KONFI-IMPULS zu 1. Petrus 2,2-10 von Judith Reinmuth-Frauer
Konfi-Impuls zu 1. Petrus 2, 1-10
1. Annäherung an den Text:
Wir lesen in der Konfi-Gruppe den Text reihum laut vor. Nach einer weiteren stillen Lektüre frage ich, wo sie spontan hängen bleiben. Genannt werden:
- Vers 5: „Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause …“
Das spricht manche an, weil hier alle zusammenwirken und gemeinsam ein Haus bilden. Die Zusammenarbeit und Gemeinschaft werden hier betont.
- Vers 1: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede.“
Das wird als wichtige Voraussetzung für Frieden und ein gutes Miteinander angesehen.
- Vers 6: „… einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, soll nicht zuschanden werden.“
Den Eckstein verbinden sie mit Jesus.
- Vers 9: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk …“
Manchen fällt auf: Hier wird besonders gesprochen vom Volk, es hat ein hohes Ansehen.
- Vers 9: „... dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat.“
Das bedeutet für sie: Alle sind wichtig zur Verkündigung.
2. Mögliche weitere Arbeit an dem Bibeltext:
a) Das Bild vom Haus und den lebendigen Steinen vertiefen:
Welche Steine bilden dieses geistliche Haus? Was für einen Funktion haben sie jeweils?
Hier können Menschen aus der Gemeinde genannt werden: ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende sowie andere Gemeindeglieder.
Welche Steine seid ihr? Welche Stein-Eigenschaften möchtet ihr zum Haus beitragen?
Mögliche Antworten: verlässlich sein, Ecken und Kanten zeigen, einzigartig sein, andere stützen. Eine kreative Idee wäre, Steine mit den Antworten zu beschriften.
Was macht ein Eckstein? Wofür wird er gebraucht? Inwiefern ist Jesus der Eckstein?
Hier kann deutlich werden, dass Jesus das Haus stützt, Stabilität gibt und das Zentrum ist.
b) Das Gemeindebild von der königlichen Priesterschaft näher betrachten:
Was heißt es, wenn wir alle „Priester“ sind?
Hier kann die Bedeutung und Aufgabe jedes einzelnen Gemeindegliedes deutlich werden:
Nicht nur einer ist der Priester, sondern alle sind gefragt.
Ein Bogen zur Reformation und zum Priestertum aller Gläubigen kann geschlagen werden.
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Predigt zu 1. Petrus 2,2-10 von Eva Rincke
Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.
Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als die lebendigen Steine erbaut euch zum geistigen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.
Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“
Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist „der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und des Ärgernisses“ (Psalm 118,22; Jesaja 8,14); sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind.
Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst „nicht ein Volk“ wart, nun aber „Gottes Volk“ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).
Liebe Gemeinde!
Stellen Sie sich einen Bergsee vor. Von weiter oben sieht man seine Umrisse: Eine Küstenlinie ohne Anfang und Ende, aber kein geometrisches Rund, sondern ein lebendiges, mit einzelnen kleinen Buchten. In Ufernähe kann man auf den Grund blicken. Weiter zur Mitte hin wird der See dunkel; die Tiefe dort ist ein Geheimnis. Ruhig liegt er da, glänzend die Fläche des Wassers, Wolken spiegeln sich darin.
Die Worte, die wir gehört haben, vergleiche ich mit solch einem See: Gleichmäßig sind sie in ihrer Sprechart – voller poetischer Bilder und Zitate, die sich aneinanderreihen, ohne logische Schlussfolgerungen oder gar Argumentationen. Eine regelmäßige und geschlossene Form. Mancher kann mit den Bildern etwas anfangen, sie zuordnen und insofern auf den Grund blicken. Aber auch die bibelfesteste Person wird zugeben, dass sie nicht die Tiefe aller Worte erfassen kann. Das ändert nichts an der Schönheit dieser Worte. Sie glänzen, auch ohne dass ihre Bedeutung exakt erklärbar ist. Die Seele kann sich in ihnen spiegeln.
Ohne dass Sie darüber groß nachgedacht haben, haben Sie heute Morgen entschieden, wie Sie diesem Bergsee-Text begegnen: Ob Sie den See wie ein Wanderer von einem entfernten Punkt aus betrachten, ob Sie ihn umrunden oder ob Sie zum Baden hineinspringen.
Diese Entscheidung haben Sie getroffen aufgrund Ihrer Grundeinstellung, aufgrund dessen, was Sie aus der Bibel kennen und aufgrund Ihres Umgangs mit dem, was Sie nicht wissen können. Denn niemand kann genau „wissen“, was ein Autor, eine Autorin ausdrücken will. Der oder die hat ja selbst nicht bis in die letzte Einzelheit Zugang zur eigenen Kreativität.
Auf einige von Ihnen wirken diese Petrus-Brief-Worte wie eine Botschaft aus weiter Entfernung. Zu Ihrem Leben gehört es, kirchliche und gesellschaftliche Themen gleichermaßen zu durchwandern. Sie halten viel von einer christlichen Kirche, die den Schwachen beisteht und politisch Stellung nimmt. Sie warten im Gottesdienst auf Stärkung und guten Grund für das, was Sie im Alltag als Christinnen und Christen sagen, tun und lassen. Sie haben einen Sinn für poetische Worte, aber nach dem Psalm und zwischen den Liedern sollte es konkret werden. Das sind die Worte von der „lauteren Milch“ und dem Eckstein nicht; Sie können sie vorüberziehen lassen wie den Anblick eines Bergsees. Auf Ihrer Wanderung ist er eine schöne Aussicht, aber die hilft nicht dabei, den nächsten Anstieg zu bewältigen.
Andere von Ihnen umwandern diesen Bergsee aus Worten. Jeder wählt sein Tempo. Man schaut nach den Spuren der Vorgänger, man bleibt stehen, hört die Worte, die er flüstert: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden!“
Man erinnert sich an Ostergottesdienste, in denen diese Worte gelesen und gesungen wurden.
Man erinnert sich weiter, dass dies Psalmworte sind, die jahrhundertelang allein vom Volk Israel gebetet wurden. Dass sie Gegenstand der Hoffnung und des Glaubens waren, lange bevor Jesus geboren wurde.
Man hat auch im Kopf, dass große Gewalt sich darin begründete, dass Christen sagten, nun sei eindeutig und unwiderlegbar diese Prophezeiung in Jesus erfüllt und der Glaube des Volkes Israel insofern überholt und wertlos.
An einer Stelle rauscht das Wasser folgenden Satz: „Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist.“
Die Wandernden schauen durch diese Worte wie durch klares Wasser auf den Grund, und sie können erkennen: Die Milch steht für die Wahrheit. Auf vielen Bildern und Skulpturen haben sie dies schon so dargestellt gesehen. Die Wahrheit, das ist für den Christen der Glaube an Gott. Trinke den Glauben, dann kannst du leben! Trinke den Glauben, und du wirst wachsen!
Der Gang um den See bietet noch viele andere Stationen. Es stechen hervor: Die Erinnerung an die Priesterschaft Israels, die Idee der Erwählung und die Frage danach, ob es sein kann, dass Gott Menschen zum Unglauben bestimmt hat. Jedes dieser nur angedeuteten Themen lädt ein, lange zu bleiben, sich viel Geschichte und viele Geschichten erzählen zu lassen und noch mehr zu diskutieren. Von jeder dieser Stationen muss man sich am Ende losreißen, ohne eine Einigkeit erlangt zu haben. Denn es ist, aber das war von vornherein klar, nicht das kleine Einmaleins, von dem hier gesprochen wird.
An einem Punkt des Weges trifft der Teil der Gemeinde, der zu den Uferwanderern gehört, auf diejenigen von Ihnen, liebe Gemeinde, die sich zum Baden ins Wasser gestürzt haben. Intuitiv haben Sie diese Entscheidung getroffen. Dabei hatten Sie gar nicht den See als ganzes im Blick, sondern eine bestimmte Stelle, an der das Wasser so schön war.
Vielleicht war es der Ausdruck von Jesus als dem lebendigen, kostbaren Stein, der Sie beflügelt hat: Der Stein, kalt und unpersönlich, aber attraktiv durch die Festigkeit, die er bietet, bekommt in diesem Ausdruck Seele und Puls. Oder Sie gingen mit dem Gedanken vom Ruf aus der Finsternis ins Licht mit und konnten sie förmlich spüren, die große Möglichkeit – sich herausziehen zu lassen aus Traurigkeit und kleinem Mut, zu gehorchen und dabei das Leben, Gnade und Gemeinschaft zu gewinnen.
Es kann sein, dass ich Sie doch nicht so gut kenne, wie ich meine, und Sie sehen das alles ganz anders. Einige von Ihnen werden mir das nachher sagen. Es kann auch sein, dass wir es gemeinsam haben, wechselnd manchmal entfernter Betrachter, manchmal Erforscher, manchmal Schwimmerin zu sein. So, wie unsere Seelenlage es uns eingibt. So, wie es die politische Lage uns nahelegt. So, wie unsere Aufnahmefähigkeit es uns ermöglicht.
In Amerika hat mein Sohn „SparkNotes“ kennengelernt, in denen, wie er sich ausdrückte, „hohe Literatur für Dümmere zusammengefasst wird“. Für unsere Petrus-Brief-Worte könnte der Eintrag lauten: „Verlasst die Kirche nicht. Sie ist das gottgewollte Haus, in dem ihr mit Jesus zusammen seid.“
Dumm ist das nicht. Und man kann es sich merken.
Was fehlt, merken Sie selbst. Allerdings hat diese Kürzung auch Vorteile: In der Zusammenfassung fehlen dann auch zum Beispiel die Sätze, die das christlich-jüdische Gespräch belasten.
Und doch wissen alle: Der gute Ausgang eines Gesprächs entscheidet sich nicht an seinem Gegenstand, sondern an den Menschen, die dies Gespräch führen. Gut ist es, wenn diese Menschen geübt darin sind, die Perspektiven zu wechseln. Wenn sie die große Distanz eintauschen können gegen das Eintauchen, wenn sie genau überlegen und nachforschen können und gleichzeitig wissen, dass keine Genauigkeit die Macht der Gefühle wird bannen können, die Worte in uns auslösen.
Dafür sind diese Worte des Petrus-Briefs ein schönes Beispiel. Ein Bergsee. Kalt und blau, glitzernd, durchsichtig, von unbekannter Tiefe, ein Spiegel, sehr alt. Wie ein kostbarer Stein liegt er im Licht dieses Sonntags.
Amen.
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Predigt zu 1. Petrus 2,2-10 von Antje Marklein
Einstieg: Gespräch unter Jugendlichen über Taufe (kann erzählt oder besser mit verteilten Rollen gesprochen werden)
Pausengespräch in der Marie-Curie-Schule letzte Woche, 3 Jugendliche aus der siebten Klasse:
Anna: habt ihr am Wochenende Zeit? Gehen wir zum Schützenfest? Ich kann nicht, sagt Emina, Sonntag ist der letzte Tag der Fastenzeit, Ramadan, - sie rückt ihr Kopftuch zurecht - und dann ab Montag feiern wir Fastenbrechen. Da will ich zuhause sein.
Wie du das aushältst, wirft Leonie ein. Den ganzen Tag ohne Essen und vor allem ohne Trinken. – Naja ganz so schlimm ist es für mich ja nicht, sagt Emina, ich darf ja Ausnahmen machen, bin ja noch ein ‚Kind‘. Und du, Leonie, fragt Anna: kommst du mit am Sonntag? Nein, ich kann auch nicht. Mein Cousin wird getauft, und ich will oder soll mit dabei sein, weil ich ja auch vor der Konfirmation noch getauft werde.
Emina: Ach, dann kannst du mir ja mal erklären was das soll mit der Taufe? Mit Wasser und Orgelmusik, habe ich mal im Fernsehen gesehen. Ja, sagt Leonie, mit der Taufe wird man Christ, - ich dann wohl eher Christin - gehört zu Jesus oder so.
Emina: Wie oder so, was heißt denn das? Wie fühlt man sich dann? Anders als ohne Taufe?
Da fällt Anna ins Gespräch: Also ich bin in der Osternacht getauft worden, das war feierlich, mit Kerzen und vielen netten Worten der Pastorin über mich. Dass ich einmalig bin und dass Gott mich lieb hat. Und das jetzt ein neues Leben beginnt. Und dann gab es ein Fest in der Familie. Aber ich fühle mich nicht anders als vorher. Und man sieht es mir wohl auch nicht an. Bin jetzt evangelisch. Du weißt doch: Luther und so.
‚Luther und so‘ - Woran erkennen wir evangelische Christen? Irgendwie haben es die Moslems leichter, zumindest die, die ein Kopftuch tragen. Die kann man ansprechen, weil sie ihre Religion sichtbar tragen. Und oft auch leben, zum Beispiel gerade jetzt im Fastenmonat Ramadan.
Woran also sind wir evangelische Christen zu erkennen?
Vielleicht erhalten wir eine Antwort auf diese Frage im Predigttext aus dem 1. Petrusbrief.
P. Text in Auszügen verlesen
Christus der lebendige Stein – und wir als lebendige Steine, die ein geistliches Haus bauen. Welch ein starkes Bild. So wird Christsein konkret, oder?
Aber will ich ein Stein sein? Steine sind kalt, unbeweglich, man legt einander Steine in den Weg – so sagt man, Pflastersteine werden bei Demonstrationen als Waffen geworfen, Menschen wurden früher gesteinigt, und ein Grabstein ist auch nicht lebendig.
Steine können auch lebendig sein, erzählen ganze Lebensgeschichten, Steine waren in der –‚Steinzeit‘- wichtige Werkzeuge, halfen beim Feuermachen, Steine prägen eine Landschaft, Edelsteine schmücken Menschen, und auf jüdischen Friedhöfen werden nicht Blumen sondern Steine auf die Gräber gelegt.
Ihr seid, so sagt es der Verfasser des Petrusbriefes, lebendige Steine, die ein geistliches Haus bauen. Ja, wenn unsere Kirche ein Haus aus lebendigen Steinen ist – dann schauen wir uns die lebendigen Steine einmal an. Das sind dann wir, die Christen und Christinnen, aus denen dieses Haus gebaut ist. Vielleicht kann man uns daran erkennen?
Unsere Gemeinde, das Haus der lebendigen Steine. Die Menschen, die in unserer Kirche bzw. unserer Gemeinde ein- und ausgehen, sind die lebendigen Steine. Sie beleben diese Gemeinde, sie erst machen die Kirchen zu Kirchen und die Gemeindehäuser zu Gemeindehäusern. Und auch all die, die hier arbeiten, als Haupt- und Ehrenamtliche, sind solche lebendigen Steine.
So könnte also eine Antwort von Anna lauten: Als Christen sind wir erkennbar weil wir miteinander das Haus aus lebendigen Steinen bilden.
Und – was für ein Stein bin ich, sind Sie?
Bin ich ein Stein, der einen festen Platz hat – oder werde ich noch hin- und hergeschoben bis ich meinen Ort gefunden habe? - Wer steht neben mir und stützt mich? - Wem bin ich eine Stütze? - Wo habe ich meinen Platz in diesem geistlichen Gebäude, das wir Kirchengemeinde nennen? Und – möchte ich eigentlich lieber anderswo stehen? Bin ich ein Stein des Anstoßes? Jeder Stein ist einmalig. Jeder Stein passt an einen Platz, ohne dass er abgeschliffen oder gekürzt werden muss. Wie in einem Mauerwerk, wo Steine aufeinander aufgebaut stehen, so sind auch wir in unserer Gemeinde aufeinander angewiesen. Ohne uns gäbe es die Gemeinde nicht. Und so einmalig, wie jeder/jede einzelne sich hier einbringt, so einmalig und bunt ist auch das was uns dann als Christen erkennbar macht: die eine engagiert sich diakonisch, ein anderer hat einen kulturellen Schwerpunkt, die dritte hat besonders Jugendliche im Blick, ein vierter setzt sich politisch im Stadtteil für Flüchtlinge ein und die fünfte macht gern Musik. Jemand kann gut reden, eine andere kann gut mit Zahlen umgehen… Und jeder einzelne lebendige Stein findet da seinen Platz, wo er hinpasst.
Getragen werden wir alle, so verschieden wir sind, von einem Eckstein, einem Fundament, das uns Sicherheit gibt: Unser Glaube ist dieses Fundament, manchmal ganz klein, und doch stark und unverrückbar.
Heute, am Taufsonntag, werden an vielen Orten Tauffeste stattfinden. So werden neue lebendige Steine in diesem Haus aufgenommen, sie werden mit der Zeit ihren eigenen Platz einnehmen. Durch die Taufe werden Kinder und Jugendliche ihren Platz bei uns finden, und mit ihnen und den vielen anderen werden wir weiter bauen an dem Haus der lebendigen Steine.
Leider geschieht auch das andere: Menschen treten aus unserer Kirche aus, Kirchen werden entwidmet, Gebäude werden abgerissen oder umfunktioniert (Konkretion Region Hannover vergangene Woche, 1 evangelisches und ein katholisches Kirchengebäude). Wie steht es beim Prediger Salomo: alles hat seine Zeit. Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit. Bauen hat seine Zeit, abbrechen hat seine Zeit. Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit. Ja, ich denke tatsächlich dass unsere jetzige Zeit eine solche Krisenzeit ist, in der innerhalb (und außerhalb) der Kirche vieles im Wandel ist. Transformation - mit diesem Begriff können wir vielleicht die Krise als Chance begreifen. Ich muss im Wandel keinen Verlust sehen, sondern kann ihn als Aufbruch zu Neuem begreifen. Eine Neuausrichtung ist angesagt, um die alte Botschaft, unser Fundament, tragfähig zu machen für die sich wandelnde Gesellschaft. Es kommen neue lebendige Steine hinzu, die ihren Platz suchen. Und das ist gut so. Umso wichtiger ist es dass wir sprachfähig sind bzw. werden, dass also Anna Emina erklären kann, was für sie evangelisch sein bedeutet…
Zur Zeit Martin Luthers, vor knapp 500 Jahren, gab es auch einen großen gesellschaftlichen und kirchlichen Wandel. Luther war es wichtig, dass an diesem Wandel möglichst viele Menschen aktiv beteiligt waren. Priestertum aller Getauften, so nannte er das Fundament, auf dem er die evangelische Kirche gründete: Alle Getauften sind Priester, gestalten Kirche mit, leben ihren Glauben aktiv und verantwortlich. Deshalb hat er die Bibel ins Deutsche übersetzt, damit alle sprachfähig werden über ihre Glauben; deshalb hat er die Sonderrechte von Priestern abgeschafft, damit die Kirche für das Volk da ist. Luther war wichtig, dass in dieser Zeit der Reformation die Christen mitwirken, mitgestalten – so wie lebendige Steine im Gebäude.
So kann sich Anna gut auf Martin Luther berufen, wenn sie ihren evangelischen Glauben erklären will. Sichtbar sind wir evangelischen Christen in dem, was wir ausstrahlen und in dem was wir gemeinsam bauen und bewegen. Unser Engagement macht uns glaubwürdig und erzählt von unserem Glauben. Vielleicht kann Anna mit Emina darüber ins Gespräch kommen können, was Glaube jeweils für sie bedeutet. Vielleicht nimmt Anna ein paar Steine in die Hand, dann wird es anschaulich. Das Haus der lebendigen Steine. Vielleicht lädt Emina Anna morgen zum Fastenbrechen ein. Und dann kommt Emina einmal mit ins Gemeindehaus. Und im Laufe ihres Erwachsenenlebens wird Anna dann ihr Evangelisch-Sein immer mehr mit Leben füllen können und mehr sagen können als: ‚ du weißt doch: ‚Luther und so‘!
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Predigt zu 1. Petrus 2,1-10 von Jochen Riepe
I
Umfrage *: ‚Und was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung am Sonntag?‘ ‚Ich gönne mir den Gottesdienst‘, antwortete die alte Dame, ‚und dann ein gutes Mittagessen‘. Die Konfirmanden sahen sie an wie eine wundersame Fremde . Mittagessen, ja, aber Gottesdienst, Predigt, alte Lieder: ‚sich gönnen‘ oder gar ‚genießen‘?
II
Der Mensch ist ein Säugetier, sagen die Zoologen, und ein kleines Menschenkind, das nicht saugen, ‚ansaugen‘, kann oder will, bereitet seinen Eltern große Sorgen. Zum Saugen an der Mutterbrust gehört wohl durchaus etwas Heftiges, Gieriges und Begieriges … ein anderer muß schließlich mir geben, was ich brauche, damit ich zufrieden und satt, eben gestillt bin. ‚Junge, schling doch nicht so‘, an diese Ermahnung muß ich heute noch denken, wenn ich hastig oder eben gierig esse. Peinlich, dabei beobachtet zu werden: Es nimmt mir doch keiner etwas weg. Es neidet mir doch keiner mein Essen.
III
‚So seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch dieselbe zunehmt zu eurem Heil.‘ Petrus, liebe Gemeinde, nimmt das Urerleben des Menschen, des Säugers, auf. Das von Gott ‚auserwählte Geschlecht‘, die ‚königliche Priesterschaft‘ darf ihr Verlangen, ihre Begierde zeigen. In einer Umwelt, damals und heute(?), da die Weisen vornehm zu Maß, Kontrolle und Ansichhalten raten, zum autarken Menschen, da gesteht er den Christen die Heftigkeit eines Säuglings zu: Saugen und Schmecken, ‚daß der Herr freundlich ist‘. Sinnliches, Archaisches und Geistliches, Gehobenes kommen im Ruf des Apostels eigentümlich zusammen: Nehmt auf das Wort wie die Kinder die Muttermilch – ‚Wortmilch‘ hat man das genannt**.
IV
Aber eben: Ist das nicht peinlich und beschämend, dieser Wortmilch zu bedürfen und das auch noch zu zeigen und zu leben? Petrus nennt die Christen solche, die Fremde und Beisassen in der Welt sind, solche, die neben dem Haus wohnen. Gilt für die Hausbewohner das Ideal der Genügsamkeit und soz. Selbstversorgung, so zeigen sie ganz deutlich: Zu meinem Leben gehört Fremdes, Anderes, was mir von außen zukommt. Zu meinem Leben gehört wenn man so will: die große Brust unseres Gottes, die er uns in Christus reicht. Ja, da mögen manche abgeschreckt sein – Gottesdienstbesucher haben bekanntlich kein gutes Image; ‚der hat’s wohl nötig‘, sagen die Selbstversorger -, aber diese unsere Verletzbarkeit oder dieses Schamgefühl – wir können sie bedeckt sein lassen in dem Haus, das mit Christus als Eckstein für uns erbaut wurde
V
‚Ich gönne mir den Gottesdienst und anschließend ein gutes Mittagessen‘, sagte die alte Dame den Konfirmanden und verband auf ihre Weise Sinnliches und Geistliches, ja, wie eine ‚wundersame Fremde‘. Darf man so -auch über alte Damen - sprechen: Ihre sinnliche Begierde, ihr animalisches Verlangen nach Nährendem und Aufbauendem, eben: Stillendem wurde in dieser Weise nobilitiert, eine Stufe höher gehoben in eine gleichsam scham- und konfliktfreie Zone, eine Zone ‚guten Mutes‘***. Im Hause der Christen, diesem königlichen Beisassen-Haus, an dem wir alle tätig mit bauen dürfen, wird ein Wort gesprochen, gereicht und ausgeteilt, das den Hunger des Leibes und der Seele, das große schwarze Loch, diese bodenlose Unzufriedenheit, die uns manchmal überfällt, überschreitet und uns aus Angst und Selbstfixierung befreit: ‚Bekomme ich auch genug? – Hat der andere mehr bekommen? – Wie lange reicht die Quelle meiner Befriedigung noch?‘
VI
‚Wortmilch‘ -,vernünftige und lautere Milch‘… Gewiß, liebe Gemeinde, und darum sind für Petrus dieses etwas überraschenden Eigenschaften wohl wichtig: Milch, befriedigende und nahrhafte Milch wird uns genug versprochen und empfohlen und mag es in der Weise von Schnaps und Tabletten sein. Es gibt auch Reden oder Schlag-Wörter, die Menschen gierig aufnehmen und die sie buchstäblich besoffen machen – auch uns in Dortmund ist nicht fremd, wie rechtsradikale Slogans Menschen auffüllen und dumm machen. Meine Sehnsucht und mein Verlangen, ja: der Sauger in mir, kann alles mögliche aufnehmen, verschlingen, die größten Dummheiten und die höchsten Kulturgüter – und doch bleibt der Mensch innerlich leer, unzufrieden, deprimiert oder aggressiv, wenn er nicht zuvor – ja, mit dem Zeichen des Christus versehen, mit diesem ‚Eckstein‘ fundiert wurde. Wenn dieser Eckstein fehlt, wird aus dem Hause der Christen, und mag es noch so schön und groß sein, mögen ihre Gottesdienste noch so feierlich sein, eine unvernünftige, trübe Still- oder Bierstube, eine Bedürfnisbefriedigungsanstalt, in der man vielleicht voll, aber nicht satt wird: ‚Vernünftig und lauter‘ sind nur jene Milch und jenes Wort, die aus dem Christus fließen.****
VII
Der Mensch ist ein Säugetier – das ist die Einteilung und Zuordnung der Zoologen und wir sollten lernen, mit diesem Animalischen in uns zu leben. Mit diesem bleibendem Lebenshunger. Der Mensch muß saugen, beißen, kauen, schlucken, Hunger und Durst stillen, aber in all dem soll er doch jenseits der nackten Begierde – Freiheit und Genuß erfahren, also es sich schmecken lassen dürfen, sich etwas gönnen dürfen. Auf der Website einer psychosomatischen Klinik lese ich: ‚Weil wir auf nichts mehr gierig sein dürfen, leiben wir uns auf verrückte Weise ein, wonach uns gar nicht gelüstet‘. Das ist bekannt und oft gesagt: Gier, Begierde, die verboten und unterdrückt wird, sucht sich ihre eigenen –verrückten –Wege. Sie nimmt das Nächstbeste oder Fernste, sucht verzweifelt, es sich einzuverleiben, um es dann wieder auszuspucken oder zu erbrechen. Gier, die benannt und gleichsam in der Christus-Vernunft gutgemacht und zugelassen ist, ein Säugetier, das auch Säugetier sein darf, hat die Chance,in seinem Verlangen begrenzt und ausgerichtet zu werden und so im Hause der Beisassen, der bei oder neben dem Haus Wohnenden, befriedet zu werden. Die Sorge, nicht genug zu bekommen; der scheele Blick, daß der andere das mir Zustehende nimmt, weicht der Freiheit der Zurückhaltung und des miteinander Teilens. Wie gesagt: eine Chance – nicht umsonst nennt Petrus ja ‚Bosheit‘, ‚Heuchelei‘, ‚Neid‘ und ‚üble Nachrede‘ als die die Christen immer neu gefährdenden Mächte.
VIII
‚Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein‘ … ‚Wortmilch‘. Die alte Dame drückte eben dies wundersam fremd und wundersam konkret aus: Wir dürfen uns Gottes Freundlichkeit gönnen und auch ein gutes Mittagessen.
*anläßlich einer Unterrichtsreihe zum 3. Gebot
**s. R. Feldmeier, H. Spieckermann, Der Gott der Lebendigen Eine biblische Gotteslehre, 2011, S. 85
***vgl. Prediger 9,7
****vgl. Joh.7,37;19,34