand muss sich selber retten.
Jeder Mensch – jede Frau und jeder Mann – und auch ich.
Denn es kommt Hilfe und Rettung und Heil. Das ist die Botschaft Übermorgen.
Und so greifen Trauerreden vielleicht doch nicht zu kurz.
Erzählungen von Trost im Leben und im Sterben.
Erzählungen, die Tod und Auferstehung nicht in einem Atemzug nennen. Weil nun mal die Welt den Atem anhält, wenn einer stirbt.
Erzählungen die aber den Blick wagen, durch Risse im Vorhang, durch Wolkendecken und ins Paradies.
Die offen bleiben dafür, dass der Himmel sich öffnet und eine Stimme spricht.
So sehr hat Gott die Welt geliebt.
Gott rettet uns nicht vorbei an Leben und Tod.
Er liebt uns. Und weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur kann uns scheiden. (Röm 8,38f)
Das ist unser Trost.
Amen.
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Karfreitag für uns heute - Predigt zu Lukas 23,33-49 von Werner Grimm
Liebe Gemeinde,
vor einigen Jahren erlag ich einer seltsamen Täuschung und es ist noch nicht vergessen. Mein Blick fiel auf eines der großen Werbeplakate. Die Augen sahen zuerst nur undeutlich. Ich meinte die Linien eines bleistiftgezeichneten großen Herzes zu erkennen und darüber steht: „Ich pflege dich.“ Das berührte mich sehr. Wie schön, fand ich, und dachte an den einen oder anderen gebrechlichen Menschen in großen Nöten des Leibes und der Seele, auch an mein eigenes Alter und was kommen könnte. Es geschehen noch Zeichen und Wunder, da verspricht mir jemand: Ich will gut zu dir sein, liebevoll und respektvoll mit deinem Körper umgehen, wenn Du auf beständige Hilfe angewiesen und wenn du für die Gesellschaft nur noch ein Kostenfaktor bist. Es ist also doch nicht alles hart, gnadenlos und schlecht auf dieser Welt. Wie ich nun aber dem Plakat näher trete, sehe ich plötzlich Klartext: Die Linien des Herzes beschreiben in Wirklichkeit eine Flugroute, und das Versprechen heißt: „Ich fliege dich!“ – für 29 Euro nach Mallorca. Also doch wieder nur auf die Fun-Urlauber gezielt. Ich knurre. Am nächsten Tag erzählt mir doch zufällig ein Fahrgast in der U-Bahn, als wir am besagten Plakat vorbeifahren, also er habe von weitem und im ersten Augenblick gelesen: „Ich kriege dich!“ und er habe sich schon überlegt, wer ihm denn nun schon wieder den neuesten Schrei eines Handys andrehen und das Geld aus der Tasche ziehen will.
Ich pflege dich. Ich fliege dich. Ich kriege dich. Eben diese Welt, in der solche Versprechen höchste Aufmerksamkeit bekommen, weil sie typisch menschliche Sehnsüchte und Ängste ansprechen (um sie oft genug auszubeuten) – eben diese Welt hat Jesus ans Kreuz gebracht. Aber genau in diesem Tod des einen Liebenden gründet eine Hoffnung, die unzählig viele Menschen betrifft: Dass es bei dieser Welt von Sünde und Tod nicht bleiben werde, so lautet die Botschaft der Apostel Jesu Christi. Sie zu bedenken, dafür ist der Karfreitag ein gesetzlich geschützter Feiertag.
Er war einmal der Höchste im Leben der Evangelischen – mit Fasten in allen Häusern, mit einer Funkstille im Radio um 15 Uhr, mit einem erschütterten Bewusstsein schwarzgekleideter Kirchgänger: „Nun, Herr, was du geduldet, ist alles meine Last“. Die meisten Theologen bringen solches nur noch verschämt über die Lippen und viele Leute sagen: Das brauch ich nicht. Für mich hätte er nicht sterben müssen. Ich hätte es mir verbeten.
Karfreitag – was bedeutet er uns? Wir hören heute auf den Evangelisten Lukas. Wie hat er vom Sterben Jesu erzählt?
Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land[1] bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles. (Lk 23,33-49)
Der eine von den beiden, die mit am Kreuz hängen, schmerzgepeinigt, den Tod vor Augen, – der ein wird zynisch – das einzige, womit er sich ein bisschen Luft verschaffen kann, seine in Anführungszeichen ‚Bewältigungsstrategie‘. Noch einmal zu verletzen, noch einmal über einen Menschen Hohn und Spott zu gießen: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! (Lk 23,39) Der letzte Rest von Überlegenheit, den er genießt, der letzte Triumph!
Und der andere neben Jesus? Da ist kein Zynismus. Auch jetzt noch, mitten im grauenvollen Scheitern aller Lebenspläne, ist er ernsthaft bemüht, dies und das vor Gott noch in Ordnung zu bringen – mit seiner immer noch intakten Liebesfähigkeit will er den anderen vor einem fluchenden und trostlosen Sterben bewahren. Er gehört nicht zu den Skrupellosen, nicht zu denen, denen nichts mehr heilig ist. Er ist sich seiner Schuld wohl bewusst. Vielleicht sogar, dass seine Schuldgefühle größer sind als seine objektive Schuld. Wahrscheinlich hatte er das Beste gewollt, als er sich den jüdischen Freiheitskämpfern anschloss. Als er die Schuldscheine der verarmten Landsleute zerreißen half und die Römer, die unrechtmäßigen Herren und Besatzer, „hinausdolchen“ wollte. Vielleicht war er zu naiv, falls er gemeint haben sollte, man könne als Untergrundkämpfer für die gerechte Sache im Gewissen unverletzt bleiben. Jetzt hängt er direkt neben Jesus und es zeigt sich noch einmal, dass er im Grunde ein Beziehungsmensch ist, ein Liebe-Suchender. Dass er den Gedanken einfach nicht aushalten kann, im Sterben dem Vergessen anheimzufallen, nichts weiter als – heute würden wir sagen – eine gelöschte Datei im PC der Weltgeschichte zu sein. Und er klammert sich mit einer wahnwitzigen Hoffnung an den, der da neben ihm hängt und dessen Geheimnis er zu spüren scheint: „Jesus, denk doch an mich, gedenke meiner, wenn du in dein Reich, zu deiner Königsherrschaft kommst.“[2] (Lk 23,42)
Die unter dem Druck der Schmerzen gewiss spontan-unbewusste Wortwahl des Sterbenden lässt in seine Vorstellungswelt tief blicken: Auch die Welt jenseits des Todes stellt er sich als eine monarchisch regierte Welt vor, mit einer hierarchischen Rangordnung. Auch da bräuchte es wohl gute Beziehungen. Auch da würde für den Einzelnen vieles davon abhängen, ob er, etwa bei einem Machtwechsel, auf der richtigen Seite steht. Könnte es in einem Königreich Jesu ganz unten in einem hinteren Winkel vielleicht auch für ihn, den Verbrecher, noch ein Plätzchen geben? Jesus antwortet auf die Bitte nicht mit einem einfachen „Ja“, sondern mit einem „Ja, aber“: Nicht in eine neuerliche von Herrschaft, Rangordnung und Ellbogenkämpfe geprägte Welt, nicht in ein ‚Reich‘ werden wir sterben. Selbst dem Tode nahe, mit dem „Blick nach drüben“[3] schon, korrigiert Jesus das Bild: Der da neben ihm und mit ihm am Kreuz stirbt, soll an einen Garten denken, in dem es keine Kämpfe und keine Herren und keine Untertanen geben wird. Sondern die Früchte des ewigen Lebens sind für alle gleich und in Fülle da, so wie es Gottes Plan für Adam und Eva immer schon war. Und dann wird ein Mensch ganz bei dem anderen sein. Also: „Wahrlich, ich sage dir, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“
Paul Gerhardt hat an den Schluss seines Liedes „O Haupt voll Blut und Wunden“ eine Liedstrophe gestellt, die man auch im Sinne des von Lukas geschilderten Bildwechsels mitsprechen und mitsingen kann: „Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod/, und lass mich sehn dein Bilde / in deiner Kreuzesnot. / Da will ich nach dir blicken …“ (eg 85,10)
Das Bild, das Jesus zuletzt eröffnet, ist nicht mehr das eines Königsthrons Gottes, sondern ein Garten. Ein Bild mit „Leitstern“-Charakter: Heute schon, schon auf dem irdischen Weg, lassen die wahren Jüngerinnen und Jünger Jesu mehr und mehr ab vom „Ich über dir“ und bewegen sich auf ein „Du mit mir“ zu. Spürbar fließt es in ihre „Beweg-Gründe“ ein. Denn sie sehen Jesu Bild in seiner Todesnot und es beginnt, sie zu verwandeln.
Liebe Gemeinde, das Geheimnis von Golgatha endgültig im Griff – das haben wir auch mit der Karfreitagserzählung des Lukas nicht. Kein Theologe wird es je umfassend darlegen können. Es bleibt da immer ein Rest. Einem Geheimnis kann man sich immer wieder nur ehrfürchtig annähern, kann bestenfalls Zeugnis davon ablegen, wie es für einen selbst Bedeutung erlangte.
Darum müsste jetzt jede und jeder für sich selbst in sich gehen, in der Tiefe des Gedächtnisses suchen nach der ureigenen Karfreitagserfahrung. Es hieße, sich zu erinnern an jene erschütterndsten Stunden unseres Lebens, in denen Jesus am Kreuz uns der Allernächste war. Sich zurück- und hineinzuversetzen in eine solche Stunde und die Worte des sterbenden Jesus noch einmal wie das erste Mal zu hören, als sie uns buchstäblich unter die Haut gingen.
Die Wahrheit des Karfreitags, dass es von Gott her so und nicht anders geschehen musste – logisch aufweisen wird das nie jemand können, so sehr wir immer wieder diese Wahrheit suchen. Deshalb berühre ich das Golgatha-Geheimnis nur, wenn ich es abschließend zu den eingangs gehörten Sätzen aus unserer Welt in Beziehung setze.
Ich pflege dich. Ja, liebevolle Pflege des hinfälligen Leibes gehört zu den Grundzügen gelebten Christentums, seitdem Jesus sich mit den Kranken, Verletzten, Versehrten identifiziert hat und seitdem er selbst auf Golgatha die Not letzter Blöße erlitten hat.
Ich kriege dich. Nein. Kein Mensch hat ein Verfügungsrecht über einen anderen Menschen. Und nicht einmal in einer glückenden Liebespartnerschaft, mag es wirkliche Nähe dort geben, kann ein Mensch je ganz des anderen sein. Und selbst in der Gewalt der Gewalttäter kommt für den Gefolterten der „dritte Tag“. Denn ein Mensch ist Gottes, seines Schöpfers. Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. (Lk 23,46)
Ich fliege dich. Jein. Ja, aber anders. Denn: Was ist der Tod? Die Väter und Mütter unseres Glaubens umschrieben das Geheimnis mit einem „Engele flieg“: Die Engel tragen dich in Abrahams Schoß. Oder in einem anderen Bild: Wenn du an deinem Todestag im ganz anderen, unendlich fernen Land aussteigen wirst, dann wird Jesus da sein. Du bei ihm, am selben Tag, im Paradies. Amen.
[1] Eine fatale Fehlübersetzung Luthers! Griechisches gä ( = hebräisches ärätz) meint hier nicht das Land (Israel), sondern zweifellos, entsprechend der prophetischen Tradition vom Tag des HERRN und Weltgericht bei Joel und Amos, die Erde, die mit dem Himmel zusammen den Kosmos / das Universum bildet. Am Kreuz Jesu findet das Weltgericht statt, nicht ein Zorngericht über die Juden!
[2] So ähnlich hatten schon einmal zwei ihren Meister gefragt: Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus: „Meister, wir wollen, daß du für uns tust, um was wir dich bitten werden.Gib uns, daß wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner königlichen Herrlichkeit.“ Und Jesus hatte diesen aus Machtphantasien geborenen Wunsch energisch zurückgewiesen. Er komme aus einem hierarchischen Denken, wie es in der Welt die Gewalt der Herrschenden gegen ihre Untertanen befeuere. Dagegen verstehe sich der Jünger Jesu als „Diakon“ seines Mitmenschen! (Mk 10,38ff)
[3] Titel eines Büchleins von Eckhart Wiesenhütter (1976), der m.W. als erster sein sog. „Sterbeerlebnis“ gleichermaßen nüchtern wie berührend geschildert hat.
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Das Kreuz als Zeichen von Gottes Liebe - Predigt zu Lukas 23,33-49 von Jasper Burmester
Liebe Gemeinde,
der Evangelist Lukas beschreibt das Sterben Jesu am Kreuz: Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie an die Stätte kamen, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Linken und einen zur Rechten. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat anderen geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die mit ihm am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du der Christus? Hilf dir selber und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, da du doch in der gleichen Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen, dieser da aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! Und als alles Volk, was dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen alles.
Liebe Gemeinde,
es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz. Aber es ist überhaupt nichts Neues, dieses Kreuz mit dem Kreuz. Das war von Anbeginn eine schwer verdauliche Provokation, dass die Christen ausgerechnet ein Kreuz, ein Hinrichtungsinstrument, ein Todessymbol, zu ihrem Zeichen gewählt haben. Gerade die Erniedrigung, die mit diesem Sterben verbundene, macht es uns so schwer, darin eine göttliche Offenbarung zu sehen. Der Spott der Oberen bei der Hinrichtung und auch die verzweifelte Provokation des mitgekreuzigten Verbrechers „Bist du der Christus? Hilf dir selber und uns!“ (Lk 23,39) entstammen diesem Zweifel: Wie kann es sein, dass der Allmächtige so ohnmächtig ist?
Schon der Apostel Paulus hatte in Korinth größte Mühe, das Kreuz als Zeichen der Christen zu verdeutlichen und nannte es ein Zeichen, dass den gläubigen Juden ein Ärgernis sei und den philosophisch geschulten Griechen eine unnütze Torheit.
Wofür aber steht das Kreuz? Es ist ein Zeichen der Solidarität Gottes mit den Leidenden dieser Welt, zu jeder Zeit, an jedem Ort. Für die leidenden Kinder, Frauen, Männer, Alten wie Jungen in Syrien und Mali und in den Favelas von Rio, auf den Müllhalden von Manila und im Dschungel bei den kongolesischen Kindersoldaten, in der U-Bahn von St. Petersburg, unter Hamburgs Brücken und auch in Volksdorfer Häusern erleidet Gott selbst das, was Menschen Menschen antun, worunter Menschen in ihrer Sterblichkeit leiden.
Und überall, wo wir ein Kreuz erblicken, erinnert uns dieses Zeichen daran, dass Menschen heute, in diesem Augenblick, das einander antun, das erleiden, was Gott in Christus auf Golgatha erlitten hat. Was ihr einem meiner geringsten Geschwister getan habt, das habt ihr an mir getan, und was ihr dort unterlassen habt, das habt ihr an mir unterlassen. (Mt 25,40) Die Solidarität Jesu mit denen, die in dieser Welt an dieser Welt und vor allem aneinander leiden, hat ihre größte Dichte im Kreuz. Und darin ruft er eben auch uns zur Solidarität mit denen im Leid. Wir können nicht mehr einfach wegschauen, wenn wir das Kreuz als unser Zeichen wählen. Ich sehe wohl die Gefahr des Abstumpfens angesichts so vieler durch die Medien frei Haus gelieferter Schreckensbilder - und doch hoffe ich auf die leidensüberwindende Kraft einer Liebe, die ihre Motivation und Kraft aus der Solidarität Gottes mit den Leidenden schöpft.
Denn das Kreuz ist auch Zeichen eines liebenden Lebens. Jesu Leben bestand darin, im Namen Gottes Menschen ihre Freiheit und Würde wiederzugeben: Den seelisch und auch körperlich Kranken die Gesundheit, den Schuldigen und Beladenen Vergebung, den Ausgesonderten und Ungeliebten Gemeinschaft. Jesus feierte mit den Armen - den in jeder Hinsicht Bedürftigen - seines Volkes die Gegenwart Gottes: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann, man wird nicht sagen: Hier ist es, oder: dort ist es, denn das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lk 17,21) Das predigte er und das lebte er mit denen, die wenig genug hatten, um für die Botschaft offen zu sein. Dabei provozierte er unvermeidlich die Inhaber der politischen Macht und die Besitzer der religiösen Wahrheit. Dieser Auseinandersetzung wich Jesus an keiner Stelle aus, er vertrat die grenzenlose Liebe Gottes auch seinen Gegnern gegenüber. Im Augenblick seiner größten Schwachheit - im Garten Gethsemane, nicht auf Golgatha - verriet er diese Liebe Gottes nicht. Er widerrief nicht, woraus und wofür er lebte. Seine Liebe und Barmherzigkeit galt denen, die ihn verhöhnten und töteten. Und sie galt dem Mitgekreuzigten, dem er sagte: Noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein. (Lk 23,43) Unbedingte Liebe, wie Jesus sie lebte, ist niemals neutral, niemals unparteiisch, niemals lau. Sie führt in einen solchen Tod.
Wenn wir selber in Leidenssituationen kommen - und die bleiben niemandem gänzlich und lebenslang erspart - , dann fragen wir uns: Welchen Sinn hat das, was ich erleide? Warum geschieht mir das?
Jesus Tod am Kreuz kann auch unserem Leid einen Sinn geben als Zeugnis eines liebevollen und engagierten Lebens. Und wenn wir uns seiner Nähe gewiss fühlen können, dann tröstet uns, dass nach diesem Leiden und durch dieses Leiden hindurch ein anderes, neues Leben beginnen wird – Ostern kommt, aber es kommt eben erst nach dem Karfreitag.
So ist das Kreuz auch Zeichen der Freiheit von Angst. Das klingt paradox, war doch das Kreuz als Hinrichtungsinstrument für aufständische Sklaven und besonders schlimme Verbrecher besonders gefürchtet. Römische Bürger wurden nie gekreuzigt. Sie empfanden schon das Zusehen oder die Erwähnung des Begriffes mit ihrer Bürgerwürde unvereinbar. Nicht hinsehen, es nicht wahrnehmen, nicht dran denken: Die menschlichen Strategien der Leidensvermeidung und -verdrängung sind keine Erfindung des Fernsehzeitalters, die gab es schon in der Antike. Lukas aber schildert uns die Kreuzigung Jesu in einer Weise, die die Brutalität dieses Geschehens sichtbar macht und dennoch ein Hinsehen, ein Wahrnehmen möglich macht. Denn hier wird das Kreuz zum Zeichen einer letzten Freiheit. Noch sterbend bleibt Jesus der Souverän, der freie Mensch, der sich die Freiheit nimmt, in Gottes Namen anderen Befreiung zuzusprechen: Befreiung von Schuld, Befreiung zu einer Lebenswende, Befreiung zur Hoffnung über das Sterben hinaus: Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43) Die Liebe ist auch mit einer Hinrichtung nicht zu töten, sie verwandelt das Kreuz in einen Lebensbaum.
Das Kreuz ist ein Zeichen der Versöhnung. Jesus betet für die, die seine Hinrichtung vollziehen, ja, die ihm auch noch die Würde zu nehmen suchen, indem sie seine Kleider unter sich verlosen, indem sie ihn verhöhnen, indem sie ihn besonders quälen. Dennoch: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! (Lk 23,34) Jesus verflucht seine Henker nicht, er hat noch die Kraft zur Sichtweise der Liebe: Dass auch die Henker Opfer sind, Opfer der Macht des Bösen. Wo das Tun nichts mehr mit dem Wissen zu tun hat, wo Menschen nicht wissen, nicht einmal wissen sollen, was sie tun, da können sie als Werkzeuge missbraucht werden. Sie können noch nicht einmal bedauern, was sie tun, denn sie dürfen es ja nicht wissen. Indem Jesus für die betet, die ihm solches antun, hält er bis an seinen Tod durch, wozu er da war: Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist (Lk 19,10) - und sei es der eigene Henker.
Können wir seine Bitte nachsprechen, so befreit Jesus auch uns: Von dem verzehrenden Hass allen gegenüber, die uns jeweils Unrecht getan haben. Das Wort der Vergebung ermöglicht einen radikal neuen Anfang: Wie bei jenem römischen Hauptmann oder Chefhenker, der nach Jesu Tod Gott preist und sagt: Wahrlich: Dieser Mensch ist ein Gerechter ist gewesen! (Lk 23,47) Diesem, einem Täter, wurde Jesus ebenso zum Erlöser wie dem neben ihm gekreuzigten Verbrecher, für den sterbend das Leben begann. Beide, der römische Hauptmann wie auch der Mitgekreuzigte, haben Gott erlebt als den, der mit uns einen Anfang macht, wenn wir uns am Ende sehen. So begann Ostern eigentlich schon unter dem Kreuz.
Das Kreuz ist ein Zeichen einer unzerstörbaren Beziehung zwischen Gott und uns Menschen. Auch in der schlimmsten Gottverlassenheit sind wir nicht von Gott verlassen, denn er selbst leidet mit uns, neben uns, für uns. Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! (Lk 23,46) sind die letzten Worte, die der Evangelist Lukas den sterbenden Jesus sagen lässt.
Das Kreuz: Es erinnert uns bei jedem Betrachten, an welchem Punkt Himmel und Erde miteinander verwachsen und verbunden sind. Es weist uns in beide Richtungen: In der senkrechten weist es uns an Gott, den tiefsten Grund unseres Daseins und zugleich das Ziel, auf das hin wir leben.
In der waagerechten weist es uns an den Ort unseres eigenen Lebens inmitten der Welt und ruft zur Geschwisterlichkeit mit allen denen, die ungeachtet ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion, heute die Kreuze in unserer Zeit tragen.
Das Kreuz als sechsfaches Zeichen: Zeichen der Solidarität Gottes mit dem Leiden der Welt. Zeichen eines liebenden Lebens. Zeichen der Freiheit von Angst. Zeichen der Versöhnung. Zeichen unverbrüchlichen Vertrauens zwischen Gott und uns. Zeichen der bedingungslosen Verbundenheit Gottes mit dieser Welt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn, Amen.
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»Ganz Sein« - Predigt zu Lukas 10,38-42 von Michael Greßler
Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,38-42)
I. Marta
Der Lammbraten ist saftig und braun. Gewürzt mit Rosmarin. Ein Meisterstück. Perfekt.
Die Brote außen knusprig und innen zart wie Watte.
Genau so muss das sein.
Das Obst steht schon bereit, Trauben und Feigen, frisch gewaschen, Wasserperlen glitzern darauf.
Dunkler Wein von den Hängen Judas duftet aus den steinernen Krügen. Sie hat den besten aus dem Keller geholt.
Marta ist stolz.
Jesus kommt ins Dorf. Da weiß sie sofort, was sie will.
Sie geht aus dem Haus und ruft: »Kommt herein!«
Die Nachbarn tuscheln: »Marta schon wieder! Benimmt sich, wie der Hausherr persönlich. Lädt einfach Fremde ein. Und wenn die dann da sind, dann wird sie sie auch noch bedienen! Also wirklich! Wie so ein Wirt in der Schenke.«
Und sie kichern: »Jaja, ihr wisst ja, was der Name bedeutet: Marta, ‚die Herrin’. So war sie ja schon immer. Die macht, was sie will.«
Marta weiß Bescheid. Sie sieht wie die anderen die Köpfe zusammenstecken.
Wie schon so oft. Weiß auch, was sie reden. Und es ist ihr egal.
Jetzt wird es eng im Haus. Dreizehn Männer, einige Frauen.
Marta in der Küche. Bereitet das Mahl. Für Jesus. Für die anderen.
Und es wird perfekt.
Sie zeigt, was sie kann. Macht, was sie will.
Sie ist ganz Marta. Eine Königin. Stark und stolz.
Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. (Lk 10,38-40a)
II. Maria
Das Kissen ist weich.
Maria legt sich auf das Polster vor dem flachen Tisch.
Der steht in der Mitte. Rundherum liegen sie: Petrus, Johannes, Judas und die anderen.
Sie stützen den Kopf auf die linke Hand. Mit der rechten essen sie. Lammbraten mit Rosmarin, das knusprige Brot tauchen sie in gewürztes Olivenöl.
Greifen in die Schüssel mit den Feigen.
Setzen den Becher an und trinken Wein.
Es schmeckt wunderbar.
»Marta, du hast dich wieder selbst übertroffen«, sagt Petrus, als sie hereinkommt und nachschenkt.
Jesus greift zu. Er freut sich über das Mahl. Und über die Liebe, mit der es gemacht ist.
Maria liegt neben Jesus. Sie essen zusammen. Einfach so.
Maria kennt die Blicke der anderen. Das ist jedes Mal so. Sie sagen ja nichts, aber manchmal hat sie sie schon tuscheln hören. »Maria wieder! Als wäre sie ein Jünger! Legt sich einfach neben den Meister. Ist mit ihm. Lernt von ihm.«
Maria weiß das. Und es ist ihr egal.
Jesus kommt, und da weiß sie sofort, was sie will.
Legt sich zu ihm. Isst Brot und trinkt Wein.
Und sie hört. Hört Seine Stimme. Sein Wort. Jedes Wort wie ein Bissen Brot. Wie ein Schluck Wein. Jedes Wort ein Stück Leben.
Sie hört und hört und kann sich nicht satthören an seinen Worten.
Mit offenen Ohren und weitem Herzen.
Sie tut, was ihr wichtig ist. Macht, was sie will. Ist ganz Maria. Eine Königin.
III. Jesus
Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! (Lk 10,40)
Zwei Schwestern.
Zwei Königinnen.
Ganz Maria. Ganz Marta.
Ganz bei Jesus.
Zwei Schwestern.
Zwei Leben.
Ganze Leben.
Leben mit Jesus.
Zwei Herzen, die fühlen.
Ungleiche Schwestern.
Maria denkt die ganze Zeit: »Ach Marta. Leg dich doch auch hin. Komm, iss und trink, sieh und schmecke und höre, wie freundlich der Herr ist. Du machst und machst und tust und tust. Du machst das wunderbar – aber das Wichtigste verpasst du! Hör doch einfach mal hin! Diese Stimme. Diese Worte.«
Und Marta denkt: »Ach, Maria, immer dasselbe! Ich muss alles machen, und du hörst nur zu. Steh doch endlich auf! Du verpasst doch das Wichtigste! Tu endlich was! Kümmer dich! Um Jesus! Um die anderen.«
Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! (Lk 10,40)
Jesus merkt den Zorn. Kennt die Gedanken.
Weiß, was sie fühlen.
Wie sie ihn lieben.
Zwei Leben.
Beide ganz mit ihm.
Jesus schmeckt die Liebe in Martas Mahl, in Lammbraten, Trauben, Brot und Wein.
Er fühlt, wie Marta alles für ihn tut – mit jeder Faser ihres Lebens.
Er sieht die Liebe in Marias Augen. Spürt sie in ihrem Schweigen. Wenn sie zusammen sind bei Wein und Brot.
Er merkt, wie seine Worte sich in Marias Herz graben. Und tief in ihr Leben.
Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,42)
Eine hat gesprochen.
Einer antwortet er.
Gemeint hat er beide.
»Marta, Marta.« »Maria, Maria.«
»Lasst einander doch ganz. Ihr seid beide richtig, wie ihr seid.
Lasst der einen ihr Leben und der andere auch.
Ihr macht es so gut. Die eine wie die andere. Beide seid ihr ganz.
Ganz Maria und ganz Marta. Und beide ganz bei mir.
Nehmt das einander nicht weg.
IV. Ich und wir
Und Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria. (Lk 10,38f)
Und Jesus kommt.
Nach Camburg und Kleingestewitz, nach Heiligenkreuz und überall auf die Welt.
Und da sind wir.
Manchmal wie Maria.
Manchmal wie Marta.
Manchmal wie beide zugleich.
Oder ganz anders.
Wir sind, wie wir sind.
Tun, was wir können.
Und was wir wollen.
Jesus kommt und wir nehmen ihn auf. So, wie wir es können.
Jeder und jede von uns ganz. Mit dem ganzen Leben.
Lasst das einander.
So ist es gut.
Amen.
Lied: Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198,1-2)
1. Herr, dein Wort, die edle Gabe,
diesen Schatz erhalte mir;
denn ich zieh es aller Habe
und dem größten reichtum für.
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist nicht um tausend Welten,
aber um dein Wort zu tun.
2. Halleluja, Ja und Amen!
Herr, du wollest auf mich sehn,
daß ich mög ijn deinem Namen
fest bei deinem Worte stehn.
Laß mich eifrig sein beflissen,
dir zu dienen früh und spat
und zugleich zu deinen Füßen
sitzen, wie Maria tat.
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„Eins aber ist not: Mehr Maria sein…“ - Predigt zu Lukas 10,38-42 von Martina Janßen
I.
Morgen ist der große Gottesdienst. Wir wollen einladende Kirche sein. Das macht Freude, aber auch Mühe. Stühle aufstellen, alles noch einmal durchgehen: Schnittchen, Kaffee, Dekoration. Es ist 19.00 Uhr. Zwei Stunden Dienstbesprechung liegen hinter mir. Jetzt noch schnell die Predigt schreiben. Welcher Text war noch mal dran? Ich bin müde, meine Gedanken schweifen ab. Kriegt Frau B. das wirklich mit der neuen Kaffeemaschine hin? Haben wir alle Reserviert-Schilder angebracht? Ach, einen Kuchen muss ich ja auch noch backen… Ich sitze vor meinem Laptop. Worum geht es noch mal inhaltlich im Gottesdienst morgen? Mein Kopf ist leer. Vielleicht einfach eine Predigt aus dem Internet rausziehen?
Es gibt Tage, da erschlägt mich das Praktische, das Sich-Kümmern und Sich-Sorgen. Da bin ich nur noch Marta – und wünsche mir nichts mehr als Maria zu sein! Aber so leicht ist das nicht. Was würden die anderen denken, wenn ich das Servierten-Falten und das Kuchenbacken ihnen überlassen und sagen würde: „Ich lese lieber in der Bibel und denke über Gottes Wort nach.“? Und das als Frau. Männliche Kollegen haben es da vielleicht leichter… Wer versteht mich da schon?
II.
Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.
Eine tolle Geschichte – gerade für eine gestresste und von den praktischen Herausforderungen des Lebens erschlagene Pastorin! Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,42) Jesus hat ein Herz für Maria und das, was sie tut: Hören auf das Wort! Endlich einer, der mich versteht! Denken und Hören statt Backen und Stühle-Rücken. Endlich fühle ich mich als Theologin ernst genommen! Danke, Lukas, danke, Jesus! Jetzt konzentriere ich mich ganz auf die Theologie - das ist ja auch das wirklich wichtige und „der gute Teil“ - und lass die anderen Marta sein.
Obwohl - ganz wohl ist mir dabei auch nicht. Denn ich freue mich ja auch, wenn ich nach dem Gottesdienst einen Kaffee bekomme und in ein saftiges Stück Kuchen beißen kann. Und ich weiß, dass das nicht mir allein so geht. Der Mensch lebt nicht vom Wort allein, er braucht auch Brot und saftigen Kuchen. Ganz so einfach ist es wohl doch nicht. Ohne die Martas wäre es doch alles recht trocken und auch Maria bliebe hungrig.
III.
Maria und Martha, die ungleichen Schwestern. Wie oft hat man sie gegeneinander ausgespielt! Marta steht in der Tradition für die vita activa, das aktive, tätige Leben. Nicht umsonst ist sie Schutzheilige der Kellner und Hausfrauen. Maria dagegen symbolisiert die vita contemplativa, die mystische Schau, das Hände in den Schoß legen und die Gedanken in die Höhe heben. Da kann sich der vergeistigte Theologe mit vielleicht zwei linken Händen wiederfinden. Maria und Marta – das sind zwei unterschiedliche Arten zu arbeiten und zu leben. Wie gut könnten sich die beiden ungleichen Schwestern gegenseitig stützen und ergänzen. Was könnte ihnen nicht alles zusammen gelingen, wenn sie an einem Strang ziehen würden. Doch oft gibt es Streit und Konkurrenz zwischen den beiden Schwestern. Wie oft werden Denken und Tun gegeneinander ausgespielt. Wer ist wertvoller? Der Meister in der Werkstatt oder der frisch gebackene Master aus der Uni? Da gibt es Ressentiments auf beiden Seiten. Was ist besser? An Autos schrauben oder Texte weben? Brötchen backen oder Worte drechseln? Beton mischen oder an Reden feilen? Auf was und wen kommt es an? Hand oder Kopf? Handwerker oder Wortwerker? Blaumann oder Gelehrtentalar? Maria oder Marta?
Das ist die falsche Frage. Nur zusammen sind die beiden Schwestern stark, können sich Bälle zuspielen und unschlagbar sein. Meister und Master – wie schön wäre es, wenn beide sich gegenseitig wertschätzen und achten würden, wenn es ein Gleichgewicht gäbe und das Gefühl: Unterschiedliche Gaben, ein Geist!
Und doch - oft zieht Marta den Kürzeren. Man merkt das nicht zuletzt an der Bezahlung. Das ist nicht neu, das war schon in der Geschichte unserer Kirche so. Das theologische Denken und Verwalten der Sakramente – und damit der Stand der Kleriker – waren bis zur Reformation viel höher angesehen als die tätige Arbeit der Hausfrau und des Handwerkers. Dabei hat doch beides seinen Wert, wie Luther klarstellt. „Wenn du die geringe Hausmagd fragst, warum sie das Haus kehrt, die Schüssel wasche, die Kühe melke, so kann sie sagen: Ich weiß, dass meine Arbeit Gott gefällt.“ Das ist doch was. Die Arbeit der Hausmagd, Martas Arbeit, ist nicht nur nützlich, nötig und wertvoll, sondern gottgefällig und nichts weniger als Gottesdienst. Wenn das keine Wertschätzung ist! Soweit so gut. Aber ist das, was Maria tut, nicht doch mehr wert? Sagt Jesus nicht selbst, dass Maria, die Hörerin mit den Händen im Schoß, den guten Teil erwählt hat?
IV.
Wer so denkt, hat zu wenig nachgedacht - und Lukas nicht genau genug gelesen. Lukas geht es nicht um die Polarisierung zwischen Hören und Tun. Es geht ihm schon gar nicht um das Abwerten des tätigen Dienstes, ganz im Gegenteil: Wie in kaum einem anderen Evangelium spielt bei ihm die Diakonie, der tätige Dienst für andere, eine große Rolle. Für Lukas ist das Hören nicht vom Tun zu trennen. Allein die Geschichte vom barmherzigen Samariter, die Lukas direkt vor der Geschichte von Maria und Marta erzählt, zeigt das. Da sieht man, wie das Hören auf Gottes Wort in die Tat umgesetzt wird. Und doch - wird denn in unserer Geschichte Marta nicht ermahnt, weil sie so ganz auf ihre Hausarbeit sieht und darin aufgeht? Ergreift Jesus nicht Partei für Maria, die die Hände in den Schoß legt und die Ohren spitzt, wenn Jesus redet? Schon, aber Marta wird nicht ermahnt, weil sie hauswirtschaftet, sondern weil sie dem eine so hohe Bedeutung beimisst. Das ist ein entscheidender Unterschied! Zurückgewiesen wird nicht, dass Marta sich nach Hausfrauen Art um das leibliche Wohl von Jesus kümmert, zurückgewiesen wird ihre übertriebene Betriebsamkeit. „Marta machte sich viel zu schaffen.“ Zu viel zu schaffen. Eine solche übermäßige Sorge soll nicht sein, denn sie kann den Blick auf das verstellen, worauf es ankommt: Das Hören auf das Wort. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. (Lk 10,39b) Das könnte Marta von ihrer Schwester Maria lernen.
V.
Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe! (Lk 10,41b) Ich kann aber auch Marta verstehen. Ich will doch auch, dass alles gelingt. Ich will doch auch Kuchen und dass die Technik funktioniert und die Stehtische nicht im Weg stehen! Und das ist gut so. Aber manchmal habe ich in unserer Kirche das Gefühl, dass Maria immer weniger Raum und Recht hat. Wie oft erschöpfen wir uns in Betriebsamkeit und vergessen, was eigentlich wichtig ist und worauf es wirklich ankommt – sei es beim Festgottesdienst oder bei der Hochzeitsvorbereitung. Im Hamsterrad drehen wir uns nur tagein, tagaus um das Praktische, um Verwaltung und Organisation. Ein bisschen leiden wir vielleicht schon am „Marta-Syndrom“, einer übertriebenen Betriebsamkeit.
Marta aber machte sich viel zu schaffen. (Lk 10,40a) Zuviel Aktionismus kann blind machen und den Blick auf das verstellen, was auch wichtig ist. Müssen wir uns immer so sorgen, ob die Handzettel auf Hochglanzniveau und perfekt gestaltet sind, die Power-Point-Präsentation optimal ins Licht gesetzt ist und die Häppchen raffiniert genug aussehen? Wenn ich immer mit den neusten Trends mithalten will, fehlt mir manchmal die Zeit zum Innehalten.
Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe! (Lk 10,41b)
Immer wenn ich mich zu sehr um all die praktischen Dinge sorge, gerät etwas aus dem Gleichgewicht. Kirche lebt nicht von Perfektion und Organisation allein. Denn wenn ich alles perfekt managen, planen und ausführen würde, wenn ich rund um die Uhr arbeiten und mit einem Großevent nach dem anderen in der Zeitung stehen würde, und hätte Gottes Wort nicht, wäre ich nichts. Es braucht Gottes Wort.
Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,42)
Wie wäre es, von Maria zu lernen? Weniger ist manchmal mehr. Wie wäre es mit weniger Schaffen, Sorge und Stress und mehr Stille und Staunen? Weniger Management und mehr Meditation? Weniger Hetzen und mehr Hören? Etwas weniger Marta und mehr Maria sein: Mehr Raum und Zeit für Gottes Wort.
ich nehme mir zeit
eine halbe stunde zeit
eine halbe stunde
der stille zu gott
dem die stunden
gehören
die halben
und die ganzen
den versuch ich
zu hören
ihn versuch ich
anzurufen
fast reut mich
die zeit
ich halt sie nicht aus
dein übermaß an ewigkeit
macht
die zeit mir
lang
(Rudolf Bohren, in: Verstehen durch Stille. Loccum-Brevier, 22003, S. 29)
Amen