Konfi Impuls Die Familie Jesu: Markus 3,(20.21.)31-35 von Christina Hirt

Konfi Impuls Die Familie Jesu: Markus 3,(20.21.)31-35 von Christina Hirt
3,31-35

Die Familie Jesu: Markus 3,(20.21.)31-35

Gedanken zum Text

Die Familie hat für Jugendliche weiterhin einen hohen Stellenwert. Hier findet eine große Mehrheit von ihnen den nötigen Rückhalt auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Mehr als 90 Prozent der Jungen und Mädchen pflegen ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Fast drei Viertel würden ihre Kinder ungefähr so oder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden. Dieser Wert hat seit 2002 stetig zugenommen. (Presseinformation Shell-Jugendstudie 2015)

Wichtig ist mir für die Predigt: Jesus stößt seine Familienangehörigen zwar vor den Kopf, aber er schickt sie nicht weg. Er lädt sie eher dazu ein, von „draußen“ nach „drinnen“ zu kommen.
Im Kern geht es ihm um deine neue Definition von Zugehörigkeit, die nicht über Blutsverwandtschaft definiert wird. Erleben unsere Jugendlichen neben ihrer leiblichen Familie auch noch andere familienähnliche Beziehungen? Können Sie sich Jesus als Bruder und Gott als Vater vorstellen? Und die Gemeindemitglieder als Geschwister?

Jesus lehnt die Familie nicht grundsätzlich ab. Aber die kurze Episode zwischen Jesus und seiner Familie zeigt doch: die leibliche Familie ist nicht alles. Es gibt andere Beziehungen, die tragen (können).

Neben der Familienthematik spielt auch die grundsätzliche Erfahrung mit hinein: Wer sich zu Jesus hält/ wer nach Gottes Willen fragt, der muss unter Umständen Konflikte mit nahestehenden Menschen (Angehörige, Freunde) in Kauf nehmen.

Dazu ein Filmtipp: Die Konfirmation

Ein Jugendlicher lässt sich ohne Wissen seiner Eltern taufen. Er geht – gegen alle Widerstände – seinen Weg bis zur Konfirmation.

http://www.daserste.de/unterhaltung/film/freitag-im-ersten/sendung/die-…

Der Film ist auf der ARD Mediathek verfügbar bis 16.09.2017.

Gestaltungsmöglichkeiten für den Gottesdienst:
Die Gottesdienstbesucher können in einer Stillephase dazu eingeladen werden, Familienangehörige in Gedanken „herzuholen“.

Füreinander beten:
Jede/r schreibt (anonym oder mit Namen) ein Gebetsanliegen auf einen Zettel. Die Zettel werden eingesammelt, gemischt und anschließend wieder verteilt: Nun kann jede/r in der kommenden Woche für ein konkretes Anliegen beten und ist so geschwisterlich mit jemand anderem verbunden.

Antworten von Jugendlichen zum Thema Familie

Wer gehört zu meiner Familie? Die, die man sehr wertschätzt und die man gerne in seiner Nähe hat. Eltern, Geschwister, Großeltern, Verwandte. Alle Leute, die mir nahestehen.

Was verbindet uns? Dass man alles teilen kann. Dass man miteinander reden kann. Dass man sich vertraut, dass man sich von Geburt an kennt. Spaß und Freundlichkeit und Respekt.

Wozu brauchen wir Familie? Um geliebt zu werden. Für Geborgenheit und Sicherheit. Weil ich mit ihnen alles besprechen kann. Ich kann mich auf die Familie verlassen. Um zu wissen, dass man ein Zuhause hat, wo man immer zurückkehren kann. Weil jemand für dich sorgt.

Was schätzt du an deiner Familie? Alles, wie sie mich geprägt haben. Dass ich akzeptiert werde wie ich bin. Dass ich mich verbunden fühlen kann. Dass wir uns alle respektieren.

Was nervt und ist anstrengend? Dass dumme Geschwätz. Wenn man viele kleine Geschwister hat und alle machen, was sie wollen. Dass man viel tun muss. Wenn man mir alles zweimal sagt und meistens lange, unnötige Diskussionen entstehen. Wenn niemand zuhört und wenn man sich nicht aussprechen lässt.

Was dürfen Kinder von ihren Eltern erwarten? Dass geholfen wir, wenn man Hilfe braucht. Aufmerksamkeit, Liebe, Zuneigung, Stolz. Und nicht die ganze Zeit sagen, wer besser ist von uns. Geliebt zu werden und wenn sie sich freuen bei tollen Leistungen.

Was dürfen Eltern von ihren Kindern erwarten? Dass man das macht, was gesagt wird. Dass sie selbständig werden, Vertrauen. Dass sie sich auch anstrengen und nicht alles abverlangen. Regeln befolgen. Dass die Kinder nicht so viele Probleme machen.

Der ideale Bruder, die ideale Schwester wäre so: So wie sie sind. Vielleicht manchmal das Gehirn einschalten. Es wäre doof, eine perfekte Schwester zu haben, den Perfektion in der Familie zieht einen auf, der eine wird mehr geschätzt, der andere nicht.

Gibt es für dich eine andere Gruppe/ Gemeinschaft, in der du dich „zu Hause“ fühlst? Spielcommunity, unter Freunden, Jugendfeuerwehr. Bei Leuten, mit denen man Gemeinsamkeiten hat – man fühlt sich gut, dazu zu gehören.

Perikope
16.07.2017
3,31-35

Das letzte Ma(h)l - Predigt zu Markus 14,17-26 von Stephanie Höhner

Das letzte Ma(h)l - Predigt zu Markus 14,17-26 von Stephanie Höhner
14,17-26

wieder einma(h)l…

Das Fladenbrot knackt knusprig im Ofen. Der Weißwein ist kaltgestellt. Auf dem Tisch Schälchen mit Hummus, Joghurt, Oliven. Dazu Chips und Weingummi – alles da für einen langen Abend.
Ich zünde die Kerzen an. Im Hintergrund läuft meine Lieblingsband: Alternativ-Rock – noch leise. Es wird an diesem Abend lauter werden.
Es ist mein letzter Freitagabend in Heidelberg. Nach drei Jahren Studium dort heißt es mal wieder: Abschiednehmen. Mal wieder Kisten packen. Mal wieder ein letztes Mal im Lieblingscafé, ein letztes Mal auf die Tram Nummer fünf warten. Ein letztes Mal beim Bäcker nebenan die Brezen kaufen.
Ich kenne das schon, diese letzten Male. Es gab schon einige davon. Und obwohl ich erlebt habe, dass es danach weiter geht, habe ich immer wieder Angst davor. Ein dumpfer Schmerz im Bauch – der bleibt auch an diesem Abend bis zum Schluss.
Es war ein langer Abend. Die Schälchen sind leer, die leeren Weinflaschen stehen auf dem Tisch, die Kerzen sind abgebrannt.
Wir haben uns Geschichten erzählt, als ob wir schon uralt wären. Wir haben viel gelacht, über die Trinkregeln in der Bibliothek, über Sturzregen bei der Fahrradtour und Semesterpartys. Es kam uns vor wie im Rausch. Ein Leben im Rausch.
Ich bringe meine letzten Gäste zur Tür. Wir umarmen uns ein letztes Mal. Morgen werde ich die letzten Kisten packen, Sonntag den Mietwagen abholen. Und dann ist es vorbei, mein Leben hier in Heidelberg. Ein Leben nicht immer im Rausch, aber manchmal.
Was davon bleibt: Erinnerungen, gemeinsame Erlebnisse, feiern und lernen. Und gute Freunde.
Abends an der Tür ist der dumpfe Schmerz im Bauch wieder stärker.

 

das letzte ma(h)l

Das Fladenbrot duftet. Als er es bricht, knackt es knusprig. Es ist noch warm. Sie reichen sich Hummus, Oliven und Joghurt in kleinen Schälchen weiter. Alle tauchen ihr Brot ein. Es schmeckt wunderbar.
Doch etwas ist anders als sonst. Er wirkt so ernst und angespannt. Sonst ist er beim Abendessen immer ausgelassen, genießt die Köstlichkeiten, die man ihm bereitstellt. Lacht und schwatzt mit ihnen.
Aber heute ist etwas anders. Hanna spürt es. Das macht sie unruhig. Und auch bei den anderen merkt sie eine Veränderung. Auch sie wirken angespannt.
Und dann nimmt er das Brot, dankt, bricht es und gibt es ihnen und sagt: „Das ist mein Leib.“
Die Gespräche verstummen. Hanna stellt ihren Becher ab. Sie versteht nicht, was das bedeuten soll.
Er reicht das Brot weiter, sie nehmen alle davon. Es knuspert bei jedem Brechen. Lauwarm liegt es in der Hand. Der Duft steigt in die Nase – eigentlich ein wohliges Gefühl. Es schmeckt köstlich. Doch da liegt dieser Satz in der Luft: „Das ist mein Leib.“
Sie erzählen von früher. Was sie schon alles zusammen erlebt haben. Hanna war nicht immer dabei, aber an ein paar Geschichten kann sie sich erinnern.
Als die Schüsseln leer sind und das Brot aufgegessen, nimmt er den großen Weinkelch, den besonders schönen mit den türkis-gelben Ornamenten. Er dankt, gibt ihn in die Runde und sie trinken alle daraus. Auch Hanna. Der Kelch ist schwer, liegt sperrig in der Hand mit seiner rauen Oberfläche. Der Wein ist süß und kühl. Sie möchte weiter trinken, aber Judas neben ihr möchte auch einen Schluck. Sie reicht den Kelch weiter. Jeder möchte daraus trinken.

 

das allerletzte mal…

Ihr Bett steht jetzt im Wohnzimmer. Daneben der Esstisch und Stühle. Wenn einer fehlt, wird ein alter Klappstuhl aus dem Keller dazu geholt. Immer ist jemand da. Freunde und Nachbarn. Sie liegt in ihrem Bett, die Augen nur wenig geöffnet. Sprechen kann sie nicht mehr. Aber jeder spürt: Sie ist dabei. Ihre Töchter sorgen für frischen Kaffee, ihr Mann legt Kekse nach. Und hält ihre Hand. Ihr letzter Halt.
An der Tür sind die Blicke noch scheu, verlegen, manchmal ängstlich. Es ist hier sehr still. Doch sobald sie das Wohnzimmer betreten, spüren sie Leben. Es duftet nach Kaffee und manchmal läuft auch Musik, leise im Hintergrund. Sie sitzen um ihr Bett, erzählen von früher oder vom Einkauf gerade im Supermarkt. Von der Hochzeit vor über dreißig Jahren, die Nachbarin den neusten Dorftratsch.
Sie hört uns zu, schwelgt in Erinnerungen wie wir und vielleicht muss sie auch mal schmunzeln.
Beim Abschied weiß jeder, dass es das letzte mal sein wird. Das allerletzte mal. Der Blick besonders tief, das Händedrücken besonders lang. Ein letztes mal. Ein allerletztes Mal.

 

das letzte Ma(h)l zusammen…

Als auch der Kelch leer ist, steht er auf. Er will noch einmal raus, beten auf dem Ölberg. Seine engsten Freunde gehen mit.
Hanna bleibt zurück am Tisch. Leere Teller und Becher. Sie blickt zur Tür. Ein letztes Mal sieht sie seinen Rücken, dann ist er gegangen. Ihr schwirrt der Kopf. Vielleicht vom Wein, vielleicht von seinen Worten. „Ich werde nicht mehr trinken vom Gewächs des Weinstock bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes.“
Es gibt also ein neues mal. Ein neues Mahl. Noch ist es nicht so weit.

 

was bleibt…

Als ich eine Woche später die Kisten in meiner neuen Wohnung in Münster auspacke, sind auch die Abschiedsgeschenke aus Heidelberg dabei. Und sofort sind die Bilder wieder da: vom letzten Abend mit meinen Freunden, von meinem Lieblingscafé und der Bibliothek. Ich höre unser Lachen und rieche das Fladenbrot. Ich bin froh, den Abschied gefeiert zu habe, auch wenn der dumpfe Schmerz im Bauch dabei war. Was bleibt: die Erinnerung – ein schönes Gefühl. Im neuen Zuhause und in mir lebt etwas von Heidelberg weiter.

Die Töchter und ihr Ehemann sitzen jetzt nur noch zu dritt am Esstisch. Ihr Bett ist abgeholt. Sie fehlt ihnen. Ein Schmerz legt sich über sie und den Raum. Daneben aber sind die Bilder der letzten Tagen: wie sie zusammen gelacht haben, wie sie noch einmal gesungen haben, wie sie erzählt haben. Das Haus war voller Leben. Trotz Abschied. Oder gerade deswegen. Sie sind froh, dass sie diese Tage zusammen erlebt haben.
Für die Familie und die Freunde war es ein allerletztes Mal hier, in dieser Welt. Von ihr bleiben die Erinnerungen, das Gefühl, bis zum Schluss bei ihr gewesen zu sein. Das tröstet sie.
Und es bleibt die Hoffnung auf ´s Neue. Jenseits dieser Welt. Auf ein neues Mal.

Hanna hat ihn nicht mehr wieder gesehen. Ihr letzter Blick auf seinen Rücken und seine Worte im Ohr – das ist ihr geblieben. Und die Erinnerung an das letzte Mahl.
Sie holt das frische Fladenbrot aus dem Ofen. Warm liegt es in ihrer Hand. Der Duft steigt in die Nase – ein wohliges Gefühl. Als sie es bricht, knuspert es. Hanna hat die Bilder vom letzten Ma(h)l vor Augen und seine Worte im Ohr: „Das ist mein Leib.“ „Das ist mein Blut des Bundes.“ „Ich werde von Neuem davon trinken im Reich Gottes.“
Es gibt also ein neues Mal. Ein neues Mahl. Nach dem Abschied. Noch ist es nicht so weit.

Perikope
13.04.2017
14,17-26

Verschwenderische Liebe - Predigt zu Markus 14,3-9 von Christiane Quincke

Verschwenderische Liebe - Predigt zu Markus 14,3-9 von Christiane Quincke
14,3-9

I.
Verschwenderische Liebe.
Die Scherben liegen noch auf dem Boden. Dazwischen die Reste vom Fisch und Brotkrümel. Überall Tropfen von Nardenöl. Sie schimmern und duften. Ein schwerer Geruch und zugleich ganz leicht. Vermischt sich mit dem Fisch und dem Wein und dem Schweiß.
In den Wandteppichen hängen noch die Stimmen, die zornigen und die lauten, die leisen und die sanften auch.
Simon bückt sich und sammelt die Scherben auf. Das Öl, das an ihnen hängt, wischt er behutsam ab und verteilt es auf seiner Haut. Da wo die Narben besonders dick sind und weh tun. Er lächelt, als er an die Frau denkt.

II. Markus 14,3-9
Und als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl,und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.

III.
Simon, der Aussätzige, berührt seine Narben. Der Geruch vom Nardenöl erfüllt noch den Raum. Und er hofft, dass er möglichst lange da bleibt. Denn er tut seinen Narben gut, auch den Narben auf seiner Seele. Es war mutig von der Frau, einfach so hineinzutreten in die Männerrunde. Simon kannte sie nicht und die anderen kannten sie auch nicht. Aber als sie eintrat, verstummten sie auf einmal. Was will sie hier? Merkt sie nicht, dass sie stört? Und alle Blicke waren auf sie gerichtet. Sie wusste, was sie wollte - wohin sie wollte. Keiner traute sich, sie aufzuhalten. Sie sprach kein Wort. Nur das Zerbrechen des Öl-Gefäßes war zu hören. Und der Duft verströmte sich.

IV.
Liebe ist verschwenderisch.
Der liebende Duft.
Duftende Berührung.
Alles ganz nah.
Mit ungewisser Zukunft.
Die Frau trat zu ihm. Sie, die Unbekannte, die Liebende.
Sie salbt ihn, Jesus, zum König. Wie einst Samuel den David salbte.
Jesus, der Gesalbte, der Messias, der König. Der auf einem Esel in Jerusalem einzog. Er war gefeiert und bejubelt worden. Hatte berührt und wurde berührt.
Im Tempel trat er sehr unköniglich aber handfest auf.
Die arme Witwe bewunderte er.
Er ließ sich von der blutflüssigen Frau anfassen.
Die todgeweihte Tochter des Jairus nahm er an die Hand.
Der Gesalbte. Der verschwenderisch Liebende.

V.
Seine Verschwendung ist anstößig.
Was bringt die Rettung der kleinen Tochter von Jairus für die Toten der Welt?
Und das kleine Opfer der Witwe, wenn der Reiche nichts gibt? Wo bleibt der Ertrag?
Und seine Verschwendung wird noch anstößiger. Er setzt sich aus. Setzt sein Leben aus. Verschwendet seine Liebe an Menschen, die ihn töten wollen und dies auch tun. Er verhandelt nicht mit den Obersten, er erreicht keinen Kompromiss.
Stattdessen teilt er Brot und Wein mit seinen Freunden und Freundinnen.
Er hätte doch auch einen Pakt mit Pilatus schließen können, ihm vormachen können, dass keine Gefahr von ihm ausgeht. Vielleicht hätte Pilatus ihn nicht gekreuzigt und Jesus hätte noch mehr Menschen erreicht. Vielleicht?
Aber stattdessen geht er ans Kreuz mit seiner verschwenderischen Liebe. Verströmt sie an die neben ihm. Und wird sterben - mit ihr.

VI.
Liebe ist verschwenderisch.
Kostbares Öl auf seinem Kopf. Öl, das man hätte gut verkaufen können. Es macht ihn zum Gesalbten. Zum König. Zum Sterbenden.
Als Sterbender bleibt er der Gesalbte, der König.
Der wahre König muss seine Liebe verschwenden. Er kann sie nicht für sich behalten und nutzbringend einsetzen.
So wie das Öl von seinen Haaren tropfen muss und sich auf dem Boden verteilt. Tropfen bildet. Scherben hinterlässt. Und die anderen verstört.
Die Frau, die Namenlose, kümmert sich nicht darum. Sie tut, was ansteht. Nimmt vorweg, was kommen wird. Sie zeigt, wer Jesus ist. Der Gesalbte. Der verschwenderisch Liebende.

VII.
Simon bückt sich und sammelt die Scherben auf. Das Öl, das an ihnen hängt, wischt er behutsam ab und verteilt es auf seiner Haut. Da wo die Narben besonders dick sind und wehtun. Er lächelt, als er an die Frau denkt.
Liebe strömt den Kopf hinab und tropft auf den Boden. Sie bringt eine dampfende Hühnersuppe für die erkältete Pfarrerin. Stundenlang hat sie sie gekocht für die Kranke.
Verschwenderische Liebe fährt 600 Kilometer durch die Bundesrepublik, um dabei zu sein, wenn die Tochter ihr Abschlusszeugnis bekommt.
Sie demonstriert in Stuttgart gegen die Abschiebungen nach Afghanistan und spricht stundenlang mit einem, der nur noch im völkischen Denken das Heil für die Zukunft sieht.
Sie betet für dich und umarmt dich, wenn du selber keine Kraft hast zum Lieben.
Liebe ist so verschwenderisch, dass ihre Tropfen noch reichen für deine Narben, die auf der Haut und auf der Seele. Ihr Duft vermischt sich mit den Gerüchen deines Lebens.
Verschwenderisch bis zum Tod.

Perikope
09.04.2017
14,3-9

Eine Geschichte, die duftet - Predigt zu Markus 14,3-9 von Henning Kiene

Eine Geschichte, die duftet - Predigt zu Markus 14,3-9 von Henning Kiene
14,3-9

Es gibt Momente im Leben, da könnte alles zusammenpassen. Die richtigen Menschen sind eingeladen, sie kommen am passenden Ort zusammen, es gibt genug Stoff für Gespräche und gutes Essen brutzelt auf dem Herd. Gleich geht es los. Da liegt die Atmosphäre eines guten Abends in der Luft.

Ein schöner Abend ist wie ein Urlaub, er bleibt aber immer auch ein Geschenk. Ein Essen unter Freunden kann man planen. Unverfügbar ist das Flair von Festen und Feiern. Auch das, was zwischen dem Palmsonntag und dem Osterwochenende passiert, ist schwer vorauszuplanen. Unsere Großeltern sprachen von der „Stillen Woche“. Tod und Auferstehung, Angst und Mut, Verzagen und Hoffen, die Suche nach Gott und dieses Staunen über neue Entdeckungen passen in diese Woche von Palmarum bis Ostern. Alles könnte sich gut zusammenfügen.
Könnte, tut es nicht so schnell. Noch ist alles am Anfang.

 

Die Tür am Eingang fliegt auf. Eine Frau tritt ein. Alle Blicke richten sich auf sie „Kennst du die?“, flüstert jemand. „Nein, du? Kennst du sie?“, die Rückfrage ist kaum zu überhören. Jedes geflüsterte Wort wird von der Stille verstärkt. Keiner erwartet eine Frau. Niemand kennt diese Frau. Alle Augen folgen ihr. Sie durchquert den Raum. Merkt die denn nicht, dass sie stört? Ihr Schritt ist fest und sicher. Eine Unbekannte in einer Männerrunde, „mutig“, raunt einer, „hier so einfach reinzukommen.“ „Die stört uns“, jeder kann das spüren. Das müsste diese Frau doch selber merken.

 

Es gibt Momente im Leben, da läuft etwas anders, als ursprünglich gedacht. Stellen Sie sich vor: Wir feiern Gottesdienst, die Tür geht auf, jemand geht mit sicherem Schritt durch den Mittelgang, mitten durch unsere Kirche, in Richtung Altar. Der Atem stockt. „Was tun?“ Panik, Unruhe, „Stopp“, will jemand rufen. Tut nur niemand. Vor Schreck erstarrt sitzen alle da. Was passiert nun?

 

Auf dem Tisch dampft das heiße Essen aus den Schüsseln. Alle haben sich genommen. Die Teller sind gefüllt. Jemand setzt die Weinkaraffe mit einem lauten Geräusch auf der Tischplatte ab. Das Gespräch, eben noch in vollem Gang, ist stecken geblieben. Selbst das laute Lachen, das aus der hinteren Ecke kam und durch den ganzen Raum drang, ist wie abgeschnitten. Alle Augen blicken in dieselbe Richtung, folgen der Frau.

Jede solcher Störungen gleicht der anderen. Die einen finden so etwas spannend. Wie geht es nun weiter? Andere sehen betroffen zu Boden. Schade um all die Mühe, die hier aufgewendet wurde. Viele sind enttäuscht: Das hätte ein gutes Fest werden können. Nun kommt es anders. Schade für die Gastgeber, keine gute Sache.

In diesen wenigen Motiven tauchen Erinnerungen an Vergleichbares auf. Andere Geschichten melden sich als Erinnerung an: Irritation, Störung, Überraschung, Spannung. Wie löst sich so ein Moment auf, wie geht es weiter?

Die Frau, niemand weiß ihren Namen, unterbricht die Männerrunde. „Unerhört,“ meint eine tiefe Männerstimme. Dieser Moment zeichnet etwas vom Evangelium vor: In der gleichen Weise, in der diese Frau in die Männergesellschaft hineinplatzt, unterbricht die Bibel manch routinierten Ablauf. Er platzt in diese Welt voller Tod hinein und lässt sich nicht zum Schweigen bringen.

Kaum jemand kann die Bilder von den Kindern in Aleppo ertragen, diese angsterfüllten Augen machen stumm. Jetzt lassen sich auch die Leichen nicht mehr ausblenden, die in St. Petersburg auf dem U-Bahnsteig lagen. Und doch beginnt der Frühling, üppig ist er, Hoffnung will sich ausbreiten. Das Erschrecken wächst, besetzt tiefer liegende Schichten, greift die Seele an. Angst macht Wortkarg. Angst verzögert die Reaktion. Die Gespräche, die sich eben leichtzüngig an der Oberfläche bewegten, verstummen. Auch in den Gedanken ziehen dunkle Bilder auf.

„Nicht unterkriegen lassen“, denkt jemand.

Wenn sich Leid meldet, erhebt sich an anderer Stelle eine Stimme, die behutsam von Gott spricht. Häufig stellt sie zart die Frage „Warum?“ und unterbricht die Stille. Jemand singt leise „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ und beginnt zu beten. Das klingt wie die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach, sie fleht leise: „Herr“, „Herr,“ „Herr“. Wie eine Erwartung, die lauter wird und immer drängender sucht und fragt. Gott ist nicht mal eben vergessen. Es gibt eine Suche, die bleibt lange Zeit vage. Die kennt seinen Namen noch nicht. Wer weiß schon, dass es Gott ist, der in dem Fragen und Suchen umkreist wird? Wer die losen Enden, die herumliegen, wieder zusammen bekommen will, sollte sich nicht zu schnell mit irgendwelchen Thesen zu Frieden geben. Wer etwas glauben möchte, hofft auf Trost. Wenn von dem christlichen Glauben eine erste Botschaft ausgeht, die tief in die Menschenseele hineinwirkt, dann ist es die Hoffnung, die die Bibel formuliert. An Hoffnung herrscht kein Mangel. Hoffnung gibt es nur im Überfluss. Ihr folgen die Blicke der Menschen, die sich nicht als Christinnen und Christen bezeichnen. Wohin die Hoffnung wohl geht? Es ist spannend, ob sie wirkt.

 

Das Essen auf dem Tisch kühlt immer weiter ab. In einer Weinkaraffe surrt eine Fliege. Die Männer ziehen die Luft schnuppernd durch die Nase. „Nardenöl“, sagt einer der Männer,

„Teuer“, fügt er an. Staunen, Überraschung, eine Wohltat für alle, der Duft hat etwas Beruhigendes, das spüren sie. „Extrem teuer“, sagt einer laut, „zu wertvoll, alles auf einmal auszuschütten“, „eine Schubkarre voller Geld. Schade, soviel Geld wegzuwerfen.“ Die Stimmung beginnt zu kippen. „Das verdient hier niemand!“, es wird lauter. Ein Keil droht die Runde auseinandertreiben.

Wenn die Stimmung umschlagen könnte, dann verabschieden sich die ersten Gäste ganz schnell, „Ich muss nun schon nach Hause. Danke und tschüss.“ Sie nennen noch irgendwelche Gründe und schon fällt die Tür ins Schloss. Doch noch blieben alle sitzen auf ihren Plätzen, starren auf die Frau, wollen wissen, wie es weitergeht. Ist schließlich auch interessant: Eben wurde noch gejubelt, jetzt ist der Grund zum Jubel schon vergessen. Gerade war er noch ein Superstar, bald ist er ein No-Name. Das „Hosianna“, das die Leute anstimmen, hat einen ungleichen Bruder, der heißt „Kreuzige ihn“.

Es dauert weniger als eine Minute und der süße, voll aromatische Duft erfüllt den letzten Winkel des Raums. Der Duft verdrängt das Gemisch aus Küchenduft, frischem Wein und leichten Gesprächen. Er ist so würzig, dass den Kopfschüttlern und denjenigen, die noch länger von Geldverschwendung reden wollen, die Freude am Sticheln vergeht. Ihr Nörgelkonzept gerät aus dem Takt, der Duft, diese plötzliche Fülle an Zuwendung, schiebt sich über ihre miese Stimmung. Es zieht eine Erkenntnis auf, die sagt: Gott scheut die Verschwendung nicht. Das würde sie auch betreffen. Ein Überschwang an Hoffnung ist mehr, als sie je erwartet hätten. So kühn wie die Frau erreicht der Glaube sein Ziel.

Dieses Nardenöl bringt in Erinnerung: Wird das Fläschchen mit dem Öl erst einmal geöffnet, breitet der Duft sich unwiderruflich aus. Ist die Hoffnung erst einmal aktiviert, dann ist die Suche nach einem Erlebnis mit Gott nicht mehr zu bremsen. Das allein schöpft schon aus einer ungeahnten Fülle. Der Gott, für den Jesus steht, spart nicht. Er verschwendet sich. Grundlos aus der Sicht der Menschen, denen er begegnet, im Überfluss, für den er auch kritisiert wird.

Gott ist ein anderes Wort für Großzügigkeit. Er verschwendet sich schon in dem Moment, bevor jemand nach ihm fragt. Vielleicht liegt allein in der Suche nach Gott ein erstes, vorläufiges Finden. Wie so ein Nardenöl: Den Duft Gottes bekommt man, ist er erst einmal freigesetzt, aus dem Leben nicht mehr heraus. Er erinnert an diesen Überschwang, bleibt ein Zeichen und weist über den Moment hinaus.

Die, die eben noch hofften, diese Störung ginge bald vorüber, die gerne wieder von dem Essen genommen hätten, - schade, die großen Schüsseln sind jetzt wirklich nicht warm - merken, dass hier etwas anders läuft. Sie atmen tief durch. Nehmen den üppigen, süßen Duft in sich auf, lassen die dunkle Duftnote auf die Sinne wirken und spüren: Diese Verschwendung gilt ihnen. Das stand nicht auf ihrem Plan für diesen Abend.

In Ihren Taschen, das wissen sie, tragen sie Geld mit sich, nicht viel, aber es ist genug. Einige bilden sich ein, das Gewicht der Münzen, die sie eingesteckt hatten, zu spüren. Sie denken an die Armen, die sie kennen. Sie meinen, dass sie nun wüssten, für wen man einige dieser Münzen gut anlegen könnte.

 

Perikope
09.04.2017
14,3-9

Konfi Impuls zu Palmsonntag

Konfi Impuls zu Palmsonntag
14,3-9

Zur Bearbeitung der Geschichte der Salbung in Betanien setze ich bei den drei Leidensankündigungen Jesu an und frage die Konfirmandinnen und Konfirmanden, was die Jünger ihrer Meinung nach wohl darüber gedacht haben. Woher weiß Jesus das? Warum sagt er das? Ist er verrückt? Er wird doch einen Ausweg finden? Als Gefühle benennen sie Angst, Trauer, Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit. Umstritten ist die Frage, ob die Jünger wohl verstanden haben, was Jesus ihnen sagte. Am Anfang nicht, aber dann nach der Wiederholung schon. Und: Manche blicken’s halt und andere nicht – eine jugendliche Zusammenfassung des markinischen Messiasgeheimnisses?

 

In Anlehnung an die Methode des Bibliologes erkunden wir gemeinsam den Text und vermuten dabei unter den Gästen des Simon auch ein paar von den Jüngern. Immer wieder unterbrechen wir die Lektüre und versetzen uns in verschiedene Personen hinein:

Wie fühlt sich Simon, als Jesus in seinem Haus zu Gast ist?  

Was denkt die Frau, als sie Jesus das Salböl über den Kopf gießt?  

Wie ist das für die arme Magd im Haus von Simon, diese Verschwendung mitzuerleben?  

Wie hört die Frau es, dass Jesus die Gäste zurechtweist und sie dagegen lobt; aber auch, dass sie ihn für ein Begräbnis gesalbt haben soll?


Immer wieder blitzen aus den Antworten der Neid und die Unsicherheit auf:
Neid auf die Frau, weil sie die Aufmerksamkeit von Jesus auf sich zieht und ihn so den anderen wegnimmt. Was erlaubt sie sich? Wieso darf sie das? Die Zeit mit ihm ist doch kostbar!

Neid steckt auch hinter der Frage: Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen?

Hinter dem Zorn der Gäste gegen die Frau mit dem Salböl vermuten die Jugendlichen Unsicherheit: Warum macht sie das? Nimmt sie ihn uns weg? Warum lässt Jesus das zu? Ihm ist doch sonst so wichtig, dass man den Armen etwas gibt – und jetzt findet er eine solche Verschwendung gut? Was gilt denn nun?
Im Hintergrund klingen Erfahrungen der Jugendlichen an von Gruppen, die auseinanderbrechen, wenn ihre Identifikationsfigur nicht mehr da ist: Was passiert, wenn unser Anführer weg ist? Was wird dann aus uns?

 

Ist es denn nun Verschwendung oder nicht? Diese Frage ist für die Jugendlichen eigentlich nicht so wichtig. Zwei Schlussfolgerungen ziehen sie: Es ist nicht nur gut, den Armen etwas zu spenden, sondern auch den Menschen um einen herum (großzügig) seine Liebe zu zeigen. Und: Manchmal ist es gut, Dinge zu tun, die sich nicht „rechnen“. Bemerkenswerterweise fällt einem von ihnen dazu ein Beispiel aus der Kommunalpolitik ein: Wie beim neuen Eislinger Rathaus. Da haben auch viele gefragt: Muss das denn sein, dass es so teuer ist? Ist das nicht Verschwendung? Aber jetzt ist es da und alle finden es gut, dass die Stadt eine neue Mitte hat. Es ist halt mehr als nur ein Rathaus.

 

Miriam Guillet, Pfarrerin, Christuskirche Eislingen-Ottenbach

mit Gwendolin, Nina, Max und Maximilian

Perikope
09.04.2017
14,3-9

Konfi-Impuls zu Markus 12,41-44

Konfi-Impuls zu Markus 12,41-44
12,41-44

Konfi-Impuls zum Sonntag Okuli: Markus 12,41-44

Es geht an diesem Sonntag der „Augen“ um das Sehen, das Wahrnehmen. Dazu gehört das Sehen auf Gott ebenso wie die sensible Wahrnehmung meines Mitmenschen. Genau das tut Jesus in dieser Szene im Tempel. Die Witwe gibt von außen betrachtet wenig, aber im Horizont ihres „Vermögens“ gesehen sehr viel – nämlich ihr ganzes Leben (Mk 12,44).

Daraus könnte sich folgende Möglichkeit zur Vorbereitung des Gottesdienstes in der Konfirmanden-Gruppe ergeben:
Gemeinsam wird überlegt: Wen bewundere ich? Warum gerade diese Person? Vermutlich werden zuerst Stars genannt und die „kirchlichen Heiligen“ aus dem Religionsunterricht, von denen Konfirmanden*innen annehmen, dass Pfarrer*innen davon gerne hören. Vielleicht kommen schon hier Menschen zur Sprache, die nicht im Rampenlicht stehen (Eltern und Großeltern, Schulhausmeister oder Busfahrerin mit offenem Ohr für Jugendliche …). Wenn solche Personen in dieser Gesprächsphase noch nicht erwähnt werden, kann man in einer zweiten Runde gezielt danach fragen: Gibt es auch Menschen, die keine Stars sind und die trotzdem Wichtiges tun? Aus den Beiträgen der Konfirmanden*innen wird für den Gottesdienst eine Präsentation erstellt, die zur biblischen Geschichte hinführt. Am Ende der Predigt steht ein Beitrag der Konfirmanden-Gruppe: „Auf diese Menschen möchte ich achten …“.

Eine weitere Möglichkeit, die Perikope in den Kontext der Konfirmandenarbeit einzubringen, wäre: Jesus richtet seinen Blick auf eine Frau, die am Rande des gottesdienstlichen Geschehens steht. Oft fühlen sich auch Konfis so, als ob sie nicht „richtig“ dazugehören. Das erkennt man häufig an ihren Sitzplätzen in der Kirche, aber auch an anderen „Abständen“ zur Gottesdienstgemeinde. Dabei bringen sie sich an vielen Punkten im Konfirmanden-Jahr in das Leben der Gemeinde ein - trotz des engen Zeitkorsetts, in das viele von ihnen eingezwängt sind. Das wird aber meist von Kirchengemeinderat und der sog. „Kerngemeinde“ für selbstverständlich genommen (oft habe ich von Kirchengemeinderäten den Satz gehört: „Bei uns haben die Konfirmanden schon immer den Gemeindebrief verteilt, die Kirche geputzt, beim Seniorennachmittag Kaffee ausgeschenkt  …“). Der Predigttext könnte dazu anregen, diese praktische Gemeindearbeit der Jugendlichen zu sehen und wertzuschätzen. Vielleicht durch eine Vorstellung ihrer Gemeindepraktika oder einfach durch ein Gespräch darüber im Kirchengemeinderat verbunden mit einem Dank im Konfirmationsgottesdienst. Hilfreich sind dabei die Denkwerkstattkarten des ejw (http://www.ejwue.de/arbeitsbereiche/ejw-denkwerkstatt/konfiarbeit) – insbesondere die „Einstiegskarte“ Nr. 5 (Seriennummer 6.1.6), die Konfis und die „übrige“ Gottesdienstgemeinde zeigt und das mit konkreten Impulsfragen verbindet.

 

Ulrich Erhardt, Evangelisches Pfarramt Niederstotzingen , ulrich.erhardt@elkw.de

 

Perikope
19.03.2017
12,41-44

Wer gibt, kann selig werden! – Predigt zu Markus 12,41-44 von Lucie Panzer

Wer gibt, kann selig werden! – Predigt zu Markus 12,41-44 von Lucie Panzer
12,41-44

Geben ist seliger als Nehmen! Mit dem Satz kann man sich motivieren, Gutes zu tun. Man kann damit sich und andere auch unter Druck setzen. Geben ist seliger als Nehmen! Wer gibt, ist besser als der, der nimmt. Also: Gib! Auf keinen Fall solltest du darauf angewiesen sein, zu nehmen.
Das Sprichwort kommt aus der Bibel. Jesus hat das gesagt und Paulus begründet damit, wie er sich verhält. In jeder Gemeinde, in die er als Missionar gekommen ist, hat er selber für seinen Lebensunterhalt gearbeitet. Niemand sollte ihm nachsagen, er hätte das nur für Geld getan und die anderen ausgenommen. Ich habe euch gegeben, was ich hatte, sagt er damit. Genommen habe ich nichts. Geben ist seliger als Nehmen!
Sind die also die besseren Menschen, die geben statt zu nehmen? Und die besten die, die am meisten geben? Die - so wie Paulus - sich aufopfern für die anderen und nichts dafür haben wollen? So könnte man das Sprichwort ja verstehen. Selig – fast schon ein Heiliger ist jeder und jede, die Opfer bringen. Erst recht, wenn es einem richtig schwer fällt, was man tut. Wenn man also nicht nur ein paar Euro irgendwo in einen Spendenkorb wirft, sondern so spendet, dass es richtig weh tut. Oder Aufgaben übernimmt, die sonst keiner machen will. Das macht selig. Selig klingt ja zunächst einmal, als ob man dafür in den Himmel kommt.
Generationen von Frauen haben sich damit schön geredet, dass sie alles für die Familie getan haben und sich aufgeopfert und kaum einen Dank dafür bekommen haben. Geben ist seliger als Nehmen! Ein Satz, mit dem man die Opferbereitschaft erhöhen und den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen kann. Denn wer möchte nicht gern als ein guter Mensch dastehen!

Ich glaube, Jesus sieht das anders. Er schaut genau hin. Es wird folgende Geschichte von ihm erzählt, sie könnte so etwas wie ein Kommentar sein zu diesem Sprichwort vom Geben und Nehmen.

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das ist ein Heller. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte. (Mk 12,41-44)

Zuerst einmal sieht Jesus die Reichen, die Wohlhabenden, würde ich lieber sagen. Bei den Reichen denkt man zu leicht bloß an die, die eine Yacht auf dem Mittelmeer haben, Millionen auf dem Konto und Wohnungen in St Moritz, Berlin, New York und Florida. Den Wohlhabenden also sieht Jesus zu. Die geben viel. Viele Wohlhabende geben viel. Das ist das erste, was Jesus sieht. Und das ist bis heute so. Gott sei Dank. Viele Wohlhabende engagieren sich großzügig als Stifter und Spender. Man muss da nicht nur an Bill Gates denken und an Mark Zuckerberg. Gut verdienende Fußballspieler stecken viel Geld in Projekte für bedürftige Kinder. Ein Fabrikant für Dübel und Schrauben errichtet eine Kunsthalle. In vielen Gemeinden gibt es Kirchenstiftungen, ohne die manche Gotteshäuser gar nicht erhalten werden könnten. Da kann man sich auch mit kleinen Beiträgen beteiligen.
Viele Wohlhabende engagieren sich für das Allgemeinwohl. Manchmal ganz im Stillen, aber oft steht es auch in der Zeitung, oder im Fernsehen wird darüber berichtet. Gutes tun ist gut für das Image. Und man kann es von der Steuer absetzen. Das ist überhaupt nicht ehrenrührig. Damals im Tempel war es genauso. Die Wohlhabenden sagten den Tempeldienern, was sie in die Opferstöcke einwarfen. Und das wurde dann laut ausgerufen. Tue Gutes und rede darüber. Warum nicht. Vielleicht spornt das andere an. 
Natürlich geben sie von ihrem Überfluss, die Wohlhabenden. Jesus weiß das und sieht das. Aber deshalb ist es ja nicht weniger wert! Vieles könnte nicht passieren ohne Fördervereine und Stiftungen, in denen sich Wohlhabende engagieren. Gut, dass es sie gibt, wahrscheinlich noch viel mehr, als öffentlich bekannt ist.
Für Jesus ist das anscheinend selbstverständlich, dass Menschen das tun. Die Starken können mehr schultern als die Schwachen, die Leistungsfähigen mehr als die Leistungsempfänger. Das Steuersystem funktioniert so und die Krankenkassen – und das ist gut so. Was ich habe, das habe ich bekommen. Ich habe auch dafür gearbeitet, gewiss: Aber das kann ich ja nur, weil ich gesund bin, Begabungen habe, eine gute Ausbildung, Talent, Fleiß, Disziplin. Gaben, die nicht jeder hat und nicht jede. Was ich habe, das habe ich geschenkt bekommen. Wer viel bekommen hat, der kann auch viel geben. So sieht Jesus das.
Und das ist genau genommen kein Opfer. Nichts, das den Wohlhabenden schwer fallen müsste. Denn: Geben macht selig! Selig – im griechischen ist das das Wort für „glücklich“. Geben macht glücklich. Wer gerne schenkt, kann das spüren. Die Freude, die mein Geschenk auslöst – die freut einen gewissermaßen zurück. Ich bin glücklich, wenn ich sehe, wie sich der andere freut. Wie es ihm gut tut, was ich für ihn getan habe. Und solche Freude ist nicht nur ein gutes Gefühl. Der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer sagt: Anderen zu helfen, ein ehrenamtliches Engagement für andere zum Beispiel, macht nicht nur glücklich, das macht sogar gesund. Der Einsatz für andere kann nämlich vorbeugen gegen Krankheiten wie Bluthochdruck, erhöhten Blutzucker oder zu hohe Blutfette. Sich für andere einzusetzen führt zu höherer Lebensqualität. Vielleicht muss man also eigentlich sagen: Wer glücklich werden will, der sollte für andere sorgen. Geben ist seliger als Nehmen. Geben macht glücklich. Und es muss ja nicht immer Geld sein, das man gibt. Man kann auch anderen zuhören, die Enkelkinder betreuen und so die Kinder entlasten, sich beim Seniorenkaffee einbringen, beim Besuchsdienst, oder mit Flüchtlingskindern Deutsch lernen. Es gibt viele Möglichkeiten. Und eigentlich alle, die sich irgendwo engagieren, sagen: Es tut mir gut, dass ich das kann. Geben macht selig!

Eigentlich komisch, dass es auch das andere gibt: Wohlhabende, die nichts geben wollen. Dass sie es nicht können, kann man ja nicht sagen. Ich habe mir erarbeitet was ich habe, sagen sie. Wieso sollen jetzt andere auf meine Kosten leben? Ich bin doch nicht Schuld, dass es anderen nicht so gut geht wie mir. Und ich kann mich nicht um das Elend der ganzen Welt kümmern. Außerdem: Wer weiß, was die Zukunft bringt. Ich muss vorsorgen, wer weiß, ob es mir morgen noch so gut geht wie heute. Dann fangen die Sorgen an. Die Sorgen um den eigenen Wohlstand. Wie kann ich mein Geld anlegen, dass es nicht an Wert verliert? Es gibt kaum noch Zinsen, Immobilien sind überteuert. Was also tun? Manche bringen ihr Geld in die Schweiz. Da kann ich es zwar nicht nutzen. Es ist sozusagen totes Kapital. Aber ich habe es! Bloß: Freuen kann man sich meistens nicht so richtig über das, was man hat. Wohlstand kann unruhig machen, wenn man ihn für sich behält. Geben dagegen macht selig.
Soviel zu den vielen Reichen, denen Jesus zuschaut, wie sie viel geben.

Aber dann kommt eine arme Witwe. Eine Frau, die eigentlich nichts geben kann. Sie hat nur das allernötigste. Solche Frauen verstecken sich in der Regel. Solche Männer meistens auch. Sie schämen sich, weil sie nichts haben. Wohlstand gilt als Zeichen der eigenen Tüchtigkeit. Wer nichts hat - war der oder die etwa zu bequem? Oder faul? Nicht clever genug? Wer nichts hat, hält sich möglichst im Hintergrund. Es soll ja keiner merken, wie es mir geht. Wer nichts hat, kann sich nicht beteiligen am Leben. Hat kein Geld für Urlaub, kein Geld für modische Kleidung, kein Geld für neue Zähne. Die Kinder können nicht in einen Sportverein, können nicht mithalten mit den anderen und ihren teuren Turnschuhen und den Smartphones. Wer nichts hat, tröstet sich mit billigem Fastfood, das ist ungesund und macht dick. Die Armen sind häufiger auch noch krank, weil sie sich aufgegeben haben und keine Vorsorge betreiben können. Man sieht es ihnen an, dass sie arm sind.
Die Witwe, die Jesus beobachtet, die ist anders. Sie will sich beteiligen. Sie will auch selig werden. Sie will spüren, wie gut das tut, wenn man für andere etwas gibt. Deshalb gibt sie, was sie kann: Zwei Scherflein. Das ist, was sie für einen Tag zum Leben bräuchte. Die Bibel erzählt: Das ist alles, was sie hat. Aber sie will beteiligt sein. Sie zeigt mit ihrer Spende: Dieser Tempel ist auch mein Tempel. Nicht bloß der Tempel der Wohlhabenden. Ich trage auch dazu bei, dass er unterhalten werden kann. (Was in den Gotteskasten eingelegt wurde war eine Art Kirchensteuer. Zu einem Teil für die Unterhaltung des Tempels und die Bezahlung der Priester und Angestellten. Ein anderer Teil war für die Armenfürsorge.) Es ist wenig, was sie beiträgt, aber sie trägt etwas bei. Sie hält sich nicht raus. Ihre Armut hat sie nicht passiv gemacht. Vielleicht ist sie sogar ein bisschen stolz, dass sie auch etwas geben kann. Ein bisschen glücklich. Selig eben.
Aber, sagen Sie jetzt vielleicht: Ist das nicht schlicht leichtsinnig und leichtfertig, was sie tut? Wie kann sie alles weggeben, was sie hat? Morgen wird sie womöglich betteln müssen – und für den Tempel haben ihre zwei Scherflein eigentlich doch gar nichts gebracht. Solche Sorgen macht die Frau sich anscheinend nicht. Sie denkt offensichtlich nicht an morgen. Die Sorgen um das Morgen sind es ja, die das Herz eng machen und geizig. Ich habe nichts abzugeben, ich muss sehen, wie ich selber durchkomme. So reden alle, die sich Sorgen machen. Und viele sehen gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht. Sehen nur ihre Sorgen – und haben nichts übrig für die Hilfsbedürftigen. Kein Geld. Kein Mitgefühl. Keine Zeit.
Die Frau mit den zwei Scherflein macht sich offenbar keine Sorgen. Oder vielleicht doch? Aber das Geben ist ihr wichtiger. Dass sie sich freuen kann, weil sie sich beteiligt hat an einer guten Sache.
Wie kann sie das? Wie kann man so sorglos leben? Ich weiß es nicht. Ich kann nur vermuten. Ich glaube, sie vertraut auf Gott. Er hat sie bisher versorgt. Nicht mit viel – aber immerhin hat es immer zum Leben gereicht. Sie hat erfahren, dass es immer gereicht hat. Vielleicht auch, dass zur rechten Zeit Hilfe kam. Wer geben kann, der kann auch Hilfe annehmen, glaube ich. Leichter als der, der immer meint: Ich brauche nichts und niemanden. Die arme Witwe kannte wahrscheinlich das Gefühl schon, dass man aus eigener Kraft nicht mehr weiter kann. Und doch ging es irgendwie. Vielleicht, weil zur rechten Zeit jemand da war, der geholfen hat. Diese Erfahrung haben die nicht, die immer für sich selber sorgen können. Die meinen, sie müssen immer für sich selber sorgen, weil es ja sonst niemand tut. Die deshalb alles, was übrig ist, auf die hohe Kante legen. Die deshalb nie Hilfe brauchen. Die auch keine Hilfe wollen. Die haben diese Erfahrung nicht: Wenn es darauf ankommt, wird mir Gott Hilfe schicken. Das ist ja eigentlich traurig. Wo die Menschen für sich selber sorgen können, da gibt es keine Hilfe für die Bedürftigen. Aber auch kein Vertrauen in die Zukunft. Menschen sind eigenartig…
Die arme Witwe, die Jesus beobachtet, die ist anders. Sie gibt, weil sie etwas geben kann. Und weil sie mithelfen möchte, dass das soziale Gefüge ihrer Welt intakt bleibt. Dass es Hilfe gibt, wo Hilfe gebraucht wird.

Ob ich nun wirklich den Armen raten will, alles herzugeben? Die arme Witwe von damals als Vorbild?
Nein, das will ich nicht. Ich glaube auch nicht, dass Jesus das wollte. Er hat ja auch nicht gesagt, die arme Frau sei der bessere Mensch und die Wohlhabenden irgendwie schlecht, weil sie nicht mehr geben. Er hat beobachtet. Und darauf hingewiesen, was selig macht.
Ich nehme die Frau deshalb zuerst einmal als Vorbild für mich. Ich bin nicht arm. Wahrscheinlich näher bei den Wohlhabenden dort im Tempel als bei der armen Witwe. Aber von der Frau lerne ich: Geben tut gut. Geben macht Freude. Geben macht stolz. Wer geben kann, kann sich aufrichten. Und es muss ja nicht Geld sein. Ich kann auch Zeit geben, Mitgefühl, Fürsorge, Arbeitskraft. Wer gibt, kann wahrscheinlich auch leichter nehmen, wenn es nötig ist.
Das alles lerne ich von jeder armen Witwe. Und vielleicht finden auch Sie sich wieder in dieser Geschichte. Mehr bei ihr – oder mehr bei den Wohlhabenden. Jesus sieht beide.
Amen

Perikope
19.03.2017
12,41-44