Lichtsignal der Liebe - Predigt zu Epheser 5,1-2.8-9 von Markus Kreis
Du musst dein Leben ändern! Das klingt vertraut. Vor Corona hat der Satz mal was Gutes bedeutet. Du musst dein Leben ändern – das hieß: Mach was aus Dir! Mach mehr aus Dir! Sei mehr als ein Herdentier, verbessere Dich!
Das war nicht nur mit Freude und Spaß verbunden, dies Gute. Das kostete auch Kraft und Zeit. War langweilig, oft das Gleiche. Stures Üben, bis alles richtig saß. Zumindest nach eigenem Ermessen. Nerventötend statt erfrischend. Nicht nur spannend, auch aufreibend. Teils von Erfolg gekrönt. Teils musste schon der Versuch als Erfolg herhalten. Du musst dein Leben ändern! Probieren war das mindeste. Aber das reichte meist, um das Ganze schließlich gut zu finden.
Mit Corona hat der Satz einen anderen Geschmack bekommen. Du musst dein Leben ändern! Ob du willst oder nicht. Das Muss ist jetzt ein echtes Muss. Und kein Darf oder Kann oder Könnte. Zwang ohne Wahl, das stand bis dahin nicht auf der Rechnung. Es hieß eher: Zwingen, das lass ich mich nur freiwillig. Letztendlich nur durch mich selbst. Und jetzt das!
Natürlich kann man so tun, als gäbe es einen Zwang von außen nicht. Es gibt sogar welche, die hingen am Gerät, die wurden schon beatmet. Und sie schaffen es trotzdem, diesen fremden Zwang aus ihrem Leben zu drängen. Was einer noch nicht erkrankten Person ja noch leichter fallen kann. Es gibt einige Leute, deren Leitsatz lautet: Du musst das Leben ändern - aber halt nicht Deines! Schlacken der Pubertät.
Und jetzt das! Corona hat das Leben verändert. Und es verändert weiter das Leben sehr vieler Menschen. Nähe und Distanz sind neu abzuwägen. Was ist das gute und richtige Maß? Mindestens zwei Meter Abstand? Immer mit Maske? Dabei nicht mehr als 15 Minuten zusammen sein? Ungelüftet schon gar nicht. Die Warn-App auf dem Smartphone? Wie kommen wir mit den neuen Zwängen gut zurecht?
1 So ahmt nun Gott nach als die geliebten Kinder 2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts. 9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Wandle in Gottes Liebe als Kind des Lichts, sagt unser Predigttext. Dann kommst Du mit neuen Zwängen zurecht. Freien Willens. So in Licht und Liebe wandeln, was heißt das?
Schwarz und Gelb, Schwarz und Gelb! Borussia Dortmund ist nicht gemeint. Auch nicht die Biene Maja. Es geht um ein Warnsignal. Zu finden in Werkhallen, geklebt auf schlecht einsehbare Stufen. Um so etwas wie eine Lichtschranke, die an Stanzpressen montiert ist. So nach dem Motto: Der Gerät schläft nie und macht dich kaputt - pass also auf.
Schwarz und Gelb, Schwarz und Gelb! Gemeint sind Licht und Finsternis. Beide treten irgendwie immer zusammen auf. Was war zuerst da? Die Henne? Oder das Ei? Die Bibel sagt in Genesis 1,1: die Finsternis. Andererseits war vor all dem schon Gott da. Und der wiederum hängt ja mit dem Licht zusammen. Also was jetzt?
Gewiss ist eines: Lichtsignale machen nur Sinn, wenn sie unterbrochen werden. Stellen Sie sich vor: Sie befinden sich nachts auf einem Schiff nahe der Küste. Ein Orkan peitscht Wellen, Regen und Wolken auf. Es ist so gut wie nichts zu sehen. Kentern droht, oder Auflaufen und Leck. Halt, da war was. Ein Licht? War das jetzt der Mond? Ein Stern? Oder der Strahl eines Leuchtturms? Wenn das Licht regelmäßig von bestimmter Stelle leuchtet, dann hofft man: Ah, das Licht eines Leuchtturms. Orientierung in Sicht.
Ein Lichtsignal ergibt also nur Sinn, wenn es wechselt mit Phasen der Finsternis. Oder mit anderen Kontrasten. Es ist also egal, was zuerst da war, Licht oder Finsternis. Hauptsache, dies eine Licht ist da. Ok, es gibt auch Irrlichter. Aber Lichtsignale richten sich nach einem Code mit Regeln. Und so lassen sie sich letztlich von Irrlichtern unterscheiden.
Gottes Liebe wirkt wie so ein Lichtsignal. Zusammen mit Finsternis. Oder auch mit Irrlichtern. Aber darin als eigenes Signal erkennbar. Auch wenn es manchmal nicht erkannt wird. Und Menschen Irrlichtern folgen. Oder der Finsternis, weil sie meinen: Alles ist Finsternis, es gibt kein Lichtsignal, das orientiert. Das nach Regeln codiert ist.
Gottes Liebe wirkt wie so ein Lichtsignal im Zusammenspiel mit Finsternis. Gottes Liebe richtet aus, orientiert trotz, mit und in der Finsternis. Gottes Liebe ruft nämlich Gegenliebe hervor, besitzt Bindungsmacht. Auch in die Finsternis.
Diese Wirkung beruht auf Information. Jedes nach Regeln codierte Lichtsignal übermittelt eine Botschaft. Wie zum Beispiel dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. S-O-S. Save our souls.
Auch Gottes Lichtcode wirkt so. Er signalisiert eine Botschaft. Und die sagt: Vergiss Dein Leben in Finsternis oder Irrlicht. Ich halte an Dir fest. Auch wenn Du mich und meine Liebe ausgeschlagen hast. Ich lass in Dir Neues entstehen. Ich mache Dich zu einem anderen Menschen. Auf dass Du selbst Neues entstehen lässt. In Dir und für Dich. In Dir und für andere.
Woher stammt die Information, dass Gott in und aus Liebe verändert? Laut Epheserbrief hängt das mit Christi Opfer zusammen. Genauer gesagt: Mit der Menschen Urteil über den Tod Jesu Christi. Viele sagten damals einerseits: Jesus, das ist eigentlich nur einer von vielen namenlosen Toten. Forget about it. Andere sagten: Jesus Christus, das ist der eine, der als Gekreuzigter bis heute lebendig Gottes schöpferische Liebe zeigt.
Und es gab die, die vom einen zum anderen Lager wechseln. Mal wie bei Saulus Paulus mehr Knall auf Fall. Oder mal langsam und widerständig, fast unmerklich wie bei Petrus – deshalb auch Fels genannt. Bei beiden gilt: ihr neues Urteil über Jesus, das bewog sie zu einer neuen Sicht auf ihr Leben. Und dazu, ihr Leben zu ändern. Solche Leute gibt seit über 2000 Jahren. Sie haben Information und Leben verkettet. Bis heute. Geheimnis des Glaubens.
Vorhin wurde gesagt: In der Pandemie sind Nähe und Distanz unabwägbar geworden. Und doch immer wieder neu abzuwägen. Die zwei Meter Abstand, die einzuhalten sind, die helfen nur begrenzt. Und auch das Wissen um die Kontaktzeit, die eingehalten werden sollte. Ebenso die Corona App.
So stellen sich weiter Fragen. Wie komme ich da zurecht? War ich zu übergriffig? In meinem Bedürfnis nach Nähe. War ich zu abweisend? In meinem Wunsch nach Distanz. Und oft ist man nicht nur auf eines der beiden abonniert. Einmal will man mehr Nähe, ein anderes Mal mehr Distanz.
Dabei wird nicht nur die eigene Initiative fraglich. Auch das, was mir geschieht, was Mitmenschen tun. Habe ich die mir gezeigte Abweisung zu Recht verdient? Oder verstehe ich es zu Recht als böse, von vorne herein so abgewiesen worden zu sein? Habe ich den mir angetanen Übergriff zu Recht verdient? Oder verstehe ich es zu Recht als böse, so angegangen worden zu sein?
Solche Fragen stellen sich weiter. Und auf sie stellen sich nicht unbedingt gleich stimmige Antworten ein. Neues braucht seine Zeit. Auch ein anderes Ich. Lichtsignale der Liebe hin oder her. Licht kennt schließlich auch eine Reisezeit.
Am Ende leuchtet es zu Güte und Gerechtigkeit. Was das neue Ich dabei so alles antworten kann. Den eigenen Wunsch nach Nähe sagen und dabeibleiben, auch wenn der andere widerstrebt. Den eigenen Wunsch nach Abstand zeigen, und im Lot bleiben, wenn der andere sich trotzdem nähert. Oder trotz der eigenen Wünsche dem Bedürfnis anderer Folge leisten.
Mit gutem Gewissen den Wunsch anderer nach Nähe abweisen. Oder es bereuen, wenn ich mich einem Nähewunsch anderer widersetzt habe. Mit gutem Gewissen den Wunsch anderer nach Distanz abweisen. Oder es bereuen, wenn ich mich trotz eines Abstandswunsches genähert habe. Oder dem eigenen Bedürfnis folgen, im Widerspruch zu den Wünschen anderer.
Manche Antwort wird sich als falsch darstellen. Viele Antworten als passend. Manche stumm gebliebene Antwort als richtig. Und bei einigen wird es gut und recht sein, dass sie nicht geäußert worden sind. Dank Gottes Liebe ist mit dem Unwägbaren gut zurechtzukommen.
Du musst dein Leben ändern. Dank Gott hat der Satz einen anderen Geschmack bekommen. Alles bekommt seine Zeit. Durch Gottes Liebe ein anderer Mensch geworden, lautet das dann in einem: Dein Wille geschehe. Danach richte ich mich aus: Gottes Lichtsignal im Schwarz und Gelb.
Mein neues Muss ist dann ein echtes Muss. Aus freiem Willen. Und kein Darf oder Kann oder Könnte. Ein Zwang ohne Zwang. Eine Wahl, die nur das eine will und sieht: Schwarz und Gelb. Schwarz und Gelb. Ist zu Gottes Lichtsignal der Liebe geworden. Das Entstehen von Neuem. In mir. Auch gegen mein Widerstreben. Mit der Zeit. Das steht in der Rechnung, die alleine zählt. Auf den Nacken von Gottes Liebe geschrieben. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Im Zuge der neuen Verhaltensregeln zwecks Eindämmung des Coronavirus kam es in meiner privaten und beruflichen Erfahrung zu oft nur schwelenden Konflikten im Leben, wenn Leute ihre Erwartungen an Distanz oder Nähe im Tun ihrer Mitmenschen nicht erfüllt sahen. Eines der Anzeichen der Wirkung des pandemiebedingten Veränderungsdrucks. Wobei dem sozial nicht unbekannten Druck neuerdings eine klare subjektiven oder objektive Prozess- und Zielvorstellung fehlt. Sozusagen blind vertraut werden muss, was vielen schwer fällt.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
(Gottes) Liebe in der Predigt zu paränetisieren statt sie zu moralisieren.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Bedeutung des Bilds vom Signalfeuer eines Leuchtturms für eine Schiffsbesatzung (Jonas?), die nachts in schwerer Sturmsee vor der Küste um gelingende Fahrt bzw. gegen das Scheitern kämpft. Darin eingeschlossen das Verständnis biblischer Texte und ihrer Kommunikation als codiertes Lichtsignal, also die physikalisch, technologische Metapher.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Mit der Website Blablameter lasse ich meine Schreibarbeit auf Verständlichkeit überprüfen. Im Erstentwurf erzielte ich sehr gute Werte. Das Coaching zeigte mir, dass mein Text trotzdem zu sehr in abstrakt reflektierender Sprache verfasst ist und schlug vor, nach Leitmetaphern zu suchen. Dem bin ich nach gegangen. Ebenso den Empfehlungen zur Streichung von Doppelungen etc.pp. Herzlichen Dank.
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Das neue Leben - Predigt zu Epheser 4,22-32 von Stephanie Höhner
Es regnet, als er aus der Haustür tritt und zum Fahrrad geht. Aber um jetzt noch die Regenhose von oben zu holen, bleibt keine Zeit mehr. Er ist eh schon spät dran. Also radelt er durch den Regen. Die Nässe zieht seine Beine hoch und der Regen tropft vom Helm in sein Gesicht. Hoffentlich habe ich noch eine Hose zum Wechseln im Büro, denkt er, als er durch eine Pfütze fährt und das Wasser an seinen Hosenbeinen hochspritzt.
Deshalb sollt ihr den alten Menschen ablegen, denn er entspricht der früheren Lebensweise.
Er wird zugrunde gehen aufgrund seiner trügerischen Lust.
Aber die alte Lebensweise abzulegen ist so viel leichter gesagt als getan. Jeden Tag kämpfe ich gegen die trügerische Lust der Bequemlichkeit, weil es einfacher ist, bei den großen Ketten einzukaufen als mühsam Internetseiten mit fair gehandelter Kleidung zu suchen und dann noch etwas zu finden, dass nicht dem Klischee von Ökomode entspricht.
Jeden Tag kämpfe ich gegen die trügerische Lust des Schönredens, dass diese eine kurze Autofahrt das Weltklima auch nicht retten wird und der schnelle Einkauf im Supermarkt keinen Bauern die Existenz kostet.
Jeden Tag kämpfe ich gegen die trügerische Lust der Verdrängung an, weil ich ja längst weiß, dass es aber so ist, weil eben jeder so denkt. Deswegen verdienen Näherinnen in Bangladesch (und Äthiopien) ein paar Cent für 12 Stunden Arbeit am Tag, werden Flüsse zu braunstinkenden Kloaken und überdüngen Landwirte ihre Felder, damit sie am Ende des Monats auch noch Geld zum Leben haben.
So gerne möchte ich das Alte ablegen und hoffen, dass es wahr wird:
Lasst euch stattdessen dadurch erneuern, dass der Heilige Geist in eurem Verstand wirkt.
Und zieht den neuen Menschen an wie ein neues Kleid.
Wie ein neues Kleid, für das die Näherin einen fairen Lohn bekommt und das mich mit Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit kleidet. Dann werde ich ein neuer Mensch sein.
Denn er ist nach Gottes Bild geschaffen und dadurch fähig zu wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Deshalb sollt ihr die Lüge ablegen und »jeder soll seinem Nächsten die Wahrheit sagen«.
Deshalb will ich die Lügen vor mir selbst ablegen, die mir einreden, dass ich noch mehr brauche, dass ich noch mehr machen kann, damit ich dem Trugbild meiner Selbst näher komme. Ich will die Lüge in mir ablegen, doch keine Lügnerin zu sein, weder mir selbst gegenüber noch Gott. Ich denke doch alles gerade heraus. Die Lügner, das sind die anderen. Und damit sitze ich meiner eigenen Lüge auf.
Deshalb will ich sie ablegen, die Lüge.
Denn wir alle sind Glieder am Leib von Christus.
»Euer Zorn soll nicht dazu führen, dass ihr Schuld auf euch ladet!«
Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.
Gebt dem Teufel keinen Raum zum Wirken!
Aber der Zorn überfällt mich hinterrücks, weil es so viel gibt, das mich zornig macht. Die Europäische Union, die tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt. Der brasilianische Präsident, der Hektar um Hektar Regenwald roden lässt. Die S-Bahn, die sich verspätet. Die blöde Bemerkung eines Kollegen. Meine Hilflosigkeit, dass in dieser Welt so viel schief läuft. Der Zorn besorgter Menschen, die sich nicht gesehen fühlen, sich aber lauthals Gehör verschaffen. Mein Zorn, der ins Leere läuft.
Ich sehe die Sonne über meiner Hilflosigkeit untergehen, über mein Schweigen in dieser Welt. Ist es da besser, wenn ich mich daran halte:
Kein böses Wort soll über eure Lippen kommen. Vielmehr sollt ihr stets ein gutes Wort haben, um jemanden aufzubauen, wenn es nötig ist.
Ein freundliches Lächeln für die drängelnde Frau in der Kassenschlange.
Ein Taschentuch für den Freund mit Liebeskummer.
Eine zupackende Hand für die Freundin, die ihre Stelle verloren hat.
Eine offene Kirche mit Kerzen.
Ein offenes Ohr für die alternde Mutter, die sich am Telefon beschwert.
Eine extra Portion Zeit für die Schüler, die ihren Kummer rauslassen wollen.
Eine Münze für den Pappbecher, der vor dem Mann neben Edeka steht.
Ein Abend mit Film und „über-alte-Zeiten-Reden“ für den Freund, den man viel zu selten sieht.
Eine offene Kirche mit Kerzen.
Ein „Wir schaffen das“ für die Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Leben sind.
Dann bringt dieses Wort denen Gnade, die es hören.
Kränkt nicht Gottes Heiligen Geist, der euch als Siegel aufgedrückt wurde. So kennzeichnet uns Gott für den Tag der endgültigen Erlösung.
Alle Erbitterung, Wut, Zorn, lautstarke Auseinandersetzungen und Verleumdungen sollen euch fernliegen – und damit auch alle Bosheit.
Ich höre die alten Worte, sie treffen mich heute ins Herz. Sie sind richtig, viel zu richtig, und darum so schwer. Ich habe Angst, zu scheitern. Ich habe Angst, dem Anspruch nicht gerecht zu werden und nackt da zu stehen am Tag der endgültigen Erlösung. Vielleicht habe ich mich stets bemüht, aber ob das reicht, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, was überhaupt reicht für den Tag der endgültigen Erlösung.
Das bleibt ein Rätsel mein Leben lang.
Auch wenn es viel ist, zu viel für mich und mein kleines Herz, in das ich so will packen will, aber das nicht alles aushält, was ich ihm auflade – auch wenn es zu viel ist, diese alten Worte, die mich heute treffen, ist da etwas, das mich antreibt, es zu versuchen. Es ist die Sehnsucht, dass wir alle es versuchen und vielleicht wird es dann einmal ganz leicht sein und es wird sich erfüllen:
Seid vielmehr gütig und barmherzig zueinander. Vergebt einander,wie Gott euch durch Christus vergeben hat.
Amen.
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15.08.2021 - 11. So. n. Trinitatis
13.05.2021 - Christi Himmelfahrt
18.10.2020 - 19. So. nach Trinitatis
Im Glauben eingewurzelt – Predigt zu Epheser 3,14-21 von Markus Nietzke
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
I.
Ganz behutsam geht der Gärtner vor. Erst werden die Wurzelballen der jungen Tomatenpflanzen mit ein wenig Wasser berieselt, sonst werden die Blätter nass – und das schadet, wie jedermann weiß, Tomatenpflanzen sehr. Sie sind handverlesen, jede einzelne Pflanze. Er schaut sie noch einmal prüfend an. Es gefällt ihm, was er sieht. Sie sind gut angewachsen. Dann stellt er sie vorsichtig neben die Pflanzenlöcher. Gut 30 cm sind sie tief, 60 cm breit auseinander platziert, längs etwa 1 m auseinander, damit die Pflanzen gut der Sonne entgegen in die Höhe wachsen können. Die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe sind aufeinander abgestimmt. Ein bisschen gehackte Brennnesseln und Komposterde wird um die Pflanze gelegt. Mit den Händen formt der Gärtner ein kleines Becken, damit das Gießwasser und Regenwasser direkt zum Stiel geleitet werden können. Dann wird die Pflanze ein wenig angedrückt.
II.
Eingewurzelt werden, damit sich eine Pflanze gut entwickeln kann, mit diesem Bild haben wir einen Schlüssel zum Verstehen des Wortes aus der Heiligen Schrift als Predigttext für diesen Tag. Im Glauben und in der Liebe von Jesus Christus zu uns Menschen eingewurzelt werden – wer möchte da nicht zustimmen und sich durch Gott reichlich beschenken lassen? Hört, was Gottes Wort dazu sagt: „17…ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, 18 damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft…“ heißt es im Brief an die Christen in Ephesus. Ephesus, die große, berühmte Stadt am Meer mit 200 000 Einwohnern zur Zeit des Apostels Paulus. Gegründet hatte die Gemeinde ein Missionar mit Namen Apollos. In Ephesus befand sich zu der Zeit eines der damaligen sieben Sehenswürdigkeiten oder Weltwunder für römische Touristen, der Tempel der Artemis. Um den Kult an diesem Tempel hatte es bereits Konflikte und Spannungen zwischen Juden, Christen und Verehrer der Diana der Epheser gegeben – diese spielen aber in diesem Brief keine ausschlaggebende Rolle. Lange und mehrfach hat der Apostel Paulus in Ephesus als Missionar gewirkt; einige Briefe von dort aus an die Christen in Kleinasien, an die Galater, Philipper, Korinther und Römer geschrieben, an Mitarbeiter wie Philemon – immer darauf bedacht, Gottes rechtfertigendes Handeln durch Jesus Christus an den Menschen deutlich zu machen. Seine klare Vorstellung davon, dass „17…Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne“ betont er in allen seinen Briefen ein ums andere Mal. Auch in diesem Brief. Nun wird dieses Thema entfaltet. Damit der Glaube in den Herzen der Gläubigen wohnen kann, muss er fest eingewurzelt werden. Dazu braucht es aber Gottes Kraft, Gottes Wirken und Gottes Gaben. Geistliche Gaben, die von Gott erbeten und geschenkt werden. Der Apostel betet für die Christen in Ephesus. „14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater…, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen“.
Eingewurzelt sein, das bringt jeder Pflanze Stabilität und Halt. Bei Tomatenpflanzen setzt ein Gärtner gerne Pflanzstäbe dazu. Durch die Wurzeln fließt und strömt der Pflanze zu, was sie zum Leben und Frucht bringen braucht. Am Stab gehalten entwickeln sie sich und bringen viel Frucht. Ganz ähnlich sind Du und ich eingewurzelt in der Liebe, die uns Gott durch Jesus Christus schenkt. Durch das Wasser der Taufe werden unsere Glaubenswurzel getränkt. Gottes Liebe – verglichen mit der Sonne – wärmt uns und lässt uns aufwachsen, gedeihen und Frucht bringen. Am Kreuz orientieren wir uns, wie an einem Pflanzstab. Gott ist uns zugetan, wendet uns sein Herz zu, macht sich stark für uns, setzt vieles, sogar alles für uns ein. Darin hast Du halt. Davon kannst Du ein Leben lang zehren. Fest im Glauben eingewurzelt.
III.
Der Apostel betet für die Christen in Ephesus. Sagt er, schreibt er. Gewiss wird er es nicht nur gesagt und geschrieben haben. Sein Gebet für die Christen ist reine Fürbitte. Es gehört für ihn selbstverständlich dazu – wie es heute auch eine Aufgabe oder Pflicht für Pastorinnen und Pastoren sein kann, täglich oder immer wieder aufs Neue für ihre Gemeinden, Pfarrbezirke und ihre Kirche zu beten. Ganz in diesem Sinne, wie es Albert Schweitzer formulierte: „Gebete ändern nicht die Welt. Aber die Gebete ändern Menschen und Menschen ändern die Welt.“ Nicht, dass die Christen damals oder du und ich heute Nachhilfe in Sachen Glauben brauchen. Es gilt immer und immer wieder neu. Gottes geistgewirkte Gaben werden von ihm erbeten.
IV.
Der Apostel betet für die Christen in Ephesus. Für erwachsene Menschen, die sich des Ernstes der Lage durchaus bewusst sind: Ihr christlicher Glaube war gefährdet. Man sagt, es gab neue Lehren, neue Ansichten, was den Glauben anginge. Göttliche Geheimnisse, die nun nur noch einer Elite vorbehalten wären; Erlösung nur noch durch gewisse, meist philosophische oder spekulative Erkenntnisse – nichts also für jedermann! Die akute Sorge ist, dass die Christen dadurch in ihrem Glauben irre gemacht werden. Diese Sorge kann aber nicht durch ein gutes Referat oder mit schlagfertigen Argumenten beigekommen werden, sondern allein dadurch, dass Gott etwas Neues gibt: 16 Kraft… nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne.“
V.
Damals bedurfte es offenbar einer Vergewisserung, einer Ermutigung, sozusagen eines ‚Empowerment-Programms‘. Begründet wird alles, worum es in diesem Brief an die Christen in Ephesus geht, mit dieser Aussage: „4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet –;8 Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“
VI.
Der Inhalt der Fürbitte beruht auf einer Besonderheit: Die einigende Mitte war das Evangelium von Jesus Christus, bei allen kulturellen und ehemals religiösen Unterschieden in der christlichen Gemeinde. Das dieses gelingt, dass Menschen unterschiedlicher Prägung und Herkunft eine Gemeinde bilden können, ist erstaunlich. Eine Besonderheit. Eine Gabe. Gottes Gabe ist es, genaugenommen. Gebetet wird um die Gabe der Kraft, im Heiligen Geist stark zu sein. Gebetet wird um die Gabe des Glaubens. Gebetet wird um die Gabe der Liebe. Gebetet wird um die Gabe der Erkenntnis und des Begreifens. Das sind Gaben, die jede Christin und jeder Christ gut gebrauchen können.
VII.
Die Liebe Gottes ist nämlich nicht nur einer gewissen Elite vorbehalten. Die Liebe Gottes lässt sich nicht spekulativ erschließen. Nein. Die Liebe Gottes wendet sich allen Menschen zu. Im kleinen, überschaubaren Raum des persönlichen Lebens. In einer christlichen Gemeinde. Und dies, obwohl vieles in der Welt ganz und gar nicht nach solcher Liebe aussieht. Das Kreuz und der Tod Jesu zeigen überdeutlich, dass es mit der Liebe auf der Welt nicht weit her ist. Aber das, was am Kreuz geschieht, macht es umso deutlicher, was die Liebe Gottes alles vermag. Jesus kommt in die Wirklichkeit unseres Lebens und nimmt uns mit in seine Wirklichkeit. Ein plausibler Grund für die Himmelfahrt Christi: Er geht schon dorthin, wohin wir noch kommen werden. Der Apostel betet, „18 damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt.“
Dies erkennen, oder besser gesagt, dieses zu begreifen, wäre eine Gabe Gottes, des Heiligen Geistes, die wir bis heute ebenfalls erbitten können. Als Pastorinnen und Pastoren für die uns anvertrauten Menschen, als Gemeindeglieder für unsere Mitchristen und last but not least gemeinsam auch für die Menschen, die bisher nicht in das Lob Gottes einstimmen mögen, nicht mehr können oder wollen oder meinen, es nicht zu brauchen.
VIII.
Weil er um die Nöte der Christen weiß, schreibt der Apostel den Ephesern. Aber nicht nur das. Er betet auch für sie. Für den Apostel ergibt das einen Sinn: „14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat“.
IX.
Wir können das auch tun. Zu Gott kommen und beten. Für uns und für andere Menschen, dass sie in der Liebe Jesu und im Glauben eingewurzelt werden.
X.
Eingewurzelt werden bedarf eine gewissen Sorgfalt und der Fürsorge. Im Glauben, wie im echten Leben. Das sorgfältige einpflanzen von Tomatenpflanzen, so tief wie möglich, dient dazu, damit sogar die kleinen, weißen Härchen am Stiel noch kleine Wurzeln bilden können. Es trägt dazu bei, dass die Pflanzen sich gut einwurzeln können. Deswegen gibt sich der Gärtner große Mühe damit. Er spürt die Wärme der Nachmittagssonne auf seiner Haut. Die jungen Tomatenpflanzen haben schon einen leichten Duft, den er genießerisch einatmet. „Ja, so kann es was werden“ denkt er, „ich will es jedenfalls hoffen.“
Benutzte Literatur:
Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe I. Plus. Jüdische Theologinnen und Theologen legen die Bibel aus: die neuen alttestamentlichen Texte der Reihe 1. Herausgegeben von Studium in Israel e.V., Berlin, 2018.
BERGER, Klaus: Kommentar zum Neuen Testaments. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2011
HOULDEN, J.H.: Paul`s Letters from Prison. Philippians, Colossians, Philemon and Ephesians. PNTC. Harmonsworth, Penguin Books, 1970.
VOIGT, Gottfried: Das heilige Volk. Homiletische Auslegung der Predigttexte der Reihe II. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1979.
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Die Fürbitte schützt vor Allmachtsphantasien – Predigt zu Epheser 3,14-21 von Heinz Behrends
Sie haben jeden Morgen gemeinsam für andere gebetet. Sie haben die Namen genannt der Menschen, von denen sie wussten, dass sie krank sind oder sich um ihre Kinder sorgen. Und die Losung haben sie dazu gelesen. Aber jetzt sitzt sie ratlos an seinem Bett im Krankenhaus. Der Arzt ist gerade da gewesen. Er hat die schlechte Nachricht überbracht. Prostata. Heilung ist nicht in Sicht, hat er gesagt. Nun fühlt sie sich wie herausgeschossen aus einem sicheren Leben von 36 Ehejahren. Einen Schrei zu Gott, nein, sie bleibt stumm. Eine Bitte? „Herr, hilf“. Geht nicht mehr. Es scheint niemand mehr zu hören. Beten aus leerem Herzen geht nicht. Für andere beten in guten Zeiten, das ging. Jetzt ist sie sprachlos. Nicht mal wütend ist sie auf Gott. Sie geht in die Krankenhaus-Kapelle, es ist eine katholische Klinik. Ein großer Raum, Kerzen brennen, von hilfesuchenden Betern entzündet. Unter der Decke hängt eine sogenannte Installation eines Künstlers. Spruchbänder in gelb-weiß hängen herab: „Du und ich“ steht drauf. Sorge dich nicht. Runterreißen könnte sie sie. Wie soll man in diesem Raum keine Sorge haben! Vorne links der Seitenaltar mit der großen Statue. Maria mit ihrem Schutzmantel. Maria. „Gottesmutter, bete für uns“, steht da. Damit kann sie als Protestantin nichts anfangen. Sie fühlt sich als säße sie in einem still gelegten Bahnhofsrestaurant, in dem niemand mehr bedient. Ringsherum 10 Leidensstationen Christi auf dem Weg zum Kreuz. Das geht schon eher. Der leidende Gott. Der versteht mich. Aber hilft er auch? Warten ohne noch etwas zu erwarten, das ist die totale Leere und Ratlosigkeit.
Die Nachricht vom Leid ihres Mannes spricht sich schnell herum. „Wir beten für ihn“, sagen manche. Sie hört das sehr unterschiedlich. Manchmal als Floskel, manchmal treibt es ihr die Tränen in die Augen. Ob ihn das gesund macht? Aber es tut gut. Andere bringen ihren Mann vor Gott, was sie selbst im Augenblick nicht kann. Nun berichtet sie allen, die für ihn beten, alle paar Tage, wie es ihrem Mann geht, damit ihr Gebet konkret ist. Eine Adress-Datei in ihrem email-Ordner mit vielen Namen. Eine Verbundenheit wächst ohne Floskeln, unaufdringlich. Das ist die Kraft der Fürbitte.
Christian bekam mit 5 Leukämie. Drei Tage nach der Diagnose mußte sein Vater -noch völlig gelähmt von der bedrohlichen Situation- in der großen Innenstadtkirche über die Heilung des Gelähmten predigen. Die Geschichte, in der vier Männer ihren gelähmten Freund zu Jesus tragen, ihn sogar wegen der verstopften Türen durchs Dach lassen. Da heißt es „Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er: Steh auf. Du bist gesund.“
Wenn ich selber nicht mehr kann, nicht mehr gehen, nicht mehr beten kann, dann sind da vier Andere, die glauben und sprechen für mich. Die Pfarrfamilie versucht, die zwei Jahre Therapie gemeinsam durchzustehen. Bei einem Partnerschaftsbesuch einer Kathedrale in England erzählen die ökumenischen Freunde: „Wir haben in unserem evening prayer, unserem Abendgebet, jeden Abend für Christian namentlich gebetet“. Zum ersten Mal mußte der Vater, der Seelsorger, hemmungslos weinen. Es löste sich so viel an Anspannung. Menschen hatten sich, ohne davon Aufhebens zu machen, verbunden mit seiner Familie im Gebet. Eine Schlüsselerfahrung mit der Fürbitte.
Die Kraft der Fürbitte. Sie vertreibt die Krankheit nicht, aber sie schafft Verbundenheit, andere bringen mich wieder zu Gott zurück.
Von der Kraft der Fürbitte spricht der Apostel im Brief an die Epheser. Aber nicht von der persönlichen Fürbitte in Krankheit. Er betet für die Gemeinde.
„Dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist am inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt seid.“
Er betet nicht: Gott, schenke Frieden für die Welt. Bittet Gott nicht um das, was ihr selber tun müsst. Also nicht: lass Frieden in Syrien werden. Das müssen Menschen hinkriegen. Oder: Bewahre die Schöpfung. Nein, das ist konkrete Alltagsaufgabe eines jeden Menschen. Lass die Kirche nicht um sich selber kreisen. Nein, das ist in die Verantwortung von Menschen vor Ort gegeben.
Die Fürbitte des Apostels für die Gemeinde geht tiefer. Ich bitte, „dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne“. Glaube in euch wohne. Christus ist euer Mitbewohner. Kein Hausbesetzer, kein Gast, der wieder geht, kein Mieter mit Kündigungsfrist. Eine Wohngemeinschaft seid ihr. Wenn Christus durch den Glauben in Euren Herzen wohnt, dann seid Ihr in ständigem Miteinander von einem Vertrauen getragen.
Ich bete für euch, dass ihr in der Liebe verwurzelt seid. Nicht Liebe in euch verwurzelt, sondern ihr in der Liebe. Wie ein großer Garten voller Blumen, rot und gelb und blau ist das Feld der Liebe, mittendrin ihr, DU, verwurzelt. Und sie wächst. Das ist seine Fürbitte. O Gott, wie weit bleiben wir dahinter zurück! Wie nötig das Gebet.
Glaube und Liebe. Großmutter und Großvater nehmen ihr Enkelkind mit zu einer Hochzeitsfeier. Paula ist 18 Monate alt. Sie wollen ihre alleinerziehende Tochter entlasten. Es gibt ein langes 4-Gänge-Menue, es werden Reden gehalten, es wird getanzt. Die Kleine läßt sich durch nichts stören. Sie hat gegessen, wenn sie Hunger hatte, auf dem Boden versonnen gespielt, gewippt zu der Musik von Akkordeon und Klarinette, geschlafen auf dem Schoß der Großmutter, durch den Saal gerannt, die Fremden fröhlich angeschaut. Von mittags bis abends mitten dabei. Unkompliziert. „Das muss ein Kind der Liebe sein“, sagt beim Abschied die Braut. Sie ist in einem Garten der Liebe aufgewachsen. Ja, wenn das Vertrauen in mir wohnt und ich in der Liebe verwurzelt bin, kann ich einfach dabei sein. Es muss nicht schreien: „Das will ich aber haben.“ Sich nicht durch Ungezogenheiten Aufmerksamkeiten verschaffen.
„Ihr werdet die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr werdet erfüllt mit der ganzen Gottesfülle.“ Menschen unserer Tage sind nicht erfüllt, sondern abgefüllt. Mit schlechten Nachrichten, mit Belanglosigkeiten des Fernsehens, mit der unruhigen Hast nach Erlebnissen. Die Lehrer der Meditation lehren uns, dass ich mich entleeren muss, ehe ich erfüllt werde.
Wie kann man so beten? Die Antwort des Apostels steht am Anfang: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater.“ Ich gehe in die Knie angesichts meines Unglaubens. Wovor beuge ich meine Knie? In den letzten Jahren geht unsere Kultur vor der Finanzwelt in die Knie. Geht in die Knie vor den Machtgebaren der neuen Diktatoren, vor dem neu erwachten Nationalismus, den Mauerbauern, den Besserwissern. Willy Brandt hat in Warschau vor dem Mahnmal gekniet und damit Versöhnung ausgelöst.
Ich beuge meine Knie vor Gott, meinem Vater. Ich schaue von mir weg. Gebe mein Leben in seine Hand. Demut vor Gott als Lebenshaltung. Ich muss nicht um jeden Preis um meine Selbstbestimmtheit kämpfen, Meine Souveränität ist, dass ich auf meine Souveränität verzichten kann.
Das alles bittet er für die Gemeinde. Bitter nötig haben wir das: Betet für den Glauben und die Liebe in der Gemeinde, für die Kirche, denn kostbar ist sie.
Was wäre, wenn es die Kirche nicht gäbe. Es gäbe keine Räume der Stille. Es gäbe keinen Raum, in dem die Wörter wie Barmherzigkeit Seligkeit, Nächstenliebe, Gnade ihren Platz haben. Die Poesie der Psalmen hätte keine Heimat mehr. Es gäbe keinen Ort mehr, in dem die Namen der Toten genannt werden. Keine Ort, in dem Glocken läuten und Chöre singen. Keine Haltestellen mehr für die Seele. Darum gut, für die Kirche zu beten.
Die Fürbitte verbindet mich mit dem, für den ich bete. Die Kraft der Fürbitte. Sie macht nicht gesund, aber sie bringt uns zu Gott zurück. Sie schützt mich vor Allmachtsphantasien und Macht-Ansprüchen. Sie zeigt mir meine Bedürftigkeit.
Der Apostel betet für die bedürftige Gemeinde. Das rührt mich an wie die Fürbitte in der Kathedrale in Bristol den Vater anrührt.
So schließt das Gebet des Apostels dann auch: „Dann gibt er über das hinaus, was wir bitten, nach der Kraft, die in uns wirkt. Ihm sei allein die Ehre“. Nach der Kraft, die in uns wirkt.
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Liebe und tu, was du willst (Augustinus) - Predigt zu Epheser 3, 14-21 von Christine Hubka
In der Gemeinde in Ephesus ist ein Brief des Apostels eingetroffen.
Es ist Sonntagabend.
Die Gemeinde versammelt sich pünktlich zum Gottesdienst.
Einer der Ältesten beginnt, den Brief vorzulesen.
Alle hören aufmerksam zu.
Die Türe geht auf.
Leise schleicht der Sklave Sextus herein.
Sein Herr hat ihn heute länger arbeiten lassen.
Ohne zu unterbrechen liest der Älteste weiter:
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne. Und ihr seid in der Liebe eingewurzelt und gegründet, damit ihr mit allen Heiligen begreifen könnt, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen könnt, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet, bis ihr die ganze Fülle Gottes erlangt habt. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Sextus ist verwirrt. Er fragt: Deshalb? Um was geht es hier?
Was freut denn den Apostel so. Weshalb lobt er Gott so überschwänglich?
Der Vorleser hält inne und sagt: Christus hat ihm und uns ein großes Geheimnis offenbart: Zu seiner Kirche gehören alle, ohne Unterschied. Juden und Heiden. Du kannst es nachher selbst lesen.
Machen wir einen zeitlichen Sprung.
25 Jahre ist es her, dass in Südafrika das Apartheid Regime ein Ende fand. Nelson Mandela wurde der erste schwarze Präsident in einem Land mit mehrheitlich schwarzer Bevölkerung.
Nicht nur die Politik hat jahrzehntelang die Apartheid betrieben und durchgesetzt. Auch die niederländisch-reformierte Kirche in Südafrika hat die Apartheid gelebt. Menschen mit schwarzer Hautfarbe konnten nicht Mitglied werden in dieser Kirche. Der reformierte Weltbund hat damals die Konsequenz gezogen und nach vielen Diskussionen und Ermahnungen die Mitgliedschaft dieser Apartheid-Kirche ruhend gestellt.
Der reformierte Weltbund hat wohl auch den Abschnitt aus dem Epheserbrief im Sinn gehabt, als sie die Entscheidung getroffen haben.
Im Schreiben nach Ephesus geht es zwar darum, dass nicht nur Juden sondern auch Heiden zur Kirche Jesu Christi gehören. Aber der Sinn ist schon klar:
In der Gemeinde muss Platz für alle sein.
Egal, wer sie im bürgerlichen Leben sind, was sie in der Gesellschaft darstellen, welche Lebensgeschichte sie haben. Damals: Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Frauen und Männer. Die Umwelt fand das damals ziemlich skandalös.
Heute: Schwarze und Weiße. Arme und Reiche. Menschen mit und ohne Behinderung. Mit oder ohne Vorstrafe.
Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen. Also kurz gesagt: Wer immer da sein mag, ist willkommen. Und welche Gewohnheiten und Gebräuche er oder sie mitbringt, hat keine Rolle zu spielen. Auch heute befindet sich Kirche, wenn sie das lebt, im Gegensatz zur aktuellen Umwelt.
Es ist uns nicht überliefert, ob alle damals in Ephesus so begeistert von dieser Erkenntnis waren wie der Briefschreiber.
Denn die jüdischen Mitglieder der Gemeinde haben die Gebräuche und Gewohnheiten der heidnischen Dazukömmlinge einfach schrecklich gefunden: Die haben zum Beispiel Hasenbraten gegessen. Für Menschen mit jüdischer Herkunft ein absolutes Tabu.
Sie haben Frauen die Hand gegeben, auch wenn die vielleicht gerade ihre Tage hatten. Und … und … und.
Auch heute sind in unserer Kirche nicht alle einverstanden, dass auch gleichgeschlechtliche Paare in einer kirchlichen Feier Gottes Segen zugesprochen bekommen.
Kirche und Gemeinde sind immer auch ein Teil der Gesellschaft. Kirche als Gemeinschaft bildet ja auch immer die ganze Gesellschaft mit all ihren Standpunkten und Meinungen ab.
Kirche ist nicht anders und schon gar nicht besser als die Umgebung, in der sie zu Hause ist. Das ist übrigens eine Ansicht, die typisch evangelisch ist. Andere Kirchen haben ein völlig anderes Selbstverständnis.
Mir scheint aber, der Apostel rechnet damit, dass nicht alle begeistert sein werden von dieser Erkenntnis, dass alle wirklich alle, dazu gehören. Sonst würde er nachdem er seine Freude so überschwänglich ausgedrückt hat, nicht beten:
dass Gott euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne.
Er scheint auch damit zu rechnen, dass diejenigen,
die sich als offen und weitherzig erweisen, sich damit brüsten könnten: Schaut her, wie fortschrittlich und tolerant wir sind. Diesen Leuten ruft er zu: Ihr seid in der Liebe eingewurzelt.
Im Klartext heißt das für mich:
Wenn du auch Menschen die Hand gibst, die Hasenbraten essen, hat das nichts damit zu tun, dass du so großartig und tolerant bist. Du gibst ja nur weiter, was du zuvor selbst empfangen und empfunden hast: Christus hat dich liebevoll aufgenommen. Dich - mit all deinen Ecken und Kanten. Er hat deine Füße auf weiten Raum gestellt.
Darum hast du gar nicht das Recht, es anderen eng zu machen. Er schenkt dir jeden Tag einen neuen Anfang und fragt nicht nach gestern. Darum wäre es ein Verrat an der Liebe Christi, ein Verrat an den Wurzeln deines Glaubens, anderen ihre Eigenart vorzuwerfen.
Es geht darum, zwischen Meinung und Mensch zu unterscheiden. Persönlichen Eigenheiten, die ich vielleicht echt wunderlich oder unangenehm finde, mag ich gerne ablehnen und mich von ihnen fernhalten. Die Würde der Person habe ich dennoch zu respektieren.
Es heißt ja nicht, dass auf einmal alle Hasenbraten essen müssen! Das behaupten diejenigen, die Angst und Abscheu schüren wollen.
Damals in Ephesus und heute.
Und wer auch immer den politischen Gegner verächtlich macht in Wort und Bild, verrät die Liebe Christi. Selbst wenn die Kritik an der politischen Linie ganz und gar berechtigt ist.
So verstehe ich diese Mahnung: Ihr seid in der Liebe eingewurzelt Erinnerung daran, dass auch ich mit meinen Eigenheiten angenommen und willkommen bin bei Gott und in der Gemeinde und niemand das Recht hat, mich deshalb zu verspotten oder zu erniedrigen.
Diese Wurzeln in der Liebe brauchen immer wieder neue Nahrung. Wie alles, was lebendig ist, was wächst und was lebt. Dass Gott uns mit seinem Wort nährt und erhält, dafür sei Lob und Preis in Ewigkeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.